wurzeln

„freude schöner götterfunken, tochter aus e-li-seom“ singen die zwillis morgens beim anziehen. ich habe mal wieder bentos gemacht für die schule, david hat immerhin einen saft getrunken zum frühstück, gregor käse mit olivenöl und balsamessig. vorm aufstehen sind sie nochmal kuscheln gekommen, 15 sekunden, dann sagen sie mir, ich solle heute mal wieder cornflakes einkaufen gehen.

so momente, an denen das entspannte und die gute laune der kinder, ihre bezogenheit, nicht mehr selbstverständlich sind, sondern mir sofort den tag versüssen, immer mal wieder an den von mme arboretum verlinkten beitrag zu den kriegsschäden, die auch in der kinder- und enkelgeneration noch ans licht kommen. ich weiss noch, wie ich das buch gar nicht lesen wollte, als es vor ein paar jahren erschien, weil ich meinen eltern für ihre art, familie zu leben, lieber weiterhin ein bisschen gram sein wollte, es lieber isoliert als deren eigenheit sehen wollte und auf begründungen und erklärungen wenig lust hatte. ich war mir  ganz früher vollkommen sicher, dass meine eine normale kindheit war und das meine bedürfnisse und das alleinsein damit mein eigenes und höchst privates problem seien, familie war einfach nicht lustig oder albern oder anregend oder warm, familie war stress und sehr viel form und schweigen. menschen, die gerne und viel zeit mit ihren eltern verbrachten, erschienen mir außergewöhnlich und ein bisschen strange, normalerweise gab es konflikte, funkstille und pflichtbesuche, diese liebeserklärungen an väter und mütter gab es nur im amerikanischen film. ich hab dann in den dreissigern begriffen, dass die liebe zu den eltern nicht außergewöhnlich ist, sie ist auch nichts aufregendes, sie ist solide basis einer komplexen beziehung, bei ziemlich vielen leuten. danach waren meine eltern eine weile persönlich für alles verantwortlich, erst diese studie hat mir gezeigt, dass all dieses nicht reden und nicht fragen und nicht fühlen können teil eines viel allgemeineren problems sein könnten. das war sogar auf der ganz tiefen emotionalen ebene ein bisschen befreiend, weil ich/das kind dann eben doch nicht selber daran schuld bin/ist, so uninteressant und unhübsch und eigentlich unexistent zu sein, andrerseits macht eine so allgemeine erklärung aber auch noch unsichtbarer im familienbild. der systemische ansatz ist halt auch eher unpersönlich.

die große echokammer.

der vorteil, in einer hinterfragenden zeit zu leben. ich kann es mir gar nicht vorstellen, so eindimensional leben zu müssen, halt, ich mache wieder den gleichen fehler: es waren nicht alle so ohne offene selbstzweifel, ohne autoironie, es gab bestimmt auch in den sechzigern eltern, die über sich lachen konnten, konflikte ohne autoritative kurzschlüsse und ohne dieses katastrophen-gefühl austrugen, dass die welt untergeht, wenn der mann mal nicht recht hat oder etwas anders als vom vater gewollt abläuft. es gab in den sechzigern jede menge auch fruchtbarer auseinandersetzungen, es gab feministinnen und studentenrevoluzzer und linke und antiautoritäre und hippies, es gab sie halt nicht in allen familien.

aber wir habens schon leichter im neuen jahrtausend.  in den medien finden sich soviele hinweise auf stolperstellen und warnschilder für erziehungsgeschichten, vom internet gar nicht zu reden, das war doch früher bestimmt anders – not? es ist eine huhn/ei-geschichte, es ist ja auch nicht so wichtig, das schwammige selbst, das diese fragen immer mal wieder stellt, das muss ich ja nicht reden lassen (man entkommt sich ja nur so halb).

diese notwendige wachsamkeit sich selber gegenüber, wie ich mich immer selber ertappt habe z.bsp. bei gewissen leeren gesichtsausdrücken, obwohl ich mich anders gefühlt habe, weil das kontroll- und verschlusssystem so tief in mich hineinreicht (ein elternteil aus täter-, einer aus eher opferfamilien stammend), das ist auch gesellschaftlicher konsens, heute sind ja alle verantwortlich (und nicht mehr schuldig), das ist nicht nur talent.

2 Gedanken zu „wurzeln“

  1. Nee, nee: Die Tür zur polnischen Oma, die mit 17 von den Deutschen zur Zwangsarbeit ins Schwäbische verschleppt wurde und später wegen ihrer beiden unehelichen Töchter nie zurück ging – die lass ich mal schön zu. (Was soll das mit mir zu tun haben? Ich mochte die eh nie besonders! Etc. pp.)

  2. eine ordentlich traurige geschichte hinter dieser tür, alle achtung. mochte sie sich denn selber, diese oma? obwohl, sowas weiss man ja nur selten von vorherigen generationen.

    (man kann sie ja auch irgendwann nicht mehr richtig aufmachen, die türen, wenn die menschen nicht mehr sind. diese studien wollten ja zeigen, dass die geschehnisse und gefühle auch dann noch ihr unwesen treiben. echter unheimlicher halloween-gedanke.)

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