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wimmelbild zum beginn der teenagerjahre. das ist der rest, das meiste haben die jungs selber auf diversen flohmärkten verhökert, da lag der schwerpunkt noch mehr auf dem geldverdienen. aber jetzt möchten sie tabula rasa machen, das zimmer soll leer von spielsachen sein, das neue kann man nicht mehr, noch nicht anfassen, es ist mehr raum als ding. es bleiben: ein eimer mit lego, einer mit bauklötzen, ein paar kuscheltiere, die neueren bücher und die gesellschaftsspiele.

um den übergang zu erleichtern, haben die zwillis den boden mit ihren gesamten schulsachen bedeckt, blätter, hefter (elende hefterwirtschaft in den schulen), kopien, leere und linierte blätter. sie gehören alle immer dem anderen.

 

false alarm

die sich vollkommen real anfühlende nähe zu jemandem, der auf sehr angenehme weise in meinen träumen aufgetaucht ist, obwohl wir uns nur übers netz kennen. als müsste ich morgens nur die hand ausstrecken.

die netzleute sind den träumen näher, dem strom der synapsen leichter zugänglich, es sind ja schon daten, sie sind verfügbarer, der traum muss da realität und symbol nicht neu zusammensetzen, so als sammlung von bild, text und ton ist der netizen ready-to-use, der echtmensch mehr ein ready-made. mein kopf sucht sich eine gestalt und braucht keine wirklichkeit, oder sie fehlt ihm jedenfalls nicht, er kann damit ganz leicht die eine geschichte bauen, die jetzt grade fehlt.

(tad williams in otherland, der dem internet per nervenstöpsel die sinnliche wahrnehmung dazuschrieb. deswegen fand ich die ipads zu groß am anfang, mein tablet-bild stammt aus diesen büchern)

(amelia, joni mitchell)

 

oktoberdruck

der 40. geburtstag von helden, eine party voll mit gesprächen und geschichten, leute, die ich und die sich seit jahren nicht gesehen haben, dazwischen stories von druckmaschinen („die 2-farben miller, die hatte oben noch so schrauben für die farbdichte, weisste noch?“ „ich kam nur wegen der gto“). ich hatte dort jobs und liebesgeschichten und ich kann vor einer frau dort immer noch auf die knie fallen, so toll finde ich sie, aber sie will sowas nicht, inzwischen ist sie dort vorständin und ihre tochter ist patin vom gregorzwilling. lsd war da und hat gelesen, eine band hat gespielt, das essen war erstklassig, die maschinen waren aus und dunkel in der nacht, wir haben drumrumgetanzt.

ich weiss noch wie der mann meines lebens damals, der dort drucker war, die blätter zum prüfen aus der riesigen druckmaschine rausgeholt hat, im overall, und mit einer eleganten drehung auf einen tisch geworfen hat, die blätter flogen in seine hände, das war ein richtig guter drucker, hat jemand auf der party über ihn gesagt, fand ich auch. auf seiner guzzi durfte ich auf einem toskanaurlaub mal fahren, weiß ich noch, und er hat mir gezeigt, wie man gaszüge wechselt. der war leider nicht da, hätte ihn nach all den jahren gern mal wieder gesehen, einen der schönsten und aufregendsten männer meines lebens.

40 jahre selbstverwaltete druckerei in berlin, mit phantasie, ideen, kämpfen und krediten und verhandlungen, mit grossen und kleinen kunden, und mit öko-audit. ich erinnere mich an den geruch der maschinen und wie man die hände mit kaffeesatz sauberbekam, nicaraguakaffee von der taz wurde da getrunken, es gab eine kantine und eine zeitlang jeden tag mittag für alle, auch die vegetarier, und seit 40 jahren gibt es gleichen lohn für alle. kann man nicht mehr nachmachen. glückwunsch und ein langes, langes leben wünsche ich, und ein paar richtig fette kunden.

 

luft raus

heute ist samstag, berlin. über sieben stunden auf der autobahn, kinder zanken viel, baustellen, ich glaube kein blitz. für den parkplatz vor der haustür hab ich vier versuche gebraucht. oder fünf? jetzt reiss ich mich zusammen fürs nettsein, klavierspielen, backhomegetobe und für das gewitzel der jungs. muss noch kochen, auspacken lieber morgen, blumen haben überlebt. einerseits toll, dass die familie noch einen tag hat vor dem alltag, andrerseits plain shice, dass ich die jungs noch einen weiteren tag an der backe habe nach 2 wochen ferien (das heisst keine schule, unter anderem) und den vier wochen durchgängig vaterloser zeiten davor. neues geschäftsmodell „fit für den teenie“ anbieten, 2-5 tage buchbar, allerdings 24/7, notfallnummer ist die des vaters? falls jemand noch nicht sicher ist. ich finde bestimmt auch mütter mit kleineren kindern, für die vielfalt. meine jungs sind super bei anderen! sie essen leider dauernd, allerdings auch mal tk-pizzen, dass sie die lieben ist kein erziehungsfehler sondern liegt an der höllennähe der tk-pizzenindustrie.

wiesn

es regnete in strömen. in der sbahn sassen lauter junge frauen im dirndl und jungs in lederhosen, 4 männer aus lettland, in lederhosen, angeregte unterhaltung. 2 mädchen, im dirndl, die sich diese flechtfrisuren flechten, dabei nicht reden, konzentriert. ihre sorgfalt. als ob! auf der wiesn also sehr, sehr viele menschen in tracht, es ist ausserdem alles viermal so gross wie erwartet.

meine riesige verblüffung, als ich auf der wiesn gar kein bier bekomme, weil es bier nur in diesen riesigen hallen gibt, in die man aber nicht reinkommt, gar nicht! ich hatte im zug noch so hin- und herüberlegt, um wieviel ich meinen üblichen halben liter trotz diabetes und vier kindern (ein gastkind war noch dabei) eventuell überschreiten dürfte (um nichts, klar, aber ich nutze die chance für ein paar phantasien, die sofort ins organische abrutschen, wohin soll man denn mehrere liter bier tun an so einem kühlen tag? was haben bayern für blasen?) – kein problem, kein risiko.

skyfall heisst das ding, auf dem die kinder fahren wollen. ich nütze die chance von leichtsinn in gesellschaft meiner kinder und stelle mich mit an, kaufe karten und bereue es ein bisschen, merke dann, das es genau so eine jahrmarktaufregung ist wie ganz früher und kanns voll geniessen, bis ich merke, dass die sitze unterm hintern nur bis zur hälfte der oberschenkel reichen, der rest bein schaukelt frei überm abgrund. „mach die augen zu“ sag ich zu david neben mir, der das mitfahren bereut plötzlich, während der ring nach oben gezogen wird, 80m, so hoch wie ein sequoia, denke ich und schaue auf den jahrmarkt und die stadt, wie immer bin ich zu kontrolliert für angst, gucke aber natürlich nicht senkrecht nach unten, zu irgendwas muss die lebenserfahrung ja gut sein, als der ring oben kurz anhält, denke ich aber doch: notfalls sterben wir zusammen. dann der freie fall, aber der ist zu kurz, um die panik zu überwinden, und die erfahrung zu geniessen, ich merke, wie sich mein gesicht verzieht in etwas, was man auf diesen geisterbahnbildern sehen kann, ich fletsche die zähne und reisse die augen auf, ich kann gar nicht anders, es dauert ewig und ist wirklich, wirklich aufregend. ich denke noch: gleich, gleich bremst das ding, tut es dann auch, sehr sanft, sehr lange paar sekunden, die kurze scham, eine grenzerfahrung auf eine so berechenbare art gemacht zu haben, dann entspannung, weil: es ist so zeitgemäss masslos, so entlarvend grössenwahnsinnig, es umgeht die persona und greift direkt ins ZNS, klar dass es spass bringt. kinder aufgeregt und glûcklich, also weiter!

die achterbahn hab ich dann auch noch mitgemacht, eine mit 5 loopings, das herumwirbeln ist sehr endorphinös und ja, es ist wirklich wie eine komplette liebesgeschichte, nur ohne das ende, man steigt aus, der körper wird glücklich und alles wird leicht ein paar minuten lang. wobei, als die wagen sich in schräglage in diese engen überschläge legen, nochmal und nochmal, da freut man sich schon über die fliehkraft und schickt ein stossgebet an den stahl und die mechanik, für mehr ist keine zeit, aber danach ist immerhin der regen egal. die jungs machen noch haut den lukas und sterneschiessen und kaufen sich zuckermandeln und kleine herzen, ja, gibt es immernoch, ist zeitlos, nein, sie haben den lukas nicht richtig hochgekriegt mit 14 und 15 jahren, waren aber beeindruckt. erinnerungen schaffen, sagt der grosse: „daran werde ich mich erinnern später“, ach, ihr metaboliden.

auf dem langen sbahn- heimweg mit einem alten bayerischen paar in der vierersitzgruppe, er in loden, sie in einem eleganten alten wetterschutz aus irgendwas organischem, david schwärmt von seiner skyfall-erfahrung, die dame lächelt, weil es klar eine erste erfahrung war, die da aus dem kind heraussprudelt, relativ wohlformuliert („dann war ich mir kurz nicht mehr so sicher, aber fürs aussteigen war es zu spät“), während mir von den anden drei jungen die frage nach dem abendessen gestellt wird. „es gibt filet, butterkartoffeln und salat“, sage ich und nutze die chance fûr den satz „aber ihr müsst erst noch mit den hunden raus“. leider hat gregor kurz vorm aussteigen noch den eminem geben müssen, dabei hat elias ihm die schnürsenkel zusammenbinden können, so dass wir die bahn nicht vollkommen souverän verlassen konnten.

(fünf tage krank mit dauerhusten bei sonne, dann gesund und dauerregen, pffff) (die jammerzeilen über krankheit mit alleinerziehen, drei kindern, zwei hunden und zwei katzen lass ich jetzt, weil ihr euch das ja auch vorstellen könnt, #10jahre)

 

idyllen

 

eher dankbar grade. total verschnupft (folgen der kita-aushilfe von letzter woche) und mit dauerhusten, aber das alles kommt nicht an gegen die schönheit dieses ortes. bayern hat schon einiges zu bieten. es ist einer der seen aus der fünf-seen-gegend, mit hellgrünem, klarem wasser, ich sitze auf einem kleinen steg an einem tisch in der sonne, gucke ins schilf, man hört ein bisschen wind und ein paar kuhglocken, glaube ich, oder es sind warnglocken für irgendetwas, das ich übersehen habe. meine tante vermietet das obere stockwerk an feriengäste, ein riesiges zimmer mit balkon zum see, ein kleines zimmer mit zwei betten, küche und bad, es gibt wlan, vom frühjahr bis herbst kann man direkt in den see hopsen, jetzt tun das nur noch meine kinder, nicht alle freiwillig. nur als empfehlung, im winter gibt es noch vacancy, für frühling/sommer muss man sich schon beeilen, glaube ich. münchen ist per auto- und s-bahn in einer stunde zu erreichen, aber starnberg, herrsching und andechs sind viel näher.

 

wir essen hier mehr als in berlin, allein die brotauswahl beim bäcker ist vollkommen überraschend (das ist also dieses deutsche brot, von dem immer alle so schwärmen, sagt die italienerin in mir) und es ist nicht nur eines gut und die anderen preiswert, sie schmecken und duften alle anders und sind nach mir unbekannten dingen, menschen und orten aus der gegend benannt. wir könnten nur brote essen, warm mit butter, aber dann müssten wir auf die kartoffeln, kürbisse und steaks vom bauern verzichten. die leute sind wohlhabend, gut gekleidet und sie fahren teure autos (schon wieder'n porsche, sagen die kinder nur noch) und sie sind sehr freundlich. macht einen fertig.

 

frage mich, ob die see-typen eine eigene art sind oder eher eine untergattung der meer- oder bergmenschen. ich bin der meertyp, die see macht mich sofort glücklicher, nicht nur wegen der freiheit der projektionen, glaube ich. es ist ein zutiefst anderer lebensraum, nicht wie der berg aufregend mit einen steigerungen, mehr extremen, höher, luftärmer, steiler und kälter als das platte land, sondern anders auf eine nur vorstellbare, nicht erlebbare weise. (ist hier grad wie smalltalk auf der parkbank an der seepromenade, gell? hach.) weiss noch das gefühl damals über diesem pazifikknick, 3000 meter lebensraum unter dir, nicht lebensfeindlich, nur nicht menschentauglich, was ihm natürlich auch nicht hilft. der see ist die kleine version davon, seine landschaftlichen reize immer nur teil einer jahrhundertealten zivilisatorischen geschichte, der see ist eher zahm, man kann ihn und seine geschichte kennen, und (leise summend ab)

 

gestern eine miniwanderung zur pähler schlucht unternommen, leider sind wir etwas lädiert wg schnuppen und einem genähten fuss beim großen. kann ich bei einer donati-naht die fäden selber ziehen? der chirurg meinte: naja, wenn der faden verschwindet, müssen wir den fuss wieder aufmachen, um den faden zu suchen.

ein richtiger abenteuerweg, ein schmaler unbefestigter pfad, bei dem man über viele übereinandergefallene bäume kletten muss, ein paar mal über glitschige steine und totholz über den kleinen fluss, um dann nach vielleicht einer stunde an einem wasserfall anzukommen, der über 16m vom rand der schlucht nach unten fällt. kinder waren begeistert, hund auch, ich musste erst nach den schnellen reflexen von früher suchen, um so herumhüpfen zu können. es ist nicht ganz gelungen, die jungs haben mir die hand gereicht und mir stöcke gesucht, ich hab nur einmal einen schuh versenkt.

 

morgen oktoberfest, mein erstes seit ich glaube '87.