kinder.

helfe gelegentlich im kindergarten aus, in dem meine söhne waren, und mit deren erzieherinnen ich seitdem befreundet bin. gleich wieder dieser kleinkindflash, die totale offenheit von ganz kleinen kindern in körpereinheit mit ihrem nichtkönnen von alltagsdingen, essen! es ist sooo lustig, wenn sie tomatenpasta essen, sie packen die nudeln aufs besteck, machen aber den mund nicht weit genug auf oder treffen ihn nicht richtig, alles mit höchster konzentration, dann machen sies nochmal, und nochmal, ungerührt. sie freuen sich über alles, so leicht wie sie weinen, das lachen, kichern, gackern, der ungeheuere lärmpegel von all den 1-4  jährigen, wie sie sich ins zuhören fallen lassen können mit großen augen, obwohl sie die bücher schon dutzendfach gehört haben, die leseratten, die immer ein buch bringen, sobald man sich setzt, wie sie mit 3 klötzchen und einer decke ein spiel spielen, bei dem man schreiten, stampfen und die steine herumtragen muss („könig“), wie sie mir die kita-regeln erklären können, ihre stimmchen beim mitsingen, das draufgängerische rumgepurzel, wenn man sie draussen toben lässt. ihre totale verschiedenheit, schon im vorschulalter lauter persönlichkeiten, noch gar nicht festgeschrieben, die lauten sind mal still, die wilden gebannt, mit einigen kindern sind sie so, mit anderen anders, die kleinen fliessenden sozialgefüge, und sie sind schon kompetent in beziehungen, sie testen mich aus, finden die grenze und sinds zufrieden. die verträumtheit einer ganz kleinen, eine zufriedene verträumtheit, glaube ich, sie lächelt, wenn ich sie anspreche, ist aber noch in einem eigenen reich, aus dem sie nicht herausmuss. oder wenn sie sich hinlegen beim mittagsschlaf, popo in die luft, und nach einer minute eingeschlafen sind, oder nach zwei minuten rückenkraulen, und dabei lächeln, ganz kleine häufchen unter ihren decken. wieviel mehr sie machen, wenn man sie lässt, sie haben holzbretter- und stücke auf ihrem hof, mit denen lauter waghalsige konstruktionen entstehen, kinder drauf, manchmal hälts, manchmal nicht, dann liegen sie im sand, stehen auf und machen es anders, es sind energiebündel mit wenig raumzeit zwischen idee und handlung und einem glücklicherweise niedrigen schwerpunkt. der eine, der immer anfängt zu hopsen und die arme herumzuwerfen, weil er sich so freut, einfach so, beim herumrennen. die eine meldet sich immer, der andere gar nicht, redet dann aber, wenn die erzieherin ihn anspricht, mit ganz leisem stimmchen entspannt vor sich hin, in eigener zeit, niemand drängelt, das drängeln kommt erst mit der schule.

ich bin eigentlich rausgewachsen aus dem impuls und kriege nur noch bei neugeborenen diese schöpfungsehrfurcht, aber trotzdem … unter anderen umständen hätte ich gern noch ein oder zwei mehr gemacht. nie ganz verstanden, warum jemand keine kinder wollen könnte. soviel liebe.

(alles dankbarkeit, wisst ihr ja.)

 

pink-orange-bordeaux, ein zyklus.

auf dem hundespaziergang morgends die zierliche junge frau, hochelegant auf diese schlimm zeitlose weise (beige). dunkelrote fingernägel, perfekt geschminkt, dazu eine kleinmädchenhafte unsicherheit in der körpersprache, schultern eingezogen, stimme piepsig, als wäre sie in einem exclusiven bürohaus geboren und aufgezogen worden, der prenzlauer berg schon das wilde leben.

paar meter weiter der blonde junge mann, haar (er ist der „haar“ und nicht der haare-typ) zurückgekämmt, babourjacke, drunter tweedjackett, usw., glatt wie ein puppenpopo. er steigt aus einem übergroßen erdfarbenen golf, er ist deckungsgleich mit seinem auftritt, keine persönlichkeit will raus, sie wäre eh nur eine art schmutzrand zwischen copy und paste. hoffe, einfach ein fotoshooting übersehen zu haben. schlimm alles.

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heute blick auf die kleidung meiner mitmenschen, weil ich selber ausmisten möchte. die wildgestreifte eher edle wolljacke macht mir immer gute laune, wenn ich sie im schrank hängen sehe, aber für draussen ist sie mir  zu sehr ausrufezeichen, oder soll ich sie doch mal tragen? ach je. nee. oder? ich weiss  inzwischen, in welcher art stimmung meine mama sich die gekauft hat. sie hats richtig gemacht und den kram einer  tochter weitergegeben, ich will aber nicht unbedingt auf schwiegertöchter warten, solang kann ich die motten da eh nicht raushalten. sie ist sehr weich, sonia rykiel.

eine abendgarderobe mit echtem pelzbesatz unten und oben einer seidenblume, es nimmt die frauen an der hand, die ihre pelze an der  garderobe abgeben müssen und zeigt im schlichteren oberteil trotzdem noch ein bisschen mädchentraum.

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gar nicht meins, aber als camouflage geeignet, und als erinnerung an eine ferne, duftende welt andrer leute, vor allem damen, sie gehören in große räume, in denen sie ein bisschen flattern können und nicht auf ein paar auratische eigenschaften reduziert werden (pelz), die alle von der trägerin wegführen, statt sich um sie herum quasi summend zu verdichten, zu einer figur, einer dame.

(wie in zeitschriften die beschreibung der klamotten eines stars etwas doppeldeutiges hat, einerseits fashionkram, du kannst das auch kaufen, andrerseits sortiert die aufzählung die kleidung zurück ins accessoire-hafte, es ist nicht die kleidung.)

wie schwer es ist, pelz und farbe wahrheitsgetreu abzulichten. es ist wie immer alles ganz anders.

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schon schön.

 

 

KW ?

soviel unproduktives um die ohren, dass kein textchen rauskommen mag. die bücher liegen in verrutschten stapeln auf einem dvd-laufwerk, zeitungen drumrum, ladekabel, zeug, mein bett sieht aus wie im kino immer die betten der singles, nur noch ein schmaler streifen liegefläche frei. der kopf macht nach 2 seiten blubb und wendet sich wieder dem papierkram zu, rechnungen, geschäftpost, kasse, steuer. ich hasse den september, weil da immer ein paar dicke rechnungen einlaufen, die mich jedes jahr neu überraschen und dazu bringen, die dinge neu zu überdenken, ich hätte doch lehrerin werden können, oder anwältin, fürs ärztinnendasein reicht mein gedächtnis leider nicht, ich kann mir grade die namen der haupthormone und -körperteile merken. sekretärin vielleicht? da ist die chef/innen-abhängigkeit zu gross, aber man kann ja auch glück haben.

heute würde ich gern nachts die ungeheure menge an höchstgeschwindigkeitsschildern auf dem strassenstück zwischen autobahn und hitzacker durcheinanderbringen. eventuell hat das aber auch schon jemand gemacht. das schöne wendland hat es verkehrstechnisch echt in sich, ich werde da nach möglichkeit nicht wieder durchfahren. viel, viel zu teuer.

die blitzerei hat mir fast das superschöne wochenende versaut, wir waren zu einem familienfest eingeladen, einem siebzigsten, schön, laut, mit viel musik und sehr vielen umarmungen*.

*der lustige moment beim entspannt-improvisierten frühstück, als die drei  schwestern (70, 78, 79 jahre alt) eine nach der anderen hereinkommen und als allererstes den gesamten langen tisch abknuddeln,  neun kinder (5-22 jahre alt) und 5 erwachsene, jeden einzeln. es ist also ein bisschen genetisch bedingt, das sammeln von umarmungen. oder familiär? die drei schwestern sind alle alleinlebend.

junger herbst & alte lieder

last summer days, wies aussschaut, das wochenende, also das letzte, an dem ich kein mal an den herbst denken musste.  am freitag  einem großen liedermacher zuhören dürfen, in einem lauschigen theater, er sass mit nur ein oder zwei metern  abstand vor uns auf der bühne, allein am klavier, und der mann kann jeden raum füllen, den man ihm öffnen mag, viele seiner texte haben diese magie, sie wirken wie gemacht für den moment, den zustand, was immer man eben dabeihat an so einem abend. danach das riesenglück gehabt, mit dem künstler und seinem volk noch eine weile in der nacht herumzusitzen und über dies und jenes zu plaudern bei einem bier oder zwei, weil eine freundin von mir eine freundin von ihnen ist. dann kam ich nach hause und wollte eigentlich eventuell noch beim sommerfest nebenan vorbeischauen, dort lebt nämlich einer meiner liebsten verlage, und die literaturmenschen standen auch noch herum, dunkel gekleidet, schmal und jung, ins gespräch vertieft, auf dem bürgersteig, ich habe mein rad bei ihnen abgeschlossen und hörte, ungelogen, wie ein mann zu einer frau sagte, mit impetus: „ja, emotionen!“, es hörte sich an wie die schaumkrone einer langen welle, da kann man dann eh nicht mehr einsteigen und ich liess es gutsein mit der nacht – aber es war ein guter schwung durchs wochenende.

und es ging weiterhin rund, was herz- und kopffutter angeht,  gestern habe ich viva la libertá gesehen, es gab ein kurzes dreitages-festival im babylon mit filmen aus dieser speziellen ecke zwischen dem lazio und der toscana, ich sass da also mit frau kopffüssler und liess mich überraschen. der film sehr sehr schön, so spielerisch elegant wie komisch und traurig, ein federleichter film über dieses eigentlich tragische italien, bitte ansehen, wenn ihr die möglichkeit habt. das drehbuch ist wunderbar, zurückgenommen auf eine haiku-art, die hauptfigur wird von valeria bruni tedeschi geliebt, im film, für die jeder mensch schwach werden sollte, wenn er noch augen im kopf hat. der drehbuchautor war ebenfalls geladen und hat fragen beantwortet, er hat gesagt „il cinema non riesce a cambiare il mondo“, aber besser macht es sie ja doch. erinnert an die großen zeiten des römischen kinos. mit fellini.

heut früh hat frau moseron auf twitter pianoman erwähnt, den halben morgen hatte ich den ohrwurm. maurenbrecher hatte sein konzert auch mit einem der alten großen songs beendet, ich hör die anders, seit ich ein bissken musiktheorie ins system kriege und all die schönheit beschreibbar wird, immer bei den liedanfängen versuchen, den aufbau rauszuhören, wie dann nach ein paar takten die musik gewinnt und die synapsen alle folgen, la la di di da.

(das kleine ja hat sich verlaufen)

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das eigentümlich naive am (offofflimits-) crush, ohne basis, ohne irgendwas außer dem kleinen triumphierenden jetzt, das unter der haut sitzt und rauswill und nicht darf, weil hey, aber wie schön das ist, so frei und 17jährig, ohne geschichte,  warm und schräg steht das licht, und ich guck dich lieber nicht an, weil dann. es ist diese besondere art von ja,  es wäre groß genug, es kennt den weg und braucht sonst nix, nicht mal ein morgen.

lieber die sonnenbrille auflassen.

 

a&s

ich laufe morgends mit dem hund durch den park, im entspannten achkommegal-modus, und versuche, ganz im hier und jetzt zu sein, aber der tod von herrndorf geht noch nicht wieder weg, ich bin traurig, als hätte ich ihn gekannt, den ich doch nur durch seinen text kenne, aber was heisst hier nur.

nach den vielen jahren bloggerei fühlt sich die nähe zu einem unbekannten blogautor ein bisschen realer an als das fantum für nicht netzaffine künstler. es sind keine freunde,  die mich auch kennen und mögen, aber ein sichkennenlernen liegt sagen wir mal im bereich des möglichen, schon weil es immer gemeinsame menschen gibt, die fronten sind ein bisschen verwaschen, und Arbeit und Struktur steht und wirkt sowieso für sich selber. trotzdem hab ich bei herrndorf eher das gefühl klappe halten, seine freunde trauern lassen, nicht reinquatschen, andrerseits egal, es geht ja fast all seinen lesern und innen so,  ich bin richtig traurig wegen diesem unbarmherzigen tod,  ich wusste ja, dass er sterben wird, aber es hätte ja wenigstens einmal ein wunder geben können, not? wo schon die existenz gottes logisch bewiesen wurde, wie ich lesen musste am selben tag, aber was weiß die logik vom leben? nix weiss sie. der tod ist logisch. mein beileid all seinen freunden und seiner freundin und der familie.

herrndorfs blog (und seine bücher, er hat mit tschick meinen großen zum lesen gebracht) war ist exorbitant gut,  ich werde diese großartigen texte und ihren autor sehr dolle vermissen. sie fehlen.

 

nur glück

telefongespräch mit dem alten herrn, der meinen großen angefahren hat, weil er beim rechtsabbiegen „eine sekunde“ nicht auf den radweg geguckt hat, „erst hab ich geguckt, dann stand da so ein bauwagen, dann war da noch ein auto, ich hab noch überlegt, der steht doch im halteverbot, und in der sekunde ist elias angekommen“, dann hat er ihn eigentlich nach hause fahren wollen, um es mir selber zu erzählen, aber „der junge“ war noch durcheinander, dann hat er elias und das rad in unseren radladen gefahren und das nötige geld für die reparatur dagelassen. und er sei dankbar, dass alles gut gegangen sei, und selbstverständlich kommt er für den schaden auf, auch wenn es mehr als die hundert euro sind, „so einen lieben jungen haben sie da, wir haben für ihn gebetet“, und am ende: „sagen sie mal, wie alt ist er denn? 14! … meine frau dachte nämlich 16, aber er wirkte doch noch ein bisschen jünger“, zur frau im hintergrund: „er ist 14“, dann wieder zu mir „so ein lieber junge, so lernt man sich auch kennen, sehen sie mal.“

kann ihm nicht böse sein.

sommerfest

grosse, rauschende feste brauchen das unbekannte, fremde männer und frauen, schöne kleider, von allen seiten soll erkennbar sein: das ist eine feier heute, wir geben unser bestes, nochmal eng und kurz, solang der herbst noch nicht da ist. wir staksen notfalls auf zu hohen schuhen durchs gras und bleiben dann eben auf der tanzfläche, wir nehmen den dunklen lippenstift und freuen uns, wenn nur fackeln und feuer und ein paar laternen das sommerfest erleuchten. ich treffe jemanden aus mailänder schulzeiten, eine andere, mit der ich studiert habe vor ähem jahren, die beste freundin ist auch geladen, von den anderen hundert kenne ich nur ein paar, bei den frauen (viel mehr einzelne frauen als männer, wie immer) gedacht: die konkurrenz schläft nicht, wenn ich mich in meiner altersklasse so umsehe, oh my, da tanzen wille und vorstellung und werfen ihr haar, und es kann, es wird ewig so weitergehen. ausgetobt.

ein paar schöne männer angelächelt, einer strahlte jedesmal zurück – ein schauspieler, wie sich herausstellt, aber he, ich habs versucht.

 

chinotto

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meine liebste sommerbrause heisst chinotto. ich hab das ganz früher mal für mich entdeckt, lange vor google, die freunde sagten immer „das ist eine pflanze“, aber nie „es ist eine orangenart“, was auf allgemeines nichtgenauwissertum schliessen läßt.  im aroma steckt ein bisschen orangenschale, aber sie ist versteckt in der bitterkeit, die außerdem etwas total überraschend erfrischendes in sich hat, dazu rundes volles karamell und ganz hinten auf der zunge eine kleine erinnerung an lakritze, eher, weil der kopf nach ähnlichkeiten sucht. man denkt huch! und nimmt noch einen schluck. und noch einen.

es gibt sie in allen italienischen supermärkten, meistens in büchsen, obwohl die kenner zu glasflaschen raten, aber sanpellegrino hat wohl eine bessere logistik als die vielen kleinen spezialisten. chinotto wird aus chinotto gemacht,  einer unessbar bitteren orangenart, aus der mit geheimer rezeptur dieses wunderbare zeug gebraut wird, am besten eiskalt mit einer scheibe zitrone zu geniessen, es wirkt wie eine unverhunzte, nicht übersüsste alternative zur cocacola. ich durfte sie in den letzten vielen, vielen jahren nur bei schwereren hypoglykämien trinken, grund genug, immer eine dabei zu haben, aber in diesem jahr stand im regal direkt neben der massen- und der besonderen rezeptur zu meiner freude auch eine ohne zucker, chinó zero genannt. leider mit aspartam, aber es passten eh nur ein paar dutzend flaschen in den kofferraum (die schräge situation, als ich extra für den chinotto [nach siebenmal lesen merkt man sich worte besser, daher] nochmal in den großen markt gefahren bin, ganz früh am morgen, und direkt vor mir ein alter mann ebenfalls einen außerordentlich großen haufen chinotto-flaschen und sonst nichts im einkaufswagen hatte.) chinotto für einfach so, nach genuss! in berlin, zum sommerabend auf dem balkon. ich bin eher leicht glücklich zu machen, leider schmeckt es den kindern auch.

wer in berlin in einer kneipe chinotto auf der karte finden sollte, bitte kurz bescheid sagen, das wäre ein grund für ein paar experimente mit meiner insulinpumpe, bis dahin eine empfehlung für die nächste italienreise, wenn es nicht immer aperol, crodino oder vermouth zum aperitiv sein sollen.

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wobei gegen einen aperol mit panorama auch nichts einzuwenden ist, hier in meiner stammbar am see.

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musik jwd in spandau

heute spielt glen hansard am anderen ende der stadt. ich weiss noch, wie überrascht ich über den film im kino war,  er hat mich damals auf eine sehr schöne weise geerdet, und ich habe erst beim zweiten sehen verstanden, was mich daran melancholisch macht: ich vermisse dieses, jawaseigentlich, dieses sich näherkommen in den zwischenräumen, geschichten, die nicht immer auf beziehungen oder dramen hinauslaufen, nichtmal auf sex, wo zwei leute einfach gern zeit miteinander verbringen und in diesem atemzug vor der entscheidung stehenbleiben, vor dem ja, der umarmung, dem chaos, dem möglichen alles oder nichts. es soll wohl genauso ein musik-  wie ein liebesfilm sein, die songs haben einen tick mehr gefühl und hingabe als alles, was man sehen kann im bild, mehr körper. es hat mich an früher erinnert, als das häufig so war, das nicht weitermüssen und mal eine nacht zu fuss durchlaufen, in geschichten, die einfach wieder aufhören, weil es nicht hat sollen sein oder weil der tag anfängt, und trotzdem fehlt nichts, denn es ist immer noch zeit.

falling slowly hiess das stück von den beiden, das sofort diese paar tiefen saiten anschlägt,  ist schon eher dick aufgetragen, aber manchmal … ich kann das lied gar nicht hören manchmal. mit der frau aus dem film, marketa irglova, hat der sänger jahre zusammengearbeitet, der soundtrack stammt auch von ihnen beiden. ich gehe nicht mehr selbstverständlich auf solche konzerte, weil ich mich schlecht wehren kann gegen musik, aber der mann soll gut sein, heisst es.

jetzt hätte ich heute doch zeit und es gibt vielleicht noch karten, aber es soll regnen – ich könnte auch zuhaus bleiben und das F üben, dann kann ich den heulersong irgendwann mal selber spielen – wieder eine frage, die sich früher nie gestellt hätte, weil freiluftkonzert immer besser war als fast alles andere.

… und dann bekomme ich über facebook eine karte für herrn hansard und wunderbare gesellschaft fürs konzert geschenkt. lucky me & summertime & berlin. falls er den song oben singt, werde ich trotzdem heulen.

gewitter

sie kamen fast täglich herunter, sie können der hitze tatsächlich etwas anhaben für ein paar stunden, sie füllen den raum bis zum horizont und ändern alles für eine weile, vor und in der nacht. wenn es dunkel wird, wenn die mücken rauskommen und die grillen, dann zieht es sich einfach zu, es gibt ein grummeln und nervöses wetterleuchten davor und eine träge anspannung im herzen.

wenn man auf dem balkon steht, ist der ganze see und die berge bis zum horizont ein einziges riesiges spielfeld für wolken und wetter, sie sind nicht schnell, sie haben keine eile, es ist kein kampf, es ist eine eroberung, es wird passieren. diese eigentümliche ruhe, wenn alles klar ist, die menschen stellen sich unter, das auto lieber in die garage, könnte hagel geben wie gestern, emma will auf den schoss.

die luft wird tiefgrün, ein weiches, elektrisches grün, dass es vielleicht nur im menschenblick gibt, wer weiss das schon, es wirkt wie für uns gemacht, man möchte sich einkleiden darin, es singt just for once, I want to make you mine, dann kommen böen auf, wir verlieren die kontrolle und die großen bäume legen sich quer, die liegstühle fliegen herum, wer jetzt rausgehen will, um laut zu brüllen, ist willkommen, man hört es nicht lange, aber das gewitter ist noch nicht da,  es ist nur zu spät, um wegzulaufen.

der himmel ist tiefgrün und bewegt sich schnell, die blitze kommen von weit und sind gewaltig, scharf und genau gezeichnet, drumherum flackert es minutenlang, der see wird dunkel und trüb, wie ein samttuch, nichts entkommt, man will ihn anfassen, aus sicherem abstand. das unwetter  kommt näher wie eine wand, in ein paar langen atemzügen ist es um uns rum und man sieht gar nix mehr, der see verschwindet, ist hinter der  schweren luft nicht mehr zu sehen,  der regen klatscht in großen strömen herunter und macht alles nass und glänzend, das große rauschen ist um uns wie ein kokon, dann kommen diese irren donnerschläge, mit denen man irgendwie nie rechnet, obwohl schon die blitze laut zischend runterkommen, es donnert, als würde jetzt gleich ein monsterjumbo die schallmauer durchbrechen, direkt über dem kamin, und alle, alle haben kurz angst, dass ihnen der himmel auf den kopf fällt und ich kriege immer eine gänsehaut, weil die welt so groß ist und der mensch so klein. dann wird es langsam wieder ruhiger, man kann kurz rausgehen, der regen ist kühl und frisch auf der haut, die luft nicht mehr stickig, ich kann mich ins bett legen, paar kinder und einen hund auf dem bauch (immer) und dem regen zuhören, der die ganze nacht weiterrauscht, bis ich eingeschlafen bin.

und am nächsten morgen ist immer nix gewesen.

(dabei war es wie bei erhardt, wirklich. )

 

harfe

und wie wir dann zu einem harfenkonzert eingeladen wurden, in einer kleinen sehr alten kirche sehr weit oben auf einem berg über caldé, es spielt die frau eines mitschülers aus mailandzeiten. well, dachte ich, so etwas wie nachbarschaftsmusik, da möchte jemand mal vor fresken aus dem cinquecento spielen, und es kommen lauter freunde, aber gern. und dann stand dort eine sehr schöne harfe mit dreifachbesaitung, wobei ich gute und billigharfen nicht unterscheiden könnte, gibt es sowas überhaupt? die spielerin setzte sich, sie war strahlend schön und sehr souverän. nach den ersten paar takten habe ich gehört, mit dieser seltenen prickelnden  überraschung, das ist was anderes, das ist musik – die kann das richtig. harfe hat viel ähnlichkeit mit einem cembalo, sie klingt filigraner durch den fehlenden klangkörper, wobei die kleine kirche genügend resonanz gegeben hat. sie hat alte musik gespielt, vorbachsche komponisten, ich kannte kaum einen davon. nachher beim wein habe ichs dann begriffen, nachdem ein paar freunde die kostbare harfe mit taschenlampen den bergweg wieder runtergetragen hatten, also verstanden, dass sie eine weltklassemusikerin ist, die gerade mit genau diesem konzert auf europatournee ist. lucky me.  sie ist professorin am hanns eisler für harfe,  klar aufregend, aber das schöne an dem abend war der weg in die aufregung nur durch die musik, ohne vorwissen oder erwartung.

venezia bella

venedig ist die unglaublich detailreiche oberfläche von allen möglichen und unmöglichen geschichten, die dort passiert sind, vor hundert jahren, als die stadt noch kein disneyland war. die vergangenheit atmet noch, sie stinkt und schimmert in allen farben, die tourimassen so ein farbstrom in einer langzeitbelichtung, dahinter sehr schweigsame häuser, darunter das wasser. wir laufen einfach kreuz und quer durch die gassen und über die brücken, ich will mit den kindern durch die stadt zum markusplatz, den sie aus filmen schon kennen, über die rialtobrücke, einfach herumlaufen. wir haben nur ein wochenende, zuwenig zeit für anderes als entspanntes herumtreiben. fürs nächste mal mit mehr zeit habe ich mir eine venedig-führung an der hand von corto maltese vorgenommen, dem ich jederzeit überallhin folgen würde, durch pratts menschenleere stadt mit ihren magischen bewohnern, geheimnisvollen frauen, gefährlichen männern, alten und neuen mächten. es gibt diesen führer schon in mehreren ausgaben, er soll sehr genau und aktuell sein, im shop vom guggenheim lag er, als einziger seiner art.

ich bin sicher, alles könnte genau so passiert sein, wie pratt es zeichnet, die ganzen abenteuer, die  gerade hinter den schweren gardinen zum canal grande stattfinden, damit sie einem zustossen, muss man dazugehören, also einen platz haben in einer dieser alten bedeutungshierarchien, alt im sinn von: nicht mehr änderbar, vermutlich endlich, daher die melancholie. beziehungen haben, den städtischen strukturen ein persönliches netzwerk überziehen können.

wir laufen im gänsemarsch durch die gassen, immer den schildern nach, die den strom zu den hauptsehenswürdigkeiten führen, für so einen spaziergang auf der oberfläche genügt ein wochenende vollkommen. wenn man abbiegt, ist oft nur ein dickermannsbreiter raum zwischen den häusern, man landet dann am wasser und kommt nicht weiter, oder ist nach ein paar weiteren metern vollkommen allein und sofort verloren, weil die gassen den häusern folgen und nicht umgekehrt.

es ist die festa del redentore, gegen 18-19 uhr laufen wir über die ponte accademia zum dorsoduro,

– das heisst harter rücken, es könnte auch ein kräftiger fußrücken sein, braungebrannt und stabil, oder so ein zäher männerrücken, auf dem man städte bauen könnte – erst grad beim suchen entdeckt, diesen namen, gleich verliebt. dorso duro.

dann weiter, bis wir am wasser stehen. die jungs hopsen dann schamlos zwischen den vielen dort sitzenden menschen durch, bis wir ganz vorne an der punta della dogana ein paar halbe quadratmeter finden und die füße ins wasser halten könnten, so nah ist es. warten, mit getränken, keksen und leone-pastillen, die kinder spielen uno mit einem französischen päarchen. es wird nacht über einer großartigen kulisse, wir sitzen gegenüber vom markusplatz.

wir haben 2 einhalb sehr viele stunden zeit, es soll um 23:30 beginnen, die lagune füllt sich nach und nach mit hunderten von kleinen booten und gondeln und fischerbooten und polizeibooten und und, dicht an dicht, alles, was schwimmen kann, ist heut draussen, es fehlen nur glam und lucky mit schlauchbooten, sonst sind alle da, mit familien, freunden und touristen durcheinander.

und dann beginnt das feuerwerk, mein erstes überhaupt. alles vorher war nur geböller. wir stehen mit offenem mund und sehen 400 jahre tradition, von 5 weit auseinander liegenden  flössen aus über der guidecca und san giorgio maggiore in die nacht geschossen, eine unglaubliche vielfalt an farben und formen, choreografiert und mit perfekter handwerkskunst ausgeführt, über 45 minuten lang.

dabei stehen wir ohne gedränge direkt am meer, zwischen uns und dem feuerwerk nur ein paar reihen menschen und viele boote, am himmel die sterne und ganz weit oben ein riesiger vollmond. hammer romantisch, wie elias sagte.

zurück brauchen wir anderthalb stunden im dichten gedränge,

 

von der accademia-brücke aus kann man hunderte von bootslichtern sehen, grün und rot, die wieder nach hause fahren. es ist natürlich total voll, ein volksfest im besten sinne, wir brauchen ewig für den heimweg. zu fuss durch s. marco, immer die hauptstrassen entlang, bis wir morgens um halb zwei in cannareggio ankommen und ins bett fallen, sehr müde und sehr zufrieden.

sonntags sehen wir uns noch die chiesa del redentore an, mit der davor liegenden und offenen flossbrücke rüber nach venedig, die kirche als dank für die erlösung von der pest gestiftet und von palladio erbaut, die flösse immer nur an diesem wochenende offen. es ist zu heiss zum drüberlaufen, für die jungs sind die schlauchboot-fahrrad-hybriden viel spannender.

am letzten tag fahren wir mit den wasserbussen eine weile einfach hin und her, ich möchte nach murano, einfach um den kindern ein bisschen glaskunst zu zeigen. die insel ist heiss und schattenfrei, in einem hauseingang steht ein schild mit einem pfeil zur werkstatt, dort zahlen wir pro kopf einen euro für eine kurze führung und sitzen dann in einer alten leeren werkshalle, vor großen glühenden öfen. ein paar alte männer zeigen ihre kunst, ein bisschen müde natürlich, aber noch nicht verzweifelt, bilde ich mir ein, die kinder sehr begeistert, in ein paar sekunden entstehen vasen und ein sehr feingebautes und lebensechtes pferd aus klarem glas.

das glas überall in den schaufenstern ist viel traditioneller als erwartet, es gibt wenig wirklich aufregende dinge, immerhin erfreulich viele quallenskulpturen, aber die starke touristische orientierung der glaskunst ist offensichtlich.

 

ich sehe ein paar wunderbare dieser traditionellen stücke, gewaltige leuchter mit wunderbaren kerzen und blumen. die leuchter werden aus den werkstätten heraus auf lastkähnen verschifft, was sonst, das versöhnt einen schon wieder mit fast allem.

ich liebe muranoglas, werde irgendwann einen rosa-hellblauen leuchter der jahrhundertwende erben, der zu nichts sonst passt außer zu sich selber. in der stadt   gibt es zwischendrin viele ecken mit einem anderen, zeitgenössischem und ironischem venedig, man läuft dran vorbei, die studis und architekten und denker wie der ehemalige bürgermeister cacciari müssen ja auch irgendwo arbeiten,  aber bei einem kurzbesuch mit kindern sehe ich kaum etwas davon, in der ein bissken ahnungslosen suche nach dem literarischen und ewigen venedig meine ich in jedem kontrast zum tourikommerz etwas davon zu entdecken, obwohl es vielleicht doch nur der verfall ist, das sich aufgeben, bzw. kein geld für farbe.

dann ein aus der zeit gefallener ort, ein buchladen, in einer ecke nur 2 meter neben dem strom, ohne schild, mit einer neonröhre weit oben in der decke, staubigen stapeln mit alten uni-büchern über die geschichte der dogen, des handels, der seefahrt in der stadt, der buchhändler ein großer mann hinter einem alten pc-monitor, von dem er nicht aufsieht. im laden gibt es keine farben, das licht ist schwarz-gilb, aber das fällt gar nicht sofort auf, weil ich mir so fremd vorkam dadrin, ich hatte meine ganze geschichte dabei, aber die war nicht gefragt, ich war gemeint plötzlich, ich war dort, hätte etwas tun oder sagen müssen, die anonyme schnelle masse draussen war ganz weit weg. wenn ich das passwort gewusst hätte, dann wäre ich verschwunden und in einer anderen geschichte wiederaufgetaucht, aber ich habe die alten bücher wieder hingelegt, meine postkarten bezahlt und bin wieder rausgegangen, wegen der kinder und weil ich mich dem nicht ganz gewachsen fühlte, missing corto.

 

venedig lohnt sich, man muss ein gewisses zen-dingens mitbringen, aber die ruhe im chaos zu finden ist ja eine allgegenwärtige fähigkeit (smartphone gucken im bus). man sollte viel geld dabeihaben, weil das geld irgendwie unbemerkt verschwinden kann dort, und man sollte unbedingt versuchen, vom weg abzukommen.

 

lago

wir fahren an den lago und sind ne weile nicht erreichbar.

( ich wollte den dortigen telefon-vertrag aus den siebzigern, beim vor-vorläufer des jetzigen telkomkonzerns, von 5h netz im monat auf eine flatrate raufsetzen, diesen wunsch  mûsste ich, wie man mir letztes jahr mitteilte, einen monat vorher anmelden. wie sich herausstellt, kann man sie von deutschland aus nicht anrufen, so steht es in der antwortmail, sehr 18.jh.  irgendwie, auf die bitte, mir auf meine mail mit einer mail zu antworten, kamen nur noch automatische absagen mit der bitte, sie doch anzurufen. sehr tiefe provinz, aber mit wunderbarer aussicht, bis zum monte rosa an klaren tagen.)

sonst nix. guten sommer allerorten!