v., mit dem ich über guido rede, erzählt von einem anderen krebskranken, der sei so gelassen, „ich mache meine geschäfte, der tod macht seine geschäfte“.

die todesangst von davidzwilling: angst vor verlassenheit und vorm verlassenwerden, mangel an bedingungsloser sicherheit. bei kindern sind diese großen gefühle viel näher am ich als an leben und tod.

während draussen der regen unablässig niederrauscht, liege ich im haus und habe zuwenig bücher mitgebracht. meine mutter hat mir martenstein geschenkt, signiert mit „martenstein“, ich hielt den immer für mehr dem schein als dem sein zugewandt, habe aber hier außer den wallaces, christies, upfields und o’donnells nur bücher über troja und die griechen, also eben nun gut, und habe dann bei jedem text irgendwo kichern müssen, weil der mann immer mit soviel schwung den faden verliert und woanders weitermacht, als wär nix passiert, und das erinnert mich schon an mein leben. ich mag jetzt martenstein.

die regenwolken hängen tief, 18°c, wir haben den monte rosa erst ein paar mal sehen können. aber auch, wenn sie tief hängen, ist darüber noch ein bergpanorama und ein himmel und darunter der große, tiefe see, und aus dem sonnenbad-alter bin ich eh raus. die kinder im segelkurs abgegeben, im centrovela hinter der bar, da gibt es noch einen versteckten kleinen bootshafen mit diesen hölzernen schwimmstegen, die trotz wechselnder wasserstände benutzbar sind. ich gucke mir die eltern an, die ihre kinder bringen, sie haben allesamt ein feines irgendwas, vielleicht ist einfach die kleidungswahl konservativer, die männer in dunkelblauen oder braunen pullovern über kurzen chinos und hemden, barfuss in ledermokassins, sommerfreizeit, die frauen gebügelt und geschmückt wie immer, ich merke, wie außergewöhnlich das berliner umfeld ist.

am ersten tag sind die jungs ein paar mal gekentert, ich weiß nicht, ob ich das gut finden soll, aber es hat ihre laune nicht verdorben, sie finden es cool. elias trägt neue wasserschuhe und hat so ein sportbrillenband zum festziehen, er ist groß und sieht sehr nach teenager aus. die jungs sind aufgeregt und freuen sich, ich freue mich auch auf die stunden alleine ohne kinderbetreuung. immer noch bisschen bauchschmerzen beim gedanken an das loch, das diese 870 euro ins budget reißen. ich nehme mir mal wieder so im hinterkopf vor, mehr geld zu verdienen, so wie man sich vornimmt, die abstellkammer mal aufzuräumen, gerne geld bis zur sorglosigkeit, aber es gibt keine realistische möglichkeit dazu, und so denke ich wieder an was anderes und widme mich der frage, welchen modesty-blaise -band ich als nächstes lesen soll.

gregor sportet 101 mückenstiche und einen dicken husten nach der ferienwoche, david 41. ihre füße sahen aus, als würden sie seit jahren auf der strasse leben, sie fanden die woche okay, aber nicht so toll wie sonst, weil das wetter so schlecht war und sie im zelt untergebracht waren, „aber unseres wurde zum glück nicht so überschwemmt“.

beim abholen kommen lauter jungen und mädchen auf elias zu, um sich mit umarmung von ihm zu verabschieden, vorher kannte er nur ein paar von ihnen, ich denke an das nächste schuljahr mit lauter unbekannten kindern und freue mich.

den ganzen abend kommen geschichten und abenteuer ans licht, bis 22 uhr kommen die jungs immer mal wieder aus ihren betten zu mir rüber, weil ihnen noch was einfällt. bin sehr froh, das sie wieder hier sind, meine mäuse.

erster ferientag, großes ausatmen. im kopf noch am tag danach die erinnerung an den sehr leckeren weißen chateau haut-pasquet, den wir in fridas schwester getrunken haben, und den es lustigerweise in meinem seit 20 jahren liebsten weinladen gibt, der wein & glas compagnie im fernen charlottenburg. da bin ich schon mit dem käfercabrio hingefahren, aber vielleicht bringe ich da nur zwei schöne erinnerungen durcheinander. dort kostet eine flasche soviel wie in fridas schwester ein glas, ein lohnender ausflug also.

langsam runterkommen, der moduswechsel. im kopf lauter auseinanderfliegende einzelteile, ich muss die reise nach italien noch planen und kriege null struktur in die vorbereitungen. andrerseits genügt es völlig, alles nötige mitzunehmen.

nachmittag mit glam auf dem großartigen schlachtensee, voll sommerferienmäßig, das tiefgrünste wasser der welt. instanturlaub total, glam rudert, ich paddele, aber ich arbeite dran.

die mitlaufende sorge um die abwesenden kinder abstellen, ich will immerzu anrufen und der diakonin sagen, sie möge heute besonders gut auf gregor aufpassen, den wilden. ist aber wohl normal.

blumengießen noch schnell organisiert, 2 tage vor abfahrt. die nachbarin fährt an dem tag weg, an dem wir wiederkommen, dann gieße ich ihre blumen. als wärs von langer hand geplant.

noch schnell neues öl und neue bremsflüssigkeit (alpen!) beim autohändler. ich kriege straßenbahntickes geschenkt und eine autowäsche, „aber gerne“, hoffe, ich finde die werkstatt wieder beim abholen nachher. bin beim hinbringen ein paar mal großflächig am autohaus vorbei, dabei hat es riesige markenschilder an der strasse aufgebaut. es ist in weissensee, wo ich immer sofort jede orientierung verliere, ich muss da im ernst auf den sonnenstand gucken, um über die richtung zu entscheiden, trotz stadtplan. ist eine mit mir unverbundene gegend wohl, da werde ich niemals hinziehen.

again

dann hat er, anders als die anderen, noch so ein kleines flirren in seinem wesen, er scheint noch näher am männerding, auf eine koboldige weise. er bringt mich auf gedanken mit seinen armen und seiner präsenz, wenn ich mit ihm rede, ein kleines „ja?“. aber er ist vergeben wie eigentlich alle interessanten männer, die mir begegnen, ich freue mich am summen im bauch, dann lasse ich los* und der mann verschwindet wieder, eine schöne passage. vielleicht wird er eine phantasie, vielleicht nicht einmal das, die welt im kopf ist groß und unüberschaubar.

*loslassen, bilder von sich loslassen, entscheiden, welche bilder das sein sollen, und warum genau man sie loslässt, aus selbstachtung oder aus müdigkeit, baby, niemanden interessiert deine müdigkeit, jeder ist müde, ist es das, was du sagen willst am ende: ich war so müde?

einen tag in andauernder unterzuckerung verbracht, immer ins angetrunkene herabgedimmt, im job sprachlos und auf redundanz beschränkt, jetzt mit dem tag etwas überfordert, aber es ist alles gut, ich funktioniere auch im blindflug.

schön wäre ein leben, in dem fast nichts zu tun ist, wo man drei jahre hat für ein buch, einen tag für einen satz, ein leben für ein kind. ein souveränes vergessen der endlichkeit.

bin frei vom horror vacui.

wie immer sind am ende des schuljahres die kräfte futsch, die müdigkeit sitzt tief in den knochen, nichts geht mehr von alleine, die haut wird sehr dünn. nur noch eine mit schulabschlüssen, irgendwelchen picknicks, bei denen man immer, immer alles essen selber mitbringen muss, elternkram, elternabenden vollkommen vollgestopfte woche. reicht denn nicht EIN fest zum abschied pro klasse? ich mag ja die anderen eltern, aber ich muss echt nicht mit jedem feiern. und muss ein kind wirklich in der schule übernachten dürfen, nach einer abschlussfahrt am mittwoch und einer abschlussparty am freitag? soll ich deswegen auf mein letztes kinderfreies wochenende für 6 wochen verzichten? ich denk dann immer, die anderen eltern haben nur ein kind und sind sehr deutlich nicht alleine mit dem einen kind. es ist schule, keine familie, dieses brimborium ist nicht nachvollziehbar, und niemand, niemand wird einen tag davon vermissen. (müde, müde, müde)

alle kleinen, fast alle großen kinder sind mitgekommen, am samstag hängen 5 von 11 in einem riesigen kirschbaum und ernten. ein haufen freunde und bekannte, fast alle mit kindern, die kinder kennen sich von klein auf. seit vielen jahren fahren wir gelegentlich mal weg für ein wochenende, diesmal in ein kleines altes haus an der grenze zu polen, man kann über die felder die grenzanlagen sehen, schon das wort grenzanlage spult die zeit zurück, aber es ist ein eu-land und der bäcker hinter der grenze hat auch am sonntag offen.

das haus hat ein reetdach, ich sehe immer wieder hin, dann erkenne ich auch an anderen stellen liebe und zeit, das vor jahren erneuerte dach auf der scheune, der brunnendeckel, die findlinge um die feuerstelle. es hängen dicke bleche außen an den fensterläden, wegen der nahen grenze, denke ich müde im vorurteil, wegen der marodierenden jugendlichen, erzählt der hausherr später, weil es das dorf nicht mehr gibt, in dem das haus stand.

ein großes grundstück, die jungens ziehen mit schubkarren in die umgebung zur holzsuche, es gibt eine sauna im nebengebäude und eine dusche im garten. die gäste dürfen überall schlafen, auch im kleinen haus, aber ich habe mein altes zelt dabei, das ist eigentlich nicht mehr so meins, aber es ist nett antigentrifizierung, ich kann sowieso überall schlafen. nachts die anderen am feuer noch hören, wie sie weiter reden und herumkaspern, während man wegdöst, es ist picture perfect, obwohl ich angeknackst bin durch fabios tod, es macht mich stiller und weicher, das fällt den kindern auf („mama, bist du unterzuckert?“). ich rede nicht drüber, obwohl g. auch mit einem moped kommt. ich könnte, aber ich vermute so eine übereinkunft, die dicken klopperthemen in berlin zu lassen, also die themen mit einem ungleichgewicht zwischen sprecher und hörer, zwischen dem junimond und dem ende aller dinge.

morgens wirkt das zelt nicht mehr so kuschelig, sondern total sottosopra, die isomatten verquer, die schlafsäcke auch, das kinderchaos und die mutterhorizontale passen nicht gut, aber ich lass dann los, dreh mich um und gucke in den blauen himmel, die kinder schon unterwegs und verschwunden, ich liege noch herum und gucke ins gras auf augenhöhe. ab halb neun tapern die anderen herum, teilweise nackicht, stellen die tische und stühle auf die wiese, große tafel im morgenlicht, nahtlos passen idyll und mein frühstück ineinander, wir sind viele, über 20 leute, es gibt genug espresso.

ich hab gar nicht soviel zu erzählen vom wochenende, aber ich habe den kindern heut aus protest das essenkochen verweigert, aus so einem ihr nicht-ich auch nicht-ding heraus. hat meine mutter nie gemacht. gregorzwilling hat richtig gebrüllt vor empörung, dabei hab ich gedacht: das kommt jetzt auch, dass meine kleinen zwillis wütend werden und mich anschreien, wie ich sie manchmal anschreie, es kommt ja alles, alles zu einem zurück, pause, blödsinn, das meiste geht und kommt nie wieder, oder nicht? jetzt hat elias für alle stullen gemacht, die kinder haben mir ausführlich und begründet ihr missfallen an meiner reaktion dargestellt, ich hab es ihnen erklärt, sie haben „ach so“ und „verstehe ich“ gesagt. david hat sich aufgebaut und gesagt: „du darfst deine kinder nicht verhungern lassen, eine mutter tut so etwas nicht, das ist unmenschlich“ dann musste er lachen und ich habe ihn ermahnt, nicht zu schauspielrn, sondern mir wirklich zu sagen, was er denkt. er: „ich fand das total doof.“ gregor sagt, er will jetzt besser gehorchen, beim rausgehen kam noch: „kann aber sein, dass ich das wieder vergesse“. gemerkt, kein essen ist eine unangemessene strafe. kann sein, dass ich das wieder vergesse.

darum hatte ich nix zu tun über den abend. beim hintippen gemerkt, man kann wirklich lange texte über nichts schreiben, wenn man nicht aufpasst.

ob bücher aus langeweile entstehen? so einer tieferen langeweile mit sich selber? wie in den royal-tenenbaums alle ein buch geschrieben haben.

man könnte ein buch machen über jedes wochenende, über das nebensächliche an schönheit, das funktionieren von gemeinschaft oder freundschaft oder alleinsein, das wahnsinnig wenige, dass wir wissen von anderen, die vielfingrige vielgestalt an informationen die man mit augen und verstand so sammelt über den tag, natürlich weiß man alles wesentliche, zumindest mit dem herzen, vor allem weil diese leute sich selber sind, aber was ist mit dem sex, oder die ganze geschichte so eines alten hofes in der uckermark, war das ein bruch zwischen bauern- und ferienhaus, ist alles danach das andere, oder ruht das haus immer noch in sich, jetzt mit reetdach, ist etwas dazugekommen oder wurde etwas weggenommen – mal für jemanden aufgeschrieben, der nicht dabei war oder niemals dabei war.

man kann sich seinen eigenen long tail ins weblog posten. oder: man kann sich einen long tail ins eigene weblog posten?

ist nicht die morgenröte auch immer vielfingrig? die dämmerung umhüllt ja eher ganz behutsam.

jedenfalls: biere im dunkeln, die schmutzigen füße, plaudern am feuer, noch ein bier, manchmal singt einer ein paar takte, die gespräche wandern, es gibt schokolade, das holz wird knapp.

ein wunderbarer tag auf dem see mit auf der flotte der könige vom schlachtensee, my, sind diese männer cool, trotz des intensiven tages, den meine jungs grade hatten mit gestreite und eben kindsein. jetzt zu müde, um die genitive noch zu umgehen, der genitiv ist das „und dann und dann“ der kinder, aber der montag trägt mich gut auch durch des dienstags mühe, heute ein nicht wacher doofer tag, müde, unfit im job, der blick aufs aufgedröselte des lebens, und dass kind x schon wieder kein instrument geübt hat, meine schuld, neee: verantwortung, gut, das ändert jetzt natürlich alles. man, müde. grade gehen, lippenstift benutzen, in den neuen tag gehen als wärs der erste, ein hochlied singen, notfalls auf makeup. chanel!

bei kaisers gab es hühnerfilet, 0,69 € für einhundert gramm. die sofortige reaktion ist körperlich, ekel, und dann unglauben, weil sonst fast nichts so billig ist im supermarkt, kurz danach an der kasse des bioladens dann die anderen schmerzen, als ich 18€ für ca. 600gr brustfilet vom biohuhn zahlen muss. fleisch geht halt immer nur mit unwohlsein. (nope, ich will keine vegetarierin werden)

die buchsammlung, die alten und nicht so alten vergriffenen bände, die aus aller welt in meinen schrank finden, die schöne elastische spannung zwischen dem kaufimpuls und der gewissheit, dass sich vermutlich niemals jemand anders für diese werke interessieren wird.