leere wohnung, mir fällt auf, dass ich keinen cd-player mehr habe. mal wieder irgendwas donnerndes hören wollen, winterreise sofort wieder ausgestellt, dieses unlustige, trauer tragende, die deutsche wehmut, ich seh dann immer eine errrrnsthafte männertrauer, die man nicht umarmen mag, weil sie ja so schön klingt. wie ich die romantik nie besonders mochte und ihre liebhaber immer so eher hinnehme, besonders wenn sie karriere gemacht haben (viele oberärzte kenne ich). wie schön, wenn schönheit beim hören und verstehen entsteht, in einem zweiten schritt, und nicht durch imperativische gefühligkeit. (die kleinen falschen hopser hierdrin)

(was anderes: zu wissen, wo die mauern stehen, sich wundern, wie kühl die immer noch sind, obwohl man sich solang an sie geschmiegt hat.)

der körper voller kraft und freude, mit ein paar müden inseln. lust, jemanden zu verführen, und sei es nur ein paar gedanken lang, gegenwart bis in die fingerspitzen. zuwenig sex in letzter zeit.

Die beiden Türen der Welt
stehen offen:
geöffnet von dir
in der Zwienacht.
Wir hören sie schlagen und schlagen
und tragen das ungewisse,
und tragen das Grün in dein Immer.

(Celan glaub ich. immer der wunsch, das an diesen hohen christlichen feiertagen, den emotional wirklich lauten, tatsächlich etwas geschehen möge, irgendeine berührung. gemerkt, wie klein und verlässlich und wenig störend dieser teil von mir ist, neben dem fröhlichen materialismus, und dem navigationssystem alltag und dem textding und äh, viel mehr ist grad nicht)

(dinge)

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war ich nicht schon einmal in hakone, wo die holzkästchen herkommen? auf der suche nach diesem heftchen, in dem man die tempelstempel sammeln kann bei einer reise durch japan, in den schatzschrank abgetaucht, kleinster dachboden der welt, durch den die kinder ein- oder zweimal im jahr gehen, voll mit schachteln und dosen, mit münzkartons von meinem vater, alten briefen, alten briefmarken, ein paar römischen öllämpchen in knackfolie, schachfiguren in einem holzkasten, alten schlüsseln und knöpfen in einem anderen, einer goldenen 200€ münze, samt schatulle immer besonders gut versteckt, zusammen mit der rotgoldenen taschenuhr, die noch geht, mein vater hatte sie immer in seiner schreibtischschublade, in rotem samt, ich habe vergessen, von welchem toten sie stammt. dann diese schiefgeschmolzene sterling-teekanne, von einem zerstreuten mann mal auf einer herdplatte abgesetzt. ein schuhkarton mit mineralen vom bergwerks-großvater, alle in pappschachteln, voller steinstaub vom vielen ein- und auspacken über 35 jahre, die kleinen etiketten mit schreibmaschine beschrieben, einem anderen mit in sizilien gefundenen griechischen scherben, in einer düne, das meer im rücken, 70ziger, weiß ich noch, die düne war ausgespült, man sah die wurzeln der pflanzen, und in einem kleinen hohlraum lagen ein paar schalen in scherben, schwarz mit rotem rand. ein zerbrochener knochenfächer, reisewecker. es sind wie jedes jahr schätze dazugekommen, diesmal ein steinzeitkeil, den david in küchenpapier gewickelt mit hineingelegt hat, im park gefunden, auch mal muscheln oder holzstücke, die aufgehoben werden müssen. ich habe kein lieblingsstück, bei einem brand würde ich nur die wertvollen mitnehmen, aber die dinge bilden einen gleichmässigen dicken teppich, jedes für sich ganz präsent und dabei so hazy in der zeit schwebend, so wie man manchmal seine hände anschaut, mit den linien, ganz verblüfft über alter und zeitlosigkeit. die kinder suchen zuerst das gold und silber, und das mama, was ist das wert? – wenn ich dabei bin, aber sie erinnern sich an jedes detail und memorieren die zusammenhänge zwischen der familie und den sachen, die nicht mit einem betrag abgehakt sind, „das hat sie von ihrem vater“, „geerbt“, „der hat es geschenkt bekommen, von einer frau“, „die hat es voher selber ausgegraben, oder mama?“ ich lege bonbons in den schrank, sie verschwinden immer.

m.

deine unterarme wandern auf dem tisch herum, du redest mit den händen, starke hände, du hast nichts weiches, dein körper gibt noch nicht nach, er verändert sich nur. wir reden vom älterwerden und der nachlassenden unruhe, ich spotte ein bisschen über den marathon, deine fitness ist aber schon ein prächtiger ersatz für die jugend. du fährst rad und läufst viel, ich mag das festhalten an der kraft, nicht nur aus eitelkeit, sondern weil dein leben so voll und fordernd ist. dein blick ist stiller, wir grüßen uns, während du erzählst und erzählst.

(mmmh.)

mit

mit befreundeter turnerinnenmutter auf dem weihnachtsfest des turnvereins. die kinder laufen ein und einmal um die halle, alle im gänsemarsch, dazu ertönt nordostberliner liedgut, bei dem ich die zeile „wir sind die turntiger“ raushören kann, das publikum klatscht mit, alle mit einem entspannten für-die-kinder-ausdruck. die fühlen sich gesehen und kasperln rum, sie tragen über den wettbewerbsklamotten noch eine schicht drüber, turnkampf heißt stundenlanges warten auf bänken, bis wieder mal ein paar kinder ihre übungen vorzeigen, die abfolgen sind undurchschaubar. wie sie dann vortreten, sich sammeln und gerade werden, den arm heben (turnergruß) die hände an die beine legen, den kopf heben, dann loslaufen und abspringen, nach der landung zum richter gucken, sich wieder hinsetzen, ganz kurz zur mutter hochschauen, sofort weiterquatschen mit den kumpels. die kinder, seufz. als später die jungen männer ihre kunststücke vorführen, wird es still und die mütter legen ihre lektüre nieder: schönheit! und muskeln, man lächelt ein bisschen verträumt.

ein mutter-sohn-duo, der sohn ca. 35, die mutter macht handstand auf dem barren und senkt dann den körper in die waagerechte, ohne zittern, bin beeindruckt.

in der berliner ein interview mit dem donnersmarck, komplette doppelseite, seine antworten voller namedropping und mit einem sehr hohen und in die sprache gewandertem selbstwertgefühl („meine werkgeschichte…“), das künstlerfoto sagt eigentlich schon alles, der mann sitzt auf einem breiten sessel vor angeberwand, gekleidet wie ein englischer baron, ein wiedehopf in königspos|s|e. hat den niemand erzogen? vielleicht einfacher narzisst. erstaunlich, wie hat der den doch großartigen oskarfilm geschafft?

nach vollem tag ist die gulaschsuppe schon seit stunden auf dem herd und ich hab zeit, wie wunderbar das faulenzen ist, bei dem kilometertiefen schneematsch + regen draussen, home-sweet-home, nachher noch einen highland park.

o.t.

ich „kenne“ einige männer, die souverän mit präsern umgehen können. die anderen können dann nicht, oder sie sagen, sie könnten damit nicht so gut, oder es liegt eben am kondom, wenn sie nicht können. wie störungsanfällig die männliche sexualität ist, der akt als wirklich blosse stelle im schützbaren komplex körper/geist, viel mehr als die weibliche, wobei ich natürlich nicht so oft sex mit frauen hatte. kondome bedeuten verantwortung, für etwas jenseits der unmittelbaren befriedigung, für die frau, sie bringen alltag und zukunft in einen im besten fall zeit- und realitätsfreien rausch. ist das männliche unterbewusstesein dadurch schon zu sehr herausgefordert? das bewusstsein will ja, sonst wär der mann nicht im bett mit der frau, nehme ich mal an, zumindest der körper will. das präserproblem ist natürlich hinreissend symbolisch fürs erwachsensein, für mannsein, für im leben stehen. wobei ich gelegentlich auch den verdacht hatte, dass sich das eher ödipale nichtkönnen von verliebten männern an den schwierigkeiten mit dem kondom aufhängen kann, der präser wird dann sozusagen aufgedehnt, bis auch die männliche psyche ihn als schutzraum benutzen kann. (aye! das war mein küchenpsychologischer moment heut früh.)

edit: klar kommentiert da keiner. im kopf hatte ich assange und diesen text hier, von m. verlinkt.

edit2: die frauen sind schuld, wie immer!

die erfahrung, dass auf fast allen besuchten webseiten werbung für genau die winterstiefelmarke auftaucht, die ich vorgestern gegoogelt hatte – sogar auf watchtrek.com. man fühlt sich die ganze zeit wie ein geisteskranker angemurmelt von mono-intentionalen elektronischen geistern, die nur einen satz können, kauf doch, kauf doch, kauf doch, bis man die cookies gelöscht hat. ich habe wanderstiefel von 1984! warm, bequem und unkaputtbar! aber die maschine hört nicht zu.

wenn einem die signatur in einer aus den usa gekauften erstausgabe irgendwie mädchenhaft vorkommt, mit großen anfangsbuchstaben, fast versalien (sofort gedacht naja, die ausgabe ist doch etwas ramponiert und war ziemlich preiswert, vielleicht hat da die tochter des antiquars, der autor ist ja schon lange tot – ) und dann findet man einen brief des autors im netz und die unterschrift ist in der linienführung identisch, das |oh| und das |wp|, der schreibfluss und die endbuchstaben, alles gleich. die initialen benutzt er nicht im brief, sie sind vermutlich eine geste des erfolgs oder teil eines beruflichen ethos‘, private und öffentliche unterschrift. ein schönes buch, hochdruck, fast ungelesen, mit einem langen roten haar darin, im leselicht ganz leise glimmend, und drei vollgeschriebenen notizblättchen.

entspannte pesto-tage, weil man wegen dem hin-und herbringen nicht zum kochen kommt. an der supermarktkasse bei rewe mal wieder ein richtiges tantrum-kind, schon ganz heiser, selberreinmachen selberreinmachen brüllt es, die eltern dabei total unheimlich arschglatt, keine regung, kein wimperzucken, nicht einmal ein blick, man denkt das arme wurm, das muss ja so brüllen. und dann wundert man sich über gefühlskälte bei erwachsenen.

falls ihre kinder sich ebenfalls diese scheußlichen monster-sammelkarten (vor 10 jahren von einer firma als legale alternative zum gelddrucken entwickelt) wünschen, dann verstecken sie die statt in der zugehörigen blechbox für 20 euro lieber in einer tatsächlich japanischen himitsu-bako. dann kommen wenigstens auch noch geist und schönheit ins haus. und der dollar steht grad gut.

mit den zwillingen auf dem traditionsreichen christlichen gymnasium in schmargendorf, zum tag der offenen tür. der nawi-lehrer hat seine steinesammlung mitgebracht und einen echten mammut-knochen, gregor fragt, david denkt, wie immer, wenn die beiden zusammen auftreten. toller eindruck, gute leute, und ich durfte „tochter zion“ mitsingen, eins von den schöneren schmetter-weihnachtsliedern, bei einem vortrag eines wohl pfarrers (es gab einen segen! es ist immer gut, einen segen zu kriegen) über die ziele der schule, die einen in jedem sinn idealen bürger im sinn hat, das ist so absurd angesichts von reformstress und realität, das mag ich, es ist anders als an anderen schulen, bei denen es nur ums abitur und standhalten zu gehen scheint, nur darum, die kinder vorzubereiten auf ökonomie und eine als bösartig vorgestellte welt, hier gibt es andere ziele. aber eine schule am anderen ende der stadt? die entfernung ist aber das einzige, das mich abhält. ich weiß natürlich nicht, ob die zwillis überhaupt genommen werden könnten. mäh, elternzeugs.

pathos

pathos in selbstverständliches hineinstopfen, diese anspruchshaltung an die welt, oh sieh, was ich fühle, wie sich dann im text das gefühl und das so laut fühlende subjekt vor das objekt schieben und es verdecken, selbst wenn es schöne objekte sind wie ein stück musik oder ein sonnenuntergang, überhaupt die nähe zum kitsch. wie aggressiv mich das macht inzwischen, in texten noch mehr als in der kunst, ich weiß nicht genau warum, früher mochte ich das, dieses ichsatte, weil es mir so ausgesetzt schien, so eigen und rührend in der übertreibung. andrerseits dürfen kinder pathetische musik hören, grad hab ich hier immer mehrstimmige chöre, die den soundtrack von jurassic park schmettern, sehr laut, ich denke es dann als probeweise aneignung von bedeutungsräumen, wie der ironie oder der coolness. bei erwachsenen wirkt es auf mich pubertär in der anmassung, wie eine spiegelnde talgschicht auf der wahrnehmung, ich muss dann sofort gähnen und will alles niederrotzen, was da so hehr gefühlt wird. bin bisschen beunruhigt deswegen, pathos war immer ein feiner hafen für mich.