(kleine vergängliche mahnung, tmi)

ich sage euch, liebe kinder, bevor ihr ernst macht mit euren partnern, schaut darauf, wie sie mit krisen umgehen, mit euch oder anderen. vermeidet unbedingt jähzornige. wenn ein erwachsener seinen jähzorn immer noch nicht im griff hat, hat er den schuß nicht gehört. achtet auf den tonfall in streitereien, schaut nach, ob sie generalisieren („du bist immer“) und ob sie so sind, wie sie sich selber sehen, ob selbstdarstellung und sein sich zumindest ein bisschen entsprechen, bei erwachsenen, ob sie ihre projektionen erkennen und einen entspannt-liebevollen umgang mit ihnen pflegen können, ob sie über sich lachen können. ob sie fragen stellen oder mehr selber reden.

(die ganz kontrollierten sind mir eigentlich genauso unheimlich, aber in die verlieb ich mich eh nicht, die machen mir bisschen angst.)

ach, genau weiß ich gar nicht, wie ich die misere hätte früher erkennen können. gab es zeichen? wo sind meine fehler gewesen, in den situationen, die dann zu handgreiflichkeiten geführt haben, nun, es gab natürlich keine, weil der fehler dann beginnt, wenn einer zuschlägt, alles vorher ist vielleicht schlecht gestritten, aber nicht übergriffig. klare grenze. hat der mann nie verstanden, dass ich da so reagiere, fand er immer übertrieben.

ist es vielleicht auch übertrieben, kommt sowas einfach vor in einer liebesbeziehung? nehme ich das und solche mails zu ernst? schlagt ihr euch manchmal, also jetzt nicht du, s., ich meine die anderen? ich mag die wehrlosigkeit nicht, in der ich dann stecke, die verteidigungshaltung, die mich stumm macht, weil ich autoritär aufgezogen wurde. wenn so eine situation der angst nicht sofort einrastet in einer sich ab dann munter weiter selbstbestätigenden unterlegenheit, ein mechanismus, den ich in anderen situationen ausheilen konnte, vielleicht kann man dann als liebender einfacher darüber hinweggehen, und sieht den anderen eben als choleriker, ohne das persönlich zu nehmen. wenn es nicht eine vorhandene kerbe trifft, sowas. oder ist das blödsinn? lohnt da die differenzierung, wie bei erdbeben, mit einer richterskala? kommt bestimmt darauf an, wie tief man drinsteckt. wenn ein mann (oder eine frau) ensthaft prügelt hilft natürlich nur anzeige und polizei, aber das meine ich hier nicht so. einfach zurückhauen hätte vielleicht genügt, dann ist die energie vielleicht aus der welt, wie in der kneipe, da darf man sich ja rituell prügeln, aber es bleibt ein bescheuertes doppelvielleicht, weil jemand, der grade die kontrolle verliert, bei gegenwehr womöglich noch weiter austickt, das will man ja nu auch nicht unbedingt herausfinden müssen.

ich konnte jedenfalls damit nicht leben, wollte ich nicht, hab ich dann ja auch nicht mehr. habe auch mit dem einen typen, der mal meine kinder geschlagen hat, nie wieder reden wollen, auch das können viele nicht nachvollziehen, aber bei dem ist es ja wurscht, ich muss ja nicht mit ihm reden, anders als mit dem ex.

hey, ich bin das letzte blümchem auf dem acker, licht und wärme, bitte danke. nein, ich bin die frau, die ihre drei kinder fast allein großzieht, 11einhalb jahre lang, und außerdem bin ich ein blümchen auf dem acker! das soll mir mal einer nachmachen.

mit ernst machen meine ich: kinder kriegen. es ist eine mindestens 18jährige zwangsbeziehung, wenn man kinder hat mit dem falschen mann, und die männer sind immer in der besseren position, also wenn man gemeinsam sorgeberechtigt ist und die beziehung der kinder zum vater nicht untergraben will. bah. mehr schreib ich jetzt nicht.

 

seewasser

das erste mal in der sonne liegen, nach dem schwimmen, der see dieses jahr sehr niedrig und kalt, die anderen stehen ewig im kniehohen wasser und plaudern, mit verschränkten armen, wer vorbeiläuft, macht kurz konversation. das wasser ist glasklar, man sieht jeden stein und jeden fisch. nach dem bad lege ich mich der länge nach auf mein dichtes badetuch, erfrischt auf die art, die man noch eine weile im rückenmark spüren kann, mit einem bisschen gänsehaut auf den armen, mittagssonne, hell und blendend. langsam so ein kleines wohliges brennen auf dem körper, aber die sonne trifft zuerst auf das wasser, nicht auf die haut, die moleküle verdampfen ein paar minuten lang. dann liege ich eine weile da, die wärme geht unter die haut in körper, muskeln und knochen, der sich mit jeder fühlbaren zelle darüber freut, bevor das ganze seewasser weggetrocknet ist, nur das im haar noch nicht.

der blick auf die mückenstiche bei den anderen am strand, es gibt leute, die haben gar keine, und magneten wie mich.

 

ferragosto

gestern ferragosto total im regen ersoffen, dichter, gleichmäßig rauschender regen. die stille um das rauschen herum. heute dann ein gleissender sommertag, tiefblauer himmel, weiße sauber geknüllte wolken, glitzernder see, angenehme 28°. eine freundin zeigt uns ein altes industriegelände, hinter einem park versteckt, mit felsen und ruinen direkt am wasser, die kinder können hohe sprünge machen, darüber ein senkrechter felsen, unbefestigt, eine badestelle wie aus den fünfzigern, davor meine kinder, braungebrannt und beweglich, auf dem spazierweg dahinter die mädchen und ragazzi in kurzen hosen und polos, die damen in hohen schuhen und mit perlenketten am arm der eleganten alten männer, vorsichtig der menge nachlaufend, dazu ein eis.

wir sind früher an den felsen bei s. caterina del sasso schwimmen gegangen, durch den garten des klosters kam man über einen überwachsenen saumpfad runter an den see, vor dem kloster liegt die tiefste stelle des sees, das wasser war dort auch an heissen tagen kalt und klar. jetzt ist alles touristisch erschlossen und renoviert, es ist schöner und nicht mehr so leicht verwahrlost wie in den achtzigern, der weg zum felsstrand ist seit jahren mit neuen toren versperrt. daran muss ich denken, als die jungs allein auf den ruinen bei caldé herumturnen, der platz da hat bestimmt eine ähnliche zukunft.

wir sind im ferienhaus, ein dutzend oder so kilometer südlich der kleinen stadt, die mir genauso nahe ist wie die andere kleine stadt, von der man anderthalb kilometer steil den berg rauf zum haus gelangt. in caldé liegen auch zwei freunde von mir auf dem friedhof, ich wollte eigentlich noch die mutter von einem anrufen, jetzt wird es schon wieder knapp. dieses jahr habe ich lange gebraucht, um aus der erschöpfung aufzutauchen, um anderes als das gewohnte zu unternehmen.

zwei häuser weiter wohnen zwei junge berlinerinnen im teuren gentrimobil, airbnb, sagen sie. ich will eigentlich keine berliner mit touareg hier haben in meinem refugium, die beiden passen auch nicht zu ihrem auto, können es kaum manövrieren, aber es hat berliner kennzeichen. es ist ein so privater ort hier, vor berlin und der komplizierten gegenwart, oder einfach nur auf eine ältere art kompliziert, mit mir verwachsener, nicht mehr zu trennen von der, der ich bin, die wir geworden sind. die beiden sahen netter aus als ihr blöder luxusschlitten, sie trugen eher berliner klamotten, als irgendwas italienisch-überlegtes, die italiener hier neigen eher zum kleineren auto und dafür zu schönerer kleidung, schon weil man mehr zeit auf der piazza als auf den engen strassen verbringen möchte. oder will ich bloss das einzige berlin hier sein? weiss aber, wie uneinpassbar so ein gedanke ist in die realität. neue zeiten. airbnb werden wir hier bestimmt auch irgendwann machen, so what.

das feuerwerk findet dann am montag danach statt, aber da regnet es auch und wir verzichten, ich biete den jungs halbherzig an, sie hin- und wieder zurückzubringen, aber die couch, die handys und das fernsehen locken mehr. grmpfe ich sie kurz an, bin aber selbst dran schuld, weil sie das tollste mögliche feuerwerk schon gesehen haben, das in venedig.

 

lago

hier gehts morgen in den süden, zu den freunden, der aussicht und ins haus am see. das wird nicht exzeptionell auffallen bei meiner wenigbloggerei, aber jetzt hab ich mal einen grund dafür, der nicht ich ist.

alternative lesetipps hab ich grad zwei, einmal das wunderbare delhi diary bei read on my dear, hier mein lieblingstext, dann das leben in new york, wie es herr spiegel aufschreibt. es empfiehlt sich sowieso, gelegentlich fremde blogrollen durchzuklicken, die szene ist viel lebendiger als gedacht.

einen schönen, heissen und hellen sommer wünsche ich, geht raus, geht trinken, esst eis.

keiner

das ganz und fullbody umarmt werden manchmal so vermissen, dass man sich kurz irgendwo zusammenrollen muss. 2012 zuletzt, der mann kurz danach wieder weg, still missed sometimes, wenn ich ehrlich bin. ach, ach. (gestern, szene in den letzten minuten von „the killing“, season 4. treffer versenkt.)

idiot, als exempel.

die versuchung, dem kind, das sein neues handy zum dritten mal zerschmissen hat, einfach mein 4 jahre altes zu geben, damit er das auch fallen lässt, weil ich die geräte so lange benutze, wie sie funktionieren. aufgeregt, kind im zorn als idiot bezeichnet. natürlich darf man seine kids nicht auf diese art beschimpfen, aber wütend werden die meisten eltern gelegentlich, besonders bei mehreren kindern, und es sind meistens die mütter, die spontan mit der situation umgehen müssen, die väter haben zeit, sich eine reaktion zu überlegen, bis sie nach hause kommen, oder ist das ein vorurteil? es gibt ja auch getrennte familien, wo die väter sich nicht so aus der affäre ziehen und die kinder bei beiden aufwachsen. ärgert mich, bei so einem blöden mißgeschick die nerven verloren zu haben (obwohl, come on, dreimal?), aber ich laufe auf dünnerem eis grade.

später hab ich den ärger bei den halsabschneidern von gravis gelassen, die für eine 10minuten-reparatur 109€ verlangen können. muss uns einen besseren dienst suchen, bei den alten iphones konnte man das glas für 10€ bestellen und dann selber wechseln.

bisschen bammel vor dem urlaub dieses jahr, der ja immer auch ein 24/7 -programm für drei jungs bedeutet, als dauersolo, und sie sind anstrengend grade, die zwillis mitten in der pubertät, testosteronstürme glaube ich, allgemeine neugestaltung des gehirns. sie streiten sich viel, haben sogar angefangen, sich nicht immer rein spielerisch zu kloppen, sagen wirs mal so, sie brauchen und fordern abstand auch mir gegenüber, gleichzeitig provozieren sie mich häufiger, suchen die grenzen, meine übliche souveränität verpufft da, ich muss mir also ein neues, besser funktionierendes zen suchen, weil mein erprobtes nicht mehr genügt, ich hab ja auch noch den zweiten 24/7 – job mit meinem diabetes, der grade kaum steuerbar ist, durch die wechseljahre.

mit den befreundeten eltern sind die gespräche ähnlich leidenschaftlich versunken wie der babytalk am anfang, weil alles schon wieder so neu ist. am liebsten hätte ich einen gleichermaßen pädagogisch wie endokrinologisch erfahrenen pfleger an der seite in den nächsten monaten, einen, der auch kochen und karate kann. andrerseits, erfahrung beim kinderhaben: kurz vor der erschöpfung entspannt es sich wieder, und: familie ist ein system, in dem energien nicht verloren gehen.

am rande: ich glaube nicht daran, dass entschuldigungen (bei sowas wie meinem schimpfwort gestern) den kindern helfen. erklären genügt, denke ich. sonst müssen sie dann dem elternteil, der den fehltritt begangen hat, auch noch die schuld abnehmen, ertragen dann also alles alleine, die beschimpfung und das schlechte gewissen der eltern, statt einfach wohlbegründet und gesund so richtig sauer auf sie zu sein, der zorn verraucht dann in der zeit, die sie brauchen. ich musste, wenn mein vater mich so richtig angebrüllt oder sogar geschlagen hatte, immer zu ihm gehen und ihm sagen, ich sei ihm nicht mehr böse dafür, „der leidet richtig, weißt du?“ meinte meine mutter dann. daher meine vielleicht bisschen übertriebene empfindlichkeit bei diesen themen.

 

[stɔːris]

die versionen jeder familiengeschichte, bei drei schwestern drei zu jeder episode. ob das plumpsklo rechts oder links auf dem hof stand, und in welchem jahr genau das bad angebaut wurde, alles so wichtig wie alles, ihre geschichten, wie sie in ihre rollen zurückschlüpfen im familiengefüge und sich nur ein bisschen davor sträuben, wie klar und genau umrissen die alten kleinen risse sichtbar werden im großen strom der geschichten. die tante, die 80 geworden ist am sonntag, hat ein phänomenales gedächtnis und eine traumwandlerische sicherheit bei pointen, sie weiß stories zu jedem haus in der stadt, jeder ecke des elternhauses, eine frage, und sie antwortet stundenlang. sie erinnert jeden namen, wer wann wen geheiratet hat, die leben als vor- und abspann zu den sachen, sie sie grad erzählen will, „der hatte dann später einen autounfall, mit seiner mutter, und sie hat überlebt, traurig, du“, hat die farbe der milchkanne parat, die sie in der hand hatte, als die englischen tiefflieger sie fast erwischt hätten, kurz vor ihrem elternhaus, und macht das schrille sirren ihrer motoren nach, die piloten hatten weisse lederkappen auf, die konnte sie sehen, so tief flogen die maschinen, sie duckt sich in ihrem sessel, man sieht sie als kleines mädchen in den kellerschacht springen, dessen deckel als munitionsmetall eingezogen worden war, „zum glück, du!“, „und die ganze milch war verschüttet“. sie erzählt, als wäre alles erst gestern passiert, mit so einer schelmischen selbstsicherheit, man wird wieder kind beim zuhören. die andern schwestern diskutieren im hintergrund weiter die details, wir nichten sitzen still und nehmen mit den iphones auf, wie bei jedem besuch.

 

eins null

twoday

10 jahre hotelmama, wer hätte das gedacht. vielen dank fürs lesen und kommentieren und verlinken, für die freundschaft und für die drinks!

ein paar gute texte sind dabei, vielleicht kommen auch noch ein paar, ich bleib dran und mache einfach immer weiter. bloggen ist die perfekte form der öffentlicheit für solche wie mich.

testudo

testudo

da ist einer auf dem land aufgewachsen, ist mit der schule fertig und überlegt sich, was er machen möchte in seinem leben. anfang der sechzigerjahre, da war die stimmung vielleicht konservativer, aber die berufe fanden ähnlich wie heute zu den menschen, über neigung und gelegenheit, wenn eine leidenschaft da war, über pragmatismus oder tradition, wenn nicht, das hoffe ich jedenfalls. h.h. pfannkuche hat sich zum geigenbauer ausbilden lassen, ich denke, dass für so einen berufsweg immer eine gewisse eigenständigkeit nötig ist, neben der musik in kopf und hand, die musik der sechziger war wohl auch ein grund. vielleicht gab es in der gegend einen meister, oder er ist in die nächst größere stadt gezogen, eher eine lehre als ein studium, mehr handwerk als akademie. seine ersten selbstgebauten gitarren hatten einen aufkleber drin, einen firmennamen in schönem schildkrötenlogo, testudo, so wurden früher mal lauten genannt, es steht: „fecit h.h. pfannkuche“ drauf, signiert mit kaum leserlicher schreibschrift, aus dem latein spricht stolz und selbstbewusstsein, aber vielleicht waren solche formeln in der zunft einfach üblich. er hat sie nicht nur für die gegenwart gebaut, sondern sich als teil einer tradition gesehen.

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wieviele er gebaut hat, kann ich nicht herausfinden, da muss man sich gut auskennen in der szene, es gibt eine junge römische e-gitarrenfirma mit dem namen und ähnlichem logo, von der alten ist wohl nichts geblieben außer einer handvoll alter gitarren, aber ich weiß ja, das netz zeigt alles erst seit den neunzigern, frühestens. der mann ist wohl nicht bei seinem beruf geblieben, sondern hat ein geschäft für antikes aufgemacht, in einer kleinen stadt auf dem land, „antiquitäten und geigenbau“ steht im adressbuch, und eine telefonnummer, vielleicht ist ihm etwas dazwischengekommen, oder der markt war nicht so gut, und der geigenbau ist inzwischen nur ein stern in seiner krone, das „nur“ jetzt mal ohne neigungswinkel gemeint. 50 jahre sind ja zeit genug, selbst für mehrere lange berufswege.

die konzertgitarre bei ebay sieht schön und bisschen mitgenommen aus, mit herringbone-rand, vorne und hinten!

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palisander und fichte, ob massiv oder nicht, kann ich nicht erkennen, es ist bestimmt die frühe arbeit eines berufsanfängers, breitmaseriges preiswertes holz, aber echt. der lack vorne ist voller feinster sprunglinien, das griffbrett glatt, es wurde wohl nicht sehr intensiv bespielt.

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soll ich ihn anrufen und nach seinem lebenslauf fragen? grosse versuchung. er muss um die siebzig mindestens sein, wenn er in den sechzigern schon gitarren gebaut hat. ob es ihn freut oder belästigt? alte männer reden ja eigentlich ganz gern über die lieben ihrer jugend.

 

tanzen

das sich noch etwas öffnet vor einem, eine linie wie ein ornament, schön, ende nicht sichtbar.

nach einem langen tag nach hause kommen und keine lust aufs kochen haben, sagt der gregorzwilling mama, ich koch heut was! im kopf schnell die inhalte der tiefkühlers durchgehen, hmm, tk-pizzen sind alle, fischstäbchen könnten noch da sein, pesto ist ja immer noch irgendwo ein glas, danke! sagen. kind schaut auf sein handy, sagt, er braucht noch schnell tunfisch, geht welchen kaufen, ich muss ihm nur noch erklären, wie man ingwer verarbeitet, dann werde ich rausgeworfen. es gibt eine reis-gemüsepfanne mit paprika, thunfisch, ingwer und noch irgendwas, es schmeckt vorzüglich, ich bin wirklich überrascht und das kind hat ein sehr schönes lächeln im gesicht, als es meinen appetit bemerkt.

ob die erschöpfung bei 55-std. wochen mit dem geld zusammenhängt, dass ich dabei nicht verdiene? kann recht gut mit existenzangst umgehen dank jahrelanger gewöhnung, aber das geldausgeben für eine fortbildung mit unsicherem erfolg macht sehr müde. und wenn ich gar nicht begabt bin dafür? wenn es doch keinen markt gibt für meine ideen? wenn es vielleicht für knapp eine person genug zu holen gibt, aber nicht für eine familie? noch nicht den punkt erreicht, wo ich meine geschäftsidee für einen sicheren job nicht sofort ruhen lassen würde. die doppelte verneinung ist mein lebensraum.

 

KW 10

in der einen hand bananenschalen, eine leere wasabidose, klopapierrollen und drei eishölzchen, in der anderen zwei gläser und zwei einzelne socken und ein maßband, so steht man vorm fernseher, aufgehalten vom kind, dass einem die tolle stelle im soundtrack in den letzten minuten des abspanns vom grand hotel budapest noch vorspielen will und dabei eifrig whatsappt.

die optikerin, bei der ich die im internet intensiv beworbene gleitsichtbrille erstehen möchte, als ich beim unterschreiben des auftrags den kopf zurückschiebe, um unter der brille durchzugucken: das müssen sie dann bald nicht mehr machen. wir haben uns kurz alle wesentlichen lebensdaten mitgeteilt, als rauskam, dass ich grade eine hundeausbildung mache (wo arbeiten sie? ich: vorm computer und im feld) und sie schon eine hinter sich hat, trainerschein rallye obbedience, kommt raus, ruft sie in den hinterraum, und ihre beiden angeleinten hunde laufen in den laden. skonto bekommen. dann beim gatten bezahlt, der vom skonto nix wissen wollte.

wenn ich nach solchen situationen aufwache, ist immer der notarzt da. die scham kenne ich auch, sie entsteht nicht nur wegen möglichen fehlern, sondern stammt aus einer sehr tiefliegenden bewusstseinsschicht, du hast mich total hilflos gesehen, der allgemeine wahn der selbständigkeit in allem machts nicht einfacher.

7:31, die haustür fällt ins schloss, letztes kind raus. draussen ist es sehr hell, blauer himmel mit wolken, auf denen schon die sonne leuchtet, lesen ohne lampe. first time this year: winter überstanden, nur noch die trockenheit und kälte müssen besser werden.

 

byebye ________

seitdem mir einmal vor vielen jahren bei einer schweren unterzuckerung der gesamte bach verloren gegangen ist (passenderweise hörte ich damals tagaus, tagein das musikalische opfer, es hat jahre gedauert, bei bach kopf und herz wieder zusammen zu bringen, etwas zu fühlen, die juvenile identifikatorische intensität ist nicht wieder gekommen, die verschwindet aber bestimmt sowieso mit einem gewissen alter, not?), vertiefe ich mich jetzt bei hypos immer in unfruchtbare gedankengänge, ängste, hindernisse,  mache die musik aus, lege buch und gitarre weg, bis der blutzucker wieder oben ist. internet lass ich an, das wär ich ja ganz gern mal los.

hirn und hypo, einer der spannenden nebenbeieffekte, zu denen es niemals studien geben wird.

horcynus orca (überhaupt keine rezension)

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dass ich dieses buch gelesen habe, verdankt sich vermutlich seiner bewegten entstehungsgeschichte. der erste entwurf wurde von d’arrigo im jahr 1961 bei seinem verleger abgegeben, für die korrektur der fahnen hatte er selber 14 tage veranschlagt, es hat aber tatsächlich 15 jahre gedauert, gefüllt mit intensivster arbeit an einem roman, der seit der veröffentlichung einiger kapitel daraus in der literaturzeitschrift menabò als italienischer uliysses angekündigt worden war. (vgl. hier, worin man außerdem erfährt, dass d’arrigo im film accattone einen auftritt hatte.)

Da chi ebbe modo di frequentarlo in quegli anni egli è ricordato come un uomo totalmente posseduto dal demone dell’arte e dedito notte e giorno, anche a costo della salute, a uno sforzo creativo rivolto soprattutto all’invenzione di una lingua inaudita che affondasse le sue radici ultime nel magma delle numerose lingue (dilalettali e non) di cui lo Stretto di Messina è stato punto d’incontro e di filtraggio. (von hier)

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