valentines

großer sohn hat erstes valentinsdate seines lebens, mit seiner freundin, sie gehen schlittschuhlaufen, nachmittags, und danach „mal sehen, weiß ich nicht“. er fragt mich, ob er sie einladen soll oder nicht, sie wünscht sich eine weiße rose, glaubt er, weil sie so nebenbei mal erzählt hat, wie sehr sie weisse rosen mag, „und das ist doch ein hinweis, oder?“ er versucht, es zu verbergen, aber er leuchtet ein bisschen, so in den mundwinkeln und im blick, ich bin still, was mich einiges kostet, vor allem wünsche ich mir, dass er nichts vergisst von all dem. er sammelt noch keine momente wie wir großen, es ist alles sehr undramatisch und auf eine geschützte art normal, keine erfahrungen und keine ängste, blanko, und sie wissen ja noch nicht, was wichtig werden wird von dem, was sie erleben. es macht ihm sorgen, worüber sie reden sollen, wenn es mal eine pause gibt, das beschäftigt ihn am meisten. es scheint, als ob die tvshows, das internet und das gerede genauso aussen vor bleiben wie die phantasien der erwachsenen, ich denke, also so von meiner position persönlicher ahnungslosigkeit, wenn sie mit ihren special ones allein sind, dann ist der raum gut gefüllt mit gegenwart und synchronizität, da passt kein gerede dazwischen.

abends rufen der reihe nach seine freunde an und wollen ihn sprechen, aber ich weiss nicht, wo er ist, ob bei ihr oder bei seinem vater, er hat sich bei meinen nachfragen vorher aus der antwort rausgehmmst.

ich selber hatte die zweitbeste art verabredung an so einem tag (es ist so einer, weil er einen daran erinnert, ob man will oder nicht), mit meiner besten freundin, es ist kaum ein wort über männer gefallen, vielleicht ein paar lakonismen in nebensätzen.

KW 5

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die frage, ob ich die eher überraschend geschossene teetasse aus der knaufzeit benutzen soll. ihr porzellan ist dicker als das heutige, sie ist sehr groß und hat eine untertasse, von der sie auch nach einigen tees mit schuß nicht runterrutschen wird, für solide hände, sie hat zwei sehr hinreißende kleine reliefblättchen an den enden des henkels, sie passt gut zu der einen verbliebenen silberkanne im hausstand. beim herumstehen als objekt ginge der teetasse ihr daseinsgrund verloren, er wird geopfert für den neuen, sagen wir mal wertneutral: die zierde, sie ist damit als trinktasse praktisch tot. das ist doch zu bedauern, not? sie wurde für den postweg auch schon verpackt wie eine mumie. wär doch nett, sie durchs verwenden langsam fürs wohlbefinden auf- und dabei für den markt zu entwerten, nutzwert vs sammlerwert, und ich will und muss doch im jetzt leben. vielleicht bleibt sie ja auch heile, wenn ich die jungs nicht dranlasse. die kanne wird bei etwa gleichem alter auch noch viel benutzt, schon ein bisschen als eine art lebenszierde in einem alltag, der sonst eher pragmatisch als kostbar eingerichtet ist (arzberg), aber die ist ja auch massiv und eher unkaputtbar, wenn man sie nicht auf den heissen herd stellt, wie der exmann eine zweitkanne. ich hab so eine zärtlichkeit für das neue stück, wie es hier angespült wurde nach einer langen existenz, bin bisschen unentschlossen, ob ich es mehr als einmal, zum einstand, verwenden möchte, obwohl respekt und stil das erlauben.

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(wenn das geschirr überhaupt echt ist, tasse und untertasse gehören nicht zusammen, sie haben verschiedene buchstaben unter den schwertern, die in der knaufzeit sowieso ungewöhnlich waren, der untertassenrand ist bisschen uneben, der blaustrich im inneren der tasse hat einen ansatzpunkt, die granatkerne am tassenboden haben bisschen geschmiert beim brennen. keine fachfrau bin ich.)

ich treib mich da rum, wo es diese sachen gibt, weil ich seit jahren nach einer ganz bestimmten untertassse suche, vielleicht ist suchen zuviel gesagt, ein schlendern im selbstgespräch, bei dem man seitenblicke auf die stände wirft, mingdrache mit gold, mit glattem rand, groß, purpur, für eine einzelne tasse, über die ich auch schon mal gebloggt habe. ich hab mich natürlich grad nicht an den text erinnert, sondern an die tasse. porzellan ist sehr tiefenentspannend, das prekäre, es kann jahrzehnte oder jahrhunderte halten und bei einer falschen bewegung zerbrechen, es wird nicht alt und knittrig wie ein vielgelesenes buch, sondern ist eben heil oder kaputt, wenn es kaputt gemacht wird. so ein leben für dinge scheint mir immer noch sehr verlockend, also neben dem für menschen.

heute will das wort eher in fast jeden satz, es gibt manchmal so worte, fast alle wieder rausgestrichen. es ist eher grau und eher schwierig, es ist eher gut gegangen, es war eher unfreiwillig, eher ist ein kleiner unterschied, relativ und unentschieden, aber nicht entscheidungsschwach unentschieden, sondern offen, für den schnee nach dem gewitter grade, eher das als den rest, der auch blöd ist, aber am liebsten eher die „[3] größere Wahrscheinlichkeit bei sehr unwahrscheinlichen Ereignissen„.

 

 

KW kaffee

der große geht schon wieder aus, also zum zweiten mal. erst gemischte gefühle, eher wegen der großen symbolischen änderung, beim kind selber hab ich überhaupt keine sorgen. dann denke ich nicht mehr dran und schlafe ein, bevor er nach hause kommt.

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im versuch, das leben zu ändern, auf die kleinen dinge ausgewichen, die in meiner macht stehen, also eine kaffeemühle gekauft und ein kilo pechschwarze arabica-bohnen in einer malerischen großen büchse. der erste espresso aus der espressokanne schmeckt vollkommen überraschend, weil wirklich anders, als ob nicht nur einige bekannte eigenschaften von espresso verändert würden, wie ich das erwartet hatte, also vielleicht mehr kaffeeduft durchs mahlen, intensiver gereizte kaffeerezeptoren auf der zunge, sondern als ob das gesamte paket anders zusammengesetzt wäre. der espresso schmeckt nach wald! er hat etwas grünes im aroma, ist ein bisschen schärfer, es sind lauter ungewohnte aromen, die ich gar nicht einordnen kann. er schmeckt wie etwas vollkommen anderes, und das ist nur halb übertrieben, es ist wie die erste selbstgemachte hühnersuppe nach jahren mit tütensuppen, wenn man im kopf behält, dass glutamat ja auch glücklich macht, vor allem, wenn man nix anderes kennt. ich hab ja nur so ein herdkännchen, meine küche ist viel zu klein für was ernstes, ich mag in der bar sowieso tendenziell den lungo viel lieber als den normalen, die sind mir viel zu bitter. die zweite tasse aus der kanne schmeckt schon viel mehr wie die alten aus den lavazza-tüten, ist das möglich? also immer noch viel mehr aromen, aber der wald verfliegt wohl sofort. wow, das hat sich gelohnt.

je suis charlie

auf eine fundamentale und tiefgehende art fassungslos über die morde an den journalisten von charlie hebdo, zeitschrift, von der ich noch nie vorher was gehört habe (aber ich bin mit dem italienischen eher comic-als-satire-magazin linus aufgewachsen, an dem ch sich orientiert hat, einer der emordeten zeichner hat auch für linus gearbeitet), sehr erschrocken über die willkür, die aus vollkommen nichtigen gründen mordet, es gibt ja generell keine rechtfertigungen für sowas, muss man ja nicht extra sagen, oder? das ist doch selbstverständlich. leben nehmen und beenden, nur weil jemand etwas publiziert oder eine meinung hat oder eine religion oder geblümte schlüpfer oder was auch immer. es ist eine wut, die sich anders anfühlt als die über die vielen tausend morde und gewalttaten der IS, aus gründen, die ich nicht mag, sie sind halt weiter weg und eigentlich doch eher ein PAL, oder über die vielen anderen attentate in letzter zeit, die eher traurig machen als wütend, grade heute sind im jemen viele dutzend menschen gestorben wegen einer autobombe.

oder die texte im fatto quotidiano, wo irgendein prof in langen sätzen sagt, der islam sei eigentlich eben einfach weniger säkularisiert als das christentum, und also den irrsinn einiger (lauter adjektive wieder gestrichen, es ist alles egal, es bleibt eh nur eines von diesen menschen:) mörder aus einer kompletten religion abzuleiten versucht, und genau merkt, auf welches pferd er damit steigt.

abscheulich alles. ich mag keine gewalt, sie macht mir angst, ich denke ja, der umgang mit der menschlichen gewaltlust gehört in einen gigantischen erziehungsauftrag eingebunden. argumente, streitereien, prozesse, demos, alles, aber schüsse? wie sehr ich der demokratie eigentlich vertraue, die sowas nicht kennt, vielleicht macht mich das so entsetzt, der verlust an sicherheit vor solchem wahnsinn. wir sind nicht mehr die anderen, waren wir ja eh nicht mehr so richtig, wenn man an flüchtlingsheime und so denkt, aber doch. hoffe auf detektivisches polizeikönnen, das die dinge ganz altmodisch und genau ausleuchtet und bezahlung und pläne aufklären kann, der rationale zugang. es ist so verflucht symbolisch, es wär mir lieber, ich wär nur traurig über den tod dieser menschen, und nicht so empört über den angriff auf die pressefreiheit. empörung als relativ leicht manipulierbare emotion, mit großer hebelwirkung, wenn wie hier meine identität als moderne zeitgenossin in frage gestellt wird.

am einfachsten hat es gérard briard gesagt, der chefredakteur von charlie hebdo, in einem alten interview für micromega, von micromega grade für facebook wieder hochgeholt, zur veröffentlichung der dänischen mohammed-karikaturen.

puh. die kinder finden es nicht schlimmer als all die anderen geschichten (auf ne solidarietätsdemo, jetzt? ach nee, mama, müssen wir?), die sie mitbekommen, warum das bei mir tiefer geht, muss ich noch drüber nachdenken. ich bin ja recht anfällig für symbolisches.

 

Untitled

16 jahre ist er jetzt, und gibt seine erste richtige geburtstagsparty, also ohne eltern. ich darf überhaupt nichts machen. er feiert in einem gemeinderaum, der jugendwart schaut gelegentlich mal runter, sagt aber selber, er würde nur beim kiffen eingreifen, „aber der elias und seine freunde gehören nicht zu denen“. speis und trank (bier, limo und chips) kauft er mit freunden vorher selber im supermarkt, mit schülerausweis. „so gegen zwei“ wird er nach hause kommen, sagt er. wenn etwas nicht klappt, soll er anrufen, sage ich ihm. „ja, mama“ sagt er. ich habe gemischte gefühle und wär gern mäusschen.

downton abbey versucht, die kostüme und allgemeine pracht sehr gern gesehen, vollkommen unverständlich, warum die produzenten nicht ein bisschen geld für gute autoren aufbringen wollten. sie haben die austattung des kompletten empire auf die bühne gebracht, und erzählen damit nur die einfachsten und langweiligsten seifenopern. aber diese bilder! ich suche das meissen heraus, nehme die silberkanne für den tee und wünsche mir ein paar dieser kleider.

nach einem richtig schönem sylvesterabend mit freunden und speis und trank hoch über berlin auf dem heimweg aus gedankenlosigkeit morgens um halb zwei mitten ins partyberlin geraten, das ich so gar nicht kenne, hunderte von menschen, alle zu jung zum schätzen (unter dreissig sehen sie doch alle gleich jung aus), der boden übersäht mit scherben, alle paar sekunden knallt irgendwo ein böller los, meine tramhalte wegen der masse unerreichbar, ich muss zu fuß nach hause, mit meinem hochpanisch hechelnden hund, der mit all der kraft seiner 15 kg in der leine hängt und weg will. versuche, ihn hochzuheben, wegen der scherben, aber mein fuss ist verstaucht und ich bin nicht sicher genug auf den beinen, also müssen wir auf 6 beinen da durch. eine full-impact-therapie bei schußangst, emma läuft schnell, ich denke: sie ist ja hoffentlich zu jung für einen herzinfarkt, sie will in jeden hauseingang und in jedes geschäft, sie will in deckung gehen, aber ich lasse sie nicht, ich will ja nach hause. erst nach ein paar kreuzungen wird das chaos lichter, leider keine tram und kein verfügbares taxi (die fahrer wollen alle keine hunde mitnehmen, auch damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet im vorfeld) es knallt nur noch 1-2x in der minute. am ersten und zweiten januar musste ich sie die treppe runter tragen, weil sie den ausgang verweigert hat, erst heute, am dritten, geht es wieder. merken. auch merken: das hundetavor hilft ein bisschen, weil sie schneller rauskommt aus dem stress, sobald es stiller wird, aber ich werde sie dem trotzdem nie wieder aussetzen. ab 2015 heisst es landurlaub oder verbleib im haus.

 

Unbenannt

und dann sitzt meine mutter beim neujahrskaffee im wiener café zufällig neben einem 84jährigen westberliner helden der nacht, der mit mutters nachbarn befreundet ist. wie er denn gefeiert habe, fragt sie ihn. „im bett“, sagt er, „allein?“ fragt die mutter, „natürlich nicht!“ sagt er, und erzählt ein bisschen von seinen frauen und kindern und enkelkindern, „wieviele es sind, hab ich vergessen, aber er genießt sein leben, glaube ich“. rolf eden.

in den tiefen der blogs

wenig schöneres, als in den tagen zwischen den jahren mit ein paar büchern und einem tee im warmen zu sitzen, während es draussen immer noch dunkel ist. kitty koma und graf typo haben wunderbarerweise eine anthologie mit vielen lieblingstexten aus weblogs zusammengestellt und in einem e-book veröffentlicht, sie selber beschreiben es so:

Es werden Gräber gegraben, Joints gebaut und Ateliers verwüstet. Liebe, Geburt und Tod kommen vor. Väter, Mütter und Großmütter treten auf. Gartenzwerge spielen eine geheimnisvolle Rolle. Man gedenkt früherer Zeiten, guten und schlechten, erfindet aus Zufall bahnbrechendes, wandert aus oder spaziert einfach nur am Strand entlang.

das buch gibt es zunächst als kostenlosen download, später wird es bei independent-buchportalen zu finden sein. ab sofort läßt es sich unter http://edition.barnimkante.com/ im epub- und für kindle im mobi-format herunterladen.

die QR-codes lassen sich auf einen gutschein drucken und sind ein kleines last-minute-geschenk. aus diesem blog ist auch was dabei.

 

vorweihnacht

im kopf kaum nebeneinander von drinnen und draußen, zu finster die nachrichten, zu leicht die flucht. kaum zugang zur religiösen bedeutung, der konsumaspekt ist leichter mitzumachen als das friedensbringende und gnadenspendende der weihnachtzeit, ich hoffe, mir gelingt spätestens im gottesdienst noch ein wechsel hin zum großen & ganzen. dieses jahr noch keinmal das WO gehört, fällt mir jetzt erst auf.

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wie fast jedes jahr verläßt mich der verstand kurz vor weihnachten und ich kaufe allen kindern viel zuviele geschenke, mit muttern durchs kadewe gestromert, als wären wir noch die von ganz früher, reich und sicher eingetütet in möglichkeiten. die frauen in den schlangen an den kassen, alle blond und hochhackig, die männer älter und im hintergrund, nee, war jetzt bisschen übertrieben, das kaufhaus wirkt am samstag vor dem fest trotzdem wie ein 3d-werbefilm aus den goldenen zeiten von irgendwann, mit einem selbstverständlichen und selbstverständlich sichtbaren wohlstand, der mir sonst im alltag nicht begegnet. einen tag vorher wurde das kaufhaus überfallen, mich hätten sie jedenfalls nicht mitgenommen.

wann genau habe ich mich für die ukulele entschieden, die jetzt hier herumliegt?

alles eingepackt, dabei weihnachtslieder, hat jemand eine empfehlung für schöne, nicht von knaben gesungene? ich mag erwachsene stimmen. o come all ye faithful ist mein liebstes weihnachtslied (oh kommt all ihr gläubigen, es wird auch auf latein gesungen, adeste fideles), ich hab nur eine olle version von herrn sinatra, mit einem tick zu viel input.

in der papeterie vom KDW hätt ich aber schon gern mal übernachtet. sinn für luxus als großzügigkeit, als hingabe an die schönheit der welt, nicht nur als dekadenz und überfluss, eine stilistisch sehr feine grenze.

 

Unbenannt

frau ziebarth im tagesspiegel! über herrn schnecks facebook, sehr gefreut. habe auch ein paar mal über sie geschrieben, sie hat gregor den löffel erklärt, ich war mit ihr im bodemuseum, wie mir grad erst wieder eingefallen ist, vor den kindern war ich häufiger auf theaterpremieren und habe frau ziebarth auf ausnahmslos jeder getroffen, sie ist ein theatermensch, ist in jedem theater berlins zuhause. ich kenne sie über meinen vater, der in den sechzigern ein paar jahre im DIW in berlin gearbeitet hat und mit ihr befreundet war. als wir uns zum ersten mal begegneten, war ihre erste frage: was ist dein lieblingsbuch?

 

über bord

die feine geringschätzung einiger, wenn ich von meinen plänen erzähle, ihr erwähnen von dingen, die sie haben, „mein“, erfolge, bücher, gelder, kunden, als wären sie sich nicht sicher und müssten das immer wieder ausprechen, verankern, ihrem leben substanz geben. das flüchtige interesse, der blick, der gleich wieder auf wanderschaft geht, wieder weg will, obwohl ich grade noch im anlauf auf die anekdote bin. alles ist erlaubt. sie fragen nie.

was machst du denn wirklich so von früh bis spät? bis wohin geht deine sicherheit? keine neugierde?

 

 

Der Tod ist nicht.

Es ist nicht alles da, vor allem kein Zusammenhang zwischen Körper und Raumzeit. Das, was da ist, könnte überall sein, ich weiß nicht, wo ich bin, das Denken geht an und aus wie ein Warnblinklicht, der Körper ist träge und schutzlos, weil ich kaum Gewalt darüber habe, wie wenig, weiß ich aber nicht, weil ich den Weg zwischen Gedanken und Bewegung nicht mehr finden kann, mein Gehirn schafft grade, ich zu denken, es gibt mich in einem Raum, es dauert ewig, bis ich diesen Raum als von mir unterschiedenes wahrnehmen kann. Mein Arm fühlt sich unförmig an, das merke ich, als ich ihn zu heben versuche, die Hand fällt sofort gefühllos auf meine Seite, fällt sie weit? Sie fällt durch den Weltraum. Es ist dunkel. Das Denken ist mühsam und funktioniert nur in kleinen einzelnen Sekunden, ich erinnere später nur den Unterschied zwischen der Zeit mit Gedanken und der ohne, reine Abwesenheit, schwarz auf eine lichtlose Weise. Ich wollte mich nach einer Weile gegen das Nichts orientieren, ganz simpel, hier bin ich, ich ist etwas, und das ist mir lieber als nichts, obwohl das Nichts einfacher war, keine Energie aufbringen, es überall hinlassen. Die Erfahrungen waren beide elementar, der Wechsel von einer in die andere fing direkt in den Bewegungsnerven an, ich konnte spüren, wie der Plan aus dem Kleinhirn ins Bein rumpelt, Bein hoch, ins Reale, seitwärts, aus dem Bett runter, aua, da knallt der Fuß aufs Parkett.

So funktioniert das Hirn eben, es braucht zum Überleben Luft, Zucker und Wasser, es hat keine Energiespeicher zur Verfügung, ohne Luft überlebt es nur ein paar Minuten, ohne Zucker bleibt noch Zeit für diesen Schwanentanz, bei dem nacheinander die Funktionen des ZNS abgeschaltet werden, damit die Restenergie noch für das vegetative Nervensystem genügt. Das Erlebnis ist ein paar Jahre her, aber ich hab noch immer eine Art von Ehrfurcht vor der klaren Hierarchie zwischen nötig und nicht nötig, wie dann als erster Gedanke, also Gedanke als etwas, das man nicht gleichzeitig tun muss, die Bilder für „Hypoglykämie“ und „Honigtopf, kleiner Schrank, Küche“ aufkommen und die Magie der Grenzerfahrung vorbei ist, während ich meinen Körper in die Küche wuchte, wie beim Sackhüpfen, nur ohne Hüpfen, weil das Hirn nur noch Energie hat für die Hälfte des Körpers.

An dieser Grenze fällt einem vor allem der Unterschied auf: Es gibt nichts zu sagen über das Nichts, während man übers Leben bis runter zu den Nerven andauernd Romane schreiben möchte. Neurotransmitter: Toll! Glutamat, Serotonin, Rezeptoren, Zellwände, ein Kosmos, egal, wo man hinschaut, es ist komplex, es ist kompliziert, es ist ein Wunder. Das Nichts ist einfach nur Nichts. Ich seh das so: Leben ist das, was die Zellen miteinander machen, wenn man sie läßt, Leben ist Stoffwechsel, Tod lohnt die Mühe nicht, er ist das Nichts, es liegen genug Rätsel im Leben, mit dem Tod will ich mich nicht aufhalten, auch die Seele ist nicht mehr als der Wärmeabdruck im Bett, wenn der Liebste schon gegangen ist, etwas hiesiges.

geschrieben für dieses beeindruckende projekt.

winterreise

marco ponce kärgel und manfred maurenbrecher haben die winterreise aufgebrochen und neu hingestellt, mit reduzierter und sehr klarer gitarre, wenn der gitarrenauszug von kärgel, der wohl die hauptenergie in diese cd gesteckt hat, ein windhund wäre*, würd ich sagen: trocken gebaut, man sieht die sehnen und muskelstränge und die ganze schönheit viel besser jetzt, es läuft wie von selber, und maurenbrecher singt bei einigen stücken so, dass man sein herz genau schlagen hören kann, ich hab meins gehört jedenfalls, es hat mich traurig gemacht, wie es sein soll bei dieser musik. ist aber auch mein lieblingsliederzyklus, lieder für dazwischen, wenn die blätter schon unten sind, vorm neuanfang, vor dem nächsten jahr. die beiden haben die winterreise wirklich gemacht. ihre version von „mut“ ist besonders schräg und endlich so laut, wie sie sein sollte, könnte zum hit werden, wenn man morgens um drei doch noch nach hause muss. ein bisschen mitbrüllen. sehr schön.

*bin grad im hundethema, sorry.

 

libre

mein kindle ist verschwunden, seine tasche auch, mein gefühl, dass die unordnung in meiner wohnung langsam flügge wird und auch größere dinge verschwinden läßt, die im alltag wichtiger sind, als die ewigen kleinigkeiten wie ringe, lieblingsstifte, lippenstifte. die dvds waren alle unter [kind]s bett, da fehlen nur noch die hüllen.

ein neues meßgerät kommt auf den markt, eines, bei dem man sich nicht mehr stechen muss und andauernd seinen wert checken kann, wenn man möchte, durch dranhalten eines lesegerätes an einen am obararm festgeklebten sensor, groß wie eine 2€-münze. meine freude darüber ist ziemlich groß, obwohl ich mich an die verhornten kuppen gewöhnt habe und den schmerz gar nicht mehr wahrnehme, ich habe einfach mit keiner so deutlichen verbesserung der therapie mehr gerechnet, ich bin ja krank seit den grauen tagen, an denen blutzuckermessen nur gelegentlich beim arzt machbar war, habe die entwicklung der technologie also am eigenen leib mitgemacht, aber all diese neuerungen, kleinere geräte, batterien länger als einen tag haltbar, vom analogen (mit zeiger), zum digitalen ergebnis, vom fetten 0,5cm-tropfen zu den heutigen systemen, die nur 0,5 mikroliter benötigen, alles erscheint eher kosmetisch im vergleich zu diesem neuen ansatz. also so gefühlsmäßig. zählen gefühle? bei chronischen krankheiten: sehr.

ich hab noch keines, die kassen zahlen die dinger vorerst nicht, aber das wird kommen, bestimmt, das verhindert nur die große konkurrenz der vielen weiteren anbieter, die mit immer neuen eher ähnlichen designs auf den markt kommen, aber eben alle frisches blut benötigen, oder nicht? (um dann doch nur eine meßgenauigkeit von 70% hinzukriegen, letztens selber einen blutzucker von 150 gemessen, beim arzt waren es dann 180, da hätte ich schon korrigieren gewollt, der gesetzgeber gestattet halt eine schwankungsbreite von 30%.) es kann ja gar nicht um den patienten gehen, wenn eine so revolutionäre verbesserung der lebensqualität nicht von den kassen übernommen wird! werden würde! so sind die nicht, die brauchen bestimmt nur noch eine weile –  andrerseits war das auch bei den bisherigen cgm-systemen* so, keine unterstützung von den krankenkassen, nur bei schwangerschaft oder so, bei meinen schwangerschaften gab es die aber eh noch nicht. ich habe in einer kritischen phase mal 1200 euro für so ein ding bezahlt, es liegt jetzt rum, weil die sensoren zu teuer und zu empfindlich sind, sie halten nur ein paar monate und man muss immer 5 auf einmal kaufen, aber jetzt? ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand freiwillig weiter sticht.

*continous glucose monitoring

abott bietet praktisch ein cgm-system für hundertzwanzig euro im monat an, die konkurrenz beginnt bei 240, für die sensoren, also die kleinen dinger, die sich der patient unter die haut stechen muss, damit die gewebsflüssigkeit gelesen werden kann, das sind die verbrauchsartikel dieser messsysteme. bisher musste  der patient dazu noch etliche hundert für die hardware bezahlen, also obendrauf, für die lesegeräte der sensoren. abbott ist auch da revolutionär: das lesegerät bei abbott kostet 70€.

menno, keine mit preisen bestückte übersicht über cgm-systeme gefunen, hier schnell eine liste, es gibt wohl 3 verschiedene, die beiden marktführer sind an eine insulinpumpe gebunden, auf der die werte dann ablesbar sind, sie haben keine eigenständigen lesegeräte und sie sind  natürlich gebunden an eine marke und ein oder zwei modelle der hersteller. im medizinischen ist alles proprietär.

für die animaspumpe (von johnson&johnson, glaube ich) braucht man: ein  sendegerät (das die daten vom sensor in der haut auf die pumpe in der hosentasche schickt) für 400€, sowie die  dexcom-sensoren, halten 7 tage, kosten 80€ pro stück.

für 2 verschiedene pumpen der firma medtronic gibt es ein system, das sendegerät kostet um die 920€, die sensoren gibt es entweder im 10er oder im 5er-pack für 55-61€ das stück, sie halten bis zu 6 tagen. die sehr hilfreiche einführhilfe kostet nochmal 90 euro.

dann gibt es noch ein eigenständiges system, dass ohne insulinpumpe auskommt und auch für die ICTler* infrage kommt, den freestyle navigator, aber das ist der vorläufer des neuen systems und ist nun überflüssig, auch von abbott, auch viel zu teuer.

*intensivierte konventionelle therapie, man spritzt lang- und kurzwirkendes insulin je nach bedarf und benutzt keine insulinpumpe.

was meine freude merklich trübt: diabeteshunde werden, nun ja, sie sind nicht mehr wirklich nötig, sobald abbott einen alarm in sein system einbaut. ich hab das so an mir, dass mein projekte zu spät kommen.

ops. der lustige text über verloren gegangenes ist selber irgendwie verloren gegangen.