neue kunst

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parkplatz direkt davor, schlange vorm einlass, an dem ein mann in einem papierstapel blättert und namen durchstreicht. ich bin über freunde da und hab keine einladung, wieso überhaupt eine vernissage mit einladung? kenn ich sonst nur von museen, nicht von orten mit verkaufsabsicht. ich nutze in alter, noch nicht verlernter technik die sekunde, als der einlasser kurz woandershin guckt und gehe durch. drinnen sehr, sehr voll, die in-crowd komplett da, sehr gut angezogen, ich bin erleichtert, das die schuhe von heike makatsch so aussehen wie meine, hätte aber einen abendmantel und komplette schminkatur wählen sollen, statt der uralten d&g- herbstjacke, aber wer ahnt denn so einen auflauf?

die eine junge frau, die aussieht wie ein schatten am abend, sehr schmal, mit ultradünnen beinen in sehr engen hosen, haare bis zur taille, magerer langer kiefer, riesenaugen, riesenmund, alles auf 12cm- schuhen, nicht sicher, aus welcher dimension sie stammt, sie bringt die reflexe durcheinander. essen hätte es gegeben, im letzten hof stand eine wurstbude oder sowas.

die kunst ist kunterbunt, die sachen sind teilweise sehr gut im markt, wollen aber nicht mit mir nach hause, bis auf ein oder zwei stücke. die stimmung ist brauselig, die besucher strömen hin und her, es sieht alles genauso aus wie im film bei highend-vernissagen, es sind nur etwas zuviele leute da. die halle ist riesengross, über 500m², die stilrichtungen sehr disparat.

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stohead
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katrin fridriks

es gibt einen kleinen schwerpunkt auf geometrischem und abstraktem, ein paar gegenständliche sachen, typ halber gezeichneter frauentorso mit konstruktivistischen dreiecken und kreisen und einem stuhl, oder ein großer realistischer affenoberkörper mit einer muschel in den händen, von kevin earl taylor, die lustige, aber nicht nur feinsinnige collage mit blättern, auf denen beim näherhingucken anderes zu sehen ist, nette deko für die liegeecke in einem dieser imaginierten designerlofts.

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jonathan yeo

paar sehr schöne objekte, einen plätschernden brunnenturm aus mülltonnenfragmenten, eine zerschnittene tür mit einem sehr eleganten dicken pinselhieb darüber (von clemens behr), diese axt unten, schöne klare ideen. die großformatigen bilder sind wohl auf die grossen wohnungen all der erfolgreichen szenetypen zugeschnitten, da verlieren die abstrakten bestimmt auch sofort dieses flimmernde beliebige, und hängen dann fest, über einem sofa. die lassen sich bestimmt ganz gut verkaufen, vorgenommen, mir die namen der künstler zu merken und sie in 5-8 jahren nochmal nachzulesen.

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jaybo

beim rausgehen kam uns im halbdunkel miranda july entgegen, gekleidet wie ein garçon der zwanziger, in knickerbockern. ihre ganze großartigkeit erfasst man sogar in sekunden, beim vorübergehen. die würde ich ja sofort nehmen, aber sie ist leider schon vergeben, an den film, den film, da gibt es kein zurück, ach ach.

 

KW 44

volksabstimmung. bestimmt 10 freundliche aufforderungen zur wahl bekommen, aus dem freundeskreis, alle anderen nachbarn habe ich grade auf dem wahlweg getroffen, prenzlauer berg geht vollzählig abstimmen. das immer wieder schöne gefühl, dazuzugehören, in einem viertel zu leben, in dem die meisten menschen meine politische einstellung in etwa teilen, überhaupt soviele leute zu kennen, hängt natürlich auch mit dem langjährigen elternsein und dem hund zusammen. ich bin hier wirklich zuhause.

spass an scifi-serien, die nicht vollständig b-pics sind. bei einer spielt ein verwandter von thor heyerdahl mit, und eine junge frau, die schon x kurz- und independentfilme gemacht hat, die hauptfigur ist weiblich und so alt wie ich, also die schauspielerin, die figur ist 158 und trägt es gut, die männer sind jünger als sie, bekommen oft feuchte augen und sind weniger kampferfahren als die frauen, es gibt auch chefinnen mit selbstverständlichen kopftüchern, die tochter der hf ist ihre kämpferin, wild und gefährlich. in einer szene sollte eine junge frau sich nackig machen, um ihre unsichtbarkeit ausleben zu können, und tut das nur unter der bedingung, dass ihr männliches seriengegenüber sich ebenfalls auszieht, obwohl es außer dieser gerechten verteilung keinen grund dafür im drehbuch gab, mich freuts, ich mag schöne rücken.

wochenende mit koriander, ingwer und curries verbracht, kinder sind beim vater. ich bin noch nicht so erholt von den langen letzten monaten, dass ich auch für mich selber aufwändig kochen würde, aber ich plane immerhin wieder rezepte.

ich kann nicht mehr richtig denken, alles will zum kurzen satz, in klare worte, alles wird runtergebrochen aufs einfache, auch im schreiben. weiß aber noch nicht, womit das zusammenhängt.  vielleicht mit dem internet? oder kriege ich eine ernste krankheit, also außer der menopause, die ja auch irgendwann heranrollt. mir fehlen gründe zum nachdenken, alles wirkt so abgehandelt und beschlossen.

immer mehr spass an eigentlicher herrenkleidung, am liebsten (von jemand anderem) gebügelte hemden mit weste und jackett. es ist soviel einfacher, als sich täglich eine neue kombination ausdenken zu müssen. ich besitze eine goldene taschenuhr! wenn ich die nicht trage, muss sie eine weitere generation aussetzen, mein vater hat sie auch nicht benutzt, und wer weiss, ob von den jungs einer gentleman werden möchte.

eindeutig zuwenig kleider in meinem schrank, winterkleider mit langen ärmeln und einem unterrock, damit sie nicht kleben auf den strumpfhosen.

 

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wimmelbild zum beginn der teenagerjahre. das ist der rest, das meiste haben die jungs selber auf diversen flohmärkten verhökert, da lag der schwerpunkt noch mehr auf dem geldverdienen. aber jetzt möchten sie tabula rasa machen, das zimmer soll leer von spielsachen sein, das neue kann man nicht mehr, noch nicht anfassen, es ist mehr raum als ding. es bleiben: ein eimer mit lego, einer mit bauklötzen, ein paar kuscheltiere, die neueren bücher und die gesellschaftsspiele.

um den übergang zu erleichtern, haben die zwillis den boden mit ihren gesamten schulsachen bedeckt, blätter, hefter (elende hefterwirtschaft in den schulen), kopien, leere und linierte blätter. sie gehören alle immer dem anderen.

 

false alarm

die sich vollkommen real anfühlende nähe zu jemandem, der auf sehr angenehme weise in meinen träumen aufgetaucht ist, obwohl wir uns nur übers netz kennen. als müsste ich morgens nur die hand ausstrecken.

die netzleute sind den träumen näher, dem strom der synapsen leichter zugänglich, es sind ja schon daten, sie sind verfügbarer, der traum muss da realität und symbol nicht neu zusammensetzen, so als sammlung von bild, text und ton ist der netizen ready-to-use, der echtmensch mehr ein ready-made. mein kopf sucht sich eine gestalt und braucht keine wirklichkeit, oder sie fehlt ihm jedenfalls nicht, er kann damit ganz leicht die eine geschichte bauen, die jetzt grade fehlt.

(tad williams in otherland, der dem internet per nervenstöpsel die sinnliche wahrnehmung dazuschrieb. deswegen fand ich die ipads zu groß am anfang, mein tablet-bild stammt aus diesen büchern)

(amelia, joni mitchell)

 

oktoberdruck

der 40. geburtstag von helden, eine party voll mit gesprächen und geschichten, leute, die ich und die sich seit jahren nicht gesehen haben, dazwischen stories von druckmaschinen („die 2-farben miller, die hatte oben noch so schrauben für die farbdichte, weisste noch?“ „ich kam nur wegen der gto“). ich hatte dort jobs und liebesgeschichten und ich kann vor einer frau dort immer noch auf die knie fallen, so toll finde ich sie, aber sie will sowas nicht, inzwischen ist sie dort vorständin und ihre tochter ist patin vom gregorzwilling. lsd war da und hat gelesen, eine band hat gespielt, das essen war erstklassig, die maschinen waren aus und dunkel in der nacht, wir haben drumrumgetanzt.

ich weiss noch wie der mann meines lebens damals, der dort drucker war, die blätter zum prüfen aus der riesigen druckmaschine rausgeholt hat, im overall, und mit einer eleganten drehung auf einen tisch geworfen hat, die blätter flogen in seine hände, das war ein richtig guter drucker, hat jemand auf der party über ihn gesagt, fand ich auch. auf seiner guzzi durfte ich auf einem toskanaurlaub mal fahren, weiß ich noch, und er hat mir gezeigt, wie man gaszüge wechselt. der war leider nicht da, hätte ihn nach all den jahren gern mal wieder gesehen, einen der schönsten und aufregendsten männer meines lebens.

40 jahre selbstverwaltete druckerei in berlin, mit phantasie, ideen, kämpfen und krediten und verhandlungen, mit grossen und kleinen kunden, und mit öko-audit. ich erinnere mich an den geruch der maschinen und wie man die hände mit kaffeesatz sauberbekam, nicaraguakaffee von der taz wurde da getrunken, es gab eine kantine und eine zeitlang jeden tag mittag für alle, auch die vegetarier, und seit 40 jahren gibt es gleichen lohn für alle. kann man nicht mehr nachmachen. glückwunsch und ein langes, langes leben wünsche ich, und ein paar richtig fette kunden.

 

luft raus

heute ist samstag, berlin. über sieben stunden auf der autobahn, kinder zanken viel, baustellen, ich glaube kein blitz. für den parkplatz vor der haustür hab ich vier versuche gebraucht. oder fünf? jetzt reiss ich mich zusammen fürs nettsein, klavierspielen, backhomegetobe und für das gewitzel der jungs. muss noch kochen, auspacken lieber morgen, blumen haben überlebt. einerseits toll, dass die familie noch einen tag hat vor dem alltag, andrerseits plain shice, dass ich die jungs noch einen weiteren tag an der backe habe nach 2 wochen ferien (das heisst keine schule, unter anderem) und den vier wochen durchgängig vaterloser zeiten davor. neues geschäftsmodell „fit für den teenie“ anbieten, 2-5 tage buchbar, allerdings 24/7, notfallnummer ist die des vaters? falls jemand noch nicht sicher ist. ich finde bestimmt auch mütter mit kleineren kindern, für die vielfalt. meine jungs sind super bei anderen! sie essen leider dauernd, allerdings auch mal tk-pizzen, dass sie die lieben ist kein erziehungsfehler sondern liegt an der höllennähe der tk-pizzenindustrie.

wiesn

es regnete in strömen. in der sbahn sassen lauter junge frauen im dirndl und jungs in lederhosen, 4 männer aus lettland, in lederhosen, angeregte unterhaltung. 2 mädchen, im dirndl, die sich diese flechtfrisuren flechten, dabei nicht reden, konzentriert. ihre sorgfalt. als ob! auf der wiesn also sehr, sehr viele menschen in tracht, es ist ausserdem alles viermal so gross wie erwartet.

meine riesige verblüffung, als ich auf der wiesn gar kein bier bekomme, weil es bier nur in diesen riesigen hallen gibt, in die man aber nicht reinkommt, gar nicht! ich hatte im zug noch so hin- und herüberlegt, um wieviel ich meinen üblichen halben liter trotz diabetes und vier kindern (ein gastkind war noch dabei) eventuell überschreiten dürfte (um nichts, klar, aber ich nutze die chance für ein paar phantasien, die sofort ins organische abrutschen, wohin soll man denn mehrere liter bier tun an so einem kühlen tag? was haben bayern für blasen?) – kein problem, kein risiko.

skyfall heisst das ding, auf dem die kinder fahren wollen. ich nütze die chance von leichtsinn in gesellschaft meiner kinder und stelle mich mit an, kaufe karten und bereue es ein bisschen, merke dann, das es genau so eine jahrmarktaufregung ist wie ganz früher und kanns voll geniessen, bis ich merke, dass die sitze unterm hintern nur bis zur hälfte der oberschenkel reichen, der rest bein schaukelt frei überm abgrund. „mach die augen zu“ sag ich zu david neben mir, der das mitfahren bereut plötzlich, während der ring nach oben gezogen wird, 80m, so hoch wie ein sequoia, denke ich und schaue auf den jahrmarkt und die stadt, wie immer bin ich zu kontrolliert für angst, gucke aber natürlich nicht senkrecht nach unten, zu irgendwas muss die lebenserfahrung ja gut sein, als der ring oben kurz anhält, denke ich aber doch: notfalls sterben wir zusammen. dann der freie fall, aber der ist zu kurz, um die panik zu überwinden, und die erfahrung zu geniessen, ich merke, wie sich mein gesicht verzieht in etwas, was man auf diesen geisterbahnbildern sehen kann, ich fletsche die zähne und reisse die augen auf, ich kann gar nicht anders, es dauert ewig und ist wirklich, wirklich aufregend. ich denke noch: gleich, gleich bremst das ding, tut es dann auch, sehr sanft, sehr lange paar sekunden, die kurze scham, eine grenzerfahrung auf eine so berechenbare art gemacht zu haben, dann entspannung, weil: es ist so zeitgemäss masslos, so entlarvend grössenwahnsinnig, es umgeht die persona und greift direkt ins ZNS, klar dass es spass bringt. kinder aufgeregt und glûcklich, also weiter!

die achterbahn hab ich dann auch noch mitgemacht, eine mit 5 loopings, das herumwirbeln ist sehr endorphinös und ja, es ist wirklich wie eine komplette liebesgeschichte, nur ohne das ende, man steigt aus, der körper wird glücklich und alles wird leicht ein paar minuten lang. wobei, als die wagen sich in schräglage in diese engen überschläge legen, nochmal und nochmal, da freut man sich schon über die fliehkraft und schickt ein stossgebet an den stahl und die mechanik, für mehr ist keine zeit, aber danach ist immerhin der regen egal. die jungs machen noch haut den lukas und sterneschiessen und kaufen sich zuckermandeln und kleine herzen, ja, gibt es immernoch, ist zeitlos, nein, sie haben den lukas nicht richtig hochgekriegt mit 14 und 15 jahren, waren aber beeindruckt. erinnerungen schaffen, sagt der grosse: „daran werde ich mich erinnern später“, ach, ihr metaboliden.

auf dem langen sbahn- heimweg mit einem alten bayerischen paar in der vierersitzgruppe, er in loden, sie in einem eleganten alten wetterschutz aus irgendwas organischem, david schwärmt von seiner skyfall-erfahrung, die dame lächelt, weil es klar eine erste erfahrung war, die da aus dem kind heraussprudelt, relativ wohlformuliert („dann war ich mir kurz nicht mehr so sicher, aber fürs aussteigen war es zu spät“), während mir von den anden drei jungen die frage nach dem abendessen gestellt wird. „es gibt filet, butterkartoffeln und salat“, sage ich und nutze die chance fûr den satz „aber ihr müsst erst noch mit den hunden raus“. leider hat gregor kurz vorm aussteigen noch den eminem geben müssen, dabei hat elias ihm die schnürsenkel zusammenbinden können, so dass wir die bahn nicht vollkommen souverän verlassen konnten.

(fünf tage krank mit dauerhusten bei sonne, dann gesund und dauerregen, pffff) (die jammerzeilen über krankheit mit alleinerziehen, drei kindern, zwei hunden und zwei katzen lass ich jetzt, weil ihr euch das ja auch vorstellen könnt, #10jahre)

 

idyllen

 

eher dankbar grade. total verschnupft (folgen der kita-aushilfe von letzter woche) und mit dauerhusten, aber das alles kommt nicht an gegen die schönheit dieses ortes. bayern hat schon einiges zu bieten. es ist einer der seen aus der fünf-seen-gegend, mit hellgrünem, klarem wasser, ich sitze auf einem kleinen steg an einem tisch in der sonne, gucke ins schilf, man hört ein bisschen wind und ein paar kuhglocken, glaube ich, oder es sind warnglocken für irgendetwas, das ich übersehen habe. meine tante vermietet das obere stockwerk an feriengäste, ein riesiges zimmer mit balkon zum see, ein kleines zimmer mit zwei betten, küche und bad, es gibt wlan, vom frühjahr bis herbst kann man direkt in den see hopsen, jetzt tun das nur noch meine kinder, nicht alle freiwillig. nur als empfehlung, im winter gibt es noch vacancy, für frühling/sommer muss man sich schon beeilen, glaube ich. münchen ist per auto- und s-bahn in einer stunde zu erreichen, aber starnberg, herrsching und andechs sind viel näher.

 

wir essen hier mehr als in berlin, allein die brotauswahl beim bäcker ist vollkommen überraschend (das ist also dieses deutsche brot, von dem immer alle so schwärmen, sagt die italienerin in mir) und es ist nicht nur eines gut und die anderen preiswert, sie schmecken und duften alle anders und sind nach mir unbekannten dingen, menschen und orten aus der gegend benannt. wir könnten nur brote essen, warm mit butter, aber dann müssten wir auf die kartoffeln, kürbisse und steaks vom bauern verzichten. die leute sind wohlhabend, gut gekleidet und sie fahren teure autos (schon wieder'n porsche, sagen die kinder nur noch) und sie sind sehr freundlich. macht einen fertig.

 

frage mich, ob die see-typen eine eigene art sind oder eher eine untergattung der meer- oder bergmenschen. ich bin der meertyp, die see macht mich sofort glücklicher, nicht nur wegen der freiheit der projektionen, glaube ich. es ist ein zutiefst anderer lebensraum, nicht wie der berg aufregend mit einen steigerungen, mehr extremen, höher, luftärmer, steiler und kälter als das platte land, sondern anders auf eine nur vorstellbare, nicht erlebbare weise. (ist hier grad wie smalltalk auf der parkbank an der seepromenade, gell? hach.) weiss noch das gefühl damals über diesem pazifikknick, 3000 meter lebensraum unter dir, nicht lebensfeindlich, nur nicht menschentauglich, was ihm natürlich auch nicht hilft. der see ist die kleine version davon, seine landschaftlichen reize immer nur teil einer jahrhundertealten zivilisatorischen geschichte, der see ist eher zahm, man kann ihn und seine geschichte kennen, und (leise summend ab)

 

gestern eine miniwanderung zur pähler schlucht unternommen, leider sind wir etwas lädiert wg schnuppen und einem genähten fuss beim großen. kann ich bei einer donati-naht die fäden selber ziehen? der chirurg meinte: naja, wenn der faden verschwindet, müssen wir den fuss wieder aufmachen, um den faden zu suchen.

ein richtiger abenteuerweg, ein schmaler unbefestigter pfad, bei dem man über viele übereinandergefallene bäume kletten muss, ein paar mal über glitschige steine und totholz über den kleinen fluss, um dann nach vielleicht einer stunde an einem wasserfall anzukommen, der über 16m vom rand der schlucht nach unten fällt. kinder waren begeistert, hund auch, ich musste erst nach den schnellen reflexen von früher suchen, um so herumhüpfen zu können. es ist nicht ganz gelungen, die jungs haben mir die hand gereicht und mir stöcke gesucht, ich hab nur einmal einen schuh versenkt.

 

morgen oktoberfest, mein erstes seit ich glaube '87.

 

BB

mich durch die erste staffel breaking bad komplett und mit abwärts fallendem interesse durchgehievt, von der zweiten nur noch 3 oder 4 episoden, danach kam mir die glorreiche idee, überhaupt nur die fünfte zu gucken, das genügt ja zum mitreden, aber es kostet soviel zeit! und nix wird wieder gut, ausserdem macht die serie auf eine kunstvoll selbstreferentielle weise so griesgrämig, wie es sonst nur internationale nachrichten können, die hauptfigur ein moralfreier mann, der alles tut, was getan werden muss, aber nicht mehr. ich gucke zu, wie sich diese grenze immer weiter verschiebt, und wie white dabei mit ausnahme von „erlösung“ alle erwartungen erfüllt. mich interessiert und deprimiert die serie gleichermassen, die frustrierte phantasielosigkeit des lehrers am anfang, der schräge stoizismus des mörders in den späteren staffeln, beide nur scheinbar bedingt von aussen, eigentlich nur 2 seiten von arschlochigkeit, die logik der gewalt, wie das leuten genügen kann für fantum. oder nee, genau das ist es, oder? die ausweglosigkeit mal jenseits der bürgerlichen filmziele? wenn der film weitergeht, obwohl alle grenzen überschritten sind, vielleicht bis auf kannibalismus. geht white auch sexuell über grenzen oder bleibt er bürgerlich, geht es der figur also echt nur ums böse an sich und nicht um den exzess, oder hat er auch im nicht metaphysischen was davon? will ich nicht extra ansehen dafür, aber interessant ist die serie schon, das herumdenken ist beklemmend, doch, versteh ich, aber sehen kann ich das nicht, viel zu brutal und statisch allet. den schluss kann ich ja nachlesen.

 

 

KW ?

soviel unproduktives um die ohren, dass kein textchen rauskommen mag. die bücher liegen in verrutschten stapeln auf einem dvd-laufwerk, zeitungen drumrum, ladekabel, zeug, mein bett sieht aus wie im kino immer die betten der singles, nur noch ein schmaler streifen liegefläche frei. der kopf macht nach 2 seiten blubb und wendet sich wieder dem papierkram zu, rechnungen, geschäftpost, kasse, steuer. ich hasse den september, weil da immer ein paar dicke rechnungen einlaufen, die mich jedes jahr neu überraschen und dazu bringen, die dinge neu zu überdenken, ich hätte doch lehrerin werden können, oder anwältin, fürs ärztinnendasein reicht mein gedächtnis leider nicht, ich kann mir grade die namen der haupthormone und -körperteile merken. sekretärin vielleicht? da ist die chef/innen-abhängigkeit zu gross, aber man kann ja auch glück haben.

heute würde ich gern nachts die ungeheure menge an höchstgeschwindigkeitsschildern auf dem strassenstück zwischen autobahn und hitzacker durcheinanderbringen. eventuell hat das aber auch schon jemand gemacht. das schöne wendland hat es verkehrstechnisch echt in sich, ich werde da nach möglichkeit nicht wieder durchfahren. viel, viel zu teuer.

die blitzerei hat mir fast das superschöne wochenende versaut, wir waren zu einem familienfest eingeladen, einem siebzigsten, schön, laut, mit viel musik und sehr vielen umarmungen*.

*der lustige moment beim entspannt-improvisierten frühstück, als die drei  schwestern (70, 78, 79 jahre alt) eine nach der anderen hereinkommen und als allererstes den gesamten langen tisch abknuddeln,  neun kinder (5-22 jahre alt) und 5 erwachsene, jeden einzeln. es ist also ein bisschen genetisch bedingt, das sammeln von umarmungen. oder familiär? die drei schwestern sind alle alleinlebend.

junger herbst & alte lieder

last summer days, wies aussschaut, das wochenende, also das letzte, an dem ich kein mal an den herbst denken musste.  am freitag  einem großen liedermacher zuhören dürfen, in einem lauschigen theater, er sass mit nur ein oder zwei metern  abstand vor uns auf der bühne, allein am klavier, und der mann kann jeden raum füllen, den man ihm öffnen mag, viele seiner texte haben diese magie, sie wirken wie gemacht für den moment, den zustand, was immer man eben dabeihat an so einem abend. danach das riesenglück gehabt, mit dem künstler und seinem volk noch eine weile in der nacht herumzusitzen und über dies und jenes zu plaudern bei einem bier oder zwei, weil eine freundin von mir eine freundin von ihnen ist. dann kam ich nach hause und wollte eigentlich eventuell noch beim sommerfest nebenan vorbeischauen, dort lebt nämlich einer meiner liebsten verlage, und die literaturmenschen standen auch noch herum, dunkel gekleidet, schmal und jung, ins gespräch vertieft, auf dem bürgersteig, ich habe mein rad bei ihnen abgeschlossen und hörte, ungelogen, wie ein mann zu einer frau sagte, mit impetus: „ja, emotionen!“, es hörte sich an wie die schaumkrone einer langen welle, da kann man dann eh nicht mehr einsteigen und ich liess es gutsein mit der nacht – aber es war ein guter schwung durchs wochenende.

und es ging weiterhin rund, was herz- und kopffutter angeht,  gestern habe ich viva la libertá gesehen, es gab ein kurzes dreitages-festival im babylon mit filmen aus dieser speziellen ecke zwischen dem lazio und der toscana, ich sass da also mit frau kopffüssler und liess mich überraschen. der film sehr sehr schön, so spielerisch elegant wie komisch und traurig, ein federleichter film über dieses eigentlich tragische italien, bitte ansehen, wenn ihr die möglichkeit habt. das drehbuch ist wunderbar, zurückgenommen auf eine haiku-art, die hauptfigur wird von valeria bruni tedeschi geliebt, im film, für die jeder mensch schwach werden sollte, wenn er noch augen im kopf hat. der drehbuchautor war ebenfalls geladen und hat fragen beantwortet, er hat gesagt „il cinema non riesce a cambiare il mondo“, aber besser macht es sie ja doch. erinnert an die großen zeiten des römischen kinos. mit fellini.

heut früh hat frau moseron auf twitter pianoman erwähnt, den halben morgen hatte ich den ohrwurm. maurenbrecher hatte sein konzert auch mit einem der alten großen songs beendet, ich hör die anders, seit ich ein bissken musiktheorie ins system kriege und all die schönheit beschreibbar wird, immer bei den liedanfängen versuchen, den aufbau rauszuhören, wie dann nach ein paar takten die musik gewinnt und die synapsen alle folgen, la la di di da.

a&s

ich laufe morgends mit dem hund durch den park, im entspannten achkommegal-modus, und versuche, ganz im hier und jetzt zu sein, aber der tod von herrndorf geht noch nicht wieder weg, ich bin traurig, als hätte ich ihn gekannt, den ich doch nur durch seinen text kenne, aber was heisst hier nur.

nach den vielen jahren bloggerei fühlt sich die nähe zu einem unbekannten blogautor ein bisschen realer an als das fantum für nicht netzaffine künstler. es sind keine freunde,  die mich auch kennen und mögen, aber ein sichkennenlernen liegt sagen wir mal im bereich des möglichen, schon weil es immer gemeinsame menschen gibt, die fronten sind ein bisschen verwaschen, und Arbeit und Struktur steht und wirkt sowieso für sich selber. trotzdem hab ich bei herrndorf eher das gefühl klappe halten, seine freunde trauern lassen, nicht reinquatschen, andrerseits egal, es geht ja fast all seinen lesern und innen so,  ich bin richtig traurig wegen diesem unbarmherzigen tod,  ich wusste ja, dass er sterben wird, aber es hätte ja wenigstens einmal ein wunder geben können, not? wo schon die existenz gottes logisch bewiesen wurde, wie ich lesen musste am selben tag, aber was weiß die logik vom leben? nix weiss sie. der tod ist logisch. mein beileid all seinen freunden und seiner freundin und der familie.

herrndorfs blog (und seine bücher, er hat mit tschick meinen großen zum lesen gebracht) war ist exorbitant gut,  ich werde diese großartigen texte und ihren autor sehr dolle vermissen. sie fehlen.

 

nur glück

telefongespräch mit dem alten herrn, der meinen großen angefahren hat, weil er beim rechtsabbiegen „eine sekunde“ nicht auf den radweg geguckt hat, „erst hab ich geguckt, dann stand da so ein bauwagen, dann war da noch ein auto, ich hab noch überlegt, der steht doch im halteverbot, und in der sekunde ist elias angekommen“, dann hat er ihn eigentlich nach hause fahren wollen, um es mir selber zu erzählen, aber „der junge“ war noch durcheinander, dann hat er elias und das rad in unseren radladen gefahren und das nötige geld für die reparatur dagelassen. und er sei dankbar, dass alles gut gegangen sei, und selbstverständlich kommt er für den schaden auf, auch wenn es mehr als die hundert euro sind, „so einen lieben jungen haben sie da, wir haben für ihn gebetet“, und am ende: „sagen sie mal, wie alt ist er denn? 14! … meine frau dachte nämlich 16, aber er wirkte doch noch ein bisschen jünger“, zur frau im hintergrund: „er ist 14“, dann wieder zu mir „so ein lieber junge, so lernt man sich auch kennen, sehen sie mal.“

kann ihm nicht böse sein.