kleider finden

ein kleiner rundgang durch den kleinen laden, da hing es an der stange, mein kleid, genau so, wie es sein sollte. es passt wie angegossen und ist ohne jeden zweifel das richtige kleid für mich, es wurde für mich geschneidert, es ist schlicht taubenblau mit ein paar extras, und ich bin zuhause darin, „ja!“ haben verkäuferin und ich zeitgleich gesagt, als ich es anhatte. ach hätte ich, ach wäre ich doch gleich in diesen laden gegangen, und nicht zuerst in ein paar andere, bei denen es auch je ein kleid gab, das irgendwie in ordnung, eigentlich okay, kann man tragen war, so dass ich es mitgenommen habe, weil wann geh ich schonmal shoppen.

das schöne stück im lieblingsblau wird sicher länger durchhalten als der reissverschluss daran, ein langer reissverschluss über die ganze seite des kleides, arm bis hüfte sozusagen, der kurz nach beginn einer wunderbaren feier den geist aufgab und fortan den rest der nacht offen stand, sodass niemand das schöne kleid sehen konnte, weil ich die ganze zeit einen nicht dafür gedachten pullover drüber tragen musste. die von praktisch veranlagten mitgästen angebrachten klebestreifen haben irgendwie der schönen maienluft nicht standgehalten.

zwei ballkleider hängen ja auch noch im schrank, es sollte also unbedingt ein partysommer werden, und mindestens eine veranstaltung, auf die ich ein cremeweisses, seidenartiges und eher elegantes („festlich“) sommerkleid anziehen kann, am liebsten ein fest ohne kinder, hunde oder erdbeerbowle, am besten im diesjährigen sommer, weil es ist schon einen tick eng so obenrum.

leichtes misstrauen der 16jährigen gegenüber, die beim shoppen das kommando übernommen hat. wo kommt die her? wo war sie solange? wo ist sie jetzt? ich muss ihr die kreditkarte wegnehmen.

baseball

mein bisheriger zugang zum baseball war ausschließlich über deep space nine. die amerikanischen sportfilme mit baseball habe ich vermieden, weil sich die regeln nicht so gut zusammenfassen lassen wie bei anderen sportarten (2 mannschaften, 2 tore, ein ball). bis jetzt wusste ich, dass einer einen ball wirft, der gegner ihn mit einem schläger treffen muss, und andere spieler im kreis rennen, solang der ball in der luft ist. es ist alles sehr geheimnisvoll.

das spielfeld ist auch sehr gut versteckt, es liegt hinter einem fussballplatz, man muss einen vor jahrzehnten asphaltierten weg um den fussball herumlaufen, dann einen kleinen erdwall hochklettern, und dann hat man es vor sich. der sohn ist stolz, „es ist ein riesiges feld, mama, für die großen“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

es fühlt sich an wie ein stadtrand in den siebzigern, die ganze sportart hat was vom insidertip. trotzdem der übliche nachteil von mannschaftssportarten im verein: andauernd turniere, jedes wochenende.

die kinder haben gestern noch die weißen streifen aufs feld gemacht, jetzt bringt ein trainer diese viereckigen bases an, mit so etwas wie einem großen metallhering unten dran, sie werden in den boden eingeschlagen. es sieht alles echt aus, im winter war die mannschaft in einer halle ohne baseballmarkierungen, aber jetzt ist april, es ist hell, 10 grad, wie ein warmer wintertag, die freiluftsaison hat begonnen, der neue und von den vereinseltern selber eingerichtete platz kann bespielt werden.

aus einem schuppen holen die eltern sich ein paar plastikstühle, hunde, decken und thermoskannen sind dabei, der verein vom großen hat einen cateringservice organisiert, der würstchen und caipis und bier und softdrinks verkauft. mir ist mittags zu früh für alkohol. ich versuche, vorm beginn noch ein bisschen in den regeln zu lesen und lasse emma mit den anderen hunden toben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

letzte ratschläge vorm ersten batter-einsatz für den großen. bei ihm mehr vorfreude als aufregung, wobei hey, er ist ein cooler hund und ich bin die mutter.

(ich selber bin ohne jeden sport aufgewachsen und habe dann als teenie immer am rand der felder gesessen und mich nicht getraut, wenn die anderen volley, völkerball oder fussball gespielt haben, im tiefen kann-ich-nicht-modus. froh, dass es so anders ist bei den jungs.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

der ball wurde von einem aus der anderen mannschaft geworfen. wenn er ihn trifft und wegschlägt, muss er zur nächsten base rennen, wärend die gegner versuchen, den ball zu kriegen. hinter den anderen bases rund ums spielfeld stehen ebenfalls leute aus seiner mannschaft, die dann auch immer ein feld weiterrennen müssen. wenn der ball gefangen wird, bleiben alle stehen. batter ist jeder mal, werfen darf aber wohl nur, wer es gut kann, das ist also ein jungsziel, mal pitcher zu sein, keine ahnung, ob es auch für den fänger (hinter elias auf dem boden kniend) eine chance zum heldentum gibt. nur wenn man es als läufer einmal rundrum schafft, ist es ein homerun, dazu muss der ball also sehr weit weggeschlagen werden. der junge dahinter muss den ball fangen, wenn der schläger ihn nicht trifft oder nicht treffen darf, weil er zu hoch oder zu tief angeflogen kommt. wenn er ihn nicht fängt, muss der batter ebenfalls losrennen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

die regeln, die ich bis hier verstanden habe, wirken nicht sooo kompliziert, aber beim punktezählen setzt es dann aus, die lerne ich dann in den nächsten wochen, es hängt mit den würfen des pitchers zusammen, mit dem schlagen und fangen, denn der ball darf nur ins feld geschlagen werden, sonst zählt es nicht.

in der stadt gibt es immerhin 13 baseballvereine, 10 davon auch für kinder und jugendliche, 2 davon im ostteil, einer noch in mahlow, das ist südlich von berlin. die eltern der anderen kinder sehen jung und tätowiert aus, sie tragen die baseballkappen des vereins, viele von ihnen spielen später selber noch. ich werd nicht recht schlau aus den leuten (die kinder haben einige sportarten durch in den letzten 7 jahren, am speziellsten waren die turnereltern mit dem auffälligen unterschied ost/regelfit und west/freundlich desinteressiert, die fussballer sind unkompliziert und kumpelig-nett, aber bei spielen sehr  aufgeregt, die hockeyeltern waren alle eher akademisch und distanziert, von den karateeltern kriege ich nix mit, da gibt es keine turniere), komme aber mit einem kubanischen vater ins gespräch.

baseball ist kubanischer nationalsport, klärt er mich auf, früher konnte dort jedes kind basbeall spielen, genauso wie überall in südamerika. wusste ich nicht. er sagt, die kubaner hätten höchstens 4-5 jahre nach den amis  damit angefangen, seit „der krise“ 1959 sei es bisschen  schwieriger für baseball in kuba, aber sein sohn solle es genauso von klein auf spielen wie er selber, um dann später leichter in den usa studieren zu können. die usa wirkten samstag auf mich sehr weit weg, aber das engagement des vaters ist spürbar und klar auf der schönen seite der elterngefühle.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zum abschluss gab es noch gemunkel, es sah irgendwie gut aus, wie sie da alle standen, in der gemeinsamkeit. sie trainieren bis zu dreimal die woche, er ist jung, er lernt das spiel bestimmt schneller als ich die regeln.

I’m a

zwillingsgeburtstag.  ein wunderbarer und sehr entspannter tag, noch keine parties, die machen wir getrennt dieses jahr, weil jeder eine eigene will. zum ersten mal nur 1 kuchen, dafür ein großer. kerzen, ständchen, hund will vom kuchen abhaben. ein abendplan war geplatzt, da habe ich den jungs videos satt angeboten, wir lagen also mit popcorn und chips und bionade/bierchen auf der couch und haben den hobbit und argo geschaut, um halb elf abends davidzwilling noch eine wärmflasche gemacht, weil er nach maulwurfskuchen, knabberkram und einer doppelten lasagna etwas hinüber war. (mother)

gestern kurz mit einem weltbass am tisch gesessen (u.a zorn, coleman, waits, anderson), er wohnt ein paar wochen über mir. was ich denn so tue, fragt er, „I’m a writer“, sage ich, bevor sich der kopf einschalten kann, und ich werde den mann nicht gut genug kennenlernen, um eine berichtigung notwendig werden zu lassen. warum mach ich sowas? ich habe nur ein paar jahre lang mit schreiben geld verdient, hauptsächlich als eisbär, davor und danach bin ich ein paar originellen ideen gefolgt, habe aber auch jede menge schwachsinn gemacht, das meiste eher unspektakulär. (joke)

der große spielt mit der gitarre und tut so, als könne er superschnell spielen. „kann das jemand?“ fragt er mich, ich freue mich und öffne den klassiker, gleich kommt ein freundliches hallo vom spolar plexus, ich erinner mich an das wohnzimmer meiner freundin mitte der achtziger, in dem christian kathrein sass und die stücke einfach so mitspielte. „hört sich echt scheisse an“ sagt der große, ich werfe ihn sofort raus und schicke ihn in sein zimmer. er soll jetzt 10 mal „das ist nicht so mein stil“ schreiben und mir die füsse küssen. kein respekt. i’m a bitch.

gott, ist das großartig, das stück. seit jahren nicht gehört, die songs geistern noch durch ein paar wiedergabelisten, aber sie sind zu sehr an alte zeiten geknüpft, nicht mal negativ, vielfach an menschen, nächte und stimmungen gebunden. neu hören ist eine hohe kunst, dabei geht zuviel verloren, nicht bei dieser platte natürlich, aber. mal auf kassette in einem einem citröen DS am lago, der fahrer auf koks, ich mit einem mailänder auf der rückbank, vielleicht verliebt, vielleicht nicht, der mich nach durchknutschter nacht eh sitzenlassen würde, die sonne ging auf, die musik ging weiter. später einer freundin vorgespielt, die irgendwie zu brav war dafür und es nicht cool genug fand, um es ihr nochmal vorzuspielen. das schwarze plattencover mit rand. habe die cd vor 10 jahren einer familienhelferin geschenkt zum abschied, weil damals, als ich mit den kleinen jungs frisch allein zuhause war, der große immer die kleinen verkloppt hat, teilweise mit kochlöffel, da hab ich beim jugendamt angerufen und nach tips gefragt. eine nette familienhelferin ist dann ein paar mal gekommen und hat mit den kindern gearbeitet, wir waren wechselseitig erstaunt übereinander, die, weil ich sie um rat frage, ich, weil sie so nett war. sie hat sich bei uns ein bisschen gelangweilt, es lief dann irgendwie unter bürgerverständigung, glaube ich. es gab einen schlussbericht mit chefin, noch einer mitarbeiterin, ihr und mir, der zur allseitigen zufriedenheit ausfiel, man, war ich jung damals. 2003. sie war ostlerin, mochte gitarre und kannte kaum internationale musiker.

I’m a blogger.

(morisette-revival-day)

(sie können hier über paypal etwas in die trinkgeldbüchse werfen, wenn sie möchten. das hotel mama hat auch einen wunschzettel. vielen dank dafür!)

fotobuch

immer wieder verblüffung, wenn ich als vergriffen geltende bücher noch in irgendeinem onlineladen bekomme. das ist wie eine zeitreise zwischen gestern, wo der buchhändler sagt: er könne noch mal hinten im lager nachsehen, und das buch dann mit einem lächeln zur kasse bringt – und der heutigen O/I- logistik, in der es keine unsicherheiten mehr gibt, nur noch gelegentliche fehler. erhöht die freude, wenn nach ein oder zwei wochen das buch im briefkasten liegt, für paar euro fuffzig, das bei amazon oder zvab schon für paarhundert plus gelistet ist.

ob tatsächlich jemand diese hohen preise bezahlt? neulich in einem fotobuchladen in der immanuelkirchstrasse kleine zettel mit „bei amazon x euro, hier y“ auf den büchern. ich kann mir nicht vorstellen, dass es tatsächlich käufer gibt für all diese teuren restexemplare oder erstausgaben usw., ich glaube nicht an den käufer mit geld, eher an den käufer mit timing, der bücher mit miniauflagen zeitig kauft und behält und sich an den phantasiepreisen freut. mal beobachten, wie lange sowas absurdes bei amazon vorrätig bleibt, aber ich hoffe, der markt findet anders statt. diese preise sind glaub ich nicht realisierbar, nicht für zeitgenössisches.

ich habe keine große ahnung von fotobüchern, aber ich liebe es, sie anzusehen, sie wirken fast wie yoga. kommt alles durchs internet mit den vielen fotografen, vor allem durch die tanzgruppe goncourt, hackr, hammerschmitt, nochwer?, aus deren blogs und fb- und anderen accounts ich vermutlich die meisten hinweise habe. danke dafür!

ich finde in meinem vorliebenfeld (landschaft, dokumentarisches, strassen) fast alle interessant, wenn sie es schon ins buch geschafft haben, es ist schwierig, unter diesen vielen jemanden herauszufinden, der spannend bleibt auch nach vielfachem ansehen, bilder, die immer wieder funktionieren, für die/den ich reellen raum freigeben möchte und nicht nur virtuellen. ein schöner gedanke, dass die welt mit kunst flächendeckend gefüllt ist, wie eine bestandene menscheitsprobe, vielleicht sind klare kriterien eh nicht möglich, wenn die auswahl so groß ist. ob es jetzt eher mein persönlicher bildungshorizont  oder die eigene geschichte ist? es fühlt sich an wie serendipity, wenn ein werk einen erwischt, mit einem schwer erklärbaren und nicht vorhersehbarem  punkt, an dem schönfinden in begeisterung umschlägt.

wenn das klare ja oder nein nicht möglich ist: ob ich die energie zum tollfinden ins buch hineinsehen muss oder ob es mir entgegenspringt, mit dieser existentiellen wucht sehr guter arbeiten, aber das passiert fast nie, dieses sich verlieben als kurzschluss, das bild nur noch bild, nicht mehr künstler oder verlag oder agentur oder thema, vielleicht ähnlich wie bei literatur der unterschied zwischen etwas schreiben und über etwas schreiben? bei strassenfotos, wenn etwas alltägliches einen kleinen haken in die wahrnehmung setzt, ein element des fotos außergewöhnlich ist oder eine andere spannung erzeugt, auf nicht dramatische weise –

sonst beginnt folgendes:

ich übe mich idealerweise in der notwendigen aufmerksamkeit, so geschult wie interesselos, ein zen-gefühl, bei dem alles und nichts präsent sein sollte. manche gegenwartswerke/künstler muss ich mit meinen rudimentären mitteln vorher freistellen aus dem marktwert-diskurs, bei einigen geht das kaum noch, am besten, wenn man die bücher hochhebt mit unscharfem auge, den titel nicht anguckt, dann erst im buchinneren fokussiert, oder wie ich das mache: buch anheben, öffnen, dann erst brille ab. der ich-will-impuls mancher bücher, oft als pathos oder samteinband oder als zu breiter oder zu schmaler rand, ist ja auch wieder nur ein zeichen von schaffenskraft oder gestaltungswillen, worte, bei denen die lenden nicht weit sind, aber nu, ich mag dieses machertum eigentlich, selbst wenn es mal daneben geht, der designwille sollte diskret bleiben, wobei mich ein mangel an stil auch dem teilgelungenen buch wieder näher bringt, wie ich da so mit oller mütze und schneestiefeln am tisch stehe, aber heikel ist es schon, die bilder müssen das dann aufwiegen. die leute machen ja nur einen kompromiss ziwschen geld und geschmack, trotzdem, der manchmal zu offensive habitus, nee, mag ich nicht, lege das buch wieder hin und hab sofort wieder die anderen 500 im blick, die auch alle toll oder mindertoll sein könnten = da hilft das netz natürlich, mit der vereinzelung oder der empfehlung.

gell, achja. dann wird es doch wieder was mit hoher tiefenschärfe, in s/w oder mit perfekter farbkomposition, und-oder von den üblichen verdächtigen waplington, soth, eggleston oder odermatt, wobei es von denen grad auch nix neues gibt. der rest ist schminke. als würde ich nur 5 autoren lesen. bildhunger.

höchste zeit für ein paar aktuellere favouriten.

 

 

gebunden

seit lektüre dieses textes bei frau engl einen frosch im hals, das vollkommen selbstvergessene dieser schlagenden eltern, im kopf genug fremdheit von allem menschlichen, um die spuren der schläge lustig zu finden. was das dem kind sagt, ich tue dir weh, und nichtmal deine verletzung dabei nehme ich irgendwie zur kenntnis, es berührt mich nicht, was ich tue, ich finde mich amüsant. das kind wird nicht nur verraten, der verrat wird auch noch weggelacht, es wird vollkommen im stich gelassen, es will mitlachen, um nicht so allein zu sein. abgründig, normal. die szene ist fast das schlimmste, was ich zu dem thema gelesen habe.

ich selber wurde nicht oft geschlagen, vor allem nicht selbstverständlich, einmal wollte meine mutter, dass ich nachher meinem vater sage, es sei nicht so schlimm gewesen, „weil der sitzt da oben in seinem zimmer und kommt nicht mehr raus“, es war also schon nicht normal, leite ich daraus ab. ich habe kaum erinnerungen an meine kindheit, meine eltern haben uns geliebt, wie sie es konnten, denke ich, gelernt haben sie es wohl nicht, beide haben dabei einen haufen grenzen überschritten, mein vater aktiv, meine mutter auf eine sehr passive-verdrängende weise, durch wegschauen, nichts sagen und nicht da sein. beide waren keine besonders begabten empathen. nein: beide waren komplett unempathisch, sie waren nicht interessiert,  ich meine auch: ohne es zu bemerken, das ist ja ein großteil dieses nicht-gesehen-werdens, nicht als persönlichkeit und nicht als person. diese väterlichen ausbrüche waren meistens an alle gerichtet, es war immer außergewöhnlich, alleine gemeint zu werden vom jähzorn, ich erinnere dabei neben wut und ohnmacht auch die dornige aufregung, beachtet zu werden.

ich weiß ja heut auch, das kostet kraft, das bemerken, hingehen, hinhören, ich habe bei meinen kindern kraft gebraucht, um aus diesem elterlichen vorbild herauszukrabbeln, manchmal wirklich auf händen und knien, so fühlte es sich an, ein laufen lernen. die dämonen sitzen irgendwo in der kammer, aber sie machen mir keine angst mehr, sie sind eine art totem geworden, wie die drei affen sitzen sie da. und mich freut es immernoch genauso wie am ersten tag, wenn ich merke: es hat geklappt, du kannst es, du bist bei ihnen, sie sind hier, du willst sie kennenlernen, sie sind ganz gewollt, ich bin ganz da, sie dürfen es auch sein. sie sind in ordnung, die jungs. auch wenn das große stille schweigen noch immer lockt, es ist ein sehr sicherer hafen.

abenteuer zahnspange

spätnachmittags höre ich davidzwilling plötzlich leise vor sich hin weinen. „ich muss nochmal raus“ sagt er, will nichts erklären, und ist weg. ich schicke die anderen beiden hinterher, vielleicht hat er munition draussen verloren, es ist schon stockfinster, sie können ihm suchen helfen. sie finden ihn nicht, nicht im hof, nicht vorm haus, kein david. dem großen fällt dann die lösung ein: „wenn es so wichtig ist, hat er bestimmt etwas wertvolles verloren: seine zahnspange! nicht so doofe plastikmunition.“ ich nehme den anderen zwilling mit, der große soll stellung halten, wir gehen mit einer taschenlampe den ganzen langen spazierweg von heut nachmittag zurück. dazwischen anruf vom großen: david war wieder zuhause, es ist wirklich die spange, er ist wieder raus zum weitersuchen, wieder allein, er gibt nicht auf. david gibt niemals auf. denke kurz an den größenunterschied zahnspange und prenzlauer berg, ich meckere, der große hätte ihn da behalten sollen, denke kurz an die mutterregel  vier, „logistik “ (die ersten drei lauten essen, trinken, pflaster), aber das nützt jetzt auch nichts mehr. ich bin mit gregor schon anderthalb kilometer weg von zuhause, wir suchen jetzt zumindest einmal den ganzen weg ab. er hatte die spange in ein taschentuch gepackt, um die superekligen leckeren pommes vom flohmarkt essen zu können, und dann in die jackentasche – stellen sie sich die suche nach einem weißen taschentuch mit einer kinderzahnspange drin vor, im teilgeschmolzenen, plattgetrampelten berlinschnee. im dunkeln. mit leerem magen – aber was soll man denn tun? das ding war neu und es ist teuer. wir laufen die ganze strecke bis zum flohmarkt, durch den mauerpark, mit der taschenlampe, ich suche auch mein kind, das mir doch wichtiger ist als die spange, obwohl der ärger das ein bisschen vernebelt grade. das kind kann ja notfalls auch von der polizei gesucht werden, aber die blöde spange, das nimmt uns keiner ab. kein david, keine zahnspange, natürlich nicht. als ich grade mit einem stock im mülleimer herumwühle, in den die kinder ihre pommesschalen geworfen haben, dabei mit dem sich schon abgefunden habenden mutterblick versuche herauszufinden, welche zeitung da im müll unter den kaffeebechern liegt, klingelt mein handy, david ist zu hause. er erzählt: er ist auch beim zweiten mal fast die ganze strecke zurückgelaufen, da war ein mann im dunklen cantianpark, vor dem hatte er angst und ist ein paar schritte zur seite getreten, und da lag, genau vor seinen füssen, ein papiertaschentuch, da hat er dann reingesehen, und sie war drin, seine spange. er hat sie wiedergefunden, auf einer schneewiese im dunkeln. ein gottesbeweis, wenn sie mich fragen, „ich hab so gebetet“, sagt er später, und hält gefaltete hände hoch. ich hab gefragt, ob sie nicht vielleicht einfach in der zweiten jackentasche gelandet ist, und ihm das peinlich … ? nein. er hat sie wiedergefunden. ich glaube ihm, er ist nämlich ein gründlicher sucher und kein panikkind. er weint wirklich nicht so leicht.

 

last winter day

die zwillinge vergessen ihren anderthalbstündigen ich-will-aber-keinen-ausflug- streit sofort, als sie am ende der sandkuhle im grunewald den gefrorenen tümpel entdecken, wusch, stürmen sie den hügel herab, hund hinterher.

wir haben keinen schlitten mit, es liegt auch nur noch auf den wegen und im waldschatten schnee, aber die zwillis holen sich große dicke eisbrocken aus dem gewässer und versuchen darauf, die paar verbliebenen schneeflächen runterzukommen, es klappt perfekt, die eisstücke sind überhaupt nicht steuerbar, drehen sich, rutschen unterm hintern weg, zerbrechen, dann muss man neue holen oder auf immer kleineren flächen den hang runterrutschen. es macht ihnen so einen spass, ich muss es nichtmal verbieten vorher. fürs familienleben ist das wichtig, da sie ein schlechtes erlebnis nie vergessen und bei jedem zukünftigen ausflugsplan neu einbringen können (die guten werden pragmatisch erinnert, eis=notschlitten wird bleiben, und märz=südhang schneefrei).

zuhause gibts eis auch noch von oben, versenkt in frischgekochtem heissen kakao mit schlag, und schokokekse. jetzt stille, der große schläft nach dem gerenne, die zwillis spielen irgendwas. ich überlege, ob ich die sechste staffel lynley wirklich noch zuende ansehen  soll, so düster und freudlos, wie sie daherkommt, der mord interessiert nicht wirklich, der symbolische überbau ist mächtiger als der plot, die figurenentwicklung steht der dramaturgie im weg. die autoren lieben ihn sehr, ihren lynley, sie wollen ihn für sich behalten, er wird immer sturer und wortkarger.

das vollkommen neue gefühl, heute genug licht bekommen zu haben, wie der grünmangel in den alten lichtmangel diffundiert. diese winterwaldfarben wie aus den fünfzigern, all das vergangene, das ein stück weiter weg scheint, nur weil man da noch nicht auf der welt war, so dass nichts davon unsere nerven berührt haben kann. das große mischmasch in sepia.  mehrere männer in norwegerpullovern gesehen, ein schöner anblick, und der eine, der nicht jünger war als ich, hatte bestimmt nur wegen der kälte so einen roten kopf, und nicht wegen dem flachmann, den er benutzte.

berlin, berlin

mit bloggerinnen tango tanzen – im bebop, das liegt inzwischen direkt an der spree,  gegenüber von der 02-arena, sehr suggestiv, in einem loftgebäude, das seit den 80zigern bespielt wird. ich hab da mal sylvester gefeiert, also in einem der lofts, ich glaube im ersten offenen berliner winter, und wir sind nachts über die oberbaumbrücke, an deren ostberliner ende ein grenzwärterhäusschen stand, wir hatten die pässe dabei und haben ein eintagesvisum bekommen, ein grünes a5-blatt. drüben war nix, sind wir wieder zurück, aber die brücke war aufregend genug, meine ich zu erinnern.

im bebop, noch am mehringdamm, ist damals mein großartiger tangolehrer gestorben, bei einem tanz in den mai. alte zeiten, ich war danach nicht mehr da, ich hatte drei kleinkinder und bin nicht mehr tanzen gegangen, aber natürlich kriegt man den tango nicht aus dem system.

gestern abend  waren wir auf auf einer praktica, ich habe zum ersten mal im leben geführt, schwieriges unterfangen, mich dann aber doch einem mann überlassen für ein paar richtig schöne tangos zu später stunde, bisschen wackelig gefühlt, aber die musik fängt mich auf, und der tänzer, wie es sich gehört. wie immer will ich gleich weitermachen. großen dank an engl fürs mitnehmen und an wortschnittchen und anne fürs mitkommen. wir haben alle getanzt! vorwärts wie rückwärts. könnt ihr glauben. ich habs genossen, die welten ein bisschen zu verknüpfen, vorgestern und jetzt, tango und bloggen. schöne nacht.

heut um kurz vor elf an der gethsemanekirche im schnee fast vom rad gefallen, weil die glocken losgeschlagen haben, tief und laut. das sind ernsthafte glocken. ich war auf dem weg in die nächste kirche, wo der große mit seinen kumpels als konfirmand vorgestellt wurde. geborgen gefühlt, ich sollte wahrscheinlich einfach mehr in die kirche gehen, dann hat sich der agnostizismus ganz schnell erledigt. schöner morgen.

die iden des mimi

ich möchte ein bisschen rumjammern, aus völlig banalen stressgründen (selber krank, krankes kind, noch 2 kinder, hund u haushalt, und arbeit), aber dann fällt mir immer als erstes der letzte liebeskummer ein, der übers blog nur gesagt hat „selbstmitleid“ (der ist vorher selber jahrelang zum jammern zu mir gekommen, daher wahrscheinlich), dann fällt mir jorge ein (hugs an jorge!), an die schlimmst kranken will ich jetzt gar nicht denken, weil ich ja eigentlich nur ein bisschen jammern will, weil das alleinerziehen bei krankheit am meisten nervt, und ich hab ja schon die chronische grunderkrankung, die überhaupt kein zuckerschlecken ist, nee im ernst, ein bisschen jammern vom hohen podest der lebenden aus, (wie h. h. jahnn schrieb: der toten sind viele) mit noch gesunden kindern, einer wohnung und einem fröhlichen kleinen hund. verd., es war schon mal leichter, ein bisschen wehleidig zu sein, das ganze entnervende relativierungsgewese klebt am leiden wie ein rudel luftballons, ich komme nicht auf grund, nee.

2. versuch: ich hab fieber; ein kind muss kotzen, die anderen streiten, sollen aber a) lernen oder b) rausgehen, ich hab einen hund, ich muss essen machen, ich muss betten beziehen, streit schlichten, bezugsperson bleiben, geld verdienen, aber ich bin echt platt grade. nicht mal komplexe rezepte sind möglich, ich werde die hühnerbeine mit gewürzen bepasten und in den ofen schieben, mehr nicht, von komplexen sätzen ist ja schon lang nichts mehr zu sehen.

wobei, was ich alles nicht muss: müll runterbringen, trockner leeren, hund rausbringen, fällt mir da ein, gell, zu irgendwas waren die letzten 9 jahre allein mit drei kindern ja doch gut, sie machen all das nach nur 4 bis 5 aufforderungen, was ich für einen guten schnitt halte, da hab ich doch was geschafft, oder? ich würde mich jetzt gern 9 jahre ausruhen, bitte danke.

(in zukunft schreibe ich immer nur noch: 9jahre!, dann ist allen klar, was ich sagen will, oder?)

 

handel, projekte, musik.

bei der suche nach einer bespielbaren alten sog. westerngitarre grossen spass. lese mich abends durch gitarristenforen und suche auf ebay und auf seiten mit kleinanzeigen. eine hatte ich schon zuhause, 40 jahre alt, klang super, zuhause habe ich die saiten entfernt (oder sagt man: sie entsaitet?) und dann einen riss entdeckt und innendrin etwas, das wie schimmel aussah. zurückgebracht, ohne saiten, ärger bekommen, ich soll über meinen umgang mit mitmenschen nachdenken. eine nächste ist unterwegs, der verkäufer wortkarg und bildarm im netz, das wird wohl auch eher nüscht, aber ich hab ja zeit und mein jagdfieber ist geweckt.

man ölt gitarrenhälse mit lemon oil, sehr wohlriechend, und sollte sie angenehm temperiert aufbewahren, wie alte bücher, zwischen 45 und 55% luftfeuchtigkeit. ihr holz richtet sich durch das spielen an den klangwellen entlang anders ein, darum verändert sich durchs spielen der klang von vollholz- instrumenten, bei sperrholz nicht, weil es durch die leimschichten unflexibel geworden ist.

oder die geschichten über das beste holz.

natürlich sollte ich lieber alle energie in die pflege des herdfeuers job- und kundensuche investieren, aber das handeln, die ergebnisse, die selbstläuferische realisierbarkeit dieses neuen unterfangens erinnert an das leichte leben und die guten zeiten, zauber im anfang. anders als das herumstochern im dunkeln ohne echo und erfolge.

gestern noch eine führung durch die fabrik der altmeister angesehen, danach fällt es schwer, einen nachbau in betracht zu ziehen, die es in guter qualität zu einem viertel des preises gibt, also nicht für mich, ich brauche ein preiswertes anfängerding, aber so als traumobjekt. diese martins waren schon früher der rolls unter den opels, freund g. hatte eine, sie wurde im koffer transportiert und war perfekt, silbrig, rund, warm. kann aber auch sein, dass das die zeit war, und nicht die gitarre.

alltag

jetzt ist sie rum mal wieder, die filmschau. zum ersten mal seit 26 jahren berlin null berlinale, auch weil ich grade glamour nicht sehen kann, er könnte einen meter vor mir vorbeilaufen, ich würde ihn nicht bemerken, glaube ich, es wäre ein mensch in schöner kleidung, die wertschätzungskette, die aus dieser person etwas besonderes macht, verläuft gerade weit hinter dem sichtbaren horizont. dort sind freunde, familie, einkaufen, essen, hund ausführen, lichtmangel, auch bisschen abwechslungsmangel, bücher und wintermüdigkeit. und weil die stadt so wunderbar groß ist, merke ich hier in meinem kleinen viertel nichts von weltereignissen, auch wenn ich jude law sehr gern mal in kameranähe gehabt hätte. ich lebe hier ganz ruhig im kulturellen abseits (als berlinerin heisst das, ich müsste bis zur nächsten kulturmöglichkeit 7min fahrrad bergrunter zur volksbühne in kauf nehmen, wenn ich nicht zu einem kino will, das näher liegt, oder zu einer galerie, die noch näher liegen würde, aber will ich ja nicht, ich bleibe hier oben und gucke vom zweiten stock aus in den grauen himmel), behalte meine millionen schnupfenviren für mich und versuche wie immer und ewig mein leben umzugestalten, am liebsten so, dass alles beim alten bleibt.

 

wecker: kleine hommage

vor 14 jahren ging mein wecker kaputt. mein leben hatte damals gerade einen neuen mittelpunkt mit weckfunktion, ich wollte aber irgendetwas für gäste und notfälle im haus haben und habe im kaufhof am alex für fünf mark einen funkwecker gekauft. ich hatte dann einen und benötigte also keinen mehr, es kamen noch kinder dazu, mein mann hatte einen schönen wecker, weil er anders als ich morgens nicht stillen musste, den hat er dann beim auszug mitgenommen. ich benutzte den billigwecker und beachtete ihn nicht mehr als eine türklinke oder einen heizungsknauf, als er dann regelmässig nötig wurde mit der einschulung des großen, seit 14 jahren steht er auf dem nachtisch und weckt mich immer 3 minuten, nachdem ich von alleine aufgewacht bin, und dann nocheinmal, wenn ich nach 5 minuten wieder eingeschlafen bin.

er ist nicht schön, aber ich habe ihn auch nicht ansehen müssen. jetzt fordern seine knöpfe morgens und abends erhöhte aufmerksamkeit, weil ich sie aus veschiedenen richtungen drücken muss, mal 5, mal zehn mal hintereinander, manchmal reagieren sie auch gar nicht, die weckzeit ist nicht mehr änderbar und steht immer auf 6:30, die datumsanzeige ist verschwunden, ich habe sie allerdings auch vernachlässigt in den letzten jahren, hätte ich sie öfter aufrufen sollen? gibt es einen ort für nichtbenutzte weckerfunktionen? ich brauche einen neuen, endlich ein designwecker, um den herum sich dann ganz automatisch auch das restzimmer langsam modernisieren wird, auch ich natürlich, bis in ferner zukunft alles vorzeigbar ist.

es ist der erste auf der suchseite, als wäre kein tag vergangen seit 1999, anders als ich hat er sich sogar verbessert und kostet jetzt fast 8 euro. kurze verlockung. den alten weg noch einmal einschlagen, um dann auch den ganzen rest nochmal neu machen zu können, so frisch wie damals,  mit den erfahrungen von heute.

 

jazz im garten

grade häufiger das köln concert, wie alle paar jahre. dabei frühlingsgefühle, das jazzfest zu mauerzeiten irgendwo bei der neuen nationalgalerie, obwohl jarrett da nie gespielt hat, oder doch? aber es gab einen steinway, ich hab mir immer vorgestellt, dass der kurz rübergerollt werden könnte von der philarmonie, aber die haben wahrscheinlich keine samsonite-rollen an den füssen. man konnte bei ticketmangel oben auf der mauer sitzen und in den hofgarten runterschauen, wo die konzerte stattfanden, das dabeisein irgendwie genauso wichtig wie die musik und die interessanten jungen männer mit ihrem doofen ernst, das leise mitwippen der kenner, wie dann immer mal wieder nur noch musik da war, und sonst nichts, keine stadt, keine leute, nur die magie. ich hab dringend was gesucht im jazz und dachte immer, es liegt an mir, wenn ich es nicht richtig finden kann, dann hab ichs verstanden und mich am weg gefreut.

ein freund von mir hat seiner umschwärmten jedenfalls kurz vor, aber gerad noch zu weihnachten die von jarrett eingespielten händelsuiten geschenkt, davor gab es nur ganz kleine sachen, das reduzierte alphabet von halbsätzen, gesten, die berühung zum abschied, diese schritte ins offene, bei denen man den fuss noch nicht aufsetzt. weil ihn die musik so an sie erinnert hat, die leichtigkeit und eleganz, das bischen verspielte, und wie sich im spiel immer wieder etwas unerwartetes auftut, das alte und neue an den einspielungen. sie hat ihn nicht erhört, das mag am altersunterschied gelegen haben, ab plus 25 hilft auch das gesehen werden nicht mehr, macht mich fast traurig eigentlich.

aber seitdem höre ich den wieder und freue mich dran, nur den händel kenne ich immer noch gar nicht.