a romance, vergessen

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„The rationalism of analytic logic has divided erotic emotion into fixed conventional types, popular opinion offering one set of categories, fashionable psychology offering another. As a matter of fact, each encounter of two amorists creates a unique universe. No existing generalisation, whether of the wise or of the unwise, covers or ever will cover a tenth part of its thrilling phenomena. In one respect this love-making by Dye’s Hole was the most childlike that the spot had ever witnessed; in another it was the most cerebral. The nervous exitement manifested by these two was so free from traditional sentimentality and normal passion, so dominated by a certain cold-blooded and elementary lechery, that something in the fibrous interstices of the old tree against which they leaned was aroused by it and responded to it.“

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so ist der text die ganze zeit, er hält die zeit auf, ein herumsummen in der abstraktion, die alles aufnehmen will, jede regung und jeden windhauch, der alles belegbar ist. wie ein hohes, schwankendes schiff, das über sand gezogen wird, weil das meer grad nicht da ist, und man sitzt die ganze zeit oben beim captain und sieht keinen grund. eine flucht ins konzeptionelle, dabei mitleidslos genau. die allmachtsphantasien solcher autoren, die der lebenserfahrung und der feinheit ihrer leser nichts überlassen wollen, sie müssen alles ding- und seefest machen, wollen es eigentlich gar nicht aus der hand geben und sind dabei auf eine hilflose weise unlustig. ich mag die behäbigkeit dieses romans eigentlich ganz gern, er ist etwas zu handlungsfern und personenreich, aber die umfassende beschreibbarkeit seiner welt hat auch etwas tröstliches. powys soll ein sehr talentierter redner gewesen sein, hat sich damit auch mal seinen lebensunterhalt vedient, hätt ich zu gern mal gehört*. vielleicht hatte er da eine größere leichtigkeit.

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das buch kommt daher wie eine vergessene diva, die noch nicht aufgeschnittenen seiten, oben mit goldschnitt, der dicke lederrücken, die wertigkeit, deren glanz irgendwie nie notwendig war, der roman hatte keinen erfolg, das leder-konzept für die beletage passt ganz gut, auch die vergeblichkeit dieses ruhmstrebens ist da mituntergebracht. anspruch, buchdruckerkunst, ein gewaltiger roman: ein schönes und bissken trauriges ding. ein papiermesser habe ich nicht, es darf weiter ungelesen bleiben.

*januar 2019 einen filmschnipsel mit john cowper powys im netz gefunden, er probt da eine debatte für und wieder die heirat, sein gegenüber war bertrand russell.

 

5 Gedanken zu „a romance, vergessen“

  1. Interessiert mich mal: ist das Buch vorn und unten gar nicht beschnitten? Oder berauft?
    Eigentlich überließ man es ja nicht dem Leser, die Seiten aufzuschneiden, das war nur bei Interimsbänden sinnvoll.

  2. ah, spannend, kennen sie sich da aus? das buch ist vermutlich vorn berauft, da hängen nur noch die seitenecken gelegentlich aneinander, unten nur teilweise, das erste drittel des buches ist lesbar, danach bräuchte man ein scharfes messer und viel zeit, als wäre die klinge stumpf geworden. muss ich mal einen buchbinder fragen.

    ungeöffnete zeitgenössiche bücher kenne ich nur in kleinauflagen für lyrikbände oder künstlerbücher, als zeichen für seltenheit und garant für eine intensive beziehung. oder gleich als semiophoren, vielleicht manifestiert sich da die grenze zwischen bibliophil und -man? bei den älteren büchern habe ich kaum unaufgeschnittene.

  3. Semiophoren, wieder wat jelernt.
    Ja, die Werte ändern sich durch den Fortschritt. Romantisierung der alten Erscheinungsweisen. Büttenränder, die vor den Papiermaschinen das Normale waren, werden künstlich erzeugt (bei den Papiermaschinen durch Abrissstellen, in der Buchbinderei durch beraufen, das gipfelt in den Büttenrändern der Fotos bis in die 60ger Jahre glaub ich). Den Interimsband, Muster an Sparsamkeit (kaum geheftet, sparsam abgeleimt, nicht beschnitten), kann man mit Leichtigkeit auseinandernehmen, um ein richtiges Buch draus zu machen, passend zur persönlichen Bibliothek des Kunden. Was bei Grafik gut aussehen kann, ist bei Büchern sinnlos, weil sich Staub zwischen den unterschiedlich großen Blättern fängt. Der Goldschnitt ist ein feiner Schutz des Kopfschnittes und lässt sich leicht abfegen, sinnvoll bei wertvollen Büchern. Die ganze Geschichte sieht mir doch nach Buchbinderstümperei aus (wobei: Ferndiagnose immer schwierig), vielleicht ein Übungsband für die Gesellenprüfung.
    Ein scharfes Küchenmesser tut es übrigens auch, mit bissel Gefühl kriegen Sie das bestimmt hin.

    1. vielen dank für diese einblicke! es wirkt hier eher wie so etwas sentimentales, ein den früheren zeiten zugewandtes stilelement. stümperei glaube ich nicht, es ist mehr eine art prachtexemplar, ich denke, das unaufgeschnittene gehörte zu einem auf wertigkeit hin ausgelegten verlegerischen konzept, eine amerikanische ausgabe eines britischen autoren, der großes vorhatte. blick zum alten europa? ich weiß es natürlich auch nicht, die idee des gesellen gefällt mir aber, der das vorzeigebuch heimlich unlesbar macht. ich schneide es nicht auf, sondern werde wohl zum lesen meine deutsche ausgabe verwenden.

  4. „die der lebenserfahrung und der feinheit ihrer leser nichts überlassen wollen, sie müssen alles ding- und seefest machen, wollen es eigentlich gar nicht aus der hand geben und sind dabei auf eine hilflose weise unlustig“
    Jahrelang habe ich mich gefragt, warum ich diese endlosen Beschreibungen, die seitenlangen Details nicht ertragen kann. Danke für diese wundervoll formulierte Erläuterung!

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