kw 40

am letzten wochenende 2. reise seit corona gemacht. die erste war nach italien im letzten sommer, dieses jahr bin ich nicht nach italien gefahren, eher aus finanziellen denn aus anderen gründen. es fehlt mir, aber ich bin so oft da, ich kann es mir gut genug vorstellen, inclusive licht, hitze, luft, ich habe jede situation als 3d-erlebnis im kopf. jetzt bin ich auf den 60. einer besten freundin gefahren, den zweiten im freundeskreis, es geht lohos! die party fand in baden württemberg statt, weil da einer ihrer zuhause-punkte aus der kindheit ist, sie ist sehr oft umgezogen in ihrem berufsleben. ein tag im auto hin, ein tag party, ein tag im auto zurück, sehr intensiv.

schloss lichtenstein

es gibt dort unten eine art märchenschloss, im 19.jh als mittelalterliche ritterburg auf den ruinen einer mittelalterlichen ritterburg erbaut, zu dem ich einen kurzen ausflug gemacht habe, auf einem berg stehend, mit sensationellem ausblick übers weite, hügelige und dicht bewaldete land, vielen türmchen und zinnen und einem tiefen felsenriff darunter. das war wirklich strange. die burg ist anscheinend berühmt und war schon morgens um 10 gut besucht, darunter viele menschen mit ernsthaften kameras. ich sollte vielleicht mehr in deutschland herumreisen.

das fest fand in einer idyllisch gelegenen waldorf-schule statt, in 3g-modus mit extra test vor eintritt, geschlafen haben wir in einem atelier, das wie ein wohnraum wirkte. eine band und zwei frauen haben uns zum tanzen gebracht mit so etwas wie einer komplizierten polonaise und einigen wilden volkstänzen, zuletzt wurde a. in die mitte auf einen stuhl gesetzt, die gäste sind mit kerzen im wiegeschritt zu einer getragenen melodie um sie herumgegangen, in einem großen kreis. fanden alle schön, es war vollkommen ungroßstädtisch, aber innig auf eine selbstverständliche weise. musste schon bei der polonaise meine coolness abstellen, hat geklappt, habe sie nicht weiter vermisst in der nacht. eine gute idee war auch, alle gäste in der reihenfolge ihres kennenlernens der gastgeberin aufzustellen und sie die geschichte dazu erzählen zu lassen, die reihenfolge mussten wir dabei selber herausfinden. freund f. hat ein plinplong-konzert gegeben, zur allgemeinen erbauung. er hat das plingplong mit dem fahrrad mitgebracht, obwohl er im nördlichen bayern zuhause ist. es wurde gegessen und getanzt und geredet, um 2 im bett. die rückfahrt mit einer freundin und dem geburtstagskind, schön viel zeit zum reden und plaudern. tag danach platt gewesen.

ein mensch konnte nicht teilnehmen, weil ungeimpft und erkrankt, alle anderen waren geimpft. in meinem freundes- und bekanntenkreis sind eigentlich alle ganz selbstverständlich geimpft, aber es gibt bei jedem ein oder zwei leute im oft sehr nahen umfeld, die für alle überraschend zum covidleugner oder vaccinophobiker mutiert sind, und diese haltung mit großem fervor vertreten. ich finde da beides interessant, die antiaufklärerische und wissenschaftsfeindliche haltung bei klugen leuten, genauso wie den mitteilungseifer und die felsenfeste überzeugung, beides ist mir bisher noch nirgendwo begegnet. gestern mit einem freund geredet, der glaubt, die impfungen sollen die bevölkerung reduzieren. wir kennen uns lange, wir mögen uns, wir beide wollten kommunizieren. er hat eine harte zeit gerade, weil er als impfgegner fast alle anderen als feindselig erlebt, dabei ist seine angst genuin und tiefempfunden, sie ist nicht zu entkräften, nicht mit argumenten, es gibt zu jedem wissenschaftlichen argument einen youtubefilm, der das gegenteil behauptet, und es gibt vor allem viel mehr youtube-kram als argumente, die ja immer auf einfachen und klaren prinzipien wie naturgesetzen und sowas beruhen, wenn man die nicht glaubt, nun ja. macht wenig sinn, da weiter zu reden, das schöne war, das hat er auch gemerkt und gesagt, er will nicht monologisieren, will die trennung und das trennende nicht, sondern übers fühlen und die liebe im gespräch bleiben, aber es klang ein bisschen so wie ein ertrinkender, der ein rettungsboot finden muss. dann hat er weitergesprochen, und ich hab endlich verstanden, was ich bisher nicht sehen konnte: die staatlichen regelungen triggern bei ihm die erlebnisse seiner jugend in der ddr auf eine massive weise, die machtlosigkeit, das ausgeliefertsein, die angst davor, ins gefängnis zu kommen, wenn er so lebt, wie er es möchte. er erzählt, wie ihm nach dem mauerfall ein stein vom herzen gefallen ist, weil er nicht mehr in den knast muss. ich versuche, seine angst vor einer neuen diktatur zu entkräften, komme aber auch hier mit argumenten nicht weiter. wenn ich sage „die haben leute erschossen“ sagt er: „die impfung tötet“, und der hinweis aufs ausreiseverbot bringt natürlich auch nichts, weil jetzt ja auch keiner mehr reisen darf, dann sage ich: „das stimmt nicht, du kannst wieder reisen, musst nur ein paar regeln beachten“, sagt er: „ja, ich soll mich impfen lassen“. seine wahrnehmung hat ihn in einen käfig gesetzt. es geht nicht um argumente, es geht um seine bare necessities, er ist wirklich in einem anderen film als ich. er lebt in einer dystopie, bei der gerade die ausgänge verschlossen werden, ich lebe in der brd und bin tiefenentspannt, was den schutz unserer verfassung angeht. „ich habe es überlebt“, sagt er ein paarmal, das hilft ihm aus der angst heraus, „ich werde es wieder überleben“. ich habe ihm zugehört und herz und seele geöffnet, wie er es vorgeschlagen hat, konnte mitfühlen, habe etwas nachvollziehen können, glaube verstanden zu haben, dass er eventuell an einer form von ptsd leidet. ich weiß natürlich nicht, wie es in der ddr war, und es ist anmaßend, zu sagen: ich kann es mir vorstellen. das kann ich nicht. aber ich wurde an meine privilegien erinnert.

die corona-warnapp hat mir zum ersten mal die rote karte gezeigt, ich möge zuhause bleiben und abstand halten. selbsttest gemacht, negativ, gemerkt, dass ich inzwischen schon mit einem impfdurchbruch rechne, irgendwann, und dass es mir keine angst mehr macht. bekomme einen booster im november, es wird danach wohl jährliche neue impfungen geben wie bei der grippe. wir werden sehen.

jetzt noch den bare-necessities-ohrwurm wieder wegkriegen.

6 Gedanken zu „kw 40“

  1. Vorletzten Freitag hatte ich eine Einladung zu einem Empfang mit 2G-Regelung. Ich war pünktlich da, Impfstatus wurde gescannt, aber der Gastgeber ließ sich nicht blicken. Die Getränkeauswahl sagte mir überhaupt nicht zu (Bier aus der Flasche, Cola, Wasser). Ich machte auf dem Absatz kehrt, ohne Getränk, ohne Konversation mit den sehr wenigen bereits vorhandenen Gästen. Die Woche darauf erfuhr ich, dass jemand in der Veranstaltung war, der infiziert war, obgleich doppelt geimpft UND genesen. War mir ein Warnschuss.

    Die Idee bei der Party, von der du erzählt hast, sich nach Reihenfolge des Kennenlernens hinzustellen und die Kennenlerngeschichte zu erzählen, ist sehr hübsch!

    1. ja. dafür ist es noch zu früh, das denke ich auch, vor allem, wenn selbst auf einer feier mit ausschließlich bekannten, familienangehörigen und freunden nicht alle zuverlässig geimpft sind. ich rechne inzwischen eigentlich mit einer infektion, spätestens, wenn ich wieder mit kindern arbeite, und vertraue erstmal auf meine impfungen.
      es wird wohl noch ein winter ohne parties werden, ich hoffe aber, einer mit theater und kunst!

  2. es ist eine art spieluhr, wo zähne auf einer trommel so klangstäbe aus metall anschlagen. die melodie wird über lochstreifen gespielt, durch die dann ein metallstäbchen klingt und die anderen nicht. der lochstreifen wird mit einer kurbel über die trommel gezogen und rollt sich dabei sehr malerisch auf dem boden zusammen. am ende fällt er mit einem plopp auf den boden und das stück ist zu ende. oder besser zu sehen direkt auf der seite vom f.

  3. Ah, Schloß Lichtenstein! Kaum 48 Steinwürfe von hier entfernt. Am Albabgrund, wunderschön dort. Wenn Sie mal wieder in der Gegend sind, sehr gerne melden, es gibt tausend schöne Orte auf der Schwäbischen Alb.

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