letzte woche einen ausflug in eine andere welt gemacht, in bester begleitung. in der einladung stand: „audio-visuelle dokumentation“, ich hab mich gefreut, eine berühmte theateraufführung sehen zu können, die 1962 für furore gesorgt hat. peter hacks hat damals im deutschen theater seine version von aristophanes‘ frieden inszeniert, ich habe ein bisschen hacks im regal, einiges gelesen, aber nie ein stück von ihm auf der bühne gesehen, er wird seit den sechzigern kaum noch gespielt (youtube, tv-beitrag von 2008 über hacks, mit ua wiglaf droste), mit ausnahme einiger gallischer dörfer. eingeladen hat die galerie am amalienpark, der ich schon einige sehr schöne abende verdanke, zum beispiel diesen mit gisbert von knyphausen und anderen musikern. der abend fand soviele interessent*innen, dass die galerie auf einen anderen ort ausweichen musste, in einer stiftung cajewitz, auch in pankow. wir also hingeradelt, im eingang lauter interessante leute, besonders angezogene frauen, freundlich und plauderbereit. ich mag ja das publikum dieser galerie sehr gerne, die menschen verbreiten einen mühelosen eindruck von sagen wir mal kulturellem bewusstsein, mehr durch die frauen getragen, fast alle besonders und eigenwillig gekleidet. der zweite blitzeindruck war: altersheim. frau seubert und ich konnten den altersschnitt kaum senken, dazu passend ist diese stiftung eine seniorenresidenz.
beate rosch, die die doku zusammengestellt hat, meinte, sie wäre zum zeitpunkt der aufführung 15 jahre alt gewesen und hätte das stück also nie gesehen, mein eindruck vom publikum war, dass die meisten es zumindest theoretisch noch auf der bühne gesehen haben könnten. es lag so ein kleiner hauch melancholie im raum, eine wehmütige erinnerung an die zeit, als kultur noch folgen hatte, als theater noch wichtig war, als die menschen im raum noch bedeutung hatten, aber vielleicht überinterpretiere ich da auch.
es waren sogar zwei musiker der inszenierung anwesend, sie haben ein rührendes stück jazz vorgespielt. frau rosch machte ein paar kennerwitze über die musik, es war wohl in den sechzigern nicht üblich, jazz als theatermusik einzusetzen, die entscheidung hat wohl für einige aufregung gesorgt und war so einprägsam, dass jemand im publikum nur einen dreiklang draus vorsingen musste, und sofort gab es so ein kenner-gelächter im saal. bisschen ehrfurcht, weil all dieses fantum 60 jahre nach dem theaterereignis ein wirkliches liebeszeugnis ist, als sei es doch keine so sehr vergängliche kunstform. ein dritter musiker kam verspätet an, ob wir denn nochmal ein stück mit allen drei musikern hören wollten, fragte die moderatorin, ich dachte öhm, aber das publikum dachte natürlich anders, es bedeutet ja auch mehr gegenwart, etwas leibhaftiges aus den wilden sechzigern geht live! wie die stones! also nochmal mit pianist. dann war aber der flügel abgeschlossen, und wir mussten verzichten. ob wir nach der ersten stunde eine pause wünschten, fragte sie noch, dringend, dachte ich, frau seubert und ich waren im saal mit 100 alten und sehr alten menschen die einzigen mit maske.
an der stirnwand des raumes liefen dann über einen beamer schwarz-weiß-fotos der aufführung, frau rosch hat eine fundgrube an theaterbildern ausfindig gemacht, dazu hörten wir eine tonaufzeichnung des stücks, die bilder wechselten teilweise alle paar textzeilen, frau rosch hat für das projekt sogar ein paar kurze filmaufnahmen auftreiben können und sie ohne spürbaren wechsel zwischen die partien mit nur fotos geschnitten, eine sehr beeindruckende arbeit. echte theaterliebe. man kann sie, wie ich vermute, auch auf cd und dvd kaufen.
die inszenierung ist intensiv, selbst als reine foto-doku. die schauspieler tragen die masken der griechischen komödien, es wird laut deklamiert, in den filmszenen sieht man ihren vollen körpereinsatz, es wirkt fast tänzerisch, mit viel bewegung. fred düren als trygaios ist kraftvoll, anklagend, pathetisch. er fliegt auf einem sehr großes mistkäfer über der bühne herum, der wäre auch heute noch beeindruckend. mir war es zuviel schreien, vielleicht auch der aufnahmetechnik verschuldet, auch das frauenbild war zum haareraufen. konnte den text akustisch nicht immer verstehen, er ist altmodisch komplex und verdient konzentration. habe nur einen band von hacks‘ dramen, konnte noch nicht nachlesen.
ich würde das stück gern noch mal im theater sehen, es ist ja erschreckend aktuell. wir sind nicht bis zum ende geblieben, ich weiß jetzt also noch nicht einmal, ob bei hacks der frieden siegt, wie bei aristophanes.