biennale ’24

die biennale kann man gut in 2 tagen schaffen, wenn man kein besonderes interesse an einzelnen künstler*innen hat, oder sich in einzelne kunstwerke verliebt und länger dableiben möchte. (fotos zum beitrag sind auf instagram, es dauert zu lange, die alle hier einzubinden, habe sehr langsames internet) ich bin am samstag um 8 uhr los, dann gemütlich in 6 stunden nach venedig gefahren, 3 umstiege, 13€, sehr sehr fein. züge pünktlich, nur der letzte direkt in die stadt war richtig voll, aber dann sind viele in mestre ausgestiegen, das ist der hafen am festland.

ich komme sehr gerne an der piazza s. lucia an, habe dann immer das lied im kopf, von lucio dalla und francesco de gregori, santa lucia, jeder hier kann da zumindest die erste strophe auswendig. die heilige lucia ist in venedig irgendwo bestattet, da könnte ich eigentlich auch mal hin, zur feier des lichts. dann mit der zugesandten nummer das online gekaufte 48h-ticket aus dem automaten ziehen, die karte muss man bei jeder anlegestelle an einen automaten halten, damit die schranken aufgehen, beim letzten besuch (vor 11 jahren, mit den jungs zur festa del redentore) gab es das noch nicht und ich wurde prompt beim schwarz schippern erwischt. ich habe bei freunden von freunden übernachten dürfen, das war sehr nett, und sie haben tatsächlich einen wunderschönen collie zu hause, habe dann kurz überlegt, einfach nur zeit mit dem hund zu verbringen, dolle emma-sehnsucht verspürt. aber ich bin ja erwachsen, habe meine sachen abgelegt und bin zu den giardini weiter, wieder mit dem boot, wegen der hitze bin ich kaum gelaufen in der stadt, nächstesmal lieber im herbst oder frühjahr. in den giardini (ital. für „park“) war es angenehm durch die vielen bäume, bin dann relativ ziellos einfach herumspaziert, das thema der diesjährigen biennale ist foreigners everywhere, sehr toll ausgewählt. viel zur migration gesehen, zur armut. ich bin ja einfach konstruiert, ich freu mich den ganzen tag über den gedanken, dass jeder überall anders fremd ist. viele künstler*innen, die zum ersten mal auf einer biennale gezeigt wurden, aber das ist vielleicht immer so.

den deutschen pavillion muss ich vom hintereingang betreten, die front ist unter sehr viel erde aus den giardini und aus anatolien komplett verschüttet, ein sehr beeindruckendes bild, drinnen ist es bisschen beängstigend. es geht um das leben normaler leute, es ist dunkel, als publikum werde ich klein und sehe nach den tischen mit den lebenszeichen dieser normalen leute (rentenzettel etc.) auf die großen anderen arbeiten, gucke dann von außen/unten/oben auf das spektakel, das mag ich immer nicht an diesen riesigen objekten, dass sie mich als zuschauerin so deutlich auf die hinteren ränge verweisen, mich klein machen. hier gab es eine große leinwand mit einem dia von einem wald (deutscher wald? den nur von den blumes, dankeschön), in dem menschen die arme zum tanz erhoben haben, oder zur feier? in einem innenraum schon wieder ein raumschiff, oder ein satellit, gefreut. war mir alles viel zu finster.

dagegen südkorea, ein lichter und durchlässiger raum, koo jeon a zeigen ein zusammenspiel zwischen skulpturen und gerüchen, ihre kunst hat keine angst vor schönheit und ist trotzdem stark und einprägsam, sie zeigen ein odorama, sehr besonders. habe die augen geschlossen und konnte tatsächlich etwas riechen, könnten aber auch die kiefern im park gewesen sein. sehr elegante arbeit, besonders das große hölzerne möbiusband mochte ich sehr, musste mich SO zusammenreißen, es nicht mal zu berühren.

wirklich vollkomen überraschend war der raum der tschechen, eine art hommage an eine in gefangenschaft verstorbene giraffe, mit namen lenka, deren traurige geschichte dort erzählt wird, der körper als modell, in das man sich hineinsetzen kann, mit kopf und gliedmassen aus (hoffentlich) kunststoff. hab mich sehr gefreut, auch etwas mit tieren zu sehen.

der australische pavillion war großartig, aus einem guss, auch hier ganz dunkel, schwarze wände, auch hier bin ich als publikum kleiner als das kunstwerk, aber hier ist mein standpunkt ein konstituierender teil einer sehr beeindruckenden arbeit. die wände des pavillions wirken wie aus schiefertafel, darauf ist mit kreide ein endloser, sich im dunkel verlierender stammbaum aufgezeichnet, namen über namen über namen, verbunden durch striche, die australischen ureinwohner, archie moore, der künstler, hat dafür 2 (oder mehr?) familenstämme augezeichnet. in der mitte des raumes ein große platte mit blätterstapeln, die platte oder der tisch steht in einem großen wasserbecken, wo ich fast reingelatscht bin, weil ich die blätter lesen wollte, es sind nachforschungen über das schicksal von menschen, viele in gefängnissen verstorben. das becken trennt die forschung von den namenslisten an der wand, eine insel im raum, so tolle arbeit, grad beim bloggen gemerkt, sie hat den goldenen löwen gewonnen als beste arbeit der biennale, und ich bin nur zufällig rein! das war glück.

danach mit den vaporettis wieder zu den freunden, dort großartig bekocht worden (polenta mit nero di seppia und ein tiramisu als nachtisch), kleine hunderunde machen dürfen, dann kaputt ins bett. am sonntag ins arsenale. das schiff hält in der nähe, ich bin also dochnoch eine halbe stunde durch venedig spaziert, es war wenig los, die massen sind alle auf der hauptinsel und auf den schiffen, bin ein paar extra runden gelaufen in erwartung der klimaanlage im arsenal, wie auch in den giardini ist alles klimatisiert und man kann sehr angenehm herumspazieren. der raum dort ist beeindruckend, sehr hohe räume, sehr massiv und solide wirkend, riesengroße flächen.

da hat mich eine arbeit von bouchra khalili am meisten beeindruckt, sie hat große bildschirme mit landkarten aufgestellt, dann sieht man einen stift, der linien über die karten zieht, lange linien durch die ganze welt, dazu erzählen die migrant*innen die stationen ihrer oft monatelangen reisen, wo sie herkommen, wo sie bleiben konnten oder nicht, wo sie hin wollen, was sie sich wünschen.

brett graham hat aus kunstoffen einen übergroßen wagen gebaut, die deichseln sind ausgestreckte arme, der wagen besteht aus einem berg halber autoreifen, so sieht es jedenfalls aus, als zeichnung würde es auch sofort erkennbar sein (erstes adjektiv wieder gelöscht, die arme sind stark und klar, als hilferuf, angebot, aufforderung.) aber als riesige skulptur funktioniert es sehr gut.

eine große installation antonio jose guzman und iva jankovic verbindet stoffe, tanz und klang zu einem gesamtkunstwerk, hab leider keine performance gesehen, es war halt sonntag. die stoffe wurden auf eine traditionelle weise mit indigo eingefärbt, die muster sind abstrahierte „interkulturelle dna- sequenzen, die eine globale verbindung zwischen dem schwarzen atlantik (the black atlantic)“ darstellen sollen, es geht um sklaverei und kolonialismus.

gegen 15 uhr zurück zu den freunden, sachen holen, wieder in den zug, diesmal wegen platznot in der ersten klasse gebucht, die 2. war voll. extrem komfortabel, fahrt eine stunde kürzer, theoretisch, wenn ich nicht beim letzten umstieg das fahrzeug verpeilt hätte (doch kein bus, sondern zug) und erst anderthalb stunden später als erwartet angekommen wäre.

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