liberberlin und kolportage

wärend meine mutter und ich uns gegenseitig in die gemäldegalerie begleiten, wo eine art tag des offenen buches (pdf) stattfindet, eine mischung aus verlegern, buchhändlern der stadt und antiquariaten, über die menschen dort nachgedacht, und ob ich eventuell gern dazugehören möchte. fast alles männer und frauen in meinem alter, gut gekleidet, auf eine komplizierte und nicht offensive weise intelligent aussehend, als hätten sie viel erlebt und könnten nur wenig davon mitteilen. sie schüchtern mich etwas ein, wie alles durchgeistigte, aber meine mutter plaudert munter mit jedem, erzählt ihre lebensgeschichte und freut sich, dass ich mitgekommen bin.

die mischung ist glaube ich zu bunt, um wirklich kaufendes publikum anzuziehen, an den altbuchständen gibt es von kinderbüchern über kartenwerke und belletristik alles, von ollen inselbändchen bis zum zauberberg in hundertster auflage, signiert, für 1.4, wenn ich richtig erinnere. einen spezialisten für autografen gibt es auch, er zeigt in einer kleinen glasvitrine einen kafkabrief für 120k. gibt es käufer dafür? wird der preis nicht dann erst real, wenn ihn jemand bezahlt? die kunst der setzung.

das antiquariat t. hatry (sehr oldschool, ein geschäft auf 5 stockwerken, aber keine webseite) hat einen interessanten schatz ausgegraben und mitgebracht, eine reihe von 189 zeitschriftenromanen aus den jahren 1931 bis 1942, erschienen im zeitschriftenverlag a.g., kurz z.a.g., als beilage einer wochenzeitschrift, die unter verschiedenen namen erschienen ist. die illustrationen auf den titeln sind sehr besonders, der verleger anthon bakel hat dort immerhin einigen künstlern der nazizeit ein auskommen ermöglicht, hannah höch ist dabei, und viele, die ich nicht kenne, einige illustrationen hätten glatt aus den fünfzigern stammen können, sag ich jetzt mal so, faszinierend, wie besonders jeder titel ist, obwohl sie sich stilistisch so ähneln.

die beiden antiquare haben irgendwie von jeder erschienenen ausgabe ein exemplar ausgegraben, „bis auf fünf“, und sie in einem katalog versammelt, jeder mit bild und kurzer inhaltsangabe, die titel hätten einen großformatigen katalog verdient (und das vorwort hätte auch auf ein paar mehr seiten verteilt werden können, dann hätten noch leerzeichen und – zeilen reingepasst, oder sogar absätze)

sie wollen die ganze sammlung verkaufen, für runde 10.000€, aber vielleicht zeigt sie der alte oder der neue eigentümer ja noch ein bisschen herum. leider kaum bilder online gefunden, nur in der oben verlinkten pdf finden sich ein paar.

„Im Mittelpunkt dieses Romans steht ein großer Erfinder und zwei junge Menschen. Durch eine interessante Preisfrage, die der alte Erfinder an die Welt richtet, werden für die Preisträger und den Erfinder seltsame Verwicklungen herausbeschworen. Gewaltige Erd-Katastrophen und die große Hilfs-Expedition zur Rettung der Helden versetzen den Leser in höchste Spannung. Eine reizende Liebesgeschichte legt einen freundlichen Rahmen um das Geschehen, dessen Ende hier noch nicht verraten werden soll.“ (Die 5. Frage, Roman des Theaterkritikers Fritz Gottfurcht, alias Anselm Goth)

„Im Norden Berlins haben zwei Werkstudentinnen ein ,Büro für Frauenberatung' eröffnet, um ihr Studium zu finanzieren. Leider ohne Erfolg, die Einrichtung ist schon gepfändet. Ein Tag vor dem Auszug aber bringt ein Unbekannter ein kleines Mädchen, legt 4000 Mark auf den Tisch und verschwindet.“ (hier steht nur der name der autorin im katalog, eine gewisse Luise Käthe Wolter-Karai)

beide von 1934. eine wilde mischung also, erst in den späteren romanen ab 1938 scheinen die übel propagandistischen titel zu überwiegen, man müsste sie natürlich lesen dazu, aber die inhaltsangaben sind schlimm genug.

 

 

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