pathos in selbstverständliches hineinstopfen, diese anspruchshaltung an die welt, oh sieh, was ich fühle, wie sich dann im text das gefühl und das so laut fühlende subjekt vor das objekt schieben und es verdecken, selbst wenn es schöne objekte sind wie ein stück musik oder ein sonnenuntergang, überhaupt die nähe zum kitsch. wie aggressiv mich das macht inzwischen, in texten noch mehr als in der kunst, ich weiß nicht genau warum, früher mochte ich das, dieses ichsatte, weil es mir so ausgesetzt schien, so eigen und rührend in der übertreibung. andrerseits dürfen kinder pathetische musik hören, grad hab ich hier immer mehrstimmige chöre, die den soundtrack von jurassic park schmettern, sehr laut, ich denke es dann als probeweise aneignung von bedeutungsräumen, wie der ironie oder der coolness. bei erwachsenen wirkt es auf mich pubertär in der anmassung, wie eine spiegelnde talgschicht auf der wahrnehmung, ich muss dann sofort gähnen und will alles niederrotzen, was da so hehr gefühlt wird. bin bisschen beunruhigt deswegen, pathos war immer ein feiner hafen für mich.
Umgekehrt: Hinter dem Meer des Expressiven liegt der Hafen der Neuen Sachlichkeit. Tug hat auch schon zu, keine blauen Reiter mehr. Ich schreibe jetzt nur noch Industriezeichnungen, kühle, emotionslos gebogene Flächen wie der metallene Schreibtisch eines Mediziners.
(Na ja, länger als zwei Tage hielte ich das nicht durch.)
REPLY:
bloss nicht!
ich meine das hach!- pathos, das aufbocken von ergriffenheit und bedeutung auf ebenso leere selbstverständlichkeiten. das hat schon immer genervt, auch in den expressiveren zeiten, der bedeutungsüberschuss, ich meine keinesfalls den reichtum von hafengeschichten mit leben, traurigen erinnerungen und tieren und mit vielen gar seltsamen kunstwerken, wie sie in ihren texten zu finden sind. die liebe ich sehr, das sind kleine bojen im großen meer voller technokraten, eiferer und verkäufer. das ist keine sachlichkeit, glaube ich zumindest, das ist ein vor-sich-hinsummen der jasager und nutznießer und anderer grauer herren! (das tug-pathos war ja immer frei)
Es bräuchte letztlich vielleicht nur etwas mehr Jean-Gabin-Pathos in diesem unseren Lande.
Das Ichsatte als solches bedeutet ja noch längst nicht Pathos. Pathos sind die großen Gefühle, der Farbenrausch vor Mitternacht. Pathos ist das Hochziehen, das Aufdrehen, das Überdrehen, das Sich-nicht-satt-fühlen-können. Pathos ist eine leicht überschminkte Diva. Mit Falten- und Schattenwurf. Alles erlebt, nichts verlebt.
Pathos ist aber nicht wirklich laut, finde ich. Nie gewöhnlich. Mehr so barock. Mit Hüftschwung, aber nicht nur nackt und bloß.
Und da kann man ruhig weiter fein anlegen, finde ich.
Etwas anderes ist es, da, wo (noch) nichts ist, laut so zu tun als ob. Das Hochstilisieren der eigenen Nichtigkeit.
Hans Zimmer ist, glaube ich fest, kein Pathos. Hans Zimmer ist Geschwurbel.
(Weihnachten! Kinder! Blade Runner Soundtrack! »The light that burns twice as bright…«)
REPLY:
mich stört mehr das pathos, dass aus der differenz zwischen sehnsucht und den tatsachen geschrieben wird, ein benutztes pathos, sone plateau-maschine, eine abkürzung im text. weder ihre texte noch die vom kid, die sind tatsächlich eher hafen.
was sie bschrieben haben, „fein anlegen“, bingo, das ist wunderbar, aber wo finde ich das noch? mir fehlt das etwas, es ist alles nurnoch rezepte oder schreiben über, oder so ein und dann-und dann- und dann, kein schreiben, kein versuch, die sprache zu benutzen.
und der zimmer, nee, der hat schon was. geschwurbel ist nichtmal schön, sondern sofort wieder vergessen, ich würde sagen, man kann kein geschwurbel erinnern, zimmer ist super einfach und tiefgangfrei, aber es bleibt kleben. ich hab den hauptsänger, elias, noch mal gefragt, er sagt, das zimmer -harmonium vermittle dramatik und schöne momente. es ist ein bisschen wie erstes schminken bei mädchen, glaube ich, man muss es sehen. morgens nach dem frühstücl fängt meistens elias an, in seinem zimmer, dann fallen die anderen ein, stimmart „sonor“. ich sag da gar nix zu natürlich, für blade runner sind sie noch zu klein leider! zu dunkel. den müssten sie heimlich gucken, das wäre okay.
»kein versuch, die sprache zu benutzen.«
Ja. Das macht sehr müde.
Amazonrezensenten sehen das ja oft anders.
Neulich las ich in einem Interview: »Viele Autoren schreiben in einer sehr kunstvollen Sprache, sie verwenden Sprache als ein eigenes Stilmittel.«
Der Interviewer wirkte überrascht angesichts seiner eigenen Feststellung.