seligman

ich hatte die strecke sehr angenehm überschätzt, wir können jetzt ein paar tage lang einfach so herumgondeln, und so landen wir am nachmittag im städtchen seligman, von einem seligman gegründet im 19 jh. dann von der route 66 gelabt und genährt. mit der eröffnung der autobahn endete die geschichte, ein winziges dorf blieb stehen mit ausschließlich souvenirläden und 7 kleinen, einfachen motels, einem laden, einer kneipe (black cat, fensterlos, world famous, umgitterter hof mit paar trinkern), drei restaurants. wir bleiben im romney motel, weil ich auch mal etwas auf genau diese art heruntergekommenes haben wollte, nicht verwahrlost oder so, es benutzt einfach einen eigenen standard des in ordnung-seins, und der benötigt kein weltbügertum. es steht da seit den siebzigern, vor den zimmern ein kleiner überdachter gang mit lauter verschiedenen plastikstühlen, dann der parkplatz.

die jungs liegen auf dem bett und gucken filme, ich sitze draussen neben dem auto auf einem ollen klappstuhl und trinke ein dosenbier, 20:15, schon fast dunkel, langsam geht die wärme und ein ganz leiser würziger duft kommt hoch, ich sitze 20 meter von der strasse weg, über die jetzt mehr autos fahren als tagsüber, wo sie total verlassen wirkte. der hotelier hat vorhin die pflanzen auf dem parkplatz gegossen, mit einem kompliziert aussehenden variablen druckdüsendingens am schlauchende, jeden topf mit einem anderen wasserdruck. seine frau kommt kurz danach vorbei und macht einen witz über ihren mann, der morgens und abends mit diesem gerät arbeitet. sie zeigt mir ihre pflanzen, einen topf mit eggplants, einen dicken tomatenstrauch und erzählt, wie ihr letzten winter bei plötzlichem frost ein ganzes beet mit tomaten eingefroren ist, ja, es friert hier, zwei-dreimal im winter, manchmal schneit es richtig viel (sie zeigt bis zum handgelenk) dann schliessen sie die interstate und alle, alle kommen durch seligman, und die leute klingeln um 5 an ihrer moteltür und betteln um etwas wärme, das sind die guten zeiten, erklärt sie. ihr mann brauchte herausforderungen, darum haben sie das motel gekauft damals, es war total heruntergekommen, sie selbst habe ihren job als preschoolteacher erstmal nicht aufgeben wollen, in l.a.! er war gerichtsübersetzer für singhalesisch, er macht das immernoch, am telefon jeden morgen, und sie macht dann das motel alleine, weil es keinen gibt hier, die studies kommen immer nur 2 tage, und das andere motel da vorne, das sei eine ganze familie, die sind hier geboren und haben immer hier gelebt, immer, alle.

mich interessiert diese lebensform, als hätte man einen kompletten ort in der zeit festgenagelt, kein entkommen möglich, lauter um die fünfzig-sechzigjährige auf motorrädern, leute in tollen teueren autos halten an und machen bilder. hinter den ladenkassen in den souvenirläden, ich muss in jeden, davidzwilling liebt grade souvenirläden, da sitzen frauen mit starken gesichtern und langen haaren, schlagfertig und solide, die konnten alle neulich noch einen vergaser im dunkeln reparieren, vor nicht mal 30 jahren. und das der ort so winzig klein geblieben ist, anders als all die anderen disneylands mit ihrer mordsindustrie.

das motel kommt mir jetzt natürlich viel liebenswerter und schöner vor, anders als das schabrackige motel 6 in barstow neulich, wo morgens um 3 lautstarke streiteren im nachbarzimmer darauf hinausliefen, dass der mann dann doch weg ist (you motherfucker, if you have to leave, then leave).

ich hab dann noch ein signiertes foto von semmelrogge kommentieren dürfen, das neben einer kasse hing, der passte da wirklich hin, merkwürdigerweise hing der nicht in dem anderen laden, der bayerische bierkrüge auf den tischen hat und unglaubliche german bratwürste verkauft, nach denen meine kinder sehr grün im gesicht waren, und habe für 10 $ eine signierte cd von einem musiker erstanden, der mir vom alten las vegas erzählt hat, wie allen touristen vor mir und allen danach, aber er hat mit seinen songs und seinem vollbart eine seite berührt. those were the times. wir kommen erst gegen mittag los.

mojave

die größe der wüste ist von einem horizont bis zum anderen, mit nichts außer ein paar winzigen schienensträngen oder einer strasse darin. sie ist nicht einladend, es gibt steine, erde, außer gelegentlichen kakteen wachsen dort nur tribbles. ich fahre von der vielbefahrenen interstate 40 runter und nehme die route 66, die vollkommen leer und verlassen in der nähe verläuft. wir sind allein, so allein, dass ich meinen 13jährigen kurz fahren lassen kann, eine geschichte, die ich erzählenswerter finde als er, weil ihm die strasse natürlich gar nichts sagt, bei mir gibt es einen kleinen kick, aber der lässt sich nicht weitergeben, es ist halt eine alte strasse durch ein land, es gab einen film, jetzt gibt es touristen, sage ich den kindern, naja alt, nicht ganz 100 jahre. auf den souvenirs überall steht sowas wie: „wegen dir sind wir hier“ und „wir verdanken dir alles“, das hätte man in den ersten hundert jahren auch über die via appia sagen können, aber das fällt mir erst nachher ein, das wir hier immer noch am anfang einer geschichte stehen, in der es auch noch ums überleben geht. neben dem asphalt haben hunderte von menschen mit steinen etwas auf einen kleinen parallellaufenden erdwall geschrieben, namen und botschaften, „guck mal mama, hippiezeichen“ sagt einer zu den friedenszeichen, bestimmt im winter, draussen sind 47 grad und ich will da eigentlich nicht mehr als notwendig aus dem auto raus. ich schicke die jungs versuchsweise in die wüste, sie werden schon nach ein paar metern winzig klein vor dem riesigen panorama, der wind ist so fön, dass der schweiss sofort verdunstet. die totale stille da draussen und die temperaturen sind nichts für große lebewesen, sehr marsähnlich alles, ich werde ernst und wundere mich. ich kann mir den menschenschlag, der sich hier niederlassen mag, gar nicht vorstellen, wir bekommen ja eher die dienstleister mit, in bakersfield und jetzt grade in needles sind sie fröhlich, neugierig und wirken von der hitze vollkommen unbeeindruckt. nachdem wir in ein best western eingecheckt haben, das zufällig neben unserem mittagslokal liegt, bin ich mit den kindern runter zum colorado gefahren, im auto 50 grad, man verbrennt sich die finger am lenkrad, weil es natürlich nirgendwo schattenplätze gibt – elias‘ iphone ist angeschmolzen, als wir es mal für eine stunde im handschuhfach gelassen haben, die schwarze schicht hat lauter risse und blasen bekommen, es geht zum glück noch, er war mehr beeindruckt als verärgert.

unten am ufer sitzt eine großfamilie, die frauen auf zwei campingstühlen weit weg von den männern, alle sitzen ungerührt unter der sonne herum, wo ich schon nach ein paar metern eiskalt duschen und ein kühles getränk möchte. wir kommen sofort ins gespräch, es reicht wie überall, das man Hi! sagt. ich bekomme bier und wasser aus einer riesigen kühlbox angeboten, von einem sehr wohlproportionierten mann, glatt, braungebrannt und interessant tätowiert – und er ist ein plumber, sagt er später. als ich lachen muss, sagt er „No! I do also other stuff around the house, not just plumbing“, mit 4 kindern von verschiedenen frauen, und das leben sei einfach wunderbar. ich stehe dann ein paar minuten in diesem ofen am strand, mit den füssen im frischen und sauberen colorado-river und unterhalte mich mit dem halb so alten mann, frank, dessen kinder doppelt so alt sind wie meine, über die mühen und freuden des alleinerziehens, kommt der vater manchmal? fragt er und erzählt von seinen lebensplänen, das haus gerade gekauft und instand gesetzt, er möchte soviel verdienen, dass er mal einen sommer lang gar nicht arbeiten muss, um dann mit seinen kindern ferien zu machen, genau wie ich das gerade mache, das sei toll, wie alt ich denn sei? dann macht mir solange komplimente, bis mir der kopf auch noch innen raucht und ich leine ziehen muss, zurück in unser klimatisiertes hotelzimmer. die gegend ist wirklich heiss.

(ich wollte eigentlich paar bilder statt soviel text reinstellen, aber twoday und ipad geht irgendwie überhaupt gar nicht. twoday erkennt beim bilderhochladen das ipad nicht als rechner, das ipad lädt die bilder aber nur auf flickr oder facebook hoch. die app „blogsy“ arbeitet auch nicht mit twoday. zeit, weiterzuziehen)

(sie können hier über paypal etwas in die trinkgeldbüchse werfen, wenn sie möchten. das hotel mama hat auch einen wunschzettel. vielen dank dafür!)

monterey

8:30. es ist eine alte rote bretterbude, am zweiten steg von vorne, bei der wir uns treffen sollen, jede menge anderer leute stehen schon ein stück weiter auf der mole vor den beiden booten. ich bin total guter laune und freue mich, dass alles so gut geklappt hat, unser hotel ist nur 10 minuten vom hafen entfernt, die kinder haben gut gefrühstückt, ich hab die kamera dabei. das ist aber ein kleines schiff, denk ich, mit zwei bänken in der kajüte, oben drüber die kommandozentrale, oder wie man das nennt. es passen unendlich viele leute drauf, die ganze lange schlange, wir alle haben einen zettel mit unserem namen drauf unterschrieben, die schiffbrüchigenliste, denke ich noch, aber lese den text nicht durch, es soll ja weitergehen. alle finden ein plätzchen, die jungs und ich stehen direkt am bug an der reling.

die meeresbiologin an bord sieht genauso aus, wie ich mir so jemanden vorgestellt habe, mittelalt, blauäugig, braungebrannt und basecup, mit t-shirt, hemd und fleecejacke, was andere leute im händedruck haben, hat sie im blick, ein fester blick. bei mir geht unmittelbar das parallelfilmchen los, wie kommt sie auf so eine tour, ist das ein angesehener job oder nicht, ist sie zufrieden, wäre sie lieber an der uni oder einer forschungststation? sie wirkt wie die spezialistin im hollywoodfilm, solider frischluftmensch. sie macht den job fröhlich und sehr informativ, wie eigentlich alle leute, die mir bis jetzt begegnet sind, sie wirken immer sehr zuhause in ihren tätigkeiten. schon bei der ausfahrt aus dem hafen erzählt sie über die riesigen kormorankolonien, die wir überall sehen können, sie sitzen grad viel auf dem kai, weil sie füttern und auf die küken achten müssen, in meiner ahnungslosigkeit war ich mir sicher, die seien fast ausgestorben und kämen nur noch in der literatur vor. die kormorane sehen alle aus wie größere archeopterixe, mit ihrem zurückgelegten kopf und dem langen schnabel, sie liegen träge auf dem wind und bewegen sich nicht mehr als nötig beim fliegen.

nach ein paar minuten liegt der hafen hinter uns, wir fahren raus auf den pazifik, ich finde das wort schon aufregend, ich hätte da gar nicht unbedingt hinfahren müssen, es ist schon als wort groß genug, aber ha! jetzt sind wir hier und ich freue mich nach 5 tagen immer noch drüber. die biologin spricht inzwischen weiter, vom kontinentalschelf, auf dem wir entlang fahren werden, dort fällt der meeresboden nach den flachen küstengewässern eher senkrecht um mehrere 1000 meter ab, am kliff gibt es strömungen, die plankton und krill anlocken, deswegen seien dort oft wale in der nähe. sie plaudert so vor sich hin, plötzlich fährt das schiff steil bergauf, im 45grad – winkel, bis auf ungefähr gefühlt zweiter-stock-höhe. die welle, mit der das passiert, ist so lang wie das schiff, das fährt hoch wie auf einer achterbahn, saust oben über den kamm und stürzt dann jäh viele viele meter in die tiefe, im freien fall. ich hatte mich nicht richtig fest gehalten und knalle auf den davidzwilling, dann sausen wir schon wieder den nächsten berg nach oben, husch über die kante, und wieder sausen magen und schiff ins tiefe tal. nach ein paar seemeilen, in denen ich die crew verfluche, weil sie wegen ein paar dicken fischen das leben vieler unschuldiger touristen riskieren, scheint unser überleben nicht mehr ausgeschlossen, auch weil die biologin die ganze zeit weiterredet. die jungs kreischen, gehen in die knie beim sturz, springen hoch, wenn der kahn wieder steigt, beim fall bleiben manchmal ihre füße in der luft, so schnell geht das. das ehepaar, mit dem ich mich unterhalten habe, hat sich aufgeteilt, sie sitzt, er steht vorne neben meinen kindern und sagt zu seiner frau: „you are missing all the fun, it’s rock!“ ich schiebe das auf sein hohes alter und bereue, nicht beim teuersten anbieter mit dem größten schiff gebucht zu haben. es geht gefühlt ewig so weiter, keine chance, einen einmal eingenommenen platz wieder zu verlassen, weil man sich, also weil ich mich nicht ohne etwas zum festhalten auf den beinen halten kann, fotografieren ginge auch bloss mit einer hand, weil die andere um irgendwas geschweisst bleiben muss.

ich weiss jetzt, an mir ist keine seemansbraut verloren gegangen, besonders als die biologin ankündigt, wir seien jetzt auf der schelfkante, da denke ich nur daran, wie weit man da fallen kann, 10.000 feet, neenee, und überhaupt, stand vorhin die kajüte nicht anders auf dem deck, verrutscht die nicht auch langsam, und nicht nur ich? die kinder fragen nach den sandwiches und und den getränken, streiten sich kurz über den besten belag, einen meter weiter spuckt ein passagier über die reling, in den pazifik. seekrank bin ich zum glück überhaupt nicht, ich habe nur einen realistischen eindruck vom ernst der lage – aber dann brüllt der alte mann vorne: whales! und weit, weit draussen, hinter vielen wellen, sieht man eine große fontäne aus der see kommen. ich denke ach ja, jetzt haben wir doch einen wal gesehen, jetzt können wir wieder nach monterey zurück. die sea star II ändert aber sofort die richtung und fährt jetzt mit einem affenzahn längs der wellen, so dass man den freien fall noch einmal in einer anderen himmelsrichtung erleben darf. kurz danach entdecke ich den hund, der oben vor dem steuerstand mitfährt, unter freiem himmel, die vier beine weit auseinander, der pullert aufs deck, ohne ein bein dafür zu heben, der muss das also kennen, so spontan anpassungsfähig sind hunde beim pullern nicht.

ich falle also zurück an die reling am bug, klemme die hand darum, und gucke. und dann springt vielleicht 50m vor uns ein riesiger buckelwal komplett aus dem wasser ein paar meter hoch in die luft, dreht sich einmal um sich selber und fällt zurück in sein element. ich kriege die kamera natürlich nicht in betrieb, weil ich mich festhalten muss und dieses wunder nur ein paar sekunden gedauert hat, aber ein anderer mitfahrer war schnell genug, hier. mein schisshasentum verflüchtigt sich dann endlich endlich, während wir gebannt und sehr berührt den auf-und abtauchenden walrücken zusehen, den flossen, wie sie aus dem wasser hochschlagen, ein bisschen herumwirbeln und wieder untergehen, ganz um uns rum, sie wedeln und winken mit ihren brustflossen und schlagen mit den tail fins herum, die biologin erklärt uns, dass man diese wale gut beobachten könne, weil sie miteinander spielen und kommunizieren und sehr aktiv sind, es sind drei oder vier gruppen von jeweils zwei bis vier tieren, denen das schiff etwas zu ungestüm folgt, wie ich immer noch finde, aber die faszination ist so gross, dass man den mund offen lässt und entzückt herumjuchzt. besonders das freie, lässige spielen ist großartig, man kann es nicht voraussehen oder nachvollziehen, es ist klar, das eigentliche geschehen passiert in ihrem element, unter der wasseroberfläche, wir können immer nur ein paar kurze fragmente aus diesen leben sehen, einen fuss eines tänzers, dessen musik man nicht hören kann, manchmal öffnen sie ihre mäuler, wenn sie an die oberfläche kommen, und man sieht einen sehr rosanen, sehr hellen rachen, bis sich der kiefer mit den ganzen draufklebenden muscheln wieder schließt. ich hab vergessen, wieviel sie wiegen, wie alt sie werden und so weiter, aber es war klar, es geht ihnen gut, sie haben spass und machen ihr ding. als krönenden abschluss sehen wir in der ferne noch einen blauwal, das größte lebende tier, wie die biologin erzählt, nicht so leicht zu finden, weil er 30 minuten unten bleiben kann und nicht herumspringt, dazu ist er zu schwer. er ist dunkelblau und sehr diskret, ein langer glänzender rücken, der einen atemzug lang auftaucht, die luft in großer fontäne ausstösst und wieder verschwindet in seinen 3000 metern tiefe, da hab ich auch später, bei unserer autofahrt längs der kalifornischen küste noch drübernachdenken müssen, dieses privileg des 3d-zugangs zum eigenen lebensraum, das glück der meerestiere. die passagiere reden nicht mehr, wir haben viel mehr gesehen, als wir hoffen durften, „we can all agree, that today was extraordinary“, sagt die biologin noch (ich hab ihren namen leider nicht mitgekriegt). hab ich die delphine erwähnt? zwischen küste und walen haben wir bei hin- und rückfahrt eine große gruppe delphine gesehen, sie springen und schwimmen sinuös durch das meer und sind viel größer, als ich gedacht hatte. wie war die rückfahrt? keine welle!