jetzt haben wir zufällig an einem 5. was unternommen, da bietet sich das doch an.
zu früh für ferien wachgeworden, mir und dem großen einen kaffee gebracht, fenster aufgerissen und die noch kühle frische luft hereingelassen – es gab dieses jahr noch keine dieser üblichen schwülen 35°c-tage hier, es ist tagsüber um die 28°, abends kühlt es auf 23° oder so ab, perfekt.
dienstags ist eigentlich markt in der stadt, aber ich hatte am tag zuvor eingekauft, wir konnten uns das frühe aufstehen wg parkplatznot sparen. gut gefrühstückt, ich mit mitgebrachtem müsli, der große mit salat, caprese und obst, alles klar von ihm selbst gemacht.
nach dem frühstück internet gelesen, unter vermeidung von nachrichten, da bin ich im urlaub im verdrängungsmodus.
nachmittags ist der große zu fuss zum strand gelaufen, ich bin erstmal noch in die stadt für einen einkauf, danach auch an den strand, dort jemanden verabschiedet, die zurück nach hause muss, außerdem mein seit paar jahren vergessenes schlauchboot identifiziert, also der große hat es in einem großen beutel in der umkleide, unter all denn minisurfbrettchen, flossen, einzelnen rudern uä entdeckt, mit nach oben genommen, es ist fast zu schwer zum alleine tragen. es passen 5 oder 6 leute rein, ich war in den letzten jahren halt immer allein hier.
dann schon um kurz vor 5 hoch, wir wollen nach locarno rüberfahren. der große kocht sich noch schnell was, ich räume bisschen herum, um halb sechs fahren wir los, nur bisschen später als vorgenommen. es sind um die 60km am see entlang, mir fällt der sehr dichte verkehr auf, vielleicht berufsverkehr? die kombi arbeit in der schweiz/ wohnen in italien ist recht beliebt. endlich die grenze, wie meistens komplett verlassen, ich fahre langsam durch. dann gibt es noch 12km autobahn, nach der ausfahrt in die stadt sofort auf parkplatzsuche, bin generell eher frei von orientierungssinn und bei der weit verbreiteten verkehrsführung mit unmengen von einbahnstrassen, kreisverkehren und fussgängerzonen schnell überfordert, trotz navi („kehren sie in 5m um“; „BITTE WENDEN“, etc.) bin kurz gestresst, dann einen der gesuchten parkplätze gefunden, die ab 19 uhr nix mehr kosten, kurz mit zwei jungen frauen geschnackt, die eine hatte eine feine kette über dem nasenrücken, zwischen zwei kleinen ringen an den nasenlöchern, das hab ich noch nie gesehen, nicht mal in berlin. danach gemütlich am see lang zur piazza grande gelaufen.

der platz ist noch relativ leer, sehr viele gelbe und schwarze plastikstühle sind dort aufgereiht, bis zu 8000, lese ich, aber das scheint mir doch etwas übertrieben. die leinwand ist wirklich riesig, die projektoren sind so groß wie ein mehrerere container, schick in schwarz am ende des platzes, da reiche ich noch fotos nach. wir kommen von der leinwandseite des platzes um ca halb 8, es gibt eine taschenkontrolle, bei der ich mein mückenspray nicht deklariere, es hat nämlich ein „vorsicht brand“-zeichen an der seite und dürfte eigentlich nicht mit rein.

wir bekommen so sitzpolster mit werbung für teilnahme am publikumspreis („die größte jury der welt“ sagen entweder festivalsleitung oder einer der ubs-sponsoren später) und ziehen dann nacheinander noch einmal los, um kaffee und einen kleinen imbiss zu besorgen. es gibt viel zu gucken, der platz füllt sich rasch, mit dem großen versuchen wir die altersmischung zu schätzen, er meint „eher alt“, ich meine „eher jung“. schön angezogene, lächelnde menschen überall jedenfalls. wir hören, wie bei ein paar stühlen die lehnen abbrechen mit lautem knacks, da hat sich wohl jemand zu beherzt angelehnt.
dann gehen die lichter aus, der himmel ist noch nicht ganz dunkel, aber leinwand und film sind sehr gut sichtbar. nach den ersten szenen enttäuschung, die untertitel sind auf italienisch, sooo international sind die dann doch nicht, denke ich. sage dem großen, dass wir jederzeit gehen können, wenn ihn das nicht verstehen nervt, aber der film last dance ist auch so gut und nachvollziehbar verständlich, wir bleiben bis zum schluss.

achtung, es folgen spoiler:
germain ist 75 und lebt in glücklicher ehe mit seiner frau lisa, die begeistert bei einem tanzprojekt von la ribot mitmacht, ihm filmchen schickt, viel erzählt. dann stirbt sie, germain wird von seiner familie und nachbarn aufgefangen, bekocht, begleitet, jeder übernimmt eine der rollen, die alle auf einem großen kalender in seiner wohnung farblich markiert werden. ihm ist es etwas zuviel, die vielen speisen bekommt die katze, bald mehrere katzen, weil es sich herumgesprochen hat.
das paar hat sich versprochen, für den anderen dinge zu ende zu bringen, falls eine/r früher gehen muss, er besucht also eine probe von la ribot und fragt, ob er mitmachen darf, findet sich so eher ausversehen in einer mehrmonatigen und sehr intensiven täglichen probezeit wieder, wo er langsam vom „pinguintanz“ (der große) in eine gewisse ausdrucksfähigkeit hineinfindet. er erzählt keinem davon, es gibt einige lustige missverständnisse deswegen, weil er nie zu hause ist und sich alle sorgen machen. der film endet mit der aufführung, die familie im publikum, die aufführung ist uns ein bisschen zu einfach gelöst, andrerseits sieht man die lücke, die seine frau gerissen hat, das passt dann wieder. schöner leichtfüßiger film.
heute beim googeln erst gemerkt, dass ribot eine bekannte choreografin ist, sie hat 2020 einen goldenen löwen für ihr lebenswerk erhalten, und diese art arbeit mit biographischen elementen, dem körper wie er eben ist, mit professionellen und amateurstänzer/innen gleichzeitig auf der bühne, das passt zu ihren konzepten.
wir reden über die raubtiere bei festivals, bär und löwe waren halt vergeben, sind aber auch naheliegender, wie auch die palme für cannes. mal nachforschen, welche bedeutung ein leopard für stadt und gegend (tessin) hat, vielleicht nur die pelze der damen im nahen ascona um die jahrhundertwende? das festival gibt es seit den vierzigern, ich weiß nicht, ob es immer den leopard für den besten film gab.
es ist den ganzen abend schön warm, wir bleiben im t-shirt.
dann durch die stadt zum auto spaziert, um kurz vor mitternacht losgefahren. unterwegs noch fast kein benzin mehr, hat mich gewundert, an einer minitanke mit selbstbedienung noch den tank gefüllt. strasse jetzt fast leer, die dörfer und städte noch voller menschen, es ist august, da arbeitet niemand in italien. um eins ca zu hause.
beim austeigen ohrenbetäubendes grillenzirpen.
Wie schön das klingt, dieser Abendsommer in Italien, vor allem wenn man selbst im kalten deutschen Sommer vor dem Laptop am Arbeiten (eigentlich) ist.
Und wie schön, in den vergangenen Tagen so häufig von Ihnen zu lesen! So oft habe ich Ihren Blog aufgerufen und musste doch wieder weiterklicken. Aber: no pressure. Und liebe Grüße, unbekannterweise.
sehr gern, vielen dank, ich grüße zurück! und ja, ich genieße vor allem vor der erinnerung an die letzten und nächsten kalten monate. mehr schreiben will ich ja auch, ich hoffe, es wird.