wie jeden winter lese ich an einem tag, also heute, chr. meckels liebesgedichte („souterrain“), immer nebenbei, die seiten fallen raus, es sieht zerlesen aus, ich wie immer auf der suche nach liebe, wie immer finde ich den einen lieblingstext nicht, an den ich mich nur vage erinnern kann. bei montale habe ich ganze verse im kopf und bin sofort von jedem gedicht wieder abgelenkt, es sind geschlossene -nein- vollendete bilder, unverwechselbar und verfügbar, bei meckel ist jedes immer ein teil vom anderen und teil des ganzen, der schreiber mehr ein liebender als ein dichter, er entkommt der liebe nicht, ist das nicht klein? sollte man nicht entkommen?
ich lese das so, wie ich ein altes weblog lesen würde, wenn es noch online wäre, als ob es andere zeiten gewesen wären, und dann hat sich auch nach langem nachdenken nichts wirkliches verändert seitdem.
Ich habe nie ganz bei Meckel reingefunden (keine «Verständnisfrage», eher eine Frage der Stimmlage). Trotzdem denke ich, schön, dass jemand noch an Meckel denkt.
REPLY:
ja, es ist alles stimmlage, er ist mäandernd, als ob er nicht treffen wollte, ein weichzeichnender überfluss. ich mag auch nur diese eher privaten leichteren dinge, aus „säure“ und „souterrain“:
Du gibst keine Antwort, und ich frage nichts.
Im Fensterglas verdampft eine Tasse Tee.
Das Schweigen ist eine schlechte Gewohnheit
und schützt die Geheimnisse nicht.
Du bist dein eigener Chef
der Sprecher deines Vermögens und Unvermögens
du bist dein eigener Verbraucher, dein Gott und dein Grab
du bist dein erster und letzter Rat
und ich umarme dich, während du rauchst und schweigst.
REPLY:
«Weichzeichnen» trifft es, glaube ich.
Das Gedicht, das Du hier zitierst, ist viel konturierter (regelrecht pointiert) als das, was ich sonst von Meckel kenne.
REPLY:
PS: was von mir jetzt übrigens kein unbedingtes Plädoyer für Kontur und Pointe in Gedichten sein soll.
REPLY:
nein, schon klar, im vergleich zu vielen anderen texten bei meckel.
bei den späteren gibt es so ein laissez-faire, ihre metaphorik wird ein bisschen selbstläuferisch, ich mag die freundlichkeit und vorsicht der bücher aus den siebziger/achtzigerjahren, sie sind so nebenbei, das war es, was mich an ältere blogtexte erinnerte. hier, noch eins:
Wir hörten den Regen auf Dach und Blättern
lagen umarmt und hörten den Regen, dachten
den Herbst und die Meerbucht zusammen
das Haus und die Föhren
den nördlichen Abend, uns selber, und daß wir hier lagen.
Einmal suchte sie Streichholz, Tabak, und rauchte.
Dann, ununterbrochen, der Regen, die Ruhe, der Regen.
sofortige erinnerung, wenn ich das lese, als wäre ich das gewesen, es vertraut auf den leser (der wird die sentimentalität unbedingt finden und aushalten können, sie scheint durchs lakonische durch und bleibt elegant)