entlieben, mäandernd

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frau fragmente hat einen sehr schönen text übers entlieben geschrieben, und da fühle ich mich irgendwie auch als profi, hab ich mich doch genauso oft ent- wie verliebt, ungefähr alle zwei bis drei jahre.

erlebe mich nach dem entlieben nicht wie ein neues selbst, eher wie in einer vorübergehenden verhärtung des jetzigen, weil ich die gefühle ein paar monate lang intensiv verdrängen und nicht zulassen darf, ich muss sie richtig austreten wie einen funken, es sind ja immer großartige und strahlend sichere gefühle, ein mächtiges ist so. nach der trauer kann ich dann wieder aufmachen und bin mir wieder näher.

fragmente schreibt: „Die Hoffnung ist die zerstörerischte Kraft überhaupt“, das ist ein bitterer satz, aber der moment der klarheit kommt leichter und schneller mit den jahren, man erkennt das alte im neuen und kann schneller darauf reagieren, obwohl, manchmal wünsche ich mir einen modus, der das kämpfen ermöglicht, gegen die erfahrung und das offensichtliche, alles setzen, nicht nur leise für sich, sondern offen und für den anderen, tun, was man kann, weil jede liebe schutz verdient? wäre das freiheit oder masochismus? da bin ich mir auch noch nicht so sicher, praktiziere aber den kontaktabbruch, als sichersten weg. wir waren ja auch beim entlieben, das beginnt erst am ende der strategien.

ich erinnere es als wirkliche arbeit, erleichtert durch das bei fragmente erwähnte abflauen des oxytocins (wenn es nur oxytocin ist, war es keine liebe),  die entmutigung, wenn mal wieder klar ist, dass es nix wird, weil man ja eine body&soul-sicherheit („ja. alles.“) wegdenken muss, die so real ist wie der tag, besonders in der endorphinösen phase, über die ich leider nie hinausgekommen bin in den letzten 12 jahren. immer als kalten entzug erlebt, mit der liebe geht ja auch die intensität der wahrnehmung, dieser unverschließbare zugang zur welt. den abschied von vornerein als unvermeidbaren und ebenso vergänglichen teil des abenteuers begriffen.

es gibt schönere bilder für die liebe, sie drängen selbst in einen versuch übers entlieben. love is.

es gehört dazu, wenn es mich mal wieder erwischt, plane ich das entlieben im kräftehaushalt von anfang an mit ein, wird es gehen, hast du genug ressourcen, geht das noch einmal? lohnt die liebe das erwachen, ist es das wert? hast du zeit dafür grade? es ist ein zu erwartender preis, den man für ein paar tolle wochen oder monate zahlen wird, ich möchte heute keine meiner lieben missen (gut: fast keine), ich erinnere die magie und nicht den kummer danach. die praxis verhilft einem zu einem zustand, der erst nach dem dritten oder vierten korb möglich wird: entspannte freiheit im und von dem mangel, er wird zum blinden fleck, mit dem ein gutes leben möglich ist. darauf kann man sich verlassen auch im entlieben, es gibt andere dinge, kinder, freunde, bücher, arbeit. musik.

und die so bezaubernde wie nagende erkenntnis, dass jede liebe bleibt, einen fußabdruck hinterlässt, den man auch nach jahren noch wiedererkennt. mein pathostroll dazu: dein zertrampeltes herz!

wäre neugierig darauf, wie es sich das selbstfahrende entlieben anfühlt, ohne ein nein als auslöser, in einer langjährigen beziehung, als normalen prozess ohne trennung. ich stelle es mir wie ein verebben auf normalnull vor. ändert sich so eine liebe nicht sowieso alle paar jahre (oder jahrzehnte, how should i know), und man muss seine neue form im alltag erkennen, würdigen und feiern, als bewussten erkenntnisprozeß? bei dem dann die gefühle magischerweise auch ohne rausch überleben, in anderer form.

also yeah, wie immer: still not saved. won’t happen.

9 Gedanken zu „entlieben, mäandernd“

  1. Ihr Text ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen.

    Das „selbstfahrende Entlieben“ ist so, wie Sie es sich denken: einahe unmerklich verebbt das Gefühl. Erst hin zu Normalnull, irgendwann sogar noch darunter, sofern das möglich ist.Am Schluß ist meist der gleiche Kraftaufwand nötig, Wie bei dem Entlieben, das Sie beschreiben. Gemeinsame Jahre schreiben sich tief ein.

    (Ich habe mir erlaubt Sie zu verlinken.)

    1. Eine Löschtaste, die jede Erinnerung tilgt, i.S.v. Vergissmeinnicht?
      Ich befürchte das brächte nur neuen, anderen Kummer und verschöbe das gesamte Selbstbild.

      Es bleibt vertrackt: die Liebe hat ihren Preis.

      (Wie schön, danke)

  2. ich weiß nicht. ohne es zu wollen, nistet sich die überzeugung ein, aus gründen unvermittelbar zu sein, dagegen nähme ich ein paar verschiebungen gerne in kauf.

    heute im zeitmagazin ein schönes interview entdeckt, in dem eine autorin den liebeskummer als rechtmässig und logisch beschreibt, auch und grade nach drei nächten, das hat einen gewissen charme.

    1. Unvermittelbar?
      Vielleicht auch einfach nur schwer zu erobern. Die interessantesten Menschen, die ich kenne sind das. Aus den verschiedensten Gründen. Vor allem aber, weil sie sich entweder zuviel oder zuwenig einlassen.

      Das Interview gefällt mir. Die Geschichte erinnert ein wenig an „Der süße Wahn“ von Highsmith. Dort ist es allerdings ein Mann, der nicht von einer Frau lassen kann.

      Ich mag das, wenn eine Frau ein Ziel verfolgt,dabei selbstbewusst auftritt und Ansprüche hat. Ich finde durchaus auch, dass sich aus drei Nächten eine gewisse Erwartung an jemanden ableiten lässt.
      Nicht unbedingt für Monate und Jahre, aber Intimität und Hingabe sind etwas so Großes, dass man erwarten kann etwas ähnliches zu empfangen und nicht wie das geklaute Fahrrad (im Interview) nach Gebrauch in das nächste Gebüsch geworfen zu werden.

      Lina Wertmüller hat vor Jahren ein Interview gegeben, Auf die Frage, wie sie reagiert, wenn ein Mann sie verlässt antwortete sie, sie würde sich das nicht bieten lassen, ihn überall hin verfolgen und ihm klar machen, dass das nicht geht.
      Das gefiel mir.

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