wir torkeln in den frühling

das konzert von julian lage am 19. april ist inzwischen endlich ausverkauft, habe nach wie vor ein ticket zu vergeben, im gretchen, irgendwo in neukölln ist das. wenn sich bis montag 8.4. keiner meldet, gebe ich es zurück, das geht bei dem anbieter.

edit: ticket ist weg.

hier nochmal der song vom wintergrass-festival vor 8 jahren, an dem ich damals klebengeblieben bin, beim herumsurfen im netz.

massiver anfall von frühjahrsmüdigkeit, abends so k.o., dass gar nichts mehr geht, liege mit geschlossenen augen herum und wünsche mir ein anderes leben, eins mit leichterem job, einem partner, der hilft, freundinnen, die mich bekochen, oder umgekehrt, stattdessen ist keiner da, für dates mit unbekannten muss ich mich umziehen und wach sein und dann irgendwo hin, obwohl es dauernd zwischenregnet. alles abgesagt, dabei hatte ich mir extra noch die haare nachgefärbt. einen tag später tuts mir ein bisschen leid, der mann sah aus wie knausgård und hat mich nach meiner absage gelöscht, vielleicht hab ich sie auch zu radikal formuliert? es ist beim dating jedenfalls besser, sich vorher im chat ein bisschen kennenzulernen, das gute aussehen des anderen allein holt mich nicht aus der kaputtheit am ende der woche.

unabhängig vom daten generell nur noch eine verabredung pro wochenende machen, statt 3, wobei das ja auch schön ist, leute sehen, ausflüge machen etc., es geht nur nicht, wenn man arbeitet. keine ahnung wie der rest der menschheit das regelt, vielleicht muss ich mich nach den 20 jahren alleinerziehen wirklich mal länger erholen, nicht nur ein paar jahre? ein jammer, dass die rente in diesem land erst so spät kommt. egal, jedenfalls: feierabendwärmflasche, wochenende!

(und dann platzt die wärmflasche und das wasser läuft über das macbook, bis jetzt traue ich mich nicht, es wieder anzumachen, erstmal gut durchtrocknen lassen.)

neue kategorie jammerpost, dafür sollte es so was anonymes geben wie damals trunken undb genau, erinnert ihr euch? inzwischen trinken wir nicht mehr, und wenn doch, ist es nicht mehr so lustig.

ich habe das vage gefühl, diese launen und abgesänge könnten eher mehr als weniger werden, schon jetzt gibt es beim treffen mit freund*innen immer erstmal ein paar minuten lagebericht mit open end nach unten, ins tal der tränen, der leisen seufzer, dabei, und das jetzt in kapitälchen, gehts uns noch gut, ausrufezeichen.

pasqua con chi vuoi

der eine chill-tag fehlt im osterprogramm, aber die ablenkung durch unternehmungen trägt eher zur erholung bei. ein tag mit einer freundin, mit der mein leben verwachsen ist seit fast 30 jahren, zusammen auf dem schönen st. matthäus-friedhof das grab ihres mannes gepflegt, unkraut entfernt, sie hat blümchen gepflanzt, am grab von den kindern erzählt, das hätte ihm gefallen, glaube ich. danach zu ihrer tochter, die grade das zweite kind bekommen hat und umgezogen ist, geplaudert, ihre großartige ratatouille gegessen.

Blick auf eine dunkle Horizontlinie vom Strand aus, Wasser grünlich, Himmel hellblau, eine Möwe fliegt

am karsamstag bin ich früh um halb acht nach warnemünde gefahren, in einem fast leeren zug, um einen tag meer zu haben, hatte 2 stunden in relativer ruhe am strand, dann kamen die massen dazu, weit verteilt, weil da soviel platz ist, aber es hat die illusion allein-am-strand doch schwieriger gemacht. war mich nicht sicher, ob mich das stört. viele schiffe gesehen, unter anderem ein paar scandlines-fähren mit einem riesigen schornstein.

Blick vom Strand auf eine Scandlines-Fähre mit dem großen Flettner-Rotor in Schornsteinform

jemand auf bluesky hat ein bild davon erkannt und als flettner-rotor identifiziert, und der g.-zwilling, der grad eine klausur zur strömungslehre geschrieben hat, konnte mir erklären, wie das funktioniert. die fähre ist eine art segelschiff, sehr faszinierend. auch ein riesiges sandfarbenes schiff mit merkwürdiger form war dabei, jemand meinte, damit würde der hafen ausgebaggert. viele fähren, viele passagierschiffchen, ein lustiges treiben überall, kam mir vor wie so eine rentnerin, die das hauptamtlich macht, und es schien nicht das schlechteste leben. aber es war mir dann viel zu voll, man kam am nachmittag kaum durch, dabei eine traumartige atmosphäre, in der luft war wohl eine menge sand aus der sahara, alles schien wie durch eine feine gaze, merkwürdig schattenlos. nächstes mal wieder unter der woche und an keinem feiertag. immerhin vormittags paar stunden im sand gelegen, in den himmel geguckt, ausgeruht. füße in der ostsee gehabt, eiskalt. ein paar sehr weiße menschen waren komplett im wasser, unfassbar. außer mir waren nur ein oder zwei andere frauen (oder männer) allein unterwegs, das ist mir aufgefallen, habe es nicht verstanden, ist das so außergewöhnlich, alleine einen ausflug ans meer zu machen? das anstrengendste war, wie immer bei tages- oder nachtausflügen, die heimfahrt vom hauptbahnhof mit der m10, voll mit schrillen und schrägen sieh-mich-an, hör-mir-zu-gestalten, das war mir dann einfach zuviel input nach so einem tag.

das erstemal seit jahren keinen osterstrauss, komplett vergessen, und keine kirche, da zu viel programm. mache ich nächstes jahr anders, da plane ich wieder selber. jungs sind alle woanders, vermisse sie natürlich, aber es geht ihnen gut, sie sind beschäftigt. g.-zwilling hat zwei monsterwochen mit klausuren überstanden, der große sitzt im masterstudiengang, d.-zwilling ist in danzig mit freunden und hat danach weitere klausuren. der alltag fehlt, die gespräche orientieren sich dann an ereignissen und fließen nicht mehr wie ein strom durch leben, alltag, alles.

heute zur mutter gefahren, wollte eigentlich nicht, bin aber hin aus dieser pflicht heraus, dem gefühlsersatz. es geht ihr nicht gut, sie wird irgendwie durchsichtig, schläft schlecht, hat hohe entzündungswerte, nimmt ab. in ihrem hohen alter geht sowas sofort an die substanz, ich werde spürbar genervt, als sie sich nicht in bewegung bringen lässt, nicht mir mir einmal um den block gehen will, reisse mich am riemen, aber sie merkt es doch natürlich und beschwert sich, zu recht.

(aufgew.)

geträumt von einem mann, den ich auf einer steilen bergaufstrecke gefunden habe, er sitzend in einer art rundem, flachem planschbecken aus schnee, auf rädern, langsam den berg hochfahrend, er war krank, hatte krebs gehabt, ich hab ihm den berg hochgeholfen, oben sind wir ins gespräch gekommen, er hat mir etwas sehr nahes gesagt, ich fand sein breites lächeln wunderbar. ins aufwachen hinein darüber nachgedacht, ob ich so ein risiko eingehen soll, mit einem mann, der eventuell bald sterben wird, gleichzeitig sicher, das da etwas sehr schönes ist zwischen uns. das merkwürdige gefährt hatte ich vielleicht von einem stück zusammengebundenem erdreich, auf dem frühlingsblumen wachsen, wie ein mini-hochbeet, das stand gestern vor einem blumenladen, aus dem eine freundin etwas mitnehmen wollte, es sah gleichzeitig leicht zerbröselbar („bloss nicht anfassen“ gedacht, als die freundin es hochheben wollte) und sehr naturnah und gewachsen aus.

kw 11

gehe heute ins be, yana ross inszeniert knausgård, sterben lieben kämpfen. habe bisher kein stück von ihr gesehen, es wird höchste zeit, sie macht internationales theater, davon gibt es sehr, sehr wenig, bleiben doch theaterregisseur*innen mitsamt ruf und ruhm meistens innerhalb ihres sprachraumes. ihren macbeth an der volksbühne 2008 hätte ich sehen können. wollte diese woche knausgård lesen, um wieder in diesen raum zu kommen, der sich damals beim lesen wie ein zuhause angefühlt hat, als eines von nur ganz wenigen büchern/autor*innen über die jahre, bolaño war es vor knausgård zuletzt, zur zeit könnte es auster werden, aber ich kann grad nur sehr schlecht lesen, meine aufmerksamkeit ist ein löchriger flickenteppich. habe meinen sterben-band wohl dem großen geliehen, der ihn zu meiner freude sehr gern gelesen hat. jetzt digital nachgekauft, es genossen, in den arbeitspausen sofort wieder im text drin zu sein. gehe erfreulicherweise mit frau gedankenträger, deren blog mich ja damals auf knausgård gebracht hat.

war bei der lesung von k. im haus der berliner festpiele, 2015, damals las er aus „träumen“, wenn ich das richtig erinnere, und hab danach sehr, sehr lange in der schlange zum signieren gestanden, der mann hat mir leid getan, ist aber sehr diszipliniert sitzen geblieben und hat ein erkennbares kürzel im buch hinterlassen, mit datum und stadt. darüber nachgedacht, warum eine signatur so einen unterschied macht, sie ändert nichts am text, aber irgendwie hat der/die autor*in mir das buch dann persönlich übergeben, nee, ist präsenter im text? auch nicht. die signatur öffnet auch keine türen, so steht die dicke signierte erstausgabe von the tunnel immer noch größtenteils ungelesen im regal, weil die hauptfigur so eine unangenehme person ist. als leserin bleibe ich auch bei signierten büchern eine von vielen, aber das buch ist eins von wenigen, die der/die autor*in persönlich authentizitiert hat.

habe im letzten jahr zu meinem erstaunen damit angefangen, mir fan-utensilien zu kaufen, ein kostüm, für die faschingsfeste im job (sonst gibt sowas nicht in meinem umfeld, habe aber gemerkt, ich habe spass daran), war dieses jahr ein science officer aus dem ds9-universum, trug einen overall mit reissverschluss hinten, sehr lästig, dazu einen schicken comunicator, aber auf die perrücken/kontaklinsen-kombi habe ich verzichtet, weil wir ja mit sehr kleinen kindern gefeiert haben. ein oder zwei eltern haben es erkannt, immerhin, immerhin. jetzt grade einen thermos-becher mit defiant-aufkleber, genau wie die in der serie verwendeten. ich verstehe meinen spass daran selber nicht genau, warum will ich da was manifestes im haus haben, zum anfassen, ist das eine steigerung der weltflucht, indem ich mir echte teile des fluchthafens ins haus hole? ein zusammenbringen der welten? etwas in die realität holen, mich auch im alltag daran erinnern/erfreuen. es ist ähnlich wie mit den signierten büchern.

zum cosplay bin ich aber noch nicht bereit, weiß auch nicht, ob ich zu einer convention fahren würde, nicht alleine, glaube ich, mit freund*innen sofort. wobei, „im letzten jahr“ stimmt nicht, ich habe mal ein von darren e. burrows (alias ed chigliak) verziertes solides taschenmesser gekauft, ich glaube, nicht über etsy. weil frau ja, wie gibbs es sagt, immer ein messer dabei haben sollte. ich werde für solche postings die kategorie peinliches hinzufügen, falls mir kein freundlicheres wort dafür einfällt. mit zunehmendem alter sollte immer mehr platz für solche albernheiten sein.

kw 10, tatsächlich

die zeit saust, schon wieder märz, unfassbar. ich spür noch nichts. die balkone in den letzten monaten nur ein paar mal zum gießen betreten, noch keine knospen am knöterich, ich hoffe, der hat auch diesen winter überlebt. keine zwiebeln vergraben, diesen winter war zuviel anderes los, ich war meistens ko, wenn ich zuhause war.

die zwillis sind im prüfungsstress zum semesterende, beide sind außerdem im umzugsstress, ich kann zu wenig tun für sie, merke erneut, wie wenig meine eltern mitbekommen haben von mir in dieser zeit, ich war weg, niemand hat irgendwas gefragt oder wissen gewollt, das hat sich allerdings auch später nicht mehr geändert, das ist auch heute noch so, meine jungs sind mir viel näher, die mäuse. der g.-zwilling hat crazy viele klausuren demnächst, weil er seine chile-zeit aufholen möchte, plus neuen job als hiwi im fraunhofer, während der d.-zwilling sich für ein deutschland-stipendium bewirbt. drücken sie bitte daumen. ich freu mich sehr über die beiden. einer ist grad hier und lernt in der bib, also endlich mal wieder eine lasagna gemacht, sehr genossen.

der große hat einen 1-er bachelor gemacht und sitzt jetzt am master, yeah, große freude, er macht grad praktikum in mainz, hätte ihn fast ins kleine nahe ingelheim geschickt, wo ich mit eltern, und später mit schwester ende der 60er, anfang der 70er ein paar jahre gewohnt habe, bevor wir nach mailand zogen. hab noch bilder von der grundschule dort im kopf, sie lag leicht unterhalb der strasse, und vom großen garten ums haus. wir wohnten in einer kleinen dachwohnung, mit treppen und dachschrägen, und meine mutter ist einmal die drei stufen runtergefallen, als sie mit meiner schwester schwanger war, ich hab das bild von den stufen, dem licht, dem stress auch noch irgendwo abrufbar, und den flur, und unser kinderzimmer. oder war das noch in berlin? meine mutter, die mit uns in unserem hellblauen käfer nach mainz ins krankenhaus gefahren ist, vermutlich, weil mein diabetes kam. von 3 bis 7 oder so habe ich da gelebt.

bei der ärztin gewesen wegen einer hautveränderung, kein krebs, sagt sie sofort, und schafft es, dabei nicht genervt zu klingen, sie ist eine sehr erfahrene solide ältere dame mit pechschwarzen haaren, immer noch täglich 8 stunden in ihrer praxis, große altbauwohnung, überall kunst und reisebilder, aber sie setzt sich kurz hin, wenn sie mit mir redet, solche ärzte sind mir die liebsten, einfach da, jeden tag. respekt. im umfeld sind die krebserkrankten schon an mehreren fingern einer hand abzuzählen, so ist das halt beim älterwerden. nichts ist sicher. dankbar.

in der lesegruppe haben wir diesmal ein buch von milena flašar, „oben erde, unten himmel“, worauf ich sehr gespannt bin. habe von ihr „sie nannten ihn krawatte“ gelesen, gekauft auf einer lesung, zu der mich der künstler eingeladen hat, der das titelbild des buches gemalt hat, das hängt nämlich in meiner wohnung, gekauft, als ich vor jahrhunderten mal in einem kunstverein ausgeholfen habe, wo dieser mensch ausgestellt wurde. es war für meine verhältnisse teuer, aber es war ein großes ja auf den ersten blick, das ist eher selten bei kunst. es ist auch ein großes bild, aber ich hatte platz. da hängt es jetzt über dem sofa, ich sehe es immer noch gern, es war also eine richtige entscheidung, aber es war auch eine investition, weil ich das geld nicht einfach über hatte. ich habs in einer galerie gekauft, ein anderes großes bild habe ich für sehr viel weniger zum freundschaftspreis vom künstler bekommen, also von einem anderen künstler. beim hinterhergoogeln jetzt bemerkt, dass der maler sich auf dieses und noch zwei andere motive spezialisiert hat, viele davon gemalt hat, sie für deutlich weniger verkauft, als ich damals bezahlt hab. nun ist geld in der kunst ja häufiger schall und rauch als in anderen regionen, aber es ärgert mich trotzdem.

ich date grade nicht und möchte eigentlich lieber auf direktem wege sonderbar werden, als mich beim dating weiterhin zu alt oder zu unattraktiv zu fühlen, oder einfach nicht gemeint. scheint, als ob die datingphase wiedereinmal vorbei ist. die meisten männer in der börse sind 58, sehen auf ihren bildern teilweise deutlich älter aus, und hätten gern noch kinder.

noch ist es kalt morgens und abends in der wohnung, friere beim aufstehen und habe abends eine wolldecke drüber, hoffe, das ändert sich bald. das einkleiden morgens, schicht um schicht, dann ist es auf arbeit zu warm, dann abends wieder auspellen, kleiderhaufen, und die eine blosse stelle am rücken, wenn sich die schichten verschieben. vielleicht doch nach italien? beim einschlafen mag ich den moment, wenn ich nach dem hinlegen und lichtaus die warme decke über die kalte schulter ziehe, und alles sofort diese lauschige, angenehme wärme hat. sofortige entspannung.

berlinale, another end *

*spoileralert

heute früh auf, weil ich um 9 uhr (an einem sonntag! grrr.) ins kino wollte, mit null lust, aber nuja, für gael garcia bernal stehe ich natürlich immer auf, habe aber gestern trotzdem noch versucht, dem grade zu besuch weilenden david-zwilling das ticket anzudrehen, weil sonntag ist sonntag. ihn heute extra dafür mit kaffee geweckt, dann nochmal geschaut, und siehe da! es gab wieder tickets, also sehr zufrieden, fast glücklich, mit dem sohn ins kino gefahren, diesmal nur eine minute zu spät gekommen. ein riesensaal, verti music hall, kannte ich nicht, sie haben glaub ich noch stühle vor die saalreihen gestellt, daher die zusätzlichen tickets.

der film hatte muckis, ein riesenthema, eine traurige liebesgeschichte, ein mann, der seine partnerin verloren hat, findet keinen weg, damit umzugehen, und wendet sich an eine firma, die das bewusstsein und die persönlichkeit von menschen für kurze zeit in einem anderen menschen unterbringen kann, einem host, damit ungesagtes gesagt werden kann, ein abschied möglich wird. schön fand ich den weg, wie im film ein erklärbär der firma den kunden erklärt, wie sie es schaffen können, die teilweise anwesenheit des toten in eine vollständige gegenwart zu verwandeln, für die wenige zeit, die sie noch miteinander haben, wie sie bei der begegnung mit den hosts eine notwendige willing suspension of disbelief (das steht irgendwie immer und überall in kursiv) durchlaufen müssen, damit das bewusstsein der trauernden darüber hinweggehen kann, dass der körper der geliebten person ein anderer ist. in einem streit sei das leichter, so der erklärer, weil da sofort verbindende emotionen ins spiel kämen. dem mann gelingt das auch, und im streit erkennt man sehr schön, wie gut sich die beiden kennen, es entsteht eine merkwürdig vibrierende nähe, weil man etwas über die vergangene beziehung der beiden erlebt, nicht nur erfährt. schreiben vs schreiben über, das alte ding. gleichzeitig bleibt das gefühl der fremdheit des mannes gegenüber dem host spürbar, schauspielerisch sicher eine schöne aufgabe. das war ein filmisch sehr dichter moment.

ich stelle mir erinnerungen immer als einen synchronen moment in der diachronen wahrnehmung vor, wo *etwas in der gegenwart uns an personen, situationen, an andere ereignisse erinnert und beides sekundenlang miteinander verbunden wird, eine glitzernde synapsenkette lang (sry), eine intensive und physiologisch spürbare gegenwart im bewusstsein des erinnernden haben, aber dadurch werde ich auch getrennt von meiner umgebung, das ist womöglich bei gemeinsamen erinnerungen in einer liebe anders, weil das gefühl da sofort gespiegelt wird vom anderen, ein zusätzlicher anker, als bei erinnerungen an eine liebe, eine erinnerte liebe ist auch eine liebe, aber liebe braucht gegenwart, es erscheint mir unvorstellbar, den tod aus einer erinnerung zu löschen, er färbt doch alles, was noch da ist, es wäre ein sehr gruseliges gefühl übrig. (hmm, ich weiß leider nicht mehr, wohin ich mit dem gedanken wollte, fällt mir vielleicht morgen wieder ein.)

der film ist spannend und funktioniert, ich war drin, hatte am ende tränen in den augen, ich mochte auch die fast beiläufig gezeigte erkenntnis, dass leute sich nicht ändern können, selbst wenn es nur noch diese eine chance gibt, das zu tun, auch weil der tod sofort nicht mehr vorstellbar ist, wenn er aufgehoben wird. und dann nahm der film in den letzten minuten noch eine wendung, die diese erkenntnis als nicht relevant für den film markiert hat, darauf hat mich david-zwilling aufmerksam gemacht, durch das ende bekommt der film noch eine andere richtung, der handlungsbogen schließt sich ganz anders als erwartet, es bleiben offene stellen, nicht nur die nicht abgeschlossene trauerarbeit, die ist wie im richtigen leben, wo sie ja auch niemals endet, sich nur verändert.

der film wirke „verkopft“, so der sohn, und ich habe jetzt auch mühe, die letzten minuten des films zu rekapitulieren, wer war jetzt host, wer kunde, wessen verlust wird da bearbeitet, die schöne authentizität der figuren gerät durch diesen pirandello-moment durcheinander. da wär ich gern beim gespräch dabei gewesen, falls es eins gegeben hat. [edit: es gibt die pressekonferenz] david hätte sich außerdem gewünscht, dass die beziehung zwischen den beiden hauptfiguren vertieft wird, glaubwürdiger wird, dass es in den gesprächen nicht nur ums thema geht, es ist irgendwie ein sehr lang anhaltender dramatischer höhepunkt, dieser umgang mit spannung ist aber glaube ich modern in der gegenwärtigen dramaturgie, ich mag das ja auch nicht so. wir beide hatten auf dem heimweg das gefühl, der film hätte bisschen kürzer sein können, david hatte auch eine perfekte letzte szene im kopf: der moment, als der mann, mit tränen in den augen, im bordell von der prostituierten weggeschoben wird, sobald er nähe sucht.

der film wird was gewinnen, so mein vollkommen unprofessionelles gefühl.

11. februar 2024

gestern abend um 23 uhr rief der gregor-zwilling an und bat um eine pin zum filmegucken, er war beim david-zwilling in halle zu besuch und die beiden haben auf prime die eine folge einer serie entdeckt, die vor 15, 16 (18, es sind 18 jahre, schluck.) jahren einem zwilling angst gemacht hat. wir haben das dann gestern per watchparty spontan zusammen geguckt, das war ein sehr schöner familienmoment.

heute nach der wahl, bei der kaum jemand da war, noch mit einer freundin im bodemuseum getroffen, um screen von polyviou anzuschauen, auf lucy raven in der neuen nationalgalerie hatten wir auch lust, aber es ist weiter weg und bei nieselregen etc.pp. wege zur kunst. die freundin ist kunsthistorikerin und wusste überall etwas zu sagen, es ist schön, so mit offenen augen durchs bodemuseum zu laufen und dabei zu plaudern, dafür ist so ein verregneter sonntag grade richtig. die video-arbeit von polyviou war virtuell gut eingebunden in die räumlichkeiten, es gab auf einer vielleicht 2x2m großen leinwand bilder, filme, animationen mit textzeilen darunter, kirche, kunst, geschichte und weg in den untergang, passt vor allem zu den vielen christlichen skulpturen, reliefs, großartigen holzarbeiten der sammlung. die picassos haben wir nicht gesehen, davon habe ich erst nachher gelesen, müssen wir halt nochmal hin. american cheesecake und kakao im cafe mit dem weiten blick in die große kuppelhalle, davor noch paar bücher gekauft (ich weiß! ich weiß es ja.), die dann in die regenhose gewickelt und so trocken im fahrradkorb nach hause bekommen.

heute wieder drastische klimanews, vielleicht kann ich meine neuen viel zu dicken norwegerpullis ja doch noch mal tragen.

mit dem ausmisten begonnen, dinge umgeräumt, unter anderem steht jetzt so ein legoobjekt in einem bücherregal, habe es vor wochen gebaut und noch nicht wieder auseinandergenommen, weil ich immer noch spass am anblick habe. überlegt, ob ich das so einem date zeigen würde, andererseits gehen die letzten dates irgendwie automatisch davon aus, dass die party in ihren wohnungen stattfindet. wir haben uns mit ende 50/anfang 60 halt alle eingerichtet in unseren leben, ich kann mir gar nicht vorstellen, bei einem anderen einzuziehen zb, wenn es dann mal zu einer intensiveren beziehung kommen würde. home = castle.

kw 3

die hochhaustürme im ernst-thälmann-park und die plattenbauten in den randlagen des bezirks haben eine beruhigende wirkung auf mich, ich war da seit emmas tod nur noch ein oder zweimal, statt täglich, und es fehlt mir etwas, als ausrichtung meines stadtgefühls, aber warum? weil ein unterschied erkennbar wird zu den durchsanierten vierteln, in denen ich ja sehr gern lebe, ohne ganz dazuzugehören, wie ich mir einbilde, weil die soziale differenz nicht wegsaniert worden ist. mir fehlt das alte berlin mit all seinen gegensätzen immer noch, oder nein: als die gegensätze nicht hauptsächlich finanziell waren, sondern sich ganz selbstverständlich zeigten als unterschiedliche stile, schulen, kunstformen, geschmäcker, altersklassen, was auch immer. ich hoffe, es liegt nur an meinem alter, dass ich die ganzen nuancen nicht mehr wahrnehme.

ist aber auch die lebensphase, wo das gespräch oft aus heiterem himmel aufs thema alterssicherung kommt, was planst du, wird es gehen? in meiner generation erzählen dann grad die freiberufler nicht von reiseplänen, dochnoch gitarre, endlich französisch oder ähnlichem, sondern sagen nichts mehr nach ein paar zynischen worten.

jedenfalls. mal wieder vorgenommen, häufiger zu kochen, was ich kaum noch tue, seit die jungs ausgezogen sind. ich nehme gefühlt zu, wann immer ich abends was esse, aber das kann ich ja ignorieren, oder ich könnte mein asia-gemüse-repertoire mal reanimieren. schon vorgenommen, mit den nachbarn zu essen, dann lohnt sich auch mal wieder ne lasagna. lasagna-kilos sind goldene kilos. grade selber mit einem husten beschäftigt, also die erste hühnersuppe des jahres, mal nach einem empfohlenen rezept von herrn droste selig, mit ingwer, curry und honig. mal schauen, vor parmesan mache ich aber halt.

habe auf ebay einen alten edlen norwegerpulli erstanden, wohl aus den neunzigern, für wenig geld, und er fühlt sich an wie eine ganze behausung, warm und leicht. er riecht nicht, hauptgrund gegen den erwerb gebrauchter kleidung, ein zweiter, für noch weniger gekaufter, roch bisschen, also nur einen tick, nach alten leuten, den hab ich gründlich gewaschen, jetzt ist er wie neu. tragen das auch die menschen in norwegen und island? oder sind die da total untragbar, wie etwa ein fransenhemd oder ein, … – mir fallen keine untragbaren klamotten ein, halt, eher: werden sie dort nur in einem definierten kontext getragen, wie eine lederhose oder ein dirndl? der große hat auch so einen zum geburtstag bekommen, allerdings neu, und trägt ihn sehr gern.

inzwischen kann die kälte gerne länger dauern, ich mag es auch, wenn ich so verschwinden kann in winterkleidung, meine italienische jugend ist einfach sehr lange her. berlin ist ja leider immer einen tick zu warm und zu belebt für richtig guten schnee, er taut, gefriert wieder, man rutscht, es wird alles ein schmutzig graues elend.

falls ihr gesund seid, geht bitte auch dieses we auf eine demo gegen rechts, schon zur selbsttherapie, soviele menschen sind da unterwegs, alle altersklassen, von schüler*in bis rentner*in, ich hab da so ein wir-gefühl bekommen, wie sehr lange nicht mehr, wir haben etwas zu sagen, und es spielt eine rolle, was wir zu sagen haben. inzwischen habe ich sogar den eindruck, dass die demos etwas bewirken, anders als noch letzte woche, einfach weil es so viele sind, überall, andauernd. sie sind hilfreich bei der selbstvergewisserung als mehrheit. ich weiß nicht, ob sie jemanden vom wählen der afd abhalten, vermutlich nicht, aber es gilt weiterhin: keinen fußbreit den faschisten und nazis.

kw 2

kälte ist selten geworden, dabei kommt sie ja jedes jahr für ein paar tage. erinnert ihr euch an die jahre mit minus 18° bis in den märz? das grün-blau schimmernde eis auf den bürgersteigen bei den hunderunden, vorbei vorbei. die kälte beisst noch in die beine beim radfahren, man vergisst sie nicht, auch wenn man im warmen sitzt, sie bleibt in der wahrnehmung wie etwas solides, das mag ich, innen und außen sauber getrennt. auf der strasse war es nicht glatt, überall sonst schon, komme mir auf dem rad aber eher dämlich als cool vor. ich mag dieses jahr auch das bewusste einkleiden, schicht um schicht in die wärme, baumwolle-seide-wolle, fast schade, dass es schon wieder über null grad sind.

genervt von der stadt berlin, die mit der inflationszulage (pdf) nicht herausrückt, dabei hatte ich die praktisch schon ausgegeben, und nicht, weil ich auf großem fuße lebe, sondern weil die gasnachzahlung ein riesenloch gerissen hat. silly me. januar bis märz wird es werden, also wohl april, wenn wir glück haben. fühle mich und meine arbeit nicht gewertschätzt, dabei geht es mir ja noch gut im öffentlichen dienst, obwohl ich für größere rücklagen nicht genug verdiene. weiß nicht, wie die mitarbeiter der privaten und kirchlichen träger durch die angespannte lage navigieren können, also ohne unterstützung durch partner*in oder familie. wir können ja wohngeld beantragen, wenn es eng wird, sagte im november der verhandlungsführer der tdl. pff.

edit: es wird in berlin doch schon im februar überwiesen, alles gut.

morgen auf eine demo gegen die afd gehen, obwohl ich nicht weiß, ob das wirklich hilft. inzwischen bin ich ja eher im alter für die omas gegen rechts, egal, sucht euch was aus, die aufrufe werden bis morgen vielleicht noch mehr. bei der einschätzung dieses treffens in potsdam bin ich eher beim kommentar aus der taz, zuviel aufmerksamkeit für diese paar traurigen gestalten, aber jetzt rollt die welle, man kann sie nicht mehr aufhalten, nur noch reiten. auf der demo wird es bestimmt sprüche für ein verbot geben, afd, nee nee nee, aber der weg dahin ist lang, das ergebnis unsicher, wie ein verfassungsrechtler im zdf erläutert, das ist frustrierend. also die rechtsradikalen positionen dieser partei als faschistisch oder präfaschistisch kennzeichnen, die grenzüberschreitung sichtbar machen, als demokratiefendlich deklarieren? damit jeder weiß, wen er da wählt.

hmm. schwierige lage. ich hoffe, da sind profis dran, harhar. zur erinnerung der sehr lesbare text von eco (auf englisch) über seine kindheit im faschistischen italien, mit den berühmten 14 punkten, an denen sich faschismus zeigt.

der soundtrack dazu. gleich festgehört, wollte nur mal wieder winterreise, weil mitten im tiefen winter usw., und für die bekannten versionen (die von matthias goerne mag ich zb) ist die zeit dann doch zu offen, unklar, brüchig, you name it, und maurenbrecher hat wirklich was neues draus gemacht. omg, ist das auch schon wieder 10 jahre her? das ist bitter.

hups, wieder soviele links, bitte um entschuldigung. ich hoffe, meine ausflüge ins politische geschehen bleiben so fremdverankert sozusagen, ich möchte nicht, dass die politik einen größeren teil in meinem alltag hat, demokratie lässt einen ja in ruhe, nur die despoten wollen einen teil an allem haben, überall mitmischen, den ganzen menschen. ich bleibe lieber allein damit beschäftigt, mein schiefes geheimes selbstbild gradezurücken (dieser satz ist ohne rechten zusammenhand, er stand als erster im posting, den hab ich mir irgendwann mal notiert und wollte ihn einbinden).

kw fast rum

ich kann gar nicht entscheiden, ob ich dieses jahr zu weihnachten stress haben werde oder nicht, aber sagen wir mal, es würde mich überraschen, ich mach das ja nun schon eine weile alleine. zuviele geschenke, immerhin diesmal auch eine kleinigkeit für mich, mit einer grandezza gekauft, die ich schauspielern musste, sehr stranges und gutes gefühl, dabei immer die hausfrauenstimme, die bist du irre? du bist irre sagte. das war sehr lustig. noch kein baum im haus, heut keine zeit, da mit freundin nachmittags in die philarmonie. ganz gut gefüllt, es gab chormusik, am schönsten das letzte, ein federleichtes, fein und einen tick zu glatt durchharmoniertes te deum von charpentier, es hat uns mit einem alles-wird-gut-gefühl in den frühen abend entlassen. am liebsten mochten wir die paukistin, sie wirkte sehr gut gelaunt. dies jahr kein wo gehört, dafür die matthäuspassion, immerhin, immerhin. mir vorgenommen, endlich mit brahms anzufangen, weil ihn jemand auf bluesky jeden morgen spielt. herreweghe ist eine gute brücke, da ist der weg nicht allzu weit.

kann mich nicht erinnern, jemals nach einem besuch in der philarmonie nicht viel mehr klassik hören gewollt zu haben, genau, die gute absicht verläuft sich schon im satzbau.

neulich auf einem 60. gewesen, mehr frauen als männer zu gast, zwei in der runde hatten in der letzten woche jemanden beerdigt, und ich bin nur nicht hingegangen, auf die beerdigung, sonst wären wir zu dritt gewesen. wir reden über erd-vs feuerbestattungen, was uns lieber wäre, und wie man ev eine urne entführen kann, wenn man sie lieber im eigenen garten hätte. wir reden über unsere großen kinder, die jobs, unser alter, wir sehen alle jünger aus, noch ein weile, noch dieses jahr, vielleicht das nächste.

multitudes*

diese woche 2 streiktage gehabt, einen halben mit sehr vielen leuten auf einer demo der gewerkschaften verbracht, lange mit kolleg*innen durch die kälte gelaufen. jetzt gab es wohl gestern doch noch das erste angebot von arbeitgeberseite, heute ist letzter verhandlungstg, ich rechne mit nur symbolischen gaben, aber es ist schon besser als vor einer wand zu stehen und dort herumzudemonstrieren. bei mir überraschend ein schönes gefühl in der menge, eine gute masse, keine indifferente, die gemeinsamkeiten größer als die unterschiede. wie früher bei den demos der 80er, als vielleicht die projektionen noch einen größeren anteil in der selbstwahrnehmung hatten. mir haben diese tage geholfen beim ankommen im beruf, ich kann inzwischen mit gewissem selbstverständnis sagen, was ich mache im leben und fühle mich ggü all meinen freund*innen mit karrieren und jobs in chefetagen, unis und kliniken nicht mehr so anders.

edit: es gibt eine tarifeinigung, ich hoffe, die gilt diesmal auch für den tv-l in berlin.

in den letzten beiden wochen am freitag nach feierabend vor eine synagoge gefahren, um dort als eine art mahnwache zu stehen für die menschen, die am freitag nach sonnenuntergang den sabbat beginnen wollen. wenigstens irgendetwas tun können. im oktober hatte es dort einen brandanschlag gegeben, vor dem eingang ist ein großes areal abgesperrt, fast eine hausbreite. die gemeinde stellt für uns kekse und tee bereit, rabbi dovid roberts kommt nach dem gottesdienst zu den menschen und bedankt sich, meine freundin und ich haben einen kloss im hals. unfassbar alles, und ich zögere, als nichtjüdin shabbat shalom zu wünschen, weil ich das noch nie gemacht habe, trotz lebensalter und agnostizismus. es wurde zeit. die hoffnung, dass der anschlag ein einmaliger akt irgendwelcher idioten gewesen sein möge, aber man weiß es nicht, man weiß es nicht. eher nicht. kommt doch am sonntag zur demo gegen antisemitismus.

wie das online-daten die wesentlichen elemente der debütantenbälle des 19. jh wiederaufnimmt, der große marktplatz, jeder sein eigener ball, die sichtbaren und unsichtbaren fäden, an denen wir alle hängen. am hilfreichsten die äußerung einer therapeutin zu einer freundin: darauf achten, ob der mensch einem gut tut, und ob es ihm wichtig ist, wie es mir geht mit ihm. ob er fragen stellt und zuhört. und dann ist es doch nur wieder olle magie.

adventszeit ist dieses jahr unruhiger als sonst, es ist zuviel bewegung überall, zum jahresende vermisse ich die bücher, die ich nicht gelesen habe, es sind zuviele. wieder mehr ins theater gegangen, dabei die schaubühne komplett ignoriert, weil sie mir zu weit weg ist. bequemer geworden, müder gewesen. einmal oper. paar gute konzerte. keinmal getanzt, nur paarmal ein bisschen gewippt, das ist verrückt, ich werde das noch nachholen müssen. zuwenig sex, aber es war schön. okayes jahr für mich, aber die welt macht mir zum ersten mal seit teenagerjahren (atomkrieg) richtig angst, mit dem klimawandel an platz eins und dem ganzen rest danach. ignorance wäre bliss.

*auch dieses jahr wieder ein ein lieblingssong.

november, november.

merke die weltlage an einer nervosität, die alles unterlegt, die konflikte sind immer nur einen gedanken weit weg. die zeitschrift micromega, die ich schätze, stellt sich klar auf die seite der palästinenser und differenziert nicht zwischen hamas und zivilisten, ich merke beim lesen, wie sehr ich da bei habeck bin. unfassbar, dass eine zeitschrift die nachrichtenlage nicht hinterfragt und sich nicht um faktencheck bemüht, anderslautende berichte (israel habe eine bombe aufs krankenhaus geworfen vs eine beim start explodierte rakete von der hamas) schlicht ignoriert und vom „genozid“ an den palästinensern schreibt, der 7. oktober wird nur nebenbei erwähnt. selbst wenn es schwerfällt, sich für eine version der geschichte zu entscheiden, gehören beide genannt. zur weltlage habe ich das interview mit dem autor etgar keret gern gelesen. der antisemitismus, der sich auch in berlin zeigt, ist jedenfalls unerträglich.

bei der kaltmamsell den hinweis auf einen blogpost bei rungholt gefunden, den ich euch ans herz lege.

händel-schlager für den grauen november. grad fällt mir ein, wie ich diese arie mal den söhnen vorgespielt habe, „das ist eine oper“, und die kids: „ja, opa singt.“

es sterben weiterhin menschen aus meinem umfeld, mit ende fünfzig/anfang sechzig scheint es da eine art erster runde zu geben, krebs oder herz-kreislauf, mit mitte sechzig ist der fluss dann hoffentlich schon fast überquert. die statistik klärt die wahrnehmung, es geht eben jetzt los, ab mitte 50 sterben mehr als doppelt soviele menschen wie bis 50, ab dann geht es in ähnlichen schritten weiter. ich rechne nicht damit, besonders alt zu werden, würde es aber gern, deshalb kümmer ich mich so gut wie möglich um meinen diabetes, der nach wie vor schwer einstellbar ist. mein eigenes leben findet seit jahren, sehr zu ungunsten meiner karriereplanung, deutlich mehr im augenblick statt, ich freue mich dauernd über irgendwas, einerseits aus bewusster entscheidung ob der unsicherheit des lebens allgemein, andererseits weil ich ein eher geruhsamer mensch bin. ich weiß, dass ich mich kümmern muss und tue das, und kann leute nicht richtig verstehen, die ihre gesundheit als gegeben ansehen, statt als geschenk, dass es zu hüten gilt, sry für satzbau.

im letzten jahr hatte ich in einer mischung aus nostalgie und sentiment meinen söhnen adventskalender zugeschickt, richtig originelle (für den angehenden bio-lehrer einen insektenbausatz), mit dem hinweis, damit erst am 1. dezember zu beginnen, woraufhin der kalender auf einem schrank landete und dort erst ostern wieder zum vorschein kam. ich hab die lektion gelernt und dieses jahr nur für mich einen gekauft, einen trekkie-kalender, mein hausgast ist zum glück auch pro weihnachten. oh, der ist schon vergriffen, hätt ich mal früher gepostet! aber der mit einer mini burg blaustein ist noch verfügbar.

jetzt, wo mein eigenes leben nicht mehr prekär ist, wird die welt zunehmend prekär, oder scheint das nur so, weil ich kapazitäten freihabe dafür?

julian lage, institut français

vorgestern mit den öffentlichen zum konzert des jahres gefahren, riesiger fehler, habe 90 minuten bis zum q-damm gebraucht, statt der geplanten 40 minuten, also nur noch einen platz in der drittletzten reihe bekommen, mit glück, der saal war voll. musste den letzten kilometer mit dem taxi fahren, sonst wäre ich zu spät gekommen, erst um kurz vor acht die vier stockwerke hochgestiegen bis zum boris vian saal. drinnen über das publikum gefreut, es war mehrheitlich viel jünger als ich, hab bisschen bedauert, mich nicht mehr um begleitung bemüht zu haben, weil bei mir die begeisterung eigentlich ein gegenüber braucht. die stühle dort haben lehnen, die sehr weit hinten sind, es fühlt sich an wie 45°, also aufrecht geblieben, weil ich näher dran sein wollte. das ging vielen so, am ende habe ich mich vorne an die wand gestellt, weil es mich nicht mehr gehalten hat auf dem sitz

erst nach ein oder 2 minuten konzert habe ich den ärger loslassen können, es hat einen ordentlichen punkt auf meiner anti-berlin-liste gegeben. aber es ist julian lage da vorne auf der bühne, und wenn er spielt, wird meine gesamte aufmerksamkeit gebündelt, wie eisenspäne von einem magneten, ich erinnere das von den anderen konzerten, und kann zusehen, während es passiert, die mühelosigkeit dabei fühlt sich magisch an.

julian lage und jorge roeder auf der bühne des institut français in berlin

zusammen mit dem bassisten jorge roeder, die beiden habe ich 2018 schon in empoli gesehen. ich erkenne die stücke nicht, habe jetzt beim suchen gemerkt, dass die gefunden aufnahmen lange nicht so wild, schnell und frei sind wie gestern beim konzert, die waren fast schwindelerregend perfekt. und wie er dann auf unerwartbare harmonische lösungen kommt, aus zb einem rasend schnellen lauf über das gesamte griffbrett, um dann in großer schönheit ein paar sekunden lang runterzukommen in etwas unerhört schönes. und das mehrere male in jedem einzelnen stück. das publikum ist total mitgegangen, gab viel ah und oh beim zuhören, so unwillkührliche ausrufe, ist mir auch paarmal passiert, obwohl ich das eigentlich mega blasiert finde, aber hey. es wurde gelacht und geyeaht und es gab szenenapplaus, akkordapplaus, lage hat sich nach der ersten halbzeit beim publikum bedankt, es hätte tiefgang (depth meine ich gehört zu haben), es sei außergewöhnlich fun, hier zu spielen, aber das sagt er vielleicht immer? ich fand sein spielen atemberaubend. nach der ersten hälfte hat er sich kurz die hand gehalten, gleich sorge, dass ein normaler organismus so ein spiel gar nicht aushalten kann, aber er ist ja noch jung. er hatte beim konzert eine akustische gitarre, ich glaube, die collings.

es gab zwei zugaben, von denen die erste sensationell gut war, die beiden haben sich über den abend gefreut, so mein eindruck, ich würde so gern mal eine einschätzung der künstler hören, wie bei den fußballern nach dem spiel, „ja, bei „northern shuffle“ haben wir uns bis zum thema richtig schön zeit gelassen“ oder so (wusstet ihr, dass es eine seite extra für setlists gibt?)

auf dem wiederum anderthalbstündigen heimweg bedauert, keine kopfhörer mitgenommen zu haben, um noch ein bisschen länger im musikalischen raum bleiben zu können. das war nach dem geburtstag neulich schön, im stillen, dunklen taxi nach hause gefahren mit mek, fürs nächste konzert überlege ich mir das.

8. oktober 2023

die absurden gegensätze dieses tages. der krieg in israel macht druck auf der brust, versuche bisschen darüber zu lesen vorm aufstehen, aber die fassungslosigkeit wird nicht kleiner, die angst und sorge. ich schaffe es ehrlich gesagt noch während dem frühstück gut, das dann komplett zu verdrängen, und gehe voller vorfreude auf einen lang geplanten museumsbesuch mit dem g.-zwilling, der d.-zwilling konnte leider nicht, wir waren jedenfalls endlich noch einmal im pergamon, bevor es auf jahre schließen wird. ich nutze für die berliner museen jahreskarten und brauch keine zeitfenstertickets, musste aber trotzdem 25 minuten anstehen, um die neue karte zu kaufen. früher gabs die im abo, das ich immer vergessen habe zu bezahlen, jetzt holt man sich halt jedes jahr ’ne neue, das ist einfacher. habe dem sohn gleich eine ermäßigte spendiert, der war aber beim kauf noch nicht da, also ich mit foto von seinem studiausweis, ließ die bemerkung fallen „man muss sie ja zwingen zur kunst“, und die trotz riesenschlange und hunderten von leuten entspannte mitarbeiterin entgegnete mir energisch: „nein, das stimmt nicht, das funktioniert nicht“, und erklärte mir, warum das bei ihr nicht funktioniert habe, ich sagte meinen zweiten eher blöden satz „sie sind ja jetzt im museum“, sie „ja, an der kasse“. wir gingen mit einem lächeln auseinander, ich hab sie sehr bewundert. das museum sehr voll natürlich, aber die kunst ist so groß und wirkmächtig, das stört gar nicht. mit g. rede ich darüber, dass die kunst eigentlich nicht hierher gehört, er erzählt von den forschern, die zu dritt oder viert eine unmenge an stücken untersuchen sollen, wollen, müssen, und bis das geschehen ist, können die sachen nicht zurückgefordert werden, weil sie noch erforscht werden. es wird also noch jahre oder jahrzehnte dauern, und es klingt sehr nach einem arbeitsmodell, bei dem das eigeninteresse des museums im vordergrund steht.

dummerweise im museumsshop vorbeigekommen, der ist da schrecklich, riesengroß, voller kram, der nice to have ist, „es ist schrecklich hier“, sagte ich an der kasse, „ja, das sagen viele“ antwortete die kassiererin, bevor ich noch einen kleinen sticker mit nofretete (wozu? um himmels willen, ich werde den nie tragen) in die schale lege. es war ein teurer, aber sehr schöner tag im museum.

nachher bin ich mit dem g. noch in den neubau gegenüber dem bode-museum ins café gegangen, wir haben uns das pergamon- panorama angesehen und haben einen kaffee getrunken, mit bester aussicht auf die museen, ein toller ort, nur die focaccia war alle. danach ist er weiter und ich bin noch kurz rüber in die alte nationalgalerie, um mir die secessionen-ausstellung anzusehen, das kleine triumphgefühl, wenn man an der sehr sehr langen schlange einfach vorbeilaufen kann, wegen jahreskarte, das hab ich dann einfach genossen. maske vergessen, leider, aber wenig gehuste, die saison beginnt erst noch.

bis heut früh noch dieses körpergefühl „hund“ in den sinnen gehabt, wo liegt sie, was braucht sie, bewusst gedacht: sie ist wieder weg. gefühl zwischen vermissen und erleichterung.