das harte leben von anderen

versuche, weniger auf twitter zu sein. grad wieder hat irgendwer eine sammelaktion iniziert, für eine mutter, die die beerdigung ihres sohnes nicht bezahlen kann – das will ich nicht wissen. kenne keinen der beteiligten, reagiere aber sofort mit haufenweise gefühlen. grad hat jemand auf facebok darüber geschrieben, wie er die vielen todefälle im bekanntenkreis nicht mehr mitgeteilt bekommen möchte, es sterben ja andauernd menschen überall, wenn es ein junger mensch ist, ist die tragik natürlich riesig, aber hey, ich brauche das nicht, ich bin dankbar genug, solange mir nix so schlimmes widerfährt. oder folter von menschen, von kindern, diese ganzen schockererlebnisse brauche ich nicht, es gibt soviel davon zu lesen, dass ich mich schon frage, welcher zweck dahinter steht, meistens unterschriften, klicks, geld, demobeteiligung oder wahlstimmen. das elend anderer wird benutzt, zu ihrem wohl, okay, aber nicht nur, auch zu unserem. und ich brauche nicht alle details, um mir die lage vorstellen zu können.

schlimm war zb dieser von nazis gefolterte junge mann, dessen tod in allen einzelheiten beschrieben wird – wozu? was ändert das? ich lese aus gutem grund keine bild! ausrufezeichen. als wären die leute nur über möglichst schreckliche geschichten zur vernunft zu bringen, dabei braucht es nur normale menschlichkeit und mitgefühl, wenn man nicht vollkommen abgestumpft ist. natürlich ist das alles realität. schlimm genug. meine eigene phantasie meidet gewalt, ich sehe keinen grund, das zu ändern.

überhaupt lese ich am liebsten nyt, wo solcherlei ereignisse wie früher auf den hinteren seiten abgehandelt werden, analytisch, nicht mit dieser detailversessenen blutrunst, mit dieser unheiligen lust am elend, wenn es beweisbar ist, dann darf ich es so erzählen, es ist ja so passiert, das musst du aushalten, doch doch, sonst bist du irgendwas mit eskapistisch, nein, ich mache das nicht gerne, ich bade nicht gern in andrer leute schmerzen, ich muss das tun, es ist mein job, und die kleine gewaltgeilheit, die du beim lesen zu spüren meinst, die geht auf dein konto, du verwöhnte mitteleuropäerin. dabei passt viel mehr in eine solche geschichte, wenn sie anders erzählt wird, mit ein bisschen distanz und auswahl, mit irgendeiner metaebene, wenn sie erträglich gemacht wird, zum verstehen beiträgt, statt sich mit dem entsetzen zufrieden zu geben. alles eine zumutung. ja, auch die flüchtlingshorrorgeschichten muss ich nicht dauernd in allen einzelheiten vor der nase haben! ich spende schon, danke. ich tu, was ich kann.

oder, wie immer, sehnlichst erwünscht: ein gewaltfilter.

2 Gedanken zu „das harte leben von anderen“

  1. Neben dem Aktionismus mit den vielen Ausrufezeichen und der 24/7 geöffneten Ablassbüchse fürs schlechte Gewissen der Privilegierten: Hass, Häme und Hysterie bei Gebildeten und Kultivierten, die eigentlich anders agieren könnten. (Ich schließe mich nicht aus.)

    1. hass und häme so als überreaktion? das wäre wirklich traurig. wenn ich diese wirklich fiesen kommentare lese, denke ich immer: ach, nazis oder sonstwelche plumpen gestalten, brauchste nicht weiterlesen, und lese dann auch nicht weiter. aber wenn texte hauptsächlich auf gefühle abzielen, ist das wahrscheinlich eine erwartbare folge.

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