urlaubsreif

erinnere mich nicht daran, jemals so kaputt gewesen zu sein bei ferienantritt, zum ersten mal auch körperlich angeschlagen, schmerzende gelenke, schmerzendes herz, vergesslich, unkonzentrierbar, wortfindungsstörungen, hundemüde. richtig erledigt. zuletzt lauter 12h-tage mit den gefühlt 100 kisten beim umzug der mutter, die sich schlecht trennen kann, obwohl im neuen zuhause gar kein platz ist. bin nach drei tagen immer noch k.o. mich gleichzeitig darin wiedererkannt, ich könnte mich auch schlecht trennen von büchern und bildern, sie gehören ja zu einem, sind hafen und geist, das alter ego, das im alltag keinen interessiert, und es ist wirklich traurig, sich zum lebensende davon verabschieden zu müssen, nur weil das altersheim zu wenig platz hat. mir in den letzten wochen bei jedem nachhausekommen reduktion vorgenommen, aber womit anfangen?

bücher wären natürlich möglich, aber das kleine neu eingetroffene biedermeierbänkchen von tante ahne ist das objekt, das ich bis jetzt am wenigsten brauchen kann, es ist zu unbequem, um damit zb das gemütliche ikeasofa im gästezimmer zu ersetzen, es passt nirgendwo hin, usw. usw. ich weiß, ich habe im bestfall noch 20 jahre zeit damit, ich hoffe, die wahrnehmung rutscht in ein paar wochen von alleine wieder von masse zu substanz. es ist jedenfalls nichts schön daran, eine wohnung aufzulösen, das hab ich jetzt gelernt.

meinen geburtstag sehr schön in ruhe verbracht, zwei alte freunde waren da, wir haben einen prosecco getrunken und ich wurde bekocht, das hätte ich gar nicht besser planen können. ein paar liebe anrufe und viele nachrichten, sehr gefreut, was mit dem eigentlich egal wunderbar in einen korb passt. feiern will ich wieder zum 60. in zwei jahren, wenn nichts dazwischenkommt. die beiden corona-jahre haben mich bequem gemacht, ich hatte seit jahren nicht mehr so viele menschen in der wohnung und kann es mir gar nicht mehr vorstellen.

beim umzug zum ersten mal einen partner vermisst, der mit anpackt. ich habe den bestimmt auch in den jahren des alleinerziehens mal vermisst, aber diese männliche konnotierten eigenschaften wie kraft, entschiedenheit, die waren es nicht.

wetter am anfang 35°, zu heiß, dann gewitter, heute ist es regnerisch und angenehm kühl. bisher einen tag am see und in der sonne verbracht, wie sich alle zellen der haut drüber freuen ist immer wieder ein erlebnis. der see ist warm, erfrischt aber noch etwas, man muss rausschwimmen, er ist in der mitte 400m tief, so weit kommt die hitze nicht.

die jahrelange lieblingsbar direkt unten am see ist merkwürdig verändert, das personal meckert die gäste an, ist schnippisch und wird laut, wenn man was essen möchte und nicht weiß, dass die küche zu ist. sehr strange. der freund sagt zu einem kellner, es sei wie fisch ins gesicht (pesce in faccia), was mich an vercingetorix erinnert und mir gute laune macht. wir wollen da nicht mehr hingehen, obwohl wir „schon hingegangen sind, als der kellner noch nicht auf der welt war“ (freund), es ist ein jammer wegen der erinnerungen und der 1a-lage. auch gedacht, so ist das mit dem alt werden, nee, dem älter werden.

hier in norditalien wird die mülltrennung sehr akribisch und übergenau überwacht, es werden durchsichtige mülltüten verwendet, und wenn man was falsches reintut, bleiben sie liegen. gegen das übermass an plastik haben sie mit dem kleinsten angefangen, so lassen sich die deckel von den plastikflaschen nicht mehr so leicht abdrehen, ein letzter plastikfaden bleibt und hält den deckel, man muss ihn mit einem ruck abreissen, oder man lässt es, der deckel bleibt hängen und wird nicht vergessen. bei den millionen täglich verkaufter plastikflaschen macht das bestimmt einen mindestens einstelligen zuwachs an recyclingmaterial aus.

2 Gedanken zu „urlaubsreif“

  1. Ich drück Dich. Auch nachträglich wegen Geburtstag, und überhaupt.
    Das mit dem Zuhause auflösen ist einfach ein hartes Kapitel. Mitunter kommen dann diese Gedanken, wie lange man selber noch hat, sein eigenes Sammelsurium aufzulösen, und ob es nicht besser wäre, beizeiten anzufangen. Das legt sich aber auch wieder, jedenfalls bei mir, mit dem Gegenargument, dass man doch ein Recht hat, dieses besondere und dichte Universum so lange man lebt, zu genießen. Was einem zu viel ist, kommt dann eh schon vorher weg. Es gibt immer ein Konvolut für die Hinterbliebenden. Bißchen Unkraut jäten, ausdünnen ist immer gut, aber nicht bis zur Selbstaufgabe. Die Dinge sind ja auch aufgeladen, mit Erinnerung und Gefühl. Wenn dann der ganze Beifang nach Ableben verhökert oder aussortiert oder eingestampft wird, tut es auch nicht mehr weh. Wo das Herz sehr dran hängt, kann man ja ein Vermächtnis hinterlegen. Dass ein Möbel einer Tante wichtig war ist ehrenwert, aber das waren ihre Gefühle, ihre Biographie, nicht Deine. Kann man ein bißchen sportlicher sehen, zumal, wenn sie das Möbel nicht selbst getischlert hat.

    1. danke!
      das hast du sehr schön gesagt, mit dem geniessen, so lange man da ist, die idee mit dem vermächtnis werde ich übernehmen, das gefällt mir gut. lieblingsbücher und ein paar objekte und bilder, der rest geht dann den weg in handel oder tonne.
      ja, mit dem möbel hast du recht, ich weiß auch nicht, was es bei mir ist, ich komm da nicht von los, da komm ich bestimmt noch drauf, woran das liegt.

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