geerbter schmuck, tragt ihr den? ich habe ein paar von den großmüttern über meine mutter an mich weitergegebene stücke, zierliche goldene armreifen, verspielt, vielleicht 20er-30er jahre. es sind die einzigen gegenstände, die ich von den großmüttern habe, sie haben sie getragen, sie berührt, sonst gibt es ein paar möbel, alte schwarzweißbilder, das ist alles. die geschichten von menschen verschwinden ja bis auf die eckdaten meistens schon mit den enkeln, sie bleiben nur eine generation wichtig und lebendig. ich darf entscheiden, ob ich diese dinge an die söhne weitergebe oder auf enkelinnen warte.
jedenfalls brauchen sie licht, statt in kästchen vergessen zu werden, man sieht ihnen ihr alter an und das besondere, das sie damals dargestellt haben, sie sind in allem nicht aus dieser zeit. ich weiß nicht, wie oft oder wann sie benutzt wurden, ich habe sie bei den konfis getragen, oder mal zu weihnachten, bei familiären anlässen also. zum 50. hab ich von meinen freunden ein schönes goldenes armband mit feinem blattwerk geschenkt bekommen, das trage ich häufig, in der oper, im theater, beim ausgehen, damit fällt die identifikation viel leichter als mit den erbstücken. beziehung geht klar vor bedeutung.
heutzutage ist schmuck eher klar, geometrisch, irgendwie solide wirkend, es sieht dann aber oft aus, als solle es möglichst einfach maschinell herstellbar sein. habe aber auch keine große ahnung. von meiner mutter habe ich ein paar ringe, mit steinen, verspielt und auffällig, das ist nicht so ganz mein stil, ringe als statement bekommen ja im gesamtbild schnell ein eigenleben, ich trage sie ein bisschen als verkleidung und habe sofort das bedürfnis, vorher zum friseur zu gehen, mich um diese objekte herum einzukleiden, ich nehme sie wahr, sie funktionieren, ein kennzeichen für eine familiäre oder bürgerliche tradition, zumindest eine zugehörigkeit. ich bekomme sie allerdings oft erst am nächsten tag wieder ab, meine mutter ist zierlicher als ich, die rolle sitzt dann sehr fest an mir dran. frauen haben es ja leichter, männer müssen manschettenknöpfe oder hermes-gürtel oder so etwas auffahren, das wirkt sofort ein bisschen gewollt. ein hoch auf den klassischen siegelring, oder ist das auch angeberisch? werde die paar glitzer-ringe mal tragen und schauen, ob ich mich damit wohl fühle. mein lieblingsring, den ich mir irgendwann mal kaufen werde, ist ein trinity love von cartier, die alte, schmale version.
(bei einem ausflug zu einem konzert trug eine freundin solchen schmuck, er fällt auf, aber eher so nebenbei, daher mal drüber nachgedacht.)
seit ein paar wochen ziehts mir im herz, oder im rückent, kann nicht einschätzen, wo genau. das erste mal wirklich und nicht nur im übertragenen sinne, kardiotermin gemacht, geht erst im august. bisschen nervös, aber sonst gehts mir gut, keine atemlosigkeit, nicht müder als sonst, es ist bestimmt nur das allgemeine älterwerden, oder muskelkram, und die tatsache, dass mir mit ende 50 schon freunde weggestorben sind am herzinfarkt, und die waren auch sonst gesund. eventuell bleibt das jetzt so, in den nächsten jahrzehnten, mit all den neuen vorsorgeterminen, oder gibt es beim älterwerden automatisch eine hypochonderphase, durch die man halt durchmuss? grmbl.
immerhin bin ich grade halbwegs gut trainiert, durchs fahrradfahren und die bewegung beim job, eine mittelweg-lösung, wo doch um mich herum die freund*innen entweder gar keinen sport mehr machen, ihre treppen nur noch mit pausen schaffen, oder andauernd, für beides scheinen der körper und seine wunderbar komplexen systeme (atlas-app habe ich und surfe oft auch ohne grund durch die ebenen) nicht geschaffen, edit: für beides scheint mein körper nicht geschaffen, nie von sich auf andere schließen, jeder körper ist eigen. wobei, etwas mehr herz-kreislauf würde nicht schaden. yoga vermisse ich etwas, eine bandscheibe will nicht mehr so richtig, das traue ich mich nicht mehr.
zur zeit surfe ich lieber behausungen am meer, am mittelmeer natürlich, als männer. es gibt da eine weitaus größere auswahl, ich könnte jederzeit hinziehen, meinen job gibt es da auch, und im mai ist da schon frühsommer. beim suchen gemerkt, es sind alles wochenpreise, und es wird meistens nur in den ferien vermietet, aber es gibt im hinterland etwas renovierungsbedürftige wohnungen für 70.000, da hat man dann etwas zu tun und im notfall ist die kirche gegenüber. eine bekannte von mir hat das gemacht, ich hab sie mal besucht, ein malerisches häuschen in einer sehr alten kleinen stadt, vielleicht eine stunde vom meer.
außerdem surfe ich spinone-welpen.
Ich trage den Schmuck, den meine Großmutter als junge Frau getragen hat. Filigranen Silberschmuck und das eine Statement-Stück mit vielen Brillianten. (Ich möchte nicht wissen, wo das in den vierziger Jahren her kam. Es kam von einem entfernten Onkel, der zu den Kriegsgewinnlern zählte.)
Die Dinge, die meine Mutter mir gegeben hat und die mein Großvater für mich entworfen hat, sind von der Form her problematischer. Diese Sechzigerjahre-Fassungen mit diesen riesigen Stegen sind nicht so meins.
Aber es ist das Schöne am Älterwerden. Der Schmuck darf größer werden.
die herkunft, ja, noch so ein thema bei der generation. selbst entworfen ist wirklich besonders, vielleicht kommt die mode ja wieder? schöne idee, mit dem größerwerden. das stimmt.
hier, beim herumgoogeln gefunden, eine schatztruhe.
Meine Herkunftsfamilien, spanisch wie polnisch, waren bitterst arm, da gibt es keinen Schmuck zu erben.
Die eine Ausnahme ist ein Männerring meines spanischen Großvaters mit blauem (Glas-)Stein und aus hohlem Goldblech. Den trage ich sogar hin und wieder (vorsichtig, denn die Nähte des hohlen Gebildes öffnen sich bereits), mich rührt er als Zeugnis der Armut meiner Vorfahren mehr als die Abwesenheit sonstigen Schmucks.
vielleicht lässt sich der ring noch mal verfestigen beim juwelier? das ist jedenfalls ein wirklich berührendes und sprechendes stück familiengeschichte.
„(…) und habe sofort das bedürfnis, vorher zum friseur zu gehen, mich um diese objekte herum einzukleiden“ <3
🙂