lese grade „la versione di fenoglio“ von gianrico carofiglio, wie alles von ihm sehr angenehm zu lesen, ein gespräch mit lauter unerwarteten wendungen und assoziationen, so eine spielerische intelligenz, dinge, die ein paar seiten lang wirken wie eine art surplus für den handlungsverlauf (ich hielt das buch für einen krimi), wie ein schriftstellerischer luxus, den der erfolgreiche autor sich leisten kann, bis ich merke, es ist gar kein krimi, sondern ein nachdenken über wahrheit und lüge, erfahrung und alltag bei der polizeiarbeit und, natürlich im leben überhaupt.
will es gleich dem großen schicken, aber es ist noch nicht übersetzt. oft wirken texte schön, klar und durchdacht, wenn ich sie in originalsprache lese, und werden wohlfeil und bisschen küchenpsychologisch, wenn ich sie auf deutsch vor mir habe, das könnte hier auch passieren, mal schaun, mal sehn.
eine stelle, in der ein vom smog braun gewordenes haus beschrieben wird („Il tizio abitava in una palazzina anni Cinquanta annerita da un velo di smog che dava un senso di grande malinconia.“, S. 41) – sofort bilder von mailänder smogtagen im kopf, von genau solchen häusern, dieses dunkle braungrau.
meine vergangenheit unterscheidet sich in allem von meinem jetzigen leben, sogar die sprache war eine andere. das ist gut, weil es den abschluss erkennbar macht, und befremdlich, weil das alte so unüberschrieben weiterexistiert, nicht vom leben neu besetzt wird. in solchen bildern erlebe ich mich als ganz jungen menschen, fast unverfälscht von sentimentalitäten, als wiedererkennen: so war es. alles äußere ist anders, nur ich bin natürlich ganz unzeremoniös (da ist jetzt doch etwas sentimentales in dieser wortwahl) immer dieselbe.
„oft wirken texte schön, klar und durchdacht, wenn ich sie in originalsprache lese, und werden wohlfeil und bisschen küchenpsychologisch, wenn ich sie auf deutsch vor mir habe“
Kenn ich! Dachte immer, ich bilde mir das ein und sollte mich nicht so anstellen. Ist manchmal auch bei synchronisierten Filmen so; da geht irgendwie der Effekt, das Authentische, verloren (?).
das ist beruhigend, dass es dir auch so geht. ist glaub’ich keine einbildung.
ich frage mich, welcher eindruck stimmt. in den originalsprachigen texten (bei mir nur englisch und italienisch) nehme ich die sätze eher als gegeben hin, glaube ihnen also, was sie zu sagen vorgeben, folge vielleicht kritikloser der intention des autors. im deutschen gibt es immer noch eine metaebene, die mitschwingt und in frage stellt, überprüft, vergleicht.
oder der/die übersetzer/in hat den text anders wahrgenommen, und also mit anderer stimmung übersetzt?