kind, das immer nach der schule den fernseher anmacht, 8 jahre alt, ja, immer nach der schule darf ich fernsehen, einzelkind, gesprächsfähig, sozial aktiv, sport, eltern sehr berufstätig, und ich denk dann immer, ob es die ganzen auseinandersetzungen überhaupt wert ist, das regelsystem, die empörung der jungs, verhandlungen, die ganzen komplizierten systeme, bei denen man als mutter immer immer der ungerechte teil ist (das ist un-ge-recht!!), weil einer gefühlt mehr oder weniger punkte (hier grade so ein punktesystem für tv- und mac-zeiten) hat, als er verdient hätte, oder ob man die kleinen nicht einfach lassen sollte, weil das schiefgehen von kindern vielleicht doch hauptsächlich andere gründe hat, stattdessen der mühsam errungene moment, wenn das kind sagt, es sei gut hier im wald/restaurant/museum/park/spielplatz, meiohmei (grad den morgenkaffee im bett geniessen können, weil die lütten ihre punkte einlösen wollten, um 7:30, und die glotze läuft, draussen sonne und grün, sehr schön alles.)
heute in der wohnung eine 10l-giesskanne verloren. neulich wollte ich mit den kindern mal wieder zum liebnitzsee fahren – den hab ich auch nicht mehr gefunden. dinge und seen auf wanderschaft, und ich bin auch in bewegung, auf der suche nämlich.
neulich jemandem ein schuhkompliment gemacht, ah, natürlich siehst du diese schuhe, meinte sie. bei klarem verstand sehe ich dann allerdings, dass sich die hälfte mindestens meiner schuhe im zustand des fortgeschrittenen alters befindet, was nur bei den selten getragenen highheels nix ausmacht. dies ist ein abschiedstext. ich werde die alle heute noch verabschieden, die alten aigner-sandalen mit leicht fransig und wellig gewordenen lederriemen, die prada-sneaker, deren orange nicht mehr orange ist, die coccinelle-pumps, deren leder beim fahradfahren kaputt gegangen ist, die ganzen alt-aber-gepflegt schuhe, die lederstiefel mit den neuen reissverschlüssen, die der schuster mit einem na gut, wenn sie meinen in empfang genommen hatte, die beige gewordenen weißen halbschuh, keine ahnung, wobei nein, das abgenutzte macht da den charme aus, die wirken gelebt und nicht abgetragen, also die sehen nach altem boot und nicht nach neuem boot aus – mit jeans und einem dichten woll-troyer in blau oder braun (männern in troyern glaube ich erstmal alles, ich glaube sogar mir selber, wenn ich einen trage) und die ollen guccis mit der goldschnalle und dem loch in der sohle, die ganzen kleinen privataltärchen in ihren schachteln, die dem fuss immer noch einen kleinen ruhm mit drunter pappen, dass man höher läuft, gleichzeitig können diese alten modelle ohne eine gewisse selbstvergessenheit nicht integriert werden, das ist das magische daran, ihr wesen als talisman, denn man ablegen müsste, wenn man sich erinnert an ihn, weil er nicht ins pragmatische selbstbild passt, es müssten schöne schuhe sein, die aus einem meer anderer schöner schuhe ausgewählt werden, und die nicht mit alten vom hund angenagten kinderbadelatschen im ikea-schuhhänger gelagert werden, zusammen mit solchen trekkingsandalen, die ich mir mal für eine mallorcareise vor 9 jahren, mit ehemann und einem kleinkind, und die mich seitdem gleichzeitig an schöne einfache zeiten erinnern und daran, wie ich sie schon beim einkauf als fremd und irgendwie not me empfunden hatte, und diese sehnsucht nach der fähigkeit, pragmatische entscheidungen ersatzweise als auch schön hinzunehmen, in so einem leichtherzigen akt der verleugnung.
ich hab gar keinen troyer, fällt mir da ein.
woytek, der regisseur, sagt, dass sei properes theater, der weibsteufel. er guckt ernst an mir vorbei, obwohl ich ihn seit 2 jahren nicht gesehen habe, und ich geh weiter, weil alles an ihm geh weiter sagt.
dabei war es ein kristallklares, direktes stück text, von 1914, wunderbar, mit einem bühnenbild wie von den blumes gefunden: bäume, baumstämme, über die bühne gekippt, ein bisschen wie unterholz, wenn man es zum brennen verknäuelt, die schauspieler immer auf den stämmen herumlaufend, naja, es gefiel mir bestimmt wegen der gewitzten und lakonischen weibstteufelin so gut.
und mek, das heute war viel besseres theater als der gosch letzte woche – das „hier und jetzt“ bezog sich glaub ich auf die ganzen persönlichen vor- nach- und nicht- geschichten, die immer mitgetragen werden im leben und also auch von den schimmelpfennig-personae, und die im theater alle auch ans licht kommen sollen, weil der gosch sie alle grade entdeckt hat, oder der schimmelpfennig, aber es waren halt keine interessanten geschichten, darum war das stück so unüberraschend.
beim weibsteufel hatte ich keine ahnung, ob es blut oder nackte geben würde, das war schon mal ein gutes gefühl, nicht alles zu wissen, weil die personen auf der bühne es mit dem text hätten schaffen können, so wirkte das stück, also ohne blut und nackerte, und das stimmte ja auch, der mord am ende wurde so abgehakt vom kusej, es war halt ein echter und kein symbolischer, da war alles schon vorher passiert.
vorher, vorm stück, zu spät kommend und vielleicht noch ein weinchen an der theke, um ein haar strahlend trittin gegrüßt, das passiert mir immer, der freut mich immer irgendwie, beim ausweichen fast seine frau umgelaufen. mich entschuldigt.
am lagerfeuer ein junger mann, gleichzeitig jung und irgendwie aus den fugen, also nicht die masse, mehr die einzelheiten, der hatte ohrstöpsel, mitten im gesellschaftlichen ereignis.
und die alte dame, mit blondweißen (nicht weißblonden) auftoupierten haaren, auf die man herabschauen konnte, weil sie so klein war, und die ihre schwarze große handtasche auf dem boden hinter sich herzog, wie einen toten hund. sie trug enge jeans, deren bund hinten ein ländliches muster hatte.
über blicke gefreut, von so männern, die sich bestimmt auch alle gefreut haben.
beim schlingensief-stück alles total richtig gefunden. da sind ja diese phasen, wenn man sterben muss, verleugnung, wut, verhandeln, trauer, akzeptanz, und es gibt so eine gesellschaftliche übereinkunft, dass man als guter sterbender am ende bei der akzeptanz landen sollte. schlingensief tut das nicht. er weint und argumentiert und schreit auch, mal verzweifelt, mal ironisch maskiert, nicht so aufdringlich wie erwartet, aber es ist schon schwer auszuhalten, wenn ein erwachsener nicht befreundeter mensch schluchzt, man möge ihn nicht berühren, jetzt nicht bitte, dabei ist man ja selber wegen grenzüberschreitung sehr berührt von diesem intimen ton. ich fand es eher erleichternd, dass diese ungeheuerlichkeit des todes mal ihren schrecken zeigen darf. das ende des stückes kam dann aber irgendwie nicht, sondern eine stimme sagte in die stille hinein, nachdem schauspieler und chor den raum verlassen hatten: bitte warten sie noch, den einzug machen wir nochmal, mit ein paar regieanweisungen, und das publikum wusste nicht, was es tun sollte oder was passieren würde, auf eine schräge und gemeine art passt das zur situation des regisseurs. die kirche der angst vor dem fremden in mir ist ein großartiges stück lebenstheater, und in all seiner kindlichen verzweiflung sehr heartfelt – die begleitung fand es zu lärmoyant, man kann natürlich auch einen diskreten krebs haben, aber nicht schlingensief, als narzisst und bilderstürmer und chaotischer regisseur, und so war es dann noch mehr fluxus als die anderen stücke von ihm, hier mit einem schwerpunkt auf dem leben, vor der kunst. da wird in einer auseinandersetzung mit dem tod wenig rationalisiert und nichts versteckt, es ist weniger ein reden über, hier weint das kind und will einfach nicht. deshalb bitte: lauter, länger, das war ein raum für die angst und die lebensliebe da in der kirchenattrappe. ein intensiver abend.
(und er hat bisschen gegen die katholiken theater gemacht, und gegen seine familienkirche, das war der eher inszenierte teil des stücks, die klage über die abwesenheit gottes und der mutter und die futility der religion, aber es ging in den ganzen anderthalb stunden nur um den mangel an trost angesichts der todesnähe.)
ich sass am ende, nachdem ich schon rausgehn wollte und dann nochmal zurückgekommen bin, in der letzten reihe und hab noch ne hostie bekommen von einem der kinder, die als messdiener oder sowas auf der bühne standen.
beim nachhausekommen liegen auf meinem bett übereinander gestapelt die decke, dann zwei kinder und obendrauf der hund, alle tief schlafend, ein warmes nest. mit noch einem ganz kleinen whisky danebengesetzt und sie angeschaut.
mal die provinz um osnabrück kennengelernt, eine grüne grüne idylle mit gepflegten gärten, aber durchdacht gepflegt, also gärten mit konzept, die kleine stadt, die sich als geschichte und in beziehungen wahrnimmt, nicht über die stadtgröße. perfekt beschilderte strassen, dieses unbrüchige sebstverständliche, im hotel menschen mit gold und geld, freundlich nach dem hund fragend, mit großen audis und benzen, die häuser teuer und auf eine hermetische art stilsicher, das alles ist so massiv, wenn man durchfährt, so geschlossen und verlockend in seiner fremdheit, mit berufen, den familien, gartenmöbeln. alles von unvermeidbarer sinnhaftigkeit geprägt, jede ecke liegt im licht. auf den waldwegen dann immer wieder professionell ausgestattete mountainbiker, in männergruppen, die konzentriert an einem vorbeisirren.
das entspannende leise geplätscher, ein kleiner waldbach, gerade unter der schwelle. und dann war der toilettendeckel offen + der hund durstig
ich habe alle gewünschten karten fürs theatertreffen 09 bekommen, das ist schon ziemlich toll. für keine der vorstellungen muss ich einen babysitter zahlen, weil sie alle an kinderfreien tagen liegen – das ist wirklich unglaublich.
wenn einem der fliesenleger zwar das bad nach wunsch schwarz gefliest hat, dafür aber die gesamte wohnung inclusive bücher, polster, geschirr, klavier und spielzeug mit einer dichten feinen steinstaubschicht überzogen zurücklässt, und sagt, er müsse mir das glauben, wenn ich das so schildere, er sei nämlich gar nicht da gewesen, das hätten seine gehilfen gemacht, um wieviel darf ich die rechnung dann kürzen?
uaaah. was für ein unangenehmes streiflicht heute in der sz. hintereinander weg lauter beleidigungen, ein läppisches hochnasentum, und der schreiber merkt das nicht mal, wegen dem brett vor seinem kopp. der glaubt, dass er so schreiben und über paul potts und die anderen gönnerhaft urteilen darf, die sind ja freiwild, die sind ja dankbar, und der autor hat lebenserfahrung, das großstadtleben wahrscheinlich, und vor allem ist er auf der anderen seite, der mit den nicht billigen anzügen, oder? solchen leuten möchte man mit schmackes eine torte oder gleich eine ohrfeige ins gesicht pfeffern, wenn sie mal wieder gucken kommen, wie schrecklich hässlich und depressiv die unteren bildungsfernen hundertausend sind. (diese geste, mit der türkische männer beherzt auf den bürgersteig spucken, so war mir grad)
mein badezimmer wird einen schiefer-boden erhalten. der rest sind weiße kacheln zum preis von 10 D(eutsche) M(ark) pro quadratmeter, für die damals das geld grade reichte. mein blick auf die wohnung ist ein segmentierter, die renovierten und eingerichteten ecken sind einen tick gegenwärtiger als der bröckelnde fensterlack und der ramponierte küchenboden, die immer ganz bald erledigt werden.
ich würde gerne verstehen, woher mein pathos kommt, was es soll, ob es ein sicherheitsabstand ist oder ein unverständnis, eine inkongruenz, ein nichtaufeinanderpassen, sodass sprache oder dinge immer eins größer sind als das andere
jetzt muss ich schon wieder los, gregor zum fussball bringen, noch 10 minuten, dann hat david um 17uhr hockey, woanders, heut abend soll ich meiner freundin annette kuss ihr theaterstück filmen, ausgerechnet, ich weiß auch nicht, bloss weil ich mal leute und einen eisbären gefilmt habe (wie herr berger vom rbb mir immer sehr freundlich erklärt hat, was man für bilder braucht im fernsehen, geduldig und freundlich, immer wartend, ob ich denn verstanden habe, in vergleichen sprechend, das nennt man) und ich will es lieber einfach nur angucken.
der hauptfilm heute war aber der besuch im großsupermarkt gesundbrunnen, alles riesig, nur die waren sind vertraut.
Die grüne Frau
David hat seit ein paar Jahren wiederkehrende Alpträume aufgrund eines TV-Films, den die Kinder eigentlich gar nicht hätten gucken dürfen. Er lief wohl auf Nick oder RTL+, am spätnachmittag, wahrscheinlich am 9.7.2006, dem Tag des Finales, das wir im Nachtzug verbracht haben, was ich tatsächlich immernoch bereue.
Er hat ihn nicht fertig gesehen, weil wir los mussten – ich denke, wenn er ihn als 8-jähriger nochmal in Begleitung sehen kann, dann vergeht die Angst vor der „grünen Frau“. Hat irgendwer in seinem Kontingent für unnützes Wissen vielleicht diesen Film gespeichert und kann mir einen Titel verraten? Es kann auch eine Episode einer Serie gewesen sein, aber kein Animationsfilm. Oder gibt es ein TV-Programmarchiv, das bis 2006 reicht?
David hat den Film (ein Jahr später, mit 6 Jahren, es ist eine hartnäckige Angst. Vielleicht sollte man sie ihm lassen lieber?) so erzählt:
Es gibt ein Mädchen und einen Jungen mit Superhirn, und das Mädchen macht ein Experiment. Dann fällt ein anderes Mädchen in das Experiment rein, und geht dann auf die Mädchentoilette.
Dann war sie so grün am Arm, aber sie hat das nicht bemerkt, sie hat das erst bemerkt, als sie aus dem Bad rausgekommen ist.
Dann wollte sie in die Klasse, dann war sie am Auge grün, aber sie ist vorher noch in die Kammer von der Schule gegangen, und danach wurde sie komplett grün, alles wurde grün, sie hatte SO lange Fingernägel, die Haare waren grün, die Augen auch.
Dann kam ein Mädchen, das war normal, das wollte auch in die Kammer, dann hat sie das grüne Mädchen gesehen und hat es fotografiert, dann ist sie in die Klasse gerannt und hat das Foto allen gezeigt, dann hat der Lehrer eine grüne Grütze gesehen und hat die Alarmklingel geläutet und alle sind rausgerannt.
Dann war das grüne Mädchen in der Nähe von einer Hütte, einer Hundehütte, dann wollte ein Kind, das war 18 oder 12 oder so, das wollte den Hund beruhigen, dann hat das grüne Mädchen den Jungen hinter sich hergezogen, unter einen Baum, dann ist der Junge freigekommen, dann hat das grüne Mädchen telefoniert und hat in der grüne-Frau-Sprache geredet.
Und dann ist der normale Mensch wieder freigekommen und hatte eine grüne Spur am Arm und ist zu seinen Kameraden gegangen und hat es ihnen erzählt.
Dann haben wir den Film ausgemacht und sind nach Italien gefahren.