KW 20

die jahreszeit, wo man alten küssen hinterhergoogelt, von einem sylvester vor vielen jahren, aber ich weiss nicht mal mehr den namen, was mich freut, weil es eine schöne erinnerung ist. kinderfreies wochenende, keine pläne, sehr schön.

samstag starkregen (ohne brille sichtbar: schirm; mit brille: kapuze; nicht sicht-,  nur fühlbar: ignore), zum glück knapp vorher laufen gewesen, also musste ich mit dem hund nur noch kurz raus. wintermantel.

ob man hunden das schütteln auf befehl beibringen kann? vielleicht sollte ich aber auch keine weissen teppiche auslegen.

freitag kam ein freund und hat mir aus benn vorgelesen, der grade auf dem tisch lag, weil ich bei goncourt vom stundengott gelesen hatte und ein vages echo hochkam, kein gedicht, glaube ich, und das kapitel aus diesem romananfang ist es auch nicht, vielleicht ein mem der 60er jahre, bachmann?  war es nicht eher etwas mit einem kleinen und freundlich bleibenden triumph, ein der ewigkeit entrissener, ins ordnungssystem und vergänglichkeit überführter gott, die kurze stunde, festgehalten.

yes, obviously im benn weitergelesen: Wer allein ist, ist auch im Geheimnis,/ immer steht er in der Bilder Flut,/ ihrer Zeugung, ihrer Keimnis,/selbst die Schatten tragen ihre Glut.

ein jammer, dass pathos so einen schlechten ruf hat.

den freund und mich hat das gedicht, ein anderes,  ein bisschen traurig gemacht, wir haben dann einen lagavulin getrunken, eine stulle gegessen und von anderem geredet, dann bin ich zu einem abend mit anderen alten freunden weiter in den contadino sotto le stelle, das scheint nachwievor ein lieblingsort für dates zwischen bisschen älteren, weil die beleuchtung so freundlich schwummerig ist. guten wein getrunken und über die nähe gefreut, die ganzen nicht abgeschlossenen geschichten mit brüchen, zweifeln, wünschen, wir sind immerhin im fluss, das ist doch schonmal was, und es hört uns jemand zu.

jetzt einen text lesen, der eventuell zu einem verlag soll, von einem bekannten, nicht ganz glücklich darüber, weil das eigentlich ein job ist, der aber als gefallen angetragen wurde, weil ich bin ja keine lektorin. andrerseits hat er nachhilfestunden angeboten für einen der jungs, mir war das unangenehm, weil er nix wollte dafür, ich werde das kind jetzt hinschicken – diese tauschhandel sind zukunftsmusik, eine willkommene alternative, aber es ist kompliziert, weil die werte so subjektiv bestimmt werden, neulich der anbieter von nachhilfe, der pro stunde um die 25 euro haben wollte, bei dem preis wär ein schnelllektorat vielleicht wieviel stunden wert? und bei 13 euro? oder weg vom geldwert zu einer anderen bedeutung, idealerweise im vertrauen auf werte wie erziehung und takt und anderes altmodisches zeug.

leichter hunger auf die dinge, die ich nicht habe, also auf die nicht käuflichen davon – der andere freund neulich, der von seinen bordellbesuchen erzählt und sich freut, wenn er eine dame findet, die ihren job dort mit natürlichkeit versieht, ist das ein vorteil, den männer haben? mir fehlt eigentlich eher das gehalten werden, so im reellen wie übertragenen sinn, der sex ist dabei nur ein kleiner teil des deals. dem mann fehlt das auch, aber er trennt die beiden radikaler, kauft sich das eine, wartet auf das andere.

Kein Hochgefühl von Räumen
und auch Erlösung nicht,
nur Stunden, nur Träumen –
o gib dein Kerzenlicht.

(Wer allein ist –, G. Benn, Gedichte, Fischer, S. 277 und  O gib –, ebd., S. 337)

 

rites du passage

es war ein gewusel. alle, alle sind gekommen, sogar aus rom und münchen und amsterdam, aus dem wendland und aus münster, alle frauen der familie und ein paar der wenigen männer, und ein großer haufen kinder. ich war bissken nervös vorher, mein letztes großes fest mit familie war immerhin meine hochzeit, aber es wurde mit meiner familie alles wunderbar unkompliziert, nee: mit beiden familien, die vom ex war auch dabei. die ersten gäste schon am freitag, auf dem tisch eine riesige pasta aus dem 20l-topf wie anno d, mit wein, bier und whisky … ich hab also am sonntag verschlafen und musste viel kaffee trinken, um die küche aufs gleis zu bringen und dem einen zwilling, der sein hemd nicht anziehn wollte, eins von meinen anzudrehen („merkt keiner“). ab 11 kamen die gäste, beim brunchen war sogar der allerletzte teller aus der kammerecke mit dem zeug aus WG-zeiten im einsatz, und dann begann die zeit auf diese magische weise zu vergehen, wenn alles ineinander verfliesst, die geschichten, der tag und die menschen, immer mehr geschichten, neue und alte neu erzählt, umarmungen, gelächter, die vielen kinder nach ein paar stunden unzertrennbar in 3 sprachen, der gottesdienst war schön und angemessen, mit vielen liedern, mit einem trompetensolo, damit auch die letzte tante noch nasse augen bekommt (mütter können das auch so), die gethsemanekiche voll bis zur letzten bank, die jungs alle so groß in ihren anzügen und die mädchen mit den ersten higheels an den füssen, so viel schönheit. die bilder vom tag sind alle hell und fröhlich, der große war glücklich, weil er so gefeiert wurde, es ging bis in den frühen morgen. auf dem nachhauseweg vom restaurant sind die 12-16jährigen zusammen vorgelaufen und wurden gleich von einem polizeiwagen angehalten, wie alt sie denn seien („so. hmmm. und was macht ihr dann mitten in der nacht allein auf der strasse?“ „wir sind nicht allein! es ist die ganze familie dabei, die kommen da hinten“ – die ganze familie fand die fürsorglichkeit der beamten vorbildlich) das einzige, wirklich das einzige dumme war das geschenk für den großen, das nicht so lief, wie es sollte, ein windows-rechner, es scheint klar, das niemand sowas freiwillig kauft, andrerseits stellt so ein ding wirklich eine gute aufgabe fürs erwachsenwerden dar. die letzten gäste sind erst gestern wieder gefahren, es war ein ordentlicher 5-tage-klopper, und wie durch ein wunder ist noch ein drittel nutella im glas und eine ganz schale selbstgemachtes erdbeereis im tiefkühler.

jolie

der mai schaffts immer wieder, alles scheint sich zu fügen, wie lauter wasserläufe bergab in einem größeren zusammenkommen, schau hin, sag ich mir, und freu mich am kleinsten großartigen detail, es ist sehr zentrierend, wenn lauter nebensächlicheiten als sinnhaft zusammenkommen, dinge gut werden, lauter kleines stimmige muster bildet, obwohl das große sich nicht groß verändert hat, aber ich schau mich dann an und denke nu, einfach mitlaufen lassen, bestimmt nur ein kleiner tritt, dann bin ich auch wieder im fluss. sehen lernen. es gibt diese ein, zwei momente am tag, wo das leben schmeckt wie himbeertorte plus abendsonne plus kindergackern. bestimmt die unlängst explodierte grüne magie hier am platz. (dazu: alter gute laune song)

kleider finden

ein kleiner rundgang durch den kleinen laden, da hing es an der stange, mein kleid, genau so, wie es sein sollte. es passt wie angegossen und ist ohne jeden zweifel das richtige kleid für mich, es wurde für mich geschneidert, es ist schlicht taubenblau mit ein paar extras, und ich bin zuhause darin, „ja!“ haben verkäuferin und ich zeitgleich gesagt, als ich es anhatte. ach hätte ich, ach wäre ich doch gleich in diesen laden gegangen, und nicht zuerst in ein paar andere, bei denen es auch je ein kleid gab, das irgendwie in ordnung, eigentlich okay, kann man tragen war, so dass ich es mitgenommen habe, weil wann geh ich schonmal shoppen.

das schöne stück im lieblingsblau wird sicher länger durchhalten als der reissverschluss daran, ein langer reissverschluss über die ganze seite des kleides, arm bis hüfte sozusagen, der kurz nach beginn einer wunderbaren feier den geist aufgab und fortan den rest der nacht offen stand, sodass niemand das schöne kleid sehen konnte, weil ich die ganze zeit einen nicht dafür gedachten pullover drüber tragen musste. die von praktisch veranlagten mitgästen angebrachten klebestreifen haben irgendwie der schönen maienluft nicht standgehalten.

zwei ballkleider hängen ja auch noch im schrank, es sollte also unbedingt ein partysommer werden, und mindestens eine veranstaltung, auf die ich ein cremeweisses, seidenartiges und eher elegantes („festlich“) sommerkleid anziehen kann, am liebsten ein fest ohne kinder, hunde oder erdbeerbowle, am besten im diesjährigen sommer, weil es ist schon einen tick eng so obenrum.

leichtes misstrauen der 16jährigen gegenüber, die beim shoppen das kommando übernommen hat. wo kommt die her? wo war sie solange? wo ist sie jetzt? ich muss ihr die kreditkarte wegnehmen.

hell

schon wieder mai, mit festen zügeln durchtraben, eine party hab ich schon geschwänzt wg. sozialer unlust (und weil die gäste alle auf dem verteiler waren, lauter film-event-medien-superduper-männer und lehrerinnen, aber hey, ich muss mir wirklich mal überlegen, was ich will. wie früher einfach mal mitgehen, solange die sonne noch nicht aufgegangen ist, vorm tag wieder gehen und ruhe ist). nagut, ich hatte auch husten und kein kleid.

morgends um 5 aufwachen und denken: komm, mein hunger, leg dich zu mir eine kleine weile, ich machs dir warm und schön, und dann gehste wieder steine schippen wie gewohnt, und sandkörner zählen, und löcher füllen, oder was immer dich am leben hält.

schaum

ich möchte morgen etwas vollkommen neues anfangen, weil man nicht nur länder, sondern auch tätigkeiten durchreisen sollte, mal hier, mal da, mal wunderbar. mit neuen menschen, in die mein leben auf magische weise wunderbar hineinpasst, als wären wir füreinander gedacht.

ärgerlich darüber, das ich im geldjahrhundert geboren wurde, aber hätte ja schlimmer kommen können.

schöne erinnerung an den einen mann auf dem raucherbalkon bei einer party, der meine plauderfrage, ob die brennende kippe bei minusgraden beim runterfallen wohl bis unten glühen würde, auf das volllständigste beantworten konnte und sich als überwacher von brennkesseln herausstellte, ein fachmann für glut. er hatte bilder von den anlagen auf seinem handy.