filmgewalt ist so unterkomplex

das ermüdende übermaß an gewalt in so gut wie allen schnieken serien, es bleibt einem ja quasi nur noch 30 rock. geschrei, blut, schmerz, angst, weitoffene wunden, vor denen die kamera sekundenlang stillsteht, wie sonst auf nichts in den episoden. mal ein paar schöne naturstills? die geräusche so nachfühlbar, dass ich sie mit den realen geräuschen verwechsle, die ich im reallife gar nicht kenne, weder schüsse noch stürze oder das reissen von haut, die tonspur im film fast ein ersatzangebot für zuschauer wie mich, die nicht hinschauen, wenn es schlimm wird, und dann wenigstens über die ohren noch dabei sein können, oder müssen, vielen dank. im alltag hat gewalt kein geräusch, also kein so intensives, der filmschuss will mit seinem genretypischen hyperrealismus fast aus der dimension raus und zwingt die vorstellung in eine neue, 3d übers gehör. sie bereichern die erfahrung, wo man den kram nun wirklich nicht haben will. glaubt das unterbewußtsein die gewalt auch, wenn sie nur über augen und ohren daherkommt, also ohne tatsächliches erleben? will das hyperreale in meine realität? so führen die sich ja auf mit ihren nahaufnahmen und zeitlupen und dem ganzen exzess, der blick ins eklige, zerstörte und die mit schmackes ausagierte gewalt. in verletzte körper schaue ich eher ungern hinein, weil ich keine ärztin bin, sie sind tabuisiert und deutlich ein teil der privatspäre, die toten und verletzten körper in der filmszene werden sofort alle und mein körper und sind nicht mehr nur der eine fremde, der da liegt. bei den vielen szenen in der pathologie, die leichname mit den abgedeckten imtimteilen, wie jesus, wie die kameraführung dann den wechsel genießt, ganz langsam vom eros zum tod, und dort klebenbleibt, und ich guck weg oder halte die hand vors ipad, die wunde ist ja ein viel stärkeres signal als die blöße, die identifizierung damit läuft vielleicht über reflexantworten wie angst und ekel, die sind ja kaum wegzurationalisieren. wie langweilig das system grenzüberschreitung ist, so in der dramaturgie, geht ja auch nur in eine richtung, zur nächsten grenze, ein billiger ersatz für handlung/dialog, die gewalt das eine ereignis im drehbuch, das kein genaues motiv und keinen anker in der figur benötigt, es reicht völlig, wenn die täter halunken sind und kriminelle.

mehr leichen als lieben im tv, mehr autopsien als sex.

das andere sehen aus einem zustand der angstlosigkeit, entspannte aufmerksamkeit vs dem blick mit fluchtreflex in den szenen mit spannungsaufbau, wie anregend und spielerisch spannung sein kann, wenn ich nicht immer mit gefahr rechnen muss und wie automatisch ich mich schon aus sicherheitsgründen ent-identifiziere, wenn die ekelgewalt absehbar ist. die enttäuschte gewalterwartung in argo, wo kein schuss fällt, und ich mich immer noch an den toten am krangalgen erinnern kann, an dem die helden im auto vorbeifahren, da konnte ich diese kleine immer mitflimmernde angst vor gewalt erst am ende ablegen, wie angst auch die intelligenz einschränkt durch den scheuklappeneffekt.

es wär mir fast lieber, wenn die gewalt nur den zunehmenden sozialdarwinismus bebildern würde, der stärkere und brutalere gewinnt, gewalt als sicherer weg, die regression ins frühkindliche, wobei ja schon anderthalbjährige lernen, nicht loszuschlagen, oder ist die frustaggression der normalen erwachsenen so groß? gewalt ist dumm, sprachlos und unkultiviert, wenn sie als kommunikationsmittel verwendet wird, mit dem ziel, zu gewinnen, und dem hinnehmen der leere danach, wenn die beziehung auf null gestellt wird, immer angenommen, die gegner bleiben am leben. wenn ein konzept dahinterstünde, aber es ist dann wohl doch eher einfallslosigkeit und ungeduld, viele volle filmminuten, spass für die maske und den choreographen, vielleicht muss auch die dosis einfach immer höher werden? wie gern hätte ich plots, mit dialogen, figuren und geschichten, meinetwegen streamingversionen, aus denen der ganze gewaltscheiß rausgeschnitten wird.

(frusttext, weil ich eine serie spontan ausgestellt habe, statt sie im zustand leichter an- und erregung mit blick auf details, kleine gesten und gelegentliche eleganz genießen zu können.) (andrerseits hat jemand neulich verso mit seinem tollen jahresendangebot verlinkt, und jetzt ist die bude wieder voller bücher.)

herrje, zu lang und nicht ausgearbeitet, aber das liegt hier sonst wieder nur rum im entwürfeordner. kürz ich noch runter.

6 Gedanken zu „filmgewalt ist so unterkomplex“

  1. Geht mir ähnlich. Nicht, daß es das nicht schon eine Weile gab, Polanskis Macbeth von 71, ich glaube, in der Zeit liegen die Anfänge dessen, was wir jetzt zB „Torture Porn“ nennen.

    Immerhin ein Trost, daß die ganzen fiesen Geräusche strikt vegetarisch sind. Sämtliche Fleischwunden und Amputationen werden mit Kohlköpfen gemacht.

  2. 71, das ist lange her, daher vielleicht die ankunft im nebensächlichen beim gemetzel, keine höhepunkte der handlungskurve mehr, ein paralleler feed extra fürs adrenalin.

    kohl! hihi. ab jetzt kann ich vielleicht hingucken. sehr tolle info.

  3. Same here.Gestern mitten in Film aus dem Kino gegangen (und das tue ich quasi nie). Wild Things. Ein einziges Gemetzel. Da hätte auch die Kohleinfo nicht weiter geholfen.

  4. ich bin für eine art bechdel-test für gewalt, etwas in der art von: weniger als 2 leichen, kein kohl wird verletzt, wunden nicht in nahaufnahme, keine slow-mo gewalt, ein kuss für jeden schuss.

    war das wirklich wild things, aus dem du raus bist? da hätte ich gar nix extremes drin vermutet, werde aber jetzt auch nicht mehr reingehen!

    1. Es war Wild Things! Ich hatte vergessen, das ich schon die Vorschau etwas eklig fang, hab auch nicht so ein Gewaltexzzes vermutet. Keine Ahnung obs nach der dritten Episode wieder besser wurde, aber nach mir sind noch etliche Leute gegangen.
      Bechdel-Test für Gewalt find ich gut. Und der wird dann nach Dir benannt.

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