tl;rl: viele, viele gitarren, alle toll, ein paar besonders. mehr frauen sind erwünscht.
die messe wird von den european guitar builders veranstaltet, einer allianz von gitarrenbauern und anverwandtem gewerbe aus ganz europa. dieses jahr haben sie eine besonders schöne idee gehabt: ihnen ist aufgefallen, dass es eher wenig frauen gibt auf solchen veranstaltungen, frauen sind wohl unter den gitarrenliebhabern ein bisschen unterrepräsentiert, das gilt auch für den instrumentenbau, 121 männliche und nur 6 weibliche luthiers waren mit ihren instrumenten auf der messe dabei, wenn ich mich nicht verzählt habe. es gibt wohl auch weniger musikerinnen an der gitarre. sie haben deshalb etwas dagegen unternommen (etwas tun hilft ja am besten), und haben im letzten jahr alle zusammen drei instrumente gebaut, für drei junge europäische musikerinnen, einen bass für julia hofer, eine akustische für jacky bastek und eine e-gitarre für elena todorova, in enger zusammenarbeit miteinander und mit den künstlerinnen. die gitarren und der bass wurden dabei in diversen rohzuständen kreuz und quer durch europa geschickt, bis sie dann in berlin auf der hggs 2018 übergeben werden konnten.
das hätte ein wirklich tolles reiseblog gegeben, aus der sicht einer gitarre. ich hoffe, die instrumente sind so toll geworden, wie es die idee versprochen hat. am wochenende haben die spielerinnen ihre neuen schätze gleich vor publikum ausprobieren und spielen können.
bei julia hofers interview am ende des vorspiels war ich dabei (bin sitzengeblieben), sie hat unter anderem erzählt, wie ihr die bässe im handel oft einfach zu unhandlich und schwer sind – bei elektrischen bässen kann es eigentlich nicht so schwer sein, am gewicht zu sparen. das geht bestimmt vielen frauen so, man hat da so einen 4-6kg-trumm in den händen (ein paar leute haben ihre bässe gewogen, hier), und so eine unbewusste korrelation von qualität und gewicht hindert vielleicht einige mädchen daran, einfach mal anzufangen, in diesen testrunden in den musikschulen.
so jedenfalls kann man es auch machen.
mir sind ein paar gitarren in die hand gedrückt worden, als ich auf die frage you playin? mit yes geantwortet habe, noch bevor ich but not really good hinterherschieben konnte. vielleicht zeigt sich in all dieser freundlichkeit auch eine zuwendung an die frauen im publikum, die ich als ermutigend wahrgenommen habe, so ein „mach einfach!“.
das hat auch eine der wenigen frauen aus der zunft gesagt, mit sehr edlen spanischen flamencogitarren, als ich ihr meine faszination fürs gitarrenbauen erzählt habe.
monica esparza kommt aus californien, betreibt ihr handwerk allerdings schon sehr lange und hat bei den meistern des faches gelernt. das immer-anfangen-können bezieht sich meiner lebenserfahrung nach eher auf hobbys (in unserem gespräch auf den tennis), nicht auf jobs für den broterwerb, aber wer weiß, mit dem nötigen ehrgeiz kann man bestimmt auch als erwachsener eine so hohe kunst erlernen, anders als beim lernen von instrumenten beginnt so ein beruf ja sowieso erst im erwachsenenalter. mir fehlt leider jeder ehrgeiz. ich mag das praktische lernen auf dem feld (wie bei meiner hundegeschichte), auch das langsame lernen, und kann den weiten weg erahnen, bis diese perfektion möglich wird. schaut, wie schön diese instrumente sind.
linda manzer war mit ihren gitaren auch dabei, sie hat für pat metheny gebaut, der mich in den achtzigern begeistert hat, und julan lage (für den ich ja grade schwärme, wie ihr wisst) spielt auch eine gitarre von ihr, eine sehr nette koinzidenz. ich hab es übersehen und sie nicht wahrgenommen, wirklich sehr schade. das waren bestimmt die aufregendsten gitarren, die ich nicht gesehen habe auf der messe.
unter all den anderen fiel meine entscheidung bestimmt deshalb so leicht, weil mein urteilsvermögen wegen bz-chaos bisschen eingeschränkt war. das hirn arbeitet dann ökonomischer und reagiert eindeutig auf schlüsselreize, schönheit kommt mit leichtigkeit durch alles durch, genau wie espresso. wie gehabt bei den e-gitarren also das design und der charme der gitarrenbauer. immerhin nicht mehr nur die blauen wie auf der show vor zwei jahren.
platz 3
auf platz 3 meine lieblings- e-gitarre. habe sie nur bewundert, nicht gespielt. sie hat mit kupfer oder kupferpigmenten eingelegte zierlinien, wie blätter mit adern, ärgere mich, sie nicht einfach getestet zu haben, in so einer schallschutzkabine hört ja schließlich niemand zu. der gitarrenbauer mete cem kuzu (novacorda heißt seine werkstatt) wollte sie mir auch sofort in die hand drücken, eine hand an der gitarre, mit der anderen schon auf die kabinen zeigend, in denen man ohne lärm und ablenkung von außen die instrumente ausprobieren darf, aber ich hab eine ausrede benutzt und abgelehnt. unter 2000€ kosten seine, das ist weniger als die im schnitt um 1-2000€ teureren der anderen meister, er hat auch ein paar modelle unter tausend euro, für leute wie mich sozusagen.
ich rede eine weile englisch mit ihnen, bis seine frau erzählt, sie wären in berlin geboren, hätten die letzten jahre in istanbul gelebt und würden das land jetzt wieder verlassen, um sich hier im umland anzusiedeln, mit haus, scheune und werkstatt. im katalog wird er der „reisende gitarrenbauer“ genannt, vor istanbul waren sie in ghana, jedes land mit eigenen herausforderungen. die beiden haben bestimmt viel zu erzählen, so menschen, mit denen ich gern ein bier getrunken hätte.
platz 2
platz zwei teilen sich eine akustische und eine halbakustische. wie vor zwei jahren haben mich die gitarren von rosie heydenreich begeistert, sie bekommt die erste hälfte von platz 2.
perfekt, oder? sie hat hoffentlich viel verkauft auf der messe, bei ihr sassen ständig leute und haben gespielt. habe nicht mit ihr gesprochen, sie hatte einen tisch ganz vorn am eingang und hatte dauernd richtige kunden. das holz auf dieser o118 stammt von einem baum, der in deutschland als zimmerzypresse verkauft wird, in californien (laut wikip) aber als eine der größten zypressenarten gilt – so kanns gehen. die maserung sieht nach einem größeren holzstück aus, so regelmäßig und grade.
die zweite hälfte von platz 2 bekommt dieses nur 1,3kg schwere schmuckstück. sie wurde mir auch sofort nach meinem gehauchten „yes“ in die arme gelegt, ich wollte gar nicht richtig zugreifen. ich mag diese hohlkörper-elektrischen lieber als die massiven, man sieht mehr holzarbeit, und sie ist kaum schwerer als ein liter milch, mit dem man ja durchaus tanzen könnte. wunderbar gearbeitet, sie klingt auch ohne kabel schon, wenn sie auch einen tick zu schön geraten ist, ein bisschen mehr objekt als instrument, wenn auch noch auf der musikseite (es gibt auf der messe sehr viele reine kunstobjekte mit unglaublich aufwändigen oberflächen).
kaz goto ist ein sehr freundlicher mensch. die frau, die sofort nach mir eine gitarre bekam, konnte sehr gut spielen, sie war über das geringe gewicht genauso verblüfft. auch so ein vorurteil über e-gitarren, das restlos aufgehoben worden ist, bei diesen instrumenten kann die gesamte körperenergie ins spielen gelenkt werden.
platz 1
auf platz 1 das schönste instrument. es war in jeder weise sicher vor mir, nämlich bereits verkauft. ihr holz hat mich bisschen verzaubert, konnte gar nicht wegsehen. vollkommen makellos. walnuss, sagt der englische luthier, james swannell, die seiten der gitarre haben eine wunderschöne und sehr elegante maserung. ich frage ihn, wo er das holz gefunden habe, er: auf ebay! musste ich lachen und bin mir ziemlich sicher, dass er in wirklichkeit „not on ebay“ gesagt hat. (niemals ironisch sein mit damen mittleren alters, die hören nicht mehr so gut) es stammt aus der umgebung seiner werkstätte in cambridge, aus einem projekt, in dem nach einem ersatz für das gefährdete und mittlerweise fast ganz verbotene tonholz aus den tropischen wäldern gesucht wird. die menschen lieben dabei das aussehen fast mehr als den klang, wie blindversuche gezeigt haben. swannell erschafft (wie die meisten seiner kollegen) mit verfügbaren hölzern aus nachhaltiger wirtschaft so viel schönheit, dass ich den namen brazilian rosewood grad erst neu googeln musste, man denkt nicht mehr daran.
die gitarre im bild unten hat einen wirklich wunderbaren farbverlauf über seiten und rücken. sowas entsteht durch den kontakt des holzes mit torf, wenn ich ihn richtig verstanden habe, es reagiert darauf mit einer art schatten, einer leichten oxydativen verfärbung, die fast wie ein natürliche maserung aussieht. habe eine weile herumgestanden und draufgeguckt, sie hat mich ruhig und zufrieden gemacht dabei. alles ist richtig an diesem instrument.
das besondere dabei ist die graduelle veränderung, es gibt ja auch sonst in der maserung helle und dunkle stellen, aber dass diese wechsel hintereinander insgesamt eine verschiebung ins hellere oder dunklere ergeben ist ein geschenk an mein schönheitsempfinden. (hatte keine kamera dabei, daher macht das hallenlicht die farben etwas mau.)
james swannell hat sie kurz für mich gespielt, ein klarer und tragender ton, trotz menschengewusel. durch die körperform transportieren sie den klang nach vorne, sagt er, wie ein kleiner edler lautsprecher. sie hatte eine form wie die gitarren um die vorletzte jahrhundertwende herum, eher zierlich, mit deutlicher taille, eine parlour.
nächstes jahr werde ich mal so tun, als ob ich kaufen wollte, und eine weile lang allein sein auf der welt mit einem solchen instrument. und ja, selbstverständlich übe ich ab heute wieder täglich, mindestens.
zum schluss noch ein paar eher verspielte sachen. es gab sehr, sehr viel mehr davon, da müsst ihr halt selber hingehen nächstes mal.
epoxydharz und holz! sowas verrücktes. gebaut von mike payne von stone wolf guitars.
vice brekalo von vice guitars mit alu-gitarren. er will einfach weiterdenken und etwas neues versuchen, sagt er im gespräch. sie sehen toll aus, ich mag den kupferschimmer unter der decke. wie mit vielen habe ich erst ein paar minuten englisch geredet mit ihm, bis er mir erzählte, er sei aus münchen.
rikkers guitars baut „in the north of the netherlands“ gitarren wie bäume aus holz, sehr faszinierend und vollkommen überraschend. die rundungen erinnern an kinderspielzeug, man will das holz anfassen.
anders überraschend sind die werke von brunner guitars, er hat eine gitare mit eingebauter harfe mitgebracht, hab sie auch gehört, sehr toll, mit dem gelegentlichen plong-plong, wenn der spieler die basssaiten benutzt. jemand hat erzählt, wieviele kilos druck auf dem steg sitzen bei sovielen saiten, habs vergessen, ob es soviele sind wie bei 12saitigen?
ups, diese hab ich gar nicht gehört, die hat ja noch mehr saiten, sondern eine ganz andere harfengitarre. es gibt mehrere bauer von harfengitarren, das ist eine gute nachricht. die unten ist von laetsch guitars und wird gespielt von markus puetter, den ich im netz nicht als musiker gefunden habe.
hier habe ich nicht mehr nachgefragt sondern nur geknipst.
die löcher sehen aus, als hätte der klang sich halt sehr dringend den besten weg an die luft gesucht. der mann hat auf seiner seite eine wirklich beeindruckende menge schöner gitarren.
diese fröhlichen bunten gitarren von spalt instruments:
oder diese mit feinsten inlays im schalloch, fast rokoko, von h guitars:
zum abschluss noch canvas mit bambi bei peter malinoski:
es ist eine offene kunst, man kann eigentlich machen, was man will, bei e-gitarren.