7. august 2025, locarno

heute noch mal filmfestival, und ich dachte bis zum aufstehen, mein erster film sei um 11 uhr, dann sehr erleichtert, dass es 14:30 ist. gemütlich hingefahren, in der stadt wieder 15 minuten hin- und her, bis ich mein ziel gefunden habe, google maps zeigt einfach alle strassen in der nähe grün an, also als meinen weg, dann 15min verloren, um eine neue parkapp zu installieren (4sfr für 6h scheint mir absolut angemessen).

(achtung, es folgen spoiler)

zum glück haben sie mich trotz verspätung noch ins proppevolle riesenkino gelassen, für das kurzfilmprogramm mit bleifrei 95, randaghi, l’avant-poste 21, primera enseñanza.

bleifrei war angemessen deutsch-finster, junge frau hat dauernd sex, mit ihrer freundin und deren mutter, empfindet das als grenzüberschreitung, fühlt sich benutzt, hat auch sex mit leuten, bei denen sie nur kurz mitfährt, geht dann zur bachelor-party ihrer freundin. neben mir im kino ein älteres paar, sagt „diese zeiten sind sehr lange her bei mir“ und geht dann, bei mir auch eher ochnööö, empfinde den gezeigten spannungsbogen von „wir zeigen alles, und unsere protagonisten leiden darunter“ als hm, spießig? jedenfalls deprimierend.

genauso wie der folgende animationsfilm, der auch zwei punks als hauptfiguren hat, die sich begegenen, herumfahren, wieder verlieren, von bösen wölfen zerrissen werden, dann relativ unvermittelt als elegante katzen wiedergeboren werden. mochte aber das dichte feld, in dem die handlung stattfand, und die vespa, auf der die figuren herumgefahren sind.

danach l’avant-post 21, zeigt drei junge frauen auf engem raum miteinander, auch wieder sex ohne grund (sollte ja im leben eigentlich ein normalzustand sein, mich nervt das nur wegen meiner komplettverdrängung, da single, daher hab ichs in filmen lieber hergeleitet oder plotbedingt), eindruck einer besonderen situation, sie machen party, bis der nachbar klingelt, was sie denn machen würden, es sei mitten in der nacht, darauf die eine: „sie hat einen abort“. die frau setzt sich aufs klo, die freundinnen dicht dabei, der abbruch wird ein bisschen wie eine geburt gezeigt, mit drücken und schmerzen etc. den film mochte ich sehr, er zeigt, was sache ist, zeigt die gemeinschaft der frauen und schafft es dabei, den abgegangenen embryo in einer kleinen von den frauen improvisierten zeremonie zu begleiten.

bei primera esenañza hören wir eine gruppe von mädchen bei einer gesangsstunde, eine bekommt von einem arzt ein sprech- und singverbot, um knötchen von den stimmbändern zu heilen, daraus ergibt sich dann eine beklemmende situation. bin vor schluss gegangen, wollte zum nächsten film.

danach nur 500m bis zum nächsten kino, wo sehnsucht in sangershausen läuft. episodenfilm, die protagonistinnen finden alle einen blauen stein, den sie hochheben und bei sich behalten, haben alle eine offenheit für das besondere im alltag, sind beweglich im geiste, obwohl ihr umfeld die bewegung ignoriert oder nicht darauf eingehen will, weil die kontaktaufnahme eine grenze überschreiten müsste, der klasse, des interesses, der aufmerksamkeitsökonomie. beginnt mit einer szene im 18. jh, wo ein dienstmädchen in ihrer freizeit gezeigt wird, sie findet einen stein, wir erfahren, dass sie bei herrn novalis arbeitet. die nächste szene spielt in der neuzeit, eine junge frau arbeitet als putzfrau und kellnerin, dabei begegnet sie einer band, begleitet die sängerin einen tag, schenkt ihr einen gefundenen stein, bietet zeit und ein auto, wird nicht wahrgenommen oder erinnert von der band. in der nächsten episode geht es um eine junge frau aus afghanistan, aber da bin ich weg, wollte zum nächsten film. fand den film sehr/zu leise und poetisch in seinen aussagen, bin mir nicht sicher. es ist mir leicht gefallen, früher zu gehen, ich war nicht richtig drin, es blieb abstrakt, mehr ein film über als ein film, mehr schreiben über als schreiben, ich bin da empfindlich.

dann spaziergang zurück zur piazza grande, wollte mir einen stoffbeutel kaufen, es gab (an tag 2 von 12) aber keine mehr, hab danach ü-ber-all leute mit diesen beuteln gesehen. man kann sie im onlineshop kaufen, muss dann aber 20€ fürs versenden zahlen, mehr, als für post aus den usa, die haben echt eine meise. hole mir eine pizza und eine cola light, spaziere noch ein bisschen herum.

dann ins nächste große kino, um legend of the happy worker zu schauen, von dem ich nur wusste, dass colm meaney mitspielt, den ich ja sehr schätze. sehr besonderer film, ich glaube, eine art metropolis des 21. jh. eine parabel, ein kinderbuch, ein western, of all things, aber das passt sehr gut, wie im western wirken gut und böse klar unterschieden, aber weil wir ja in der gegenwart leben, verläuft die grenze im film nicht zwischen gut und böse, sondern zwischen oben und unten, buchstäblich, und zwischen nicht wissen und wissen.

über mehrere generationen wird ein loch gegraben vor den malerischen felsen arizonas in utah, immer weiter, immer tiefer, die arbeiter glücklich und selbstbewusst als „good digger“.

der herr der unendlichen baustelle lebt oben in seinem büro und ist nur sich und den seinen verpflichtet, seinem großvater, dem vater, „me“. er besucht seine vielen arbeiter und lässt sich täglich von ihnen bestätigen, wie gut es ihnen geht, wie glücklich sie sind, im film sehr schön opernartig gelöst, er ruft runter, die arbeiter antworten im chor.

das system kommt kurz durcheinander, als ein alter mann, am ende seiner lebensarbeitszeit, eine frage hat, die nie jemand gestellt hat. er bittet einen jungen kollegen, dem chef diese frage zu stellen, und wir sehen, wie schwer dieses fragen fällt, der held braucht mehrere anläufe dazu, die frage ändert sein leben, nicht das des ersten fragenstellers, des alten mannes, der ein leben gebraucht hat, verbraucht hat, um sie stellen zu können, ihr seht, ich bausche etwas auf, es ist die sinnfrage, reduziert wie alles in diesem film: „why?“, und zack, ist die vierte wand im spiel. fand den film sehr mutig in seinem so klaren aufbau, es ist eine art kinderfilm für erwachsene, er hat etwas von den alten cartoons. bild und plot als perfekte entsprechung. und ja, es ist natürlich die frage aller fragen, egal, was man so tut im leben. sogar t…p könnte den film verstehen.

colm meaney spielt den bösewicht im film, er kommt mit einem wunderbar röhrenden riesigen alten auto vorgefahren, ist der onkel der hauptfigur, und will mehr, mehr von allem. er setzt riesige bagger ein, die das loch immer tiefer graben können, und der held muss dann alle entlassen, weil niemand so schnell graben kann, aber zum glück endet der versuch bald, und alle arbeiten weiter wie gewohnt.

regisseur duwayne dunham war da, auch der produzent und die schauspieler*innen waren für ein q&a am ende mit auf der bühne, der film war wohl ein jahrzehntelanges projekt aller beteiligten. dunham hat ein paar episoden von twin peaks gedreht und ist über seinen kontakt zu david lynch an einen einakter von s.e. feinberg gekommen, aus dem das drehbuch entwickelt wurde. aus dem hollywoodreporter, dort noch mehr zur fimgenese, inclusive interview mit dunham.

fand es lustig, dass der kameramann ein namensvetter von reed smoot ist, der 30 jahre lang als senator für utah eingesetzt war.

bin mit einem meter abstand an herrn meaney vorbei gelaufen, das war sehr aufregend, hab ihn aber natürlich nicht angesprochen. mir ist die beste frage für das q und a nach dem film ja auch grad erst beim schreiben eingefallen, nach dem bezug auf metropolis hätte ich sonst gefragt, und herrn meaney nach dem auto.

der große ist mit mehrstündiger verspätung wieder in trier angekommen, nach mitternacht, ich merke: niemand hat damit gerechnet, dass er mit der bahn pünktlich kommt, er nicht, ich nicht, die bahn selber wahrscheinlich auch nicht. niemand.

bei der bahn gilt es erst ab 5 minuten als verspätung, und fahrgäste dürfen erst ab einer stunde verspätung 25% ihres tickets reklamieren, ab zwei stunden 50%. es ist alles unfassbar. in italien sind 90% der züge pünktlich.

heute heulen dauernd flugzeuge über den see, es hört sich an, als fällt uns gleich der himmel auf den kopf.

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