blätter

seit einer woche liegt auf meinem esstisch ein großer dicker bücherstapel, von gregorzwilling dort deponiert, bewegen verboten, er sollte nämlich „blätter pressen“ für die wände seiner klasse. gestern abend will er die blätter in die schultasche umpacken, aber sie sind verschwunden, ins nichts, kein blatt weit und breit. große dicke tränen bei gregor, kummer bei mir, langes durchforsten aller umliegenden dicken bücher, ich überlege schnelles diskretes blattholen vom platz, da steht eine wunderschöne rote eberesche, und man kann sie ja notfalls trockenfönen, oder? was waren das denn für blätter, frage ich, völlig ratlos ob ihres verschwindens, ganze oder stückchen, große oder kleine? „ganz normale“ sagt das kind, noch immer unter tränen und sehr traurig, „so rechteckige. aus deinem drucker.“

war die lehrerin wohl nicht deutlich genug.

(heute das dritte mal fürs fernsehen befragt worden. die 15 min endlich abgehakt, oh my, nicht mein bier. beim ersten mal war ich ganz jung und revolutionär, beim zweiten mal war ich total entspannt, guckt eh keiner, den du kennst, dachte ich, diesen irrtum kennt man ja schon vom internet, das heute wird zum glück nicht in d gesendet, mein italienisch war heute nämlich furcht-bar. zweimal rai, einmal rbb, das ist im grünen bereich. hauptsache ich muss das niemals angucken. kein bühnenmensch gewesen jemals.)

option 1

in letzter zeit ein paar mal anderen und über diesen umweg auch mir meinen merkwürdigen status versucht zu erklären: in einer affäre, aber trotzdem noch operativer single. mir selber scheinen ganz pragmatisch die lebensumstände von größerer relevanz als die gefühlslage, die genauer zu ergründen kaum lohnt bei dieser abmachung, ja aber ist es denn eine abmachung, das bis-hier-und-nicht-weiter, oder doch einfach die erkenntnis, dass diese art liebe nicht reicht für diese art leben, eine ins faktische versteckte einsicht? oder wächst liebe erst gar nicht, wenn die überzeugung so fest ist, es gäbe keinen platz für sie?– es glatt auslaufen lassen, keine widerhaken ausfahren, den herzenshunger auf die beziehung unberührt lassen, der ist nicht gemeint hier, und trotzdem schmeckt es großartig. aber die gefühle! sagen die freunde, ich könnte das nicht, wie soll das gehen, du wirst dich verlieben! nein, sage ich, oder ja, warum auch nicht, es gibt seit dem aufkommen der liebesheirat so eine romantische vergötterung der liebe als einer himmelsmacht, vor der man sich immer gleich platt auf den boden werfen muss, dabei hat sie doch ohne die elemente dauer, alltag und gegenseitigkeit kaum verankerungen im realen. sie geht wieder weg.
das herz schwankt kurz und man schließt die augen, weil das gesicht des anderen plötzlich präsent scheint, mit der wärme und der nähe und mit diesem blick, ja, es wird blaue flecken geben, vielleicht auch größere. ich habe sowieso klarere erinnerungen an den umgang mit liebeskummer als an den mit der liebe, sie sind abrufbarer und haben einen rezeptregister eingebaut, whisky, schokolade, freundinnen, neue männer.und dann sagt der teil von mir, den ich als schöner und stärker imaginiere: ja, aber es hat funktioniert! die maschine ist aus, die immer die projektionen macht, der mann ist bald weg und du glaubst ihm, dass er das will. es könnte klappen. über die keimende melancholie total erleichtert sein, sonst wäre diese effizienz doch erschreckend. (neulich eine alleinerziehende mutter auf dem schulweg, als ich ihre organisation bewundere: „ja aber will ich das später sagen von meinem leben: es war gut organisiert?“)
verdacht: mit traumwandlerischer sicherheit von eigenen bedürfnissen absehen, weil sie einem so unrealisierbar scheinen, aufgegeben haben, erleichtert sein darüber, dass das kämpfen nicht lohnt. ich kenne diesen blinkenden funken auf der rückseite der logistik genau: die angst, das es doch nur darum gehen könnte, nicht genug geliebt zu werden. die unruhe, ob man selber noch so richtig lieben kann, ob man nicht doch wie früher sich werfen sollte in die unvernunft, ohne seil und notfalls ohne den anderen. ob man liebe noch übersetzen kann in den alltag. mit dem blinken prima leben können, es für menschlich und nicht für neurotisch halten. überhaupt eigentlich ein prima leben haben.
aber.

 

Kommentare:

kittykoma – 12. April, 23:22
mit der liebe und der nähe der kinder liebt es sich unabhängiger. das macht stark, aber es ist irgendwann vorbei, wenn die kinder aus dem haus sind. die gefahr besteht, dann plötzlich ganz verletzbar zu sein.

Casino – 13. April, 09:16
das stimmt! noch nie so drüber gedacht, dank. dann hab ich noch 10 jahre spielwiese, das wäre doch schön. und so als coole fuffzigerin ist dann hoffentlich die hornhaut perfektioniert und der bedarf sublimiert, es gibt dann bestimmt auch weniger gelegenheiten für diese art von verletzungen – man könnte dann kurze fast weiße haare tragen, wieder rauchen, yoga machen und ein flacheres auto fahren als jetzt.

slowtiger (Gast) – 13. April, 21:34
In 10 Jahren kannst du dann diesen coolen Filmemacher besuchen, der dir immer Spaghetti kochen will.

Casino – 14. April, 08:13
Gut, er hat ein Date.

jorge (Gast) – 14. April, 17:43

alles kommt zu der, die warten kann

@casino: ich kann dir versichern, dass coole fünfzigjährige zwar tatsächlich oft graue kurzhaarfrisuren tragen und u.U. etwas flachere autos bewegen und über etwas mehr freiraum, als mit 30, verfügen – die idee, dass dann hornhaut auf der seele und die sublimierung von bedürfnissen angesagt sind, kann ich aus eigener lebenserfahrung absolut nicht bestätigen … wait and see 😉

es wird allerdings auch nicht leichter, die liebe und die tatsache, dass man sich doch immer wieder platt auf den boden wirft.
no fear – vernunft ist wichtig, aber es ist auch noch niemand an einem aufschluchzen gestorben.
jede liebe zählt.

Casino – 15. April, 06:47
oh mann. ich hatte echt gehofft, dass es irgendwann mal aufhört. in meinem alter sollten leute angekommen sein und nicht mehr so auf der suche. (sorry. aber danke für dein kompliment)

kid37 – 15. April, 10:04
(Manchmal denke ich, der Glaube ans „Ankommen“ ist wie „Hoffnung“ nur eine weitere Plage aus Pandoras Büchse.)

jorge (Gast) – 15. April, 17:49
@kid: genau das glaube ich inzwischen auch

jorge (Gast) – 14. April, 23:12
ach ja, auch beim fünften durchlesen wieder erkannt, wie ehrlich du bist in der selbstanalyse und im niederschreiben der gefühle und fakten, so präzise.
du schreibst so gut und so berührend, darf ich doch sagen, oder?

 

 

Leben, Tod, und der Weg drumrum

Schulkind Elias neulich: Die Sonne explodiert auch mal und dann irgendwann wird sie ein schwarzes Loch mit Anziehung, man sieht das nicht und kommt nie mehr raus.
David: Ja, aber früher war das Loch zu, und Luft war drin.
Elias: Aber dann ist es für immer offen und verschluckt alles, auch die Luft.
David (bricht in Tränen aus): Ich will nicht sterben, ich will nie sterben.

Sehr lang gebraucht, um ihn zu trösten, vor allem wegen meiner Aussage, dass jeder mal sterben wird. Sind halt immer nur ein paar Sätze zwischen seiner Angst und dem Schluss meiner Rede …und dann erst, viel später, wirst du irgendwann sterben (David, Wallace/Gromit-erprobt: Ich erfinde eine Hose, in der man nicht sterben muss.)

Dann, heut abend, bei Lektüre eines der mitgebrachten Bücher (Bibelgeschichten in der Malerei, oder so, Kunstgeschichte für Kinder): Gott ist aber schon alt.
Ich: Äh, ja.
David: Und die Bilder sind auch schon alt.
Ich: Ja, über 400 Jahre alt.
David: Dann stirbt Gott nie?
Ich denke Mönsch, wat kaufste auch so Bücher und weiß nicht weiter.
Elias: Ja, der lebt ewig, aber nur, wenn du an ihn glaubst.
David: Ich werde Gott, wenn ich groß bin.
Gregor: Ich auch.
Elias: Ich werde Bauarbeiter.

Also, das wird noch heiter.

with love

gestern trotz letzter sommerwärme ins kino gegangen, to rome with love angesehen – der saal war fast ausverkauft, den dritten abend hintereinander. die leute haben es geliebt, es wurde die ganze zeit gelacht und gegluckst, überall lächelnde gesichter beim rausgehen. ich habe fünf! freunde und bekannte getroffen. woody allen, der alte ganove. film ist ein bisschen weise und ziemlich aberwitzig blödsinnig, auf eine souveräne is-jetzt-auch-egal-weise. schöner film. ich liebe natürlich rom, da ist mein vater aufgewachsen, da lebt meine schwester, es ist ein sehnsuchtsort der art, wo man niemals hinziehen wird.