eben so einen heiteren ich-kann-mein-leben-ändern moment gehabt. sass mit schwerem husten auf einem sofa in einem großen zimmer, vor mir im kreis sitzend vielleicht 30 menschen, die gastgeberin am klavier, alle mehrstimmig singend, gekonnt, entspannt, aber sicher. alles voll mit kindern, sechs davon gehören zur gastgeberfamilie, drei von ihnen spielen auf ihren instrumenten noch etwas vor, überall musik, auf eine gleichzeitig weltferne und sehr beständig immanente art, die menschen sind bewandert in musikalischer literatur, auch dort ganz selbstverständlich belesen. ich konnte wegen krankheit nicht mitsingen und durfte zuhören, da hab ich erst gemerkt, wie schön das eigentlich ist. alles chorsänger wahrscheinlich, und solche wie ich, die ihren alt nicht fehlerfrei vom blatt singen können, haben die noten vorher gekriegt. die verantwortung, sowas selber in den händen zu haben mit den eigenen kindern, die ja zum glück alle schon was spielen, aber es wird mehr musik hier geben in zukunft, irgendwie und irgendwann, harhar, ich muss unbedingt im lotto gewinnen. (motto: es einfach tun)

hits

(hier hatte ich glaube ich überhaupt niemals 1000 hits an einem tag – twoday fühlt sich jetzt ganz kuschlig an, man kennt praktisch jeden, der ins haus kommt, und kann einfach weiterplaudern, während diese rbb-geschichte ein bisschen mehr welt hereinlässt. das internet urbar machen, in dem man es vermenschlicht, ihm gegenden, nähe oder ferne zuschreibt, wohl in der hoffnug, es gäbe außer den mechanismen des bekanntwerdens auch noch die alte magie des kennenlernens)

jack

mehr leichtigkeit bitte, sagt man sich, beim wegzählen der stressfaktoren, alles wichtige ist doch schon erledigt, von dem was bleibt, ist alles im üblichen rahmen, dann müdigkeit und bisschen frust beim denken an den rahmen, aber nix davon ist übermässig viel, nur das alleinverantwortete macht die dinge etwas bleiern, je nun, das geht millionen alleinlebenden ebenso, die essen dann käsebrote, wenn sie nicht kochen wollen, und gehen aus oder ins internet, in ruhe, und es ist ja auch eine gute erholsame ruhe, wenn man allein ist mit seinen verantwortungen, ich denk dann immer: nicht noch mehr bedürfnisse von noch wem erfüllen müssen, einfach herumliegen und vom erschöpftsein in den tiefschlaf rutschen, herrlich, und ich mag mein bett auch so, mit büchern, dvds und zeitungen gefüllt. die jungs meckern bei käsebroten auch nicht, eigentlich, ich könnte also einfach einen gang runterschalten, wenns mal zuviel wird, stattdessen herzdrücken und dieses leise rauschen im körper, wie ein kurz aufleuchtendes stopschild, an dem man schon vorbeigefahren ist, weil was ist schon ein stopschild auf einem waldweg, wenn man ein ziel hat.

morgen früh kommt übrigens endlich mein hund, und außerdem ein kamerateam von einer produktionsfirma, die für den „ratgeber gesundheit“ die ausbildung von jack beobachten will. befreundete journalisten sagen mir jetzt, dass man sich nie, unter keinen umständen, das fernsehen ins haus holen soll, aber das hier ist wichtig: kein mensch kennt diabeteshunde. sie können vor allem diabetischen kindern und ihren familien das leben ungeheuer erleichtern, und ich spreche aus eigener erfahrung, mit der erinnerung an meine mutter, die in den endsechzigern diese damals noch schlechter zu kontrollierende stoffwechselkrankheit ihrer tochter bewältigen musste, und die ihre gerechtfertigte angst mit überfürsorge und kontrollversuchen verarbeitet hat.

nagut, vielleicht hätte ein interview genügt?

jedenfalls muss ich jetzt auch noch aufräumen und saubermachen heute.

– 3 1/2 wochen

in der pferdebox wuseln 7 kleine, kleine hundewelpen alle durcheinander. ich will mal gucken und schauen, ob mir einer der kleinen auffällt, aber ich kann sie nicht einmal auseinanderhalten. man liest ja immer, so auf den hundeseiten im netz, dass die leute ihren hund einfach so herausfinden können, mei, aber kann ich das? die hier sehen sich dermassen ähnlich alle! dann finde ich erstmal die super, die von sich aus auf mich zu stürmen – das tun alle, also die schnellsten – aber welcher war das noch? schon liegen alle über- und durcheinander vor meinen knien und lassen sich streicheln. die züchterin hat sich einen schon ausgeguckt, der für meine zwecke geeignet sein könnte, aber sie sagt natürlich nix, setzt sich in den hintergrund und wartet ab. nach zehn minuten sind alle hunde pötzlich sehr müde und schlafen innerhalb von 2 minuten ein, wie umgepustet, ineinander gekuschelt, einer auf meinen beinen, zwei auf den schuhen, der rest in einem knäuel daneben. bin sehr beeindruckt. nach einem kaffee und vielen beantworteten fragen gehen wir nochmal in den stall, wieder aufregung und welpensalat. ich locke sie und spiele mit ihnen, irgendwann macht etwas in meinem bauch ganz überraschend pling, ohne jede verstandeseinwirkung, ich zeige auf das tier – die züchterin sagt ja, genau den hätte sie sich ausgeguckt. es ist nicht der, den ich am schönsten finde, die intuition ist scheints ein geheimnisvolles organ, das viel schneller gucken kann und anderes sieht als die ganze frau casino.

bei den namen hab ich jumper jack, johnny oder jesse james zur auswahl. bei jack denke ich an den sehr tollen naturburschen aus men in trees, jesse war doch ein gangster? – und johnny ist eigentlich nur herr häusler, aber den sehe ich sehr selten. vorsichtshalber mal nachfragen, ob ich einen hund nach ihm benennen dürfte.

davidzwilling

davidzwilling hat wieder gebrüllt. diesmal hat er mit kleinem lego ein raumschiff bauen wollen, welches aus physikalischen motiven, also absolut in stein und zeit gemeisselten unveränderbaren kausalitäten, nicht so halten konnte, wie er es bauen wollte. es fiel auseinander, notgedrungen, immer und immer wieder, das kind unerreichbar in seiner entschlossenheit, das es trotzdem halten soll. „soll ich dir helfen?“ „nein! geh weg!“ das ist derselbe zwillling, der ab und zu weint, weil er nicht sterben will, niemals. ich habe seine wut als eine art stellvertreterwut begriffen, auf die dinge, die er nicht ändern kann. ich finde die wut richtig. ich hätte wahnsinnig gerne mitgebrüllt, wegen dem leben, aber ich habe mich nicht getraut.

blätter

seit einer woche liegt auf meinem esstisch ein großer dicker bücherstapel, von gregorzwilling dort deponiert, bewegen verboten, er sollte nämlich „blätter pressen“ für die wände seiner klasse. gestern abend will er die blätter in die schultasche umpacken, aber sie sind verschwunden, ins nichts, kein blatt weit und breit. große dicke tränen bei gregor, kummer bei mir, langes durchforsten aller umliegenden dicken bücher, ich überlege schnelles diskretes blattholen vom platz, da steht eine wunderschöne rote eberesche, und man kann sie ja notfalls trockenfönen, oder? was waren das denn für blätter, frage ich, völlig ratlos ob ihres verschwindens, ganze oder stückchen, große oder kleine? „ganz normale“ sagt das kind, noch immer unter tränen und sehr traurig, „so rechteckige. aus deinem drucker.“

war die lehrerin wohl nicht deutlich genug.

(heute das dritte mal fürs fernsehen befragt worden. die 15 min endlich abgehakt, oh my, nicht mein bier. beim ersten mal war ich ganz jung und revolutionär, beim zweiten mal war ich total entspannt, guckt eh keiner, den du kennst, dachte ich, diesen irrtum kennt man ja schon vom internet, das heute wird zum glück nicht in d gesendet, mein italienisch war heute nämlich furcht-bar. zweimal rai, einmal rbb, das ist im grünen bereich. hauptsache ich muss das niemals angucken. kein bühnenmensch gewesen jemals.)

option 1

in letzter zeit ein paar mal anderen und über diesen umweg auch mir meinen merkwürdigen status versucht zu erklären: in einer affäre, aber trotzdem noch operativer single. mir selber scheinen ganz pragmatisch die lebensumstände von größerer relevanz als die gefühlslage, die genauer zu ergründen kaum lohnt bei dieser abmachung, ja aber ist es denn eine abmachung, das bis-hier-und-nicht-weiter, oder doch einfach die erkenntnis, dass diese art liebe nicht reicht für diese art leben, eine ins faktische versteckte einsicht? oder wächst liebe erst gar nicht, wenn die überzeugung so fest ist, es gäbe keinen platz für sie?– es glatt auslaufen lassen, keine widerhaken ausfahren, den herzenshunger auf die beziehung unberührt lassen, der ist nicht gemeint hier, und trotzdem schmeckt es großartig. aber die gefühle! sagen die freunde, ich könnte das nicht, wie soll das gehen, du wirst dich verlieben! nein, sage ich, oder ja, warum auch nicht, es gibt seit dem aufkommen der liebesheirat so eine romantische vergötterung der liebe als einer himmelsmacht, vor der man sich immer gleich platt auf den boden werfen muss, dabei hat sie doch ohne die elemente dauer, alltag und gegenseitigkeit kaum verankerungen im realen. sie geht wieder weg.
das herz schwankt kurz und man schließt die augen, weil das gesicht des anderen plötzlich präsent scheint, mit der wärme und der nähe und mit diesem blick, ja, es wird blaue flecken geben, vielleicht auch größere. ich habe sowieso klarere erinnerungen an den umgang mit liebeskummer als an den mit der liebe, sie sind abrufbarer und haben einen rezeptregister eingebaut, whisky, schokolade, freundinnen, neue männer.und dann sagt der teil von mir, den ich als schöner und stärker imaginiere: ja, aber es hat funktioniert! die maschine ist aus, die immer die projektionen macht, der mann ist bald weg und du glaubst ihm, dass er das will. es könnte klappen. über die keimende melancholie total erleichtert sein, sonst wäre diese effizienz doch erschreckend. (neulich eine alleinerziehende mutter auf dem schulweg, als ich ihre organisation bewundere: „ja aber will ich das später sagen von meinem leben: es war gut organisiert?“)
verdacht: mit traumwandlerischer sicherheit von eigenen bedürfnissen absehen, weil sie einem so unrealisierbar scheinen, aufgegeben haben, erleichtert sein darüber, dass das kämpfen nicht lohnt. ich kenne diesen blinkenden funken auf der rückseite der logistik genau: die angst, das es doch nur darum gehen könnte, nicht genug geliebt zu werden. die unruhe, ob man selber noch so richtig lieben kann, ob man nicht doch wie früher sich werfen sollte in die unvernunft, ohne seil und notfalls ohne den anderen. ob man liebe noch übersetzen kann in den alltag. mit dem blinken prima leben können, es für menschlich und nicht für neurotisch halten. überhaupt eigentlich ein prima leben haben.
aber.

 

Kommentare:

kittykoma – 12. April, 23:22
mit der liebe und der nähe der kinder liebt es sich unabhängiger. das macht stark, aber es ist irgendwann vorbei, wenn die kinder aus dem haus sind. die gefahr besteht, dann plötzlich ganz verletzbar zu sein.

Casino – 13. April, 09:16
das stimmt! noch nie so drüber gedacht, dank. dann hab ich noch 10 jahre spielwiese, das wäre doch schön. und so als coole fuffzigerin ist dann hoffentlich die hornhaut perfektioniert und der bedarf sublimiert, es gibt dann bestimmt auch weniger gelegenheiten für diese art von verletzungen – man könnte dann kurze fast weiße haare tragen, wieder rauchen, yoga machen und ein flacheres auto fahren als jetzt.

slowtiger (Gast) – 13. April, 21:34
In 10 Jahren kannst du dann diesen coolen Filmemacher besuchen, der dir immer Spaghetti kochen will.

Casino – 14. April, 08:13
Gut, er hat ein Date.

jorge (Gast) – 14. April, 17:43

alles kommt zu der, die warten kann

@casino: ich kann dir versichern, dass coole fünfzigjährige zwar tatsächlich oft graue kurzhaarfrisuren tragen und u.U. etwas flachere autos bewegen und über etwas mehr freiraum, als mit 30, verfügen – die idee, dass dann hornhaut auf der seele und die sublimierung von bedürfnissen angesagt sind, kann ich aus eigener lebenserfahrung absolut nicht bestätigen … wait and see 😉

es wird allerdings auch nicht leichter, die liebe und die tatsache, dass man sich doch immer wieder platt auf den boden wirft.
no fear – vernunft ist wichtig, aber es ist auch noch niemand an einem aufschluchzen gestorben.
jede liebe zählt.

Casino – 15. April, 06:47
oh mann. ich hatte echt gehofft, dass es irgendwann mal aufhört. in meinem alter sollten leute angekommen sein und nicht mehr so auf der suche. (sorry. aber danke für dein kompliment)

kid37 – 15. April, 10:04
(Manchmal denke ich, der Glaube ans „Ankommen“ ist wie „Hoffnung“ nur eine weitere Plage aus Pandoras Büchse.)

jorge (Gast) – 15. April, 17:49
@kid: genau das glaube ich inzwischen auch

jorge (Gast) – 14. April, 23:12
ach ja, auch beim fünften durchlesen wieder erkannt, wie ehrlich du bist in der selbstanalyse und im niederschreiben der gefühle und fakten, so präzise.
du schreibst so gut und so berührend, darf ich doch sagen, oder?

 

 

Leben, Tod, und der Weg drumrum

Schulkind Elias neulich: Die Sonne explodiert auch mal und dann irgendwann wird sie ein schwarzes Loch mit Anziehung, man sieht das nicht und kommt nie mehr raus.
David: Ja, aber früher war das Loch zu, und Luft war drin.
Elias: Aber dann ist es für immer offen und verschluckt alles, auch die Luft.
David (bricht in Tränen aus): Ich will nicht sterben, ich will nie sterben.

Sehr lang gebraucht, um ihn zu trösten, vor allem wegen meiner Aussage, dass jeder mal sterben wird. Sind halt immer nur ein paar Sätze zwischen seiner Angst und dem Schluss meiner Rede …und dann erst, viel später, wirst du irgendwann sterben (David, Wallace/Gromit-erprobt: Ich erfinde eine Hose, in der man nicht sterben muss.)

Dann, heut abend, bei Lektüre eines der mitgebrachten Bücher (Bibelgeschichten in der Malerei, oder so, Kunstgeschichte für Kinder): Gott ist aber schon alt.
Ich: Äh, ja.
David: Und die Bilder sind auch schon alt.
Ich: Ja, über 400 Jahre alt.
David: Dann stirbt Gott nie?
Ich denke Mönsch, wat kaufste auch so Bücher und weiß nicht weiter.
Elias: Ja, der lebt ewig, aber nur, wenn du an ihn glaubst.
David: Ich werde Gott, wenn ich groß bin.
Gregor: Ich auch.
Elias: Ich werde Bauarbeiter.

Also, das wird noch heiter.