es braucht ein dorf um ein kind großzuziehen, diese olle kamelle hab ich erst irgendwo in northern exposure kennengelernt, als ed mal wieder seinen vater sucht und stattdessen ein dorf bekommt, da war ich schon erwachsen, mag das bild seitdem. eine gruppe, ein netz, eine vielzahl an stimmen. so ein dorf hab ich für meine kinder seitdem gesucht, es sollte weder peergroup sein, noch irgendwas mit einem lehrplan, es soll da gar nicht um die kinder gehen, im idealfall sind sie einfach ganz selbstverständlich dabei. weil sie selber ja selber auch einfach da sind, in dieser zeit und dieser stadt, und so weiter.
für uns ist die kirche zu diesem dorf geworden, und in den jahren seit der konfirmation ist es der diakon paul beutel. die teenies kommen mehrfach in der woche zu ihm in die junge gemeinde und bleiben so lange, wie es geht und cool ist und bis der abend eben vorbei ist, und tag darauf kommen sie eventuell wieder, mal schauen, wer so da ist, und am wochenende macht einer von ihnen da eine party. wo seid ihr denn da? na bei paul! sagen sie.
es ist ja das alter, in dem die kids nicht mehr erreichbar sind, also im nicht metaphorischen sinne, sie sind halt woanders und gehen nicht ans handy. ich weiß auch nicht genau, was sie bei paul in seiner kirche so machen, hab gelegentlich nachgefragt: kickern, gespräche, fußball gucken, tischtennis, reden und chillen. essen und trinken. es hört sich an wie zuhause, das ist ein guter grund, irgendwo hinzugehen, wenn man da zu hause sein kann.
ohne paul wär das alles nichts. paul ist immer da, er wohnt dort, seine küche steht offen, er kocht und kauft ein und macht witze, sein haus ist ihr haus, er macht diesen ort und damit irgendwie die ganze kirche drumrum durchlässig für die vielen teenies und jungen menschen, bevor die zu leuten werden, groß sind und sich wappnen müssen für die welt, bei ihm brauchen sie das nicht, er lässt sie sein, wie sie sind. also vermute ich jedenfalls, ich war ja nie dabei, aber wenn er anders wäre, würden sie nicht so gern da hingehen, not? gibt es ein geheimnis, wenn die kinder zu einem kommen? mensch sein, hinhören, humor haben, pizza machen, er ist ihnen anker und leuchtturm, aber das pathos passt irgendwie nicht zu diesem mann, der eben einfach da ist und bleibt, rund um die uhr, wenn es mal sein muss und nur ein bisschen lächelt, wenn man sich bei ihm bedankt. seit 30 jahren.
und jetzt geht er, in ein kleines dorf im harz, und wird da pfarrer, ich würde seine predigten sehr gern mal hören, einfach, um ihn dann doch mal kennenzulernen. im dorf kennt man ja auch nicht jeden gleich gut, aber es war gut zu wissen, dass er da ist. alles gute, von herzen, und überhaupt.
Oh, das kenne ich, bei mir waren das damals die Jugend- und Kommunikationszentren: Haus der Jugend, Lagerhalle, und dieses namenlose Ding auf dem Ziegenbrink. Im ersten die Schmalfilm AG, in der Lagerhalle das Fotolabor, und auf dem Ziegenbrink eigentlich gar nichts, da haben wir ein wenig an Fahrrädern gebastelt. Und an jedem Ort gabs einen Sozialarbeiter, der das Ganze organisierte (nicht allein), und oft hing ich einfach nur im Büro rum und unterhielt mich und hielt diese Menschen stundenlang von der Arbeit ab. Heinz und Herbert, beide schon lange in Rente, Jahre später hab ich sie tatsächlich nochmal wiedergetroffen. Und Klaus, der die Schmalfilm AG leitete und bei dem ich oft zuhause war, Tabletop-Fotos machen, und zu seinem Nachbarn gegenüber gehen, der eine Böhm-Orgel hatte (CnT) und Holunderlimo ausschenkte. Das waren die 70er, ich weiß nicht, ob es solche Zentren heute überhaupt noch gibt, und ob welche neueröffnet werden.
Es gibt sie noch, Haus der Jugend, Jugendclubs, Mädchentreffs und wie sie alle heißen. Leider notorisch unterfinanziert mit unterbezahlten Sozialpädagogen die trotz allem einen super Job machen und jungen Menschen ein zu Hause bieten. Paul B. scheint allerdings eine Klasse für sich zu sein. Ganz Grossartig!
glaube ich auch. sie sind wirklich wichtig, aus vielen gründen.
genau solche leute. heinz, herbert und klaus (ist ja fast ein bandname) erinnern sich bestimmt auch noch an dich, könnt ich mir vorstellen.
ist KEINE olle kamelle! auch hier wieder sehr aktuell, sowohl migrationstechnisch, wie nativ.
ja, darum geht ja bei der flucht so viel verloren. man kanns nicht bewusst aufbauen, glaube ich, es muss einen anderen motor haben, neben dem erziehungsaspekt, etwas selbstläuferisches.
Da kann man das kleine Dorf im Harz nur beglückwünschen zu seinem neuen Pfarrer. Und der Jungen Gemeinde der Gethsemanekirche, dass Paul Beutels Nachfolger/in auch so einen guten Draht zu ihr findet.
das wünsche ich mir auch. die bewerbungen laufen noch, eine zeitlang wird es die pfarrerin jasmin el-manhy übernehmen.