spätnachmittags höre ich davidzwilling plötzlich leise vor sich hin weinen. „ich muss nochmal raus“ sagt er, will nichts erklären, und ist weg. ich schicke die anderen beiden hinterher, vielleicht hat er munition draussen verloren, es ist schon stockfinster, sie können ihm suchen helfen. sie finden ihn nicht, nicht im hof, nicht vorm haus, kein david. dem großen fällt dann die lösung ein: „wenn es so wichtig ist, hat er bestimmt etwas wertvolles verloren: seine zahnspange! nicht so doofe plastikmunition.“ ich nehme den anderen zwilling mit, der große soll stellung halten, wir gehen mit einer taschenlampe den ganzen langen spazierweg von heut nachmittag zurück. dazwischen anruf vom großen: david war wieder zuhause, es ist wirklich die spange, er ist wieder raus zum weitersuchen, wieder allein, er gibt nicht auf. david gibt niemals auf. denke kurz an den größenunterschied zahnspange und prenzlauer berg, ich meckere, der große hätte ihn da behalten sollen, denke kurz an die mutterregel vier, „logistik “ (die ersten drei lauten essen, trinken, pflaster), aber das nützt jetzt auch nichts mehr. ich bin mit gregor schon anderthalb kilometer weg von zuhause, wir suchen jetzt zumindest einmal den ganzen weg ab. er hatte die spange in ein taschentuch gepackt, um die superekligen leckeren pommes vom flohmarkt essen zu können, und dann in die jackentasche – stellen sie sich die suche nach einem weißen taschentuch mit einer kinderzahnspange drin vor, im teilgeschmolzenen, plattgetrampelten berlinschnee. im dunkeln. mit leerem magen – aber was soll man denn tun? das ding war neu und es ist teuer. wir laufen die ganze strecke bis zum flohmarkt, durch den mauerpark, mit der taschenlampe, ich suche auch mein kind, das mir doch wichtiger ist als die spange, obwohl der ärger das ein bisschen vernebelt grade. das kind kann ja notfalls auch von der polizei gesucht werden, aber die blöde spange, das nimmt uns keiner ab. kein david, keine zahnspange, natürlich nicht. als ich grade mit einem stock im mülleimer herumwühle, in den die kinder ihre pommesschalen geworfen haben, dabei mit dem sich schon abgefunden habenden mutterblick versuche herauszufinden, welche zeitung da im müll unter den kaffeebechern liegt, klingelt mein handy, david ist zu hause. er erzählt: er ist auch beim zweiten mal fast die ganze strecke zurückgelaufen, da war ein mann im dunklen cantianpark, vor dem hatte er angst und ist ein paar schritte zur seite getreten, und da lag, genau vor seinen füssen, ein papiertaschentuch, da hat er dann reingesehen, und sie war drin, seine spange. er hat sie wiedergefunden, auf einer schneewiese im dunkeln. ein gottesbeweis, wenn sie mich fragen, „ich hab so gebetet“, sagt er später, und hält gefaltete hände hoch. ich hab gefragt, ob sie nicht vielleicht einfach in der zweiten jackentasche gelandet ist, und ihm das peinlich … ? nein. er hat sie wiedergefunden. ich glaube ihm, er ist nämlich ein gründlicher sucher und kein panikkind. er weint wirklich nicht so leicht.