und nicht vergessen

das bisschen verunsichernde gefühl, eine sache gleichzeitig zu wollen und nicht zu wollen, zwei äste, deren stamm ich bin, in beiden weit auseinanderliegenden alternativen das gemeinsame suchen, mich darin wiedererkennen, auch nicht weiter kommen. der weg zur entscheidung mal nur zwischen herz und kopf und mal auch noch durch alle außenbezirke.

die kleine lust darauf, immer den größeren sprung zu wagen.

as you are

hört mir auf mit den kleinen freuden. mal wieder eine richtige umfassende umarmung, not?

einige profiltexte auf okcupid sind richtig gut geschrieben, perfekt und rund mit genau der richtigen kleinen bruchstelle. mir gelingen die nicht mehr so wie noch beim letzten ausflug ins gewerbe, ich schreibe nicht mehr gut, mein tinnitus ist lauter geworden in diesem jahr, die gedanken kommen nicht mehr durch die sätze, ich weiss nicht, warum. das jahr hat mich ausgedünnt, es fühlt sich an, als wäre immer alles schon gesagt, keine überraschungen, aaaaber zurück zu den männern, die unlust beim ewigen selbersuchen! im ganzen letzten jahr keinen single auf einer party gesehen, auch sonst gar nix, und ich bin wirklich kein mauerblømski.

es gibt ihn noch nicht, den mann, den ich grad gern hätte, weil er sowieso erst durch das dingsda, das etwas, das mehr wollen zu dem wird, den ich will, oder wie war das? 2 jahre her, mein letzter. da war alles anders, aber das war auch was mit liebe (schluck aus dem whiskyglas), eine traurige geschichte wie alle davor, so what, warum also nicht. die bilder bei okcupid wollen mir die phantasie anschmeissen, wie die kurbel am ottomotor, ohne zündungsfunken, oder sie schon lenken, hab ich ev. lust auf den, macht er mich neugierig, hab ich und/oder mein körper grad platz für so jemanden? ja woher soll ich denn das wissen! müsste sie alle ausprobieren, ausgehen mit ihnen, darauf warten, dass die nerven sich verhaken ineinander, fürchte dabei, dass ich zu alt und kinderreich bin für diese piste, aber hey, männer sagen eigentlich nie nein, wenn man sich die mühe macht, ihnen die tür zu öffnen. das wird sich ändern demnächst, ich weiss, meine zeit saust durch wie klappernde dominosteine, aber wird der nächste mann mich nicht erkennen, auch im durchrauschen der bilder? weiss man nicht, muss man versuchen. sie sehen fast alle irgendwie gut aus, diese männer, sie lassen mich fast vollkommen kalt, es sind fotos von fremden männern, sie müssten wohl tagelang belichtet sein, um das gewisse etwas zu erwischen, wie bei den angeberfotos nichts übrigbleibt ausser dem vorhaben, oder die nackerten! rührend irgendwie. und die ultracoolen, die wahrscheinlich neonröhren im schlafzimmer haben. die mit den ewig langen listen von büchern und bands, als würden sie einen spiegel suchen, bei dem möglichst wenig anders oder unbekannt ist. die ohne viele worte, die nur casual sex wollen. wie soll ich denn voher wissen, was ich will von einem mann? das geht doch gar nicht, das ist doch eine saublöde einschränkung möglicher wunder! länger suchen also. oder gucken die eh nur auf die fotos? die mit dem freundlichen blick, die mag ich noch am ehesten. meh. jetzt blogg ich wieder zu lang, statt einen mann zu suchen. alles selbermachen! das macht mich so eher müde, drei kinder, job, krankheit, machen sie mir das mal nach, 10 jahre, und dann nicht mal müheloser sex als belohnung, ausrufezeichen. ponyhof.

okay, traditionell bin ich eine, bei der es am klarsten auf den ersten blick passiert, wenn alle systeme schnell und wach herumfunken und es zu diesen magischen momenten kommt, und es ist dann nicht mal so wichtig, ob es mehr wird als sex, also so mit dem gesamtmensch als organ – egal, nicht planbar, wüste, leer bis zum horizont, und auch danach blieb ich immer übrig.

wie macht ihr das? gibt sowenig einzelmenschen da draussen.

ach, ich warte lieber aufs frühjahr oder den nächsten eisprung. im vorletzten jahrhundert wäre ich eine zufriedene kleine emphatikerin geblieben und hätte bilder von pflanzen und steinen gemalt und bäume umarmt, und traurige alte witwer hätten um meine hand angehalten, und ich wäre doch eher überrascht gewesen danach.

der trieb mit seiner wucht, mit allen seinen verästelungen und nervenbahnen und verschiebungen ist ein riesenärgernis, ich bin heilfroh, wenn der kram endlich aufhört.

trunkene vorweihnachtstexte, in dieser kalten welt. hab aber alle geschenke, die gans wird mit niedrigtemperatur gebraten diesmal, 9h lang, ich bekomme einen schal von roeckl, mit pferden. von meiner mutter.

transferleistungen. wie inzwischen, so als halbreeller teil der gehirnmanufaktur, alles als resonanzraum nutzbar wird, wenn es sich lohnt, die ungeheure dichte von augenblicken, das versinken im jetzt, wie das aufstampfen auf eine eisplatte im märz, das großzügige schwingen der zeit, die millionen federn an ihren flügeln, ihr lächeln, wenn man sie achtet, dann streckt sie sich ein bisschen und man kann ihr beim atmen zusehen. wie es überall hinkommt. anderer text, anderer mangel. oder es ist yoga. ich werde über dinge schreiben im nächsten jahr, endlich ich-ärmere texte.

(hört mir auf mit den kleinen freuden, ich will grosse nächte.)

 

geradeaus

beim laufen, im strom von einkäufern, familien, feierabend, liste im kopp, bisschen zu spät, dann spüre ich den boden unter den füssen, die stiefel sitzen fest und halten mich bis zum knie, die strasse ein parkett, ich kann mit schwung einen fuss genau vor den anderen setzen, und ganz unerwartet ist kurz der rest von mir da, die unruhe und der hunger, das große flimmern. mal wieder in eine nacht gezogen werden, umgeworfen und unter segel gesetzt, aber hey – weiterlaufen, nur kurz gewundert darüber, dass alle andern so leicht nach hause finden immer.

feldpost

beim suchen nach der herkunft einer geerbten taschenuhr bei meiner mutter das dicke alte fotoalbum mit der aufschrift feldpost gefunden, bis zur letzten seite gefüllt mit dutzenden von postkarten von der front im ersten weltkrieg, fast alle schwarzweiss, ein paar nachkoloriert, einige fotografien von jungen soldaten in heldenpose mit gewehr bei fuss vor wald oder fels,  mit bleistift bis zum rand vollgeschrieben, sütterlin, schlecht, aber doch lesbar, aus den jahren 1916 und 1917.

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es sind dankespostkarten an meinen urgrossvater, der die soldaten „auf ausdrücklichen wunsch“ hin mit patriotischen gedichten beglückt hat. es ist fanpost aus einer anderen zeit, er hat sogar geld mit den gedichten verdient, und es gleich wieder gespendet, lustigerweise liegen die quittungen auch alle da, eine vom „chef des heeres auf helgoland“, in der kleinen flaschenkiste, in der alle andenken an die familie meiner mutter platz finden, ich werde versuchen, die karten zu lesen, hatte gestern weder zeit noch eine kamera dabei. mich fasziniert ihre vollkommene vergangenheit, ihr plusquamperfekt, alles an ihnen ist vorbei und vergessen, adressat wie absender und anlass, eins der gedichte liegt auch im kasten, es ist eher lang, weil es sich mit allen weltkriegsgegnern deutschlands befasst, sagen wirs mal so.

wie diese ganzen leben immer zu ein paar anekdoten verdichtet werden, von den enkeln noch weitererzählt, dann werden sie schwerelos und unwichtig, die toten, und verlieren ihre haftung in der welt. kennen sie die eltern ihrer großeltern mit namen? in der handvoll geschichten über ihn erscheint er als ein lebenslustiger mann, ein apotheker, der gerne ins theater ging, gedichte schrieb, und oft und gern im laienschauspiel unterwegs war, ein paar bilder zeigen ihn im kostüm auf einer bühne, oder war er nur die beiden male dort? es ist wenig im vergleich zum überangebot an zeugnissen, die wir hinterlassen werden, aber vielleicht genügt es ja.

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er gehörte wohl außerdem dem stahlhelm an, einer truppe, von der ich noch nie gehört habe, wohl ein eher übler militaristischer und erzkonservativer haufen, später faschistischer als die faschisten, wenn wikipedia recht hat – und war ansonsten kaisertreu. er ist 1928 sehr jung gestorben, mit mitte fünfzig, ich hoffe, er wäre sauber geblieben, wenn er die dreissiger noch erlebt hätte, aber wer weiss das schon.

und die uhr? meine mutter hat dann noch alle tanten angerufen, und wir haben einen platz für sie gefunden, sie kommt aus einem ganz anderen familienzweig, von der berliner cousine der mutter meiner großmutter väterlicherseits, tmi, ich weiss, ich weiss, aber dann kann ich nachgucken in ein paar jahren, wenn ich sie wieder einmal tragen möchte. ein guter grund für erbstücke, geschichten an die luft bringen, und wäre die uhr nicht wertvoll, dann hätte sie sich niemand merken können.

 

pink-orange-bordeaux, ein zyklus.

auf dem hundespaziergang morgends die zierliche junge frau, hochelegant auf diese schlimm zeitlose weise (beige). dunkelrote fingernägel, perfekt geschminkt, dazu eine kleinmädchenhafte unsicherheit in der körpersprache, schultern eingezogen, stimme piepsig, als wäre sie in einem exclusiven bürohaus geboren und aufgezogen worden, der prenzlauer berg schon das wilde leben.

paar meter weiter der blonde junge mann, haar (er ist der „haar“ und nicht der haare-typ) zurückgekämmt, babourjacke, drunter tweedjackett, usw., glatt wie ein puppenpopo. er steigt aus einem übergroßen erdfarbenen golf, er ist deckungsgleich mit seinem auftritt, keine persönlichkeit will raus, sie wäre eh nur eine art schmutzrand zwischen copy und paste. hoffe, einfach ein fotoshooting übersehen zu haben. schlimm alles.

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heute blick auf die kleidung meiner mitmenschen, weil ich selber ausmisten möchte. die wildgestreifte eher edle wolljacke macht mir immer gute laune, wenn ich sie im schrank hängen sehe, aber für draussen ist sie mir  zu sehr ausrufezeichen, oder soll ich sie doch mal tragen? ach je. nee. oder? ich weiss  inzwischen, in welcher art stimmung meine mama sich die gekauft hat. sie hats richtig gemacht und den kram einer  tochter weitergegeben, ich will aber nicht unbedingt auf schwiegertöchter warten, solang kann ich die motten da eh nicht raushalten. sie ist sehr weich, sonia rykiel.

eine abendgarderobe mit echtem pelzbesatz unten und oben einer seidenblume, es nimmt die frauen an der hand, die ihre pelze an der  garderobe abgeben müssen und zeigt im schlichteren oberteil trotzdem noch ein bisschen mädchentraum.

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gar nicht meins, aber als camouflage geeignet, und als erinnerung an eine ferne, duftende welt andrer leute, vor allem damen, sie gehören in große räume, in denen sie ein bisschen flattern können und nicht auf ein paar auratische eigenschaften reduziert werden (pelz), die alle von der trägerin wegführen, statt sich um sie herum quasi summend zu verdichten, zu einer figur, einer dame.

(wie in zeitschriften die beschreibung der klamotten eines stars etwas doppeldeutiges hat, einerseits fashionkram, du kannst das auch kaufen, andrerseits sortiert die aufzählung die kleidung zurück ins accessoire-hafte, es ist nicht die kleidung.)

wie schwer es ist, pelz und farbe wahrheitsgetreu abzulichten. es ist wie immer alles ganz anders.

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schon schön.

 

 

einfach weitergehen heute nacht, die musik suchen gehen, den weg nach spandau, immer weiter, hier ein bier, ein paar sätze unterwegs, bis es stiller wird und alles gesagt ist und die bürgersteige leer werden.

(auf dem heimweg in einer kneipe versackt, ganz alleine, die mädels verabschiedet, an meiner haustür vorbei einfach weitergelaufen in die nächste eckkneipengegend, kinder zuhause, hund dabei, rum getrunken, eine kippe geschnorrt, leute geguckt, sie sahen unaufgeregt aus, die frauen geschminkt, die männer mit breitem oberkörper, linoleumboden in brauntönen und internet für 1,50 pro stunde. es ist noch platz an der theke, noch einen rum? die alarmglocken klingeln leise, aber ich lauf weiter aus dem herzschlag des viertels heraus, in die obi- und strauss-innovation-gegend, wo die kneipen neonröhren im fenster haben. sich mal richtig besaufen, ohne drama, aus albernen gründen, das wegräumen von gegenargumenten, alle langweilig, aufstehn, wach sein morgen, bei der guten laune der kinder mithalten können, den vormittag nutzen, und du hast auch eigentlich gar kein trinkerherz. storkower strasse, halb zwei, alles zu. ich ruf ne taxe. aber ich hätte, ich hätte auch bis nach weissensee weitermachen können.)

bei kaisers gab es hühnerfilet, 0,69 € für einhundert gramm. die sofortige reaktion ist körperlich, ekel, und dann unglauben, weil sonst fast nichts so billig ist im supermarkt, kurz danach an der kasse des bioladens dann die anderen schmerzen, als ich 18€ für ca. 600gr brustfilet vom biohuhn zahlen muss. fleisch geht halt immer nur mit unwohlsein. (nope, ich will keine vegetarierin werden)

dann werden die kinder doch noch für anderthalb tage abgeholt, nach einer woche fieber, husten, übergeben und dieser stumpfen grippe-erschöpfung, und was macht hotel mama? erstmal betten abziehen, aufräumen, putzen, damit die keime weg sind, bevor die jungs wiederkommen. jetzt kann ich auch mal krank sein. das ist der anstrengenste aspekt beim alleinerziehen, man muss gesund sein, auch mit 39° fieber muss man den jämmerlichen kranken kindern beistand und wärmflaschen und wadenwickel und hustentee und „nein, du wirst nicht sterben“ (männergrippe von anfang an, irgendwie) verabreichen, bei drei kindern etwa alle 10 minuten einem. die oma will nicht angesteckt werden, die freunde haben wichtige projekte und wollen lieber keine grippe, die krankenkasse braucht zeit, die anderen eltern sind in den winterferien, der vater hat selber kranke familie: blöd. jetzt bin ich bis morgen um 19uhr horizontal, will mich aber dabei auf einen job vorbereiten, der vollkommen out of the blue hereingeschneit ist, ab montag. bis dahin darf gehustet werden.

eben so einen heiteren ich-kann-mein-leben-ändern moment gehabt. sass mit schwerem husten auf einem sofa in einem großen zimmer, vor mir im kreis sitzend vielleicht 30 menschen, die gastgeberin am klavier, alle mehrstimmig singend, gekonnt, entspannt, aber sicher. alles voll mit kindern, sechs davon gehören zur gastgeberfamilie, drei von ihnen spielen auf ihren instrumenten noch etwas vor, überall musik, auf eine gleichzeitig weltferne und sehr beständig immanente art, die menschen sind bewandert in musikalischer literatur, auch dort ganz selbstverständlich belesen. ich konnte wegen krankheit nicht mitsingen und durfte zuhören, da hab ich erst gemerkt, wie schön das eigentlich ist. alles chorsänger wahrscheinlich, und solche wie ich, die ihren alt nicht fehlerfrei vom blatt singen können, haben die noten vorher gekriegt. die verantwortung, sowas selber in den händen zu haben mit den eigenen kindern, die ja zum glück alle schon was spielen, aber es wird mehr musik hier geben in zukunft, irgendwie und irgendwann, harhar, ich muss unbedingt im lotto gewinnen. (motto: es einfach tun)