erfolg ist ein weites feld

neulich wollte eine bekannte ganz unerwartet von mir wissen, ob ich meine erfolglosigkeit vielleicht einer art adhs zuschreiben würde, sie hätte da drüber nachgedacht, vielleicht wäre das auch ein problem bei meinen kindern? ich war zu höflich und zu fassungslos, sie einfach stehen zu lassen, aber ich habe noch eine weile darüber nachgedacht, über diese wertungsbeflissenheit bei andern leuten, die vermutlich auch über sich selber so urteilen, in marktwirtschaftlichen kriterien. über ihr urteil („erfolglos“) habe ich nicht nachgedacht, es tangiert mich nicht so, mein schwerpunkt liegt einfach woanders. ein freund hat mich beim ausgehen auch mal darauf angesprochen, er war mir freundlich gesonnen und meinte, wir (er und ich) würden ja auch eher später im leben unseren weg finden, oder so ähnlich. das konnte ich bestätigen, es ergab sich ein interessantes gespräch.

warum tangiert es mich nicht?* es liegt am diabetes, denke ich, und dem daraus resultierenden training in der wahrnehmung des ist-zustands, aller ist-zustände. mein unmittelbares überleben passiert nicht von alleine wie bei gesunden leuten, ich habe dafür bis vor ein paar monaten dauernd entscheidungen fällen müssen, insulin, essen, bewegung, alkohol, erst seit der verwendung von aaps wird das deutlich weniger, die entspannung darüber ist grundlegend, und kommt nur langsam ans licht. die gegenwart ist nicht mehr zuerst stoffwechsel.

ich kann mich jetzt in ruhe den anderen existentiellen ängsten widmen, wie der suche nach einem zuverlässigen brotjob. das klappt ja seit jahren nicht, liegt an mir, aber auch an den verschiedenen arbeitgebern, es beschäftigt mich, ob ich wirklich so schlecht bin, dass sie mich nicht mehr wollen, oder ob es der markt ist, der eine bindung an einzelne arbeitsnehmer überflüssig macht. es ist weniger ein vorhaben als eine notwendigkeit, etwas zu finden, weil das leben als alleinverdiener mit drei kindern und hund einfach mehr kostet, als ich verdiene. das genügt ja eigentlich als streßfaktor.

nachdenken über arbeit. hatte nie einen traumjob, vielleicht als mädchen kurz mal die schriftstellerei, aber dazu fehlt mir die disziplin, und auch der ehrgeiz ist für mich eher eine rätselhafte kampfsportart, die mich nicht so interessiert. ein job soll mich nicht ganz fressen, ich brauche viel kraft für mein leben außerhalb, es war mir zeitlebens nicht so wichtig, womit ich geld verdiene, und irgendwo bin ich immer untergekommen. schreiben war schon ein schwerpunkt, aber das journalistische schreiben macht für so mittelbegabte wie mich viel arbeit bei (heutzutage) sehr wenig lohn, und es gibt genug leute, die das wirklich wollen und können. junge leute, die bei instagram zuhause sind.

dabei möchte ich gar nicht unbedingt etwas tun, mir genügt die vorstellung davon. die meisten dinge sind nicht interessant genug, um sie mit aller kraft tun zu wollen. die idee der dinge ist ein kosmos, ich sehe da paläste und habe ein gefühlspanoptikum zur verfügung, um die vorstellung einzurichten, also gelegentlich, kurz vorm einschlafen. der weg ist viel mehr mein zuhause, also nicht toll gitarrespielen, sondern beim üben besser werden. ist natürlich auch bisschen quatsch, weil ich ja auch bei gleichbleibender tätigkeit in jedem neuen job alles wesentlich neu lernen darf, abläufe, menschen, beziehungen, pflicht und kür.

*bei meinen kindern habe ich auch keine sorgen. ich will nichts zu privates über sie schreiben, obwohl es sie nicht sonderlich stört, sie lesen es ja nicht, aber sie könnten selber schreiben, wenn sie es wollten, und sie tun es nicht, also lass ich es auch.

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franziska uhl

franziska uhl ist eine ungeheuer vielseitige künstlerin. sie nutzt malerei, radierung und skulptur, sie kann sich in jedem material zustande bringen, die technik fügt sich ihrem stil und ihren formen, gibt was dazu, nimmt etwas weg, sie gehören zusammen, bereichern sich. kenne sie aus ihren anfangszeiten, wir sind befreundet seitdem, sie ist eine von ganz wenigen unbeirrbar und nicht „nur“ nebenbei kunstschaffenden im freundeskreis.

ich habe eine sammlung sehr schöner radierungen von ihr, alle im selben format, die ich je nach laune in wechselrahmen unterbringe, wild, stark, ein bisschen gegenständlich, aber so, dass man formen oder etwas kreatürliches  zu sehen meint, sich aber nicht sicher sein kann, die arbeiten ziehen den blick ins detail, auf die feinen linien, bleiben aber als ganzes immer in bewegung

im letzten jahr hat sie sich auf malerei konzentriert, eine serie dieser bilder wird bis zum 26. januar in berlin gezeigt, in der galerie ei in der göhrenerstraße. zusammen mit ein paar ihrer skulpturen.

lauter farbräusche, 40x40cm tiefes rot oder blau oder grün, mit feinen verläufen, dicke, gesättigte strukturen, sehr bestimmend im raum. hab mich in einige verguckt, aber sie sollten für sich hängen, weil sie den blick auf sich ziehen, so anders sind, sie brauchen eine wand für sich, oder man hängt viele gemeinsam auf, wie in der galerie. die arbeiten verstärken sich gegenseitig.

auf der seite der galerie kann man schön in die bilder tauchen. ich mag sie, obwohl sie nur farbe zeigen, beim schauen hab ich gemerkt, wie sich der schwerpunkt in der bildwahrnehmung verschiebt, die farbigkeit hat einen starken sinnlichen reiz, und die farben fordern entscheidungen: blau ja, orange und rot sowieso, grün lässt mich eher kalt. diese bilder machen jeden zum synästheten.

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