kw 3

die hochhaustürme im ernst-thälmann-park und die plattenbauten in den randlagen des bezirks haben eine beruhigende wirkung auf mich, ich war da seit emmas tod nur noch ein oder zweimal, statt täglich, und es fehlt mir etwas, als ausrichtung meines stadtgefühls, aber warum? weil ein unterschied erkennbar wird zu den durchsanierten vierteln, in denen ich ja sehr gern lebe, ohne ganz dazuzugehören, wie ich mir einbilde, weil die soziale differenz nicht wegsaniert worden ist. mir fehlt das alte berlin mit all seinen gegensätzen immer noch, oder nein: als die gegensätze nicht hauptsächlich finanziell waren, sondern sich ganz selbstverständlich zeigten als unterschiedliche stile, schulen, kunstformen, geschmäcker, altersklassen, was auch immer. ich hoffe, es liegt nur an meinem alter, dass ich die ganzen nuancen nicht mehr wahrnehme.

ist aber auch die lebensphase, wo das gespräch oft aus heiterem himmel aufs thema alterssicherung kommt, was planst du, wird es gehen? in meiner generation erzählen dann grad die freiberufler nicht von reiseplänen, dochnoch gitarre, endlich französisch oder ähnlichem, sondern sagen nichts mehr nach ein paar zynischen worten.

jedenfalls. mal wieder vorgenommen, häufiger zu kochen, was ich kaum noch tue, seit die jungs ausgezogen sind. ich nehme gefühlt zu, wann immer ich abends was esse, aber das kann ich ja ignorieren, oder ich könnte mein asia-gemüse-repertoire mal reanimieren. schon vorgenommen, mit den nachbarn zu essen, dann lohnt sich auch mal wieder ne lasagna. lasagna-kilos sind goldene kilos. grade selber mit einem husten beschäftigt, also die erste hühnersuppe des jahres, mal nach einem empfohlenen rezept von herrn droste selig, mit ingwer, curry und honig. mal schauen, vor parmesan mache ich aber halt.

habe auf ebay einen alten edlen norwegerpulli erstanden, wohl aus den neunzigern, für wenig geld, und er fühlt sich an wie eine ganze behausung, warm und leicht. er riecht nicht, hauptgrund gegen den erwerb gebrauchter kleidung, ein zweiter, für noch weniger gekaufter, roch bisschen, also nur einen tick, nach alten leuten, den hab ich gründlich gewaschen, jetzt ist er wie neu. tragen das auch die menschen in norwegen und island? oder sind die da total untragbar, wie etwa ein fransenhemd oder ein, … – mir fallen keine untragbaren klamotten ein, halt, eher: werden sie dort nur in einem definierten kontext getragen, wie eine lederhose oder ein dirndl? der große hat auch so einen zum geburtstag bekommen, allerdings neu, und trägt ihn sehr gern.

inzwischen kann die kälte gerne länger dauern, ich mag es auch, wenn ich so verschwinden kann in winterkleidung, meine italienische jugend ist einfach sehr lange her. berlin ist ja leider immer einen tick zu warm und zu belebt für richtig guten schnee, er taut, gefriert wieder, man rutscht, es wird alles ein schmutzig graues elend.

falls ihr gesund seid, geht bitte auch dieses we auf eine demo gegen rechts, schon zur selbsttherapie, soviele menschen sind da unterwegs, alle altersklassen, von schüler*in bis rentner*in, ich hab da so ein wir-gefühl bekommen, wie sehr lange nicht mehr, wir haben etwas zu sagen, und es spielt eine rolle, was wir zu sagen haben. inzwischen habe ich sogar den eindruck, dass die demos etwas bewirken, anders als noch letzte woche, einfach weil es so viele sind, überall, andauernd. sie sind hilfreich bei der selbstvergewisserung als mehrheit. ich weiß nicht, ob sie jemanden vom wählen der afd abhalten, vermutlich nicht, aber es gilt weiterhin: keinen fußbreit den faschisten und nazis.

14. april 22 uhr 41

durch den job diese art anspannung, bei der ich mir sagen muss, dass alles okay ist, es keine probleme gibt, alles seinen weg geht, die woche überstanden ist, und es dauert trotzdem ein paar stunden, bis der stress nachlässt.

regen und kälte.

nächste woche werden die zwillis 22 und ich hab noch kein geschenk, hab bisher auch nicht drüber nachgedacht, sonst habe ich immer ein offenes fensterchen in meiner aufmerksamkeit für solche dinge und die sortiert dinge und ideen vor sich hin, während ich durchs leben gehe, bis es irgendwann passt. es fällt mir eigentlich immer was ein. bettwäsche wäre mir nicht eingefallen, das ist aber der wunsch vom g.-zwilling, „weil die oma immer so schöne puma-bettwäsche“ hat. besorge also einmal biber und einmal schöne dichtgewebte baumwollwäsche, ich hoffe, es ist genehm. verspüre gewisse neigung, allen kindern warme dinge zu kaufen, ich kann mir die sommerliche sehnsucht nach etwas kühlem auf der haut gar nicht mehr vorstellen in diesem ewigen winter. der d.-zwilling antwortet nicht, ich darf also durch die ganzen gadget-listen scrollen und mich amüsieren. es gibt 3d-drucker für 70€, damit könnte er einen borg cube drucken, wenn er ein trekkie wäre, und nachtsichtgeräte für noch weniger, die ich aus nachhaltigkeits- und albernheitsgründen nicht verschenken will, außerdem muss man sowas immer an beide zwillis verschenken, sonst ist der andere zu recht eifersüchtig. wie immer plus 1 buch.

noch ein date verabredet, hoffe auf wenigstens ein bisschen nervosität vorher, auch beim zweiten mann im jahr ein kontakt bisher ohne das gewisse etwas, hoffe sehr, dass irgendwas, was wir uns zu sagen haben, einen anker wirft in der, die ich bin, ach quatsch, ein einzelner kleiner müder funken würde schon genügen. irgendein erkennen. ein glühwürmchen am horizont. ein kleines oh. ansonsten hab ich ruhe bis zum nächsten quartal.

umlauf

der rechnerkauf vom freitag den 13.1. beschäftigt mich immer noch, vor allem deshalb, weil das gerät trotz der händlerwerbung mit „1-2 tage lieferung“ noch nicht hier ist, telefonnummern gibt es nicht, auf mails antworten sie „innerhalb von 3 tagen“ – jetzt hatten die heute den gleichen rechner für weniger geld und als „neu“ statt „wie neu“ im angebot. hab ich den gekauft, hoffe, dass der erste hier und zurücksendbar und der betrag zurückgebucht ist, bevor die kreditkarte anfang februar abgebucht wird. genau dieser ablauf wird auf der webseite empfohlen, der fall scheint häufiger vorzukommen. naja, selbst schuld, wenn sie langsamer versenden als angekündigt.

merke, wie ich beim studieren des riesigen angebots all dieser läden im internet die computer zunehmend wie eine ware wahrnehme, die man eben kauft und verkauft, verschickt und wieder zurück erhält, als wären es nicht diese für mich sehr riesigen projekte – ich gebe ja sonst eher gar kein geld aus. vor meinem inneren auge habe ich bei diesen netzläden immer einen mediamarkt oder eine saturn-filiale, weil das angebot so breit ist, und wenn man dann bei den läden mal jemanden anruft oder den besitzer googelt (oft junge männer), fühlt es sich doch eher wie eine garage mit einem bis zwei mitarbeitern an, es gibt ja viel lagerraum im nichthauptstadtbereich. fühle mich jetzt gleichzeitig bisschen verwegen und bisschen bescheuert, und habe eher mulmige gefühle wegen meines blinden vertrauens in diesen händler, der standpunkt jetzt schlechter performt als behauptet. ich sehe mich schon fortwährend einen rechner nach dem anderen kaufen und wieder zurückschicken, und keinen jemals benutzen (hatte im dezember den ersten versuch, da wurde mir eine andere version als die gekaufte zugeschickt), andrerseits ist das ja das wesen des handels, geld und ware bleiben im umlauf, keine pause jemals, und es ist gar nicht wichtig, wie lange der kram in der zwischenzeit in irgendjemandes eigentum länger verbleibt. hrmpf.

und mein arm tut weh, gestern 5. impfung.

kw 43

neulich in einen yt-beitrag über magical thinking reingezappt, von einem therapeuten, der sehr engagierte beiträge für leute aus schwierigen („toxic“ nennt er das) familien macht. ich finde mich da oft drin wieder, denke aber, solche strategien werden von vielen genutzt. ich spiele lotto, das ist ja auch magical thinking, aber eher in der tradition von pepe in neapel, der immerzu für einen lottogewinn betet, bis ihm gott eines tages sagt: aho, beppe, aber ein los musst du schon kaufen.

habe immer noch unaufgebaute lego-sätze im haus, hatte bisher an keinem wochenende diese mischung aus regression und planlosigkeit, die ich dafür brauche. an den wochenenden am liebsten mindestens einen tag ohne verabredungen, um runterzukommen, aber weil ich freund*innen eh nur noch an den wochenenden treffe, gibt es diese leeren tage nicht. sie fehlen mir.

ich lese sehr gerne blogs, die täglich befüllt werden, nehme mir das immer wieder vor, habe aber nichts zu erzählen. mein alltag hat klare abläufe, nach dem job bin ich fast immer zu müde, der spass am schreiben ist mir bei erschöpfung nicht möglich. ich setze mich in den sessel, wenn ich zuhause ankomme, bleibe da eine halbe stunde kleben, dann haushalt und essen, telefonate, um 21 uhr werde ich irre müde und schlafe ein, bis zehn oder elf oder zwölf, dann nochmal eine stunde netz, dann kommt die nacht. es kostet mich oft überwindung, nicht kurz vor mitternacht noch irgendwas zu kaufen (eine isländische warme strickjacke, einen rechner, einen teppich, ein bild), das ist ein bisschen frustrierend, andrerseits lese ich es als hinweis darauf, dass ich doch noch bedürfnisse habe, die über den alltag hinausgehen.

heute mit freundin spazieren gegangen und einen kakao getrunken, im café lauter leute in tshirts, drum herum das ganze laub auf dem boden, schon nicht mehr knallbunt, sondern braun und krisp. es ist befremdlich. wir reden über k-filme und wie wir uns einen wünschen, der eine möglichkeit des postapokalyptischen lebens aufzeigt, statt immer nur in blöden kriegsphantasien und überlebenskämpfen zu verharren. eine dystopie mit utopischem anteil. die gewaltlust scheint genauso übermächtig wie die gier.

aber wenn, dann wär es so:

das gepäck ins auto, völlig entspannt, weil ich ja allein mit hund fahre und ebenso gut die ukulele auch noch mitnehmen kann, um sie am see nicht zu spielen, oder ein fahrrad, oder zur sicherheit mein müsli. die ersten meilen in den süden, wie mein berlin noch an mir klebt, freunde, jobs, geschichten. das gedankenversunkene fahren bis in den thüringer wald, die letzten monate, was passiert ist, was nicht passiert ist, ob ich durchgekommen bin mal wieder mit mir, ob es immer noch hält, oder ich nur die brüche anders wahrnehme. der okaye bruch! ein hoch auf ihn. möge er nur im stillen krümeln. die plaste-elaste-schrift vermissen. im harz über die anzahl der kurven wundern, und das grün, und wie lang der weg ist. ab hof beginnt langsam der reisezustand, jeder kilometer mehr richtung süden macht pling und plong auf den herzsträngen. wie ich in münchen auch nach xx mal noch den navi brauche für die ausfahrt zur tante in ihrem haus am see, die familie, das bier zu den weißwürschtchen, das glückgsgefühl. am nächsten tag zu spät los, dann durch die rasertiefebene in die schweiz fahren, dort tiefenentspannt die berge hoch und runter, vielleicht stop an der bar in der via mala- schlucht. dann den bernardino hoch, endlich im tunnel, im tunnel fällt meistens die klappe und meine ferien fangen an. jedes jahr bewusstes danke, wenn es nach dem tunnel über die weitgezogenen kurven die südseite der alpen runter geht, mit blick auf ein ganzes tal, wenn blick ist. im radio laufen jetzt italienische sender, dann endlich bei lugano nord runter von der autobahn und in den feierabendverkehr eintauchen. über die kleine kurvige strasse zur grenze in fornasette, im wald hinter ponte tresa, die strassen werden leerer, durch die brust ins auge endlich zum seeufer kommen, nach luino, wo ich im riesigen carre four die ersten leckereien kaufe, wenn ich nachts ankomme, sonst fahre ich weiter bis laveno. über die seestrasse, die ich im schlaf kenne, die letzten paar dutzend km. am schluss das holprige stück durch brombeeren und wildwuchs hoch bis zum haus. fensterläden öffnen, kühles bier in die hand, liegestuhl ins verkrautete minigärtchen, blick auf die andere seeseite, während das auto noch in der sonne tickt. ausatmen. und es ist immer gutes wetter, wenn ich ankomme.

pomp, duck and circumstance

wie ich in meinem filmkonsum alle szenen mit gewalt meistens sofort überspringe, als könnte ich sie so aus der welt schaffen, und damit zufrieden bin, weil ich sie so zumindest aus meiner welt schaffen kann. wenn die szenen eingebunden sind in den plot, ist das nicht so, dann kann ich mich da durchblinzeln, also ist zumindest in meiner wahrnehmung begründete gewalt erträglich, als kann also eine begründbare eskalation meine empfindungsfähigkeit für einen moment betäuben. nein, eine begründete eskalation meinte ich, gewalt und ihre darstellung sind ja immer eine entscheidung des regisseurs. wenn sie im film nicht nur um ihrer selbst willen stattfindet, kann ich sie hinnehmen.

(diga di verzasca)

ob es das böse gibt? als eine eigenschaft, eine disposition, als die fähigkeit, entscheidungen nur aus einem einzigen grund zu fällen: dass sie einem nutzen, egal, wer dafür bezahlen muss. ich halte sie für eine nurture-sache, vielleicht gepaart mit dem mangel an empathie, oder an gewissen. ich verstehe es nicht. pompeo sagt öffentlich mit einem gewissen stolz, dass ihm jedes mittel recht ist, um sein ziel zu erreichen, und spottet damit über den kodex seiner uni, west point, als sei dieser eine zu überwindende naivität, etwas, dem eben kadetten folgen, das absolventen aber nicht mehr nötig haben. lügen, betrügen und stehlen, um andere länder zu beeinflussen, mit allen verfügbaren mitteln, also finanziellen, politischen und militärischen. er hat sein über-ich einfach auf die nächste meta-ebene gehoben, in dem der zweck jedes mittel rechtfertigt, moral ist etwas für anfänger, und das vergnügen, dass ihm sein gefühl der macht über leben und tod bereitet, ist sicher nicht nur ein eindruck. solche leute sind interessant, weil ihre käuflichkeit so offensichtlich ist, die macht um der macht willen (und wenn man dann den argumentationen folgt, mit denen andere länder beurteilt werden, landet man vermutlich wieder nur beim geld bzw. dem nutzen für die usa) und sie selber die so offensichtlich nicht einmal wahrnehmen. und wie die masstäbe für sein handeln austauschbar werden, immer mehr grenzen überschritten werden, als wäre die macht eine droge, deren preis eben bezahlt werden muss, egal wie hoch, solange worte genügen, um alles zu rechtfertigen. reden ohne aussagen kann er. solche leute sind glaub ich gefährliche spielbälle für ideologen, ich glaube nicht, dass er sich selber so sieht. er begreift sich sicher mehr als ein im macchiavellischen sinne politisch handelnder, zu t. zeiten hat er die usa verteidigt, jetzt verteidigt er die usa, die nur mit einer figur wie t. an der spitze möglich ist, er verteidigt sie einen tag nach dem anderen, immer neu, wie so ein junkie. seine selbstverliebtheit macht ihn vielleicht angreifbar, er wird in einer biden-regierung keinen platz finden, oder? tja, ich wünschte, ich hätte mehr ahnung von diesen verflechtungen zwischen psyche und politik, oder gehört das zur politologie? es fasziniert und stößt mich ab, in einer guilty-pleasure-art. als alter navy-cis-fan hoffe ich, dass er mit dem agieren (die lügnerei jetzt mal als politische handlung verstanden) gegen die verfassung der usa zu weit gegangen ist, dass irgend ein aufrechter ihn zu fall bringen wird, bevor der auf die idee kommt, das militär einzusetzen. aber wer weiß schon, was noch kommt.

prokrastinationsposting. sehr unausgegoren, wenn ihr literatur oder ideen habt zur politischen moral, gerne, aber meine angst vor der lage in den usa habe ich etwas bändigen können, immerhin, immerhin scheint es noch mehr plan als wahn.

28. august 20

eine meiner nie hinterfragten küchenpsychologischen beobachtungen ist die, nach der menschen mit problemen die meistens entweder im privaten oder im öffentlichen raum haben, selten in beiden. mit raum meine ich das netzwerk an beziehungen, die diesen raum gestalten, also berufliche und zb politische für den öffentlichen raum, beziehungen und freundschaften im privaten raum. so konnte ich meine probleme im beruflichen raum durchwinken, weil ja meine private situation eher in ordnung ist, und nobody is perfect, und überhaupt.

eine alte verfilmung von the stand geschaut, 1994 als tv-miniserie gedreht, erstaunlich gut. ich muss sie schonmal gesehen haben, die schauspieler haben die gesichter, die landschaft sieht so aus, wie ich sie beim lesen des buches im kopf hatte. einzig und allein die special effects sind schlecht gealtert, aber deswegen den film neu drehen? als wäre der einsatz von eigener visueller vorstellung etwas, das filmemacher beim publikum verhindern wollen, ein horror vacui, der jede leerstelle füllen, jede uneindeutigkeit festnageln muss. ist natürlich quatsch, es ist wie bei der erfindung des farbfernsehens, als auf einmal alles sehr, sehr bunt geworden ist, wie ich irgendwann schonmal in anderem zusammenhang sagte. es geht einfach viel mehr und es sieht viel weniger unecht aus, und es scheinen alle spass daran zu haben, frisches geld mit alten geschichten umzusetzen, und vielleicht kann sich die jugend wirklich nicht mehr mit settings aus den neunzigern identifizieren. sie finden bestimmt einen weg, mehr gewalt und mehr sex drin unterzubringen, ich werd es nicht anschauen.

fürchte mich vor dem tag, an dem full immersion-filme möglich werden, mit den nerveneingängen, die tad williams einst beschrieben hat.

oh. ich habe schlechte laune. es geht mir nicht gut, ich komme mit etwas wichtigem nicht weiter, das unterlegt alles andere mit einem gewissen pessimismus, und ich spüre meine müdigkeit, nach den letzten jahren, die notwendige konzentration auf diese aufgabe benötigt zzt immer dichtere scheuklappen, ich erwarte die wahl in den usa mit einer neuen mischung aus fatalismus und fehlendem vertrauen in das gute, das ist neu, bisher haben mich die wahlen dort etwa so interessiert wie die irgendwo anders in der großen weiten welt, eben so mittel und nicht mit persönlicher betroffenheit. die wahlentscheidungen waren ein flow zwischen links und rechts, in so einem gezeitenmuster. seitdem unter trump soviel gelogen und erfunden und übertrieben wird, seitdem die politik in den usa eine reine groteske show geworden ist, habe ich dieses urvertrauen verloren. ich habe angst, dass er gewinnt, weil er für diese ganzen idioten der weg des geringsten widerstands ist, selbst wenn es gegen die 10 gebote verstößt, echt, wenn man den bibelbelt einmal gebrauchen könnte! es scheint ein bildungspolitisches problem, die grundlagen fehlen (wahrheit ist gut, lügen ist schlecht), der weg aus der misere kann generationen dauern, weil man ja mit den grundschülern anfangen muss. dass die reaktionäre, rassistische, ausbeuterische rechte siegen kann, also mehr als die üblichen 10-15% der bevölkerung hinter sich stehen hat, indem sie mit einem ekelpaket wie trump einfach auf lügen, manipulation und gewaltlust setzt, auf die niedersten instinkte – halt, schlechtes bild, begründet werden damit handlungen, die ein ergebnis von pathologischen berdürfnismustern und mangelnder impulskontrolle sind, nicht von instinkten, sogar kleinstkinder empfinden mitgefühl und haben gerechtigkeitssinn, sogar affen haben das, herrje! diese formulierung ist auf dem gleichen level wie der spruch „boys will be boys“ – indem sie auf den tabubruch setzen, wenn man mal den umgang mit gewalt, waffen, armut etc. anschaut, das erschüttert mich doch. gegen solche wahlergebnisse hilft wohl nur bessere bildung, eine schule, in der die wahrheit (und mitgefühl und respekt, man ey, man wird ja zur tv-predigerin, das sind doch alles selbstverständliche basics. mehr pathos für die gute sache!) als wert an sich vermittelt wird, wenn es die familien nicht mehr tun.

damit sollten die demokraten werben, mit grundlagen, nicht nur mit inhalten. ach, der 45. hat meinem leben so einen andauernden stress-tinnitus zugefügt, und das steht ihm nicht zu. ich hab ja schon einen normalen tinnitus.

und der klimawandel. ich könnte nach jedem jammer-posting „und der klimawandel“ schreiben, empfehle aber lieber alles von rahmstorf, der seine webseite auch mal überarbeiten könnte.

andrerseits hatte ich heut zuwenig kaffee, weil die nochteens nur einen liter milch gekauft haben („kein geld“, dabei war abgemacht, dass sie sich ein bisschen am eigenen unterhalt beteiligen, seit der vater nix mehr zahlt), und außerdem halte ich es für eine zumutung, im august schon socken tragen zu müssen. jaja, ich hör schon auf und tue was sinnvolles.

minus vier stunden

das wochenende ist bald vorbei, es war so schnell, es hat nicht stillgehalten, es wollte weiter, es war so bunt und hatte viele zeilen in der wunderlist, aber gestern, da gab es eine stunde göttlicher weite, eine plane stunde am frühen nachmittag, da haben sich die minuten gedehnt, da war kein ende in sicht. ein wochenende voller schöner begnungen, mit einkäufen, hunderunden, hausputz und paar stunden jobdingen, kampf mit der bahnwebseite, das verdient extra-erwähnung, weil es sich in jeder minute nach gestohlener zeit anfühlte. gute freunde gesehen, sehr gute pizza gegessen, zu spät schlafen gegangen, zu früh aufgestanden, wieder freunde gesehen, gleich leserunde mit tollen frauen. freue mich auf die einzwei stunden leeren vor-sich-hinguckens später, kurz vorm einschlafen, im bett, fast dunkles zimmer, vielleicht spiele ich solitaire oder lese einen krimi, keine nachrichten bitte.

veränderung

sie haben einen großen modernen kinosaal in der anlage, einen 12m-pool, eine offene bibliothek mit tischen, lampen und einem relativ aktuellen katalog. die wohnungen („appartments“ sagen sie dort, das große ganze immer mitintendiert) sind zwischen anderthalb und drei zimmern groß, der speisesaal ist schön eingerichtet, die richtigen lampen, sehr freundliches personal, geradezu fröhliches personal. die älteste bewohnerin ist 106, sagt uns die frau, die meiner mutter alles zeigt, die jüngste mitte sechzig, der schnitt liegt beim alter meiner mutter, bei 85 jahren, das ist nicht ohne, nicht ohne, wo ich selber doch nur einen menschen in dem alter kenne. wir bleiben zum mittagessen. die bewohner auffallend elegant, mit gold und silber geschmückt, feine wolle, die männer in sakko und hemd, einer im lodenjanker, weißes haar, niemand färbt es sich noch ab alter x. meine mutter ist noch eher blond, vielleicht ist das ein einzugsritual, der abschied von der vergangenheit? ist nicht mehr und wird nicht mehr werden. paar rollatoren, „aber die sind dann auch schon 20 jahre hier, sind hier alt geworden“, paar rollstühle. mich würde glaube ich die ganze eleganz stören, das gediegene, ich empfinde das als zur schau gestellten wohlstand, ein auffälliges gleiche-unter-gleichen, vielleicht nur, weil ich nicht dazugehöre mit meinem einen kaschmir im regal, diese menschen haben halt einfach kein h&m im schrank, die können sich das ja nicht aussuchen, nicht mehr aussuchen, ihr leben hat die feine kleidung hinter ihnen angehäuft. sie kennen es nicht anders. die frauen sehen interessant aus, ihre verschiedenheit fällt mir auf, sehen sich doch alte leute oft ähnlicher als jüngere, weil ihr alter das erste wahrgenommene ist, von meinen zarten 50plus jahren aus betrachtet. ich bilde mir ein, ihnen ihre guten leben ansehen zu können, weiß aber nix natürlich. vielleicht waren sie einfach besonders schön, und nicht besonders interessant, im alter fällt das ein bisschen ineinander. sie bringen bestimmt einen großen teil ihres lebens mit, wenn sie in so einen alterssitz umziehen, und müssen viel zurücklassen, wie das eben so ist.

ein bisschen kreuzfahrt war das heute, wo die leute aus ihren kleinen kabinen immer in abendgarderobe erscheinen.

meine mutter passt da hinein und wieder nicht. „diese ganzen alten tanten“, sagt sie, es fällt ihr aber dann noch auf, dass sie selber dazugehört. männer gibt es deutlich weniger. ihre berufe kann ich frauen und männern nicht ansehen, kann ich aber bei gleichaltrigen auch nicht gut. ein mann sieht noch ein bisschen nach baumogul aus, auch wenn der körper hinter dem dominanten kinn schon zu verschwinden beginnt, bei damen würde ich nie nach baumogulinösem suchen, da sehe ich eher akademische berufe. die paare unterhalten sich miteinander, nicht alle, einige reden nur einen satz zum menue. die menschen sind ja zuhause dort, ich weiß nicht, ob der repräsentative anteil der eigenen existenz in den hintergrund tritt, wenn man jeden tag im restaurant isst. finde ich interessant, welchen preis so eine normalität hat, sicher hält es die leute auch beieinander, wie jedes ritual.

eine bekannte, die dort schon lebt seit ein paar jahren, rät meiner mutter zum hinwarten, vermisst ihre wohnung und vielleicht auch die realität, oder sie ist ihre einsamkeit dort nicht losgeworden, und dann ist das endgültige noch dazugekommen. es hängt vielleicht davon ab, wie wichtig das zuhause für die identität ist, wie sehr man die sehr pragmatischen grundrisse und die neubauödnis wahrnimmt im lebensalltag. wie es einem geht vorm umzug. aber schöne holzböden auf den balkonen.

ich will dauernd „im alter“ schreiben: so ist das eben im alter, weil darauf alles hinausläuft, so einen lakonismus, die akzeptanz des todes. die zimmer werden frei, wenn jemand gestorben ist, das wissen ja alle, da zieht keiner mehr aus, da sind sich alle bewohner gleich, vielleicht werden sie deshalb alle mit namen angesprochen, bei jeder begegnung, weil angesichts des großen gleichmachers der namen ans leben als einzelner und einziger erinnert, das die menschen ja hier auch noch leben, zu ende leben, päng, da ist er wieder, der tod. dieser aspekt macht mir auch noch schwierigkeiten, glaube ich, dass die mutter als ewige präsenz an einen ort umziehen will, an dem nix mehr ewig währt. ihr sicher auch, bei aller norddeutschen resolution. das verfliegt aber auch wieder beim dort herumlaufen, sobald man sich daran gewöhnt hat, im alltag ist eh mehr gegenwart, das ende fern wie immer. bei abwesenheit von schmerz und not, natürlich. oder nicht? bin ich gespannt drauf.

„sie denken darüber nach, sich zu verändern?“ fragte die mitarbeiterin und rät zur baldigen entscheidung. wenn man schon pflegestufen hat, wird man wohl nicht mehr genommen, lieber sind ihnen aktive senioren, die die arbeit des kulturrates zu würdigen wissen, ende des monats kommt walter momper und erzählt von der wende, ein film mit burt lancaster wird gezeigt, es gibt lesungen und konzerte. eine wasserreise und eine landreise pro jahr, „sehr begehrt“.

 

freundschaftsbuch

ein dickes großes buch mit leeren seiten, dichtung und wahrheit steht drauf, es ist elegant, silbergrau mit schnitt. ob wir, seine alten freunde, da erinnerungen reinschreiben könnten, dinge, die wir noch wissen, für sein kind, jetzt ein vorschulkind. er ist im letzten jahr gestorben, unter unklaren umständen, drogen und polizei waren mit ihm spiel, es ging ihm nicht gut in den letzten jahren, das haben wir alle mitbekommen. er war in meiner klasse, etwa so alt wie ich. ich werde eine seite schreiben, ein paar erlebnisse und bilder, würde aber gern allgemein etwas dazu sagen, wie er war früher, oder: wie es war mit ihm früher, in der zeit, als wir noch jungen und mädchen waren und nicht teenager oder junge erwachsene. dass er in den achtzigern ein liebevoller und freundlicher und lebenslustiger mann gewesen ist. es gibt einen großen unterschied zwischen diesen erinnerungen und dem jetzt, er ist nicht gut umgegangen mit sich und auch nicht mit dem kind, ich war natürlich nicht oft dabei, aber ich habe ihn mit kind oft unbeherrscht und laut und grob erlebt. wird er dann im umgang mit seiner familie nicht noch öfter so gewesen sein? mit seinen freunden war er anders, mehr wie früher. das weiß ich natürlich alles nicht und schreib auch nichts drüber, das ist nicht meine aufgabe. ich weiß nicht, was das kind später erinnern wird von seinen ersten lebensjahren. mein satz dazu: ich weiß, dass es später nicht immer leicht mit ihm war, aber früher (…). und das es sich melden kann, wenn es mag.

pasta

war kurz mitgerissen von der aufregung, aber sie ist wieder verflogen und ich genieße meinen abend. es bleibt ein interesse dafür, wie und in was und warum sie da reingeraten ist, warum sie das getan hat, aber es ist eher so ein verblüfftsein. vielleicht sagt sie was dazu, vielleicht nicht, das ist aber ihre sache, denke ich. liebe frau readon, hier gibts jedenfalls immer eine pasta für sie.

(hmm. werde noch mal drüber nachdenken, warum mich die sache nicht so wütend macht wie alle anderen.)

alleinbleiben

nach ein paar hinweisen auf twitter grey’s anatomy 15/19 geschaut, obwohl die serie nur noch schlümmste telenovela ist – die szene mit der wall of women hat mich erwischt, vor allem, die ernsten blicke, nur die präsenz, ohne kommentar, dieses: wir sind hier, alle frauen sind hier. wahrscheinlich, weil ich in diesen situationen immer vollkommen allein war. mit den männern, auch danach, also in den minuten unmittelbar nach der gewalt. meine kinder waren jedesmal auch da, es hat das alleinsein nicht verändert. männer können tun, was sie wollen, und sie nehmen unser selbstbild mit, ohne dafür zu bezahlen, weil wir ihnen vertraut haben und danach eine lange weile uns selbst nicht mehr vertrauen können. ich hab keinen der beiden angezeigt, ich konnte nichts beweisen, inzwischen ist es eine verwachsene tiefe narbe, aber ich zeige sie immer noch nicht gerne. wie alle narben bleibt sie. es ist das alleinsein in der situation, das die angst so groß macht, die nachher nicht mehr zu einem passt, die ich kenne aus kindertagen, die mich zum opfer macht, mir für ein paar heillose momente und tage die persönlichkeit und die geschichte nimmt, bis der schock sich legt und wieder alltag ist. diese angst verzeihe ich den männern nicht, die fassunglosigkeit. man ist allein, man bleibt allein.

erfolg ist ein weites feld

neulich wollte eine bekannte ganz unerwartet von mir wissen, ob ich meine erfolglosigkeit vielleicht einer art adhs zuschreiben würde, sie hätte da drüber nachgedacht, vielleicht wäre das auch ein problem bei meinen kindern? ich war zu höflich und zu fassungslos, sie einfach stehen zu lassen, aber ich habe noch eine weile darüber nachgedacht, über diese wertungsbeflissenheit bei andern leuten, die vermutlich auch über sich selber so urteilen, in marktwirtschaftlichen kriterien. über ihr urteil („erfolglos“) habe ich nicht nachgedacht, es tangiert mich nicht so, mein schwerpunkt liegt einfach woanders. ein freund hat mich beim ausgehen auch mal darauf angesprochen, er war mir freundlich gesonnen und meinte, wir (er und ich) würden ja auch eher später im leben unseren weg finden, oder so ähnlich. das konnte ich bestätigen, es ergab sich ein interessantes gespräch.

warum tangiert es mich nicht?* es liegt am diabetes, denke ich, und dem daraus resultierenden training in der wahrnehmung des ist-zustands, aller ist-zustände. mein unmittelbares überleben passiert nicht von alleine wie bei gesunden leuten, ich habe dafür bis vor ein paar monaten dauernd entscheidungen fällen müssen, insulin, essen, bewegung, alkohol, erst seit der verwendung von aaps wird das deutlich weniger, die entspannung darüber ist grundlegend, und kommt nur langsam ans licht. die gegenwart ist nicht mehr zuerst stoffwechsel.

ich kann mich jetzt in ruhe den anderen existentiellen ängsten widmen, wie der suche nach einem zuverlässigen brotjob. das klappt ja seit jahren nicht, liegt an mir, aber auch an den verschiedenen arbeitgebern, es beschäftigt mich, ob ich wirklich so schlecht bin, dass sie mich nicht mehr wollen, oder ob es der markt ist, der eine bindung an einzelne arbeitsnehmer überflüssig macht. es ist weniger ein vorhaben als eine notwendigkeit, etwas zu finden, weil das leben als alleinverdiener mit drei kindern und hund einfach mehr kostet, als ich verdiene. das genügt ja eigentlich als streßfaktor.

nachdenken über arbeit. hatte nie einen traumjob, vielleicht als mädchen kurz mal die schriftstellerei, aber dazu fehlt mir die disziplin, und auch der ehrgeiz ist für mich eher eine rätselhafte kampfsportart, die mich nicht so interessiert. ein job soll mich nicht ganz fressen, ich brauche viel kraft für mein leben außerhalb, es war mir zeitlebens nicht so wichtig, womit ich geld verdiene, und irgendwo bin ich immer untergekommen. schreiben war schon ein schwerpunkt, aber das journalistische schreiben macht für so mittelbegabte wie mich viel arbeit bei (heutzutage) sehr wenig lohn, und es gibt genug leute, die das wirklich wollen und können. junge leute, die bei instagram zuhause sind.

dabei möchte ich gar nicht unbedingt etwas tun, mir genügt die vorstellung davon. die meisten dinge sind nicht interessant genug, um sie mit aller kraft tun zu wollen. die idee der dinge ist ein kosmos, ich sehe da paläste und habe ein gefühlspanoptikum zur verfügung, um die vorstellung einzurichten, also gelegentlich, kurz vorm einschlafen. der weg ist viel mehr mein zuhause, also nicht toll gitarrespielen, sondern beim üben besser werden. ist natürlich auch bisschen quatsch, weil ich ja auch bei gleichbleibender tätigkeit in jedem neuen job alles wesentlich neu lernen darf, abläufe, menschen, beziehungen, pflicht und kür.

*bei meinen kindern habe ich auch keine sorgen. ich will nichts zu privates über sie schreiben, obwohl es sie nicht sonderlich stört, sie lesen es ja nicht, aber sie könnten selber schreiben, wenn sie es wollten, und sie tun es nicht, also lass ich es auch.

open artificial pancreas system

2018 kann ich als diabetikerin die steuerung meines stoffwechsels einem algorithmus überlassen, muss das system dafür aber noch alleine zusammensetzen. irgendwann übernimmt das ein kleiner implantierbarer blutzuckersensor, der die insulinzufuhr durch meine insulinpumpe alleine regelt, selbstlernend und wasserdicht. bis dahin macht es das internet.

die menge an insulin, die wir brauchen, ist sehr wandelbar. der blutzuckerspiegel kann durch einen haufen faktoren erhöht werden und durch einige verringert, bei stress oder wut oder aufregung wird adrenalin ausgeschüttet, das erhöht den spiegel, alkohol kann ihn verringern. andere hormone verändern den bedarf auch, bei frauen östrogen und progesteron. es ist wie ein marionettenspiel, bei dem die länge einzelner fäden und das stück dauernd verändert werden, der patient ist dabei marionette und puppenspieler in einem.

ausgehend von einem alten, für die steuerung von kraftwerken verwendeten programm (lineare modellpräventive regelung) haben diabetiker1 in den letzten paar jahren ein programm entwickelt, das uns die entscheidung darüber abnimmt, ob wir jetzt weniger oder mehr insulin geben sollten. das projekt läuft unter #wearenotwaiting (weil es in den pressemitteilungen über großartige neue heilungswege immer heißt: in 5 jahren frühestens, und man danach nie wieder etwas davon hört) und ist ein open-source-projekt, es wird als offenes nicht proprietäres  system mit den erfahrungen seiner vielen nutzer gefüttert, so wie ich das verstanden habe. die initiatoren haben dafür auch einige alte insulinpumpen gehackt, die sich dann durch das programm steuern lassen2.

es läuft entweder auf einem ein-chip-computerchen wie einem rasberry pi oder einem intel edison (intel hat die herstellung leider eingestellt, eine alternative wird grad gesucht), oder in einer app auf dem handy, je nach benutzter pumpe. alte pumpen wie meine, von 2006, haben eher funk. die anfunkbaren brauchen den eddy (kann funken) oder den rasberry, die neueren sind auch über bluetooth erreichbar. das programm gibt dann der insulinpumpe signale wie „weniger insulin“ oder „mehr insulin“ für den zeitraum x, bis mein idealer blutzuckerspiegel erreicht und gehalten wird. die entscheidungen fällt es anhand meiner blutzuckerwerte, die ich über ein cgm-system (continous glucose monitoring) sammele und irgendwie ins programm einspeisen lasse, alle 5 minuten. wenns läuft, ist es ein closed loop, und macht uns also zu loopern.

das tolle an der sache sind die vielen parameter, die ich einsetzen kann. wie lang wirkt mein insulin, 3, 4 oder 5 stunden? wie schnell baut mein körper es ab? wieviel insulin brauche ich zum essen, morgens, mittags und abends? wie hoch ist heute meine resistenz, brauche ich also zur korrektur mehr oder weniger insulin als sonst? der ganze kram läuft in diabetikerköpfen dauernd ab, ein bisschen wie bei einem koch, der sein rezept immer neu zusammensetzen muss. und wenn so ein ordentlicher pasta-pizza-torten-kloß manchmal erst morgens um 4 richtig im blut angekommen ist, lieg ich im tiefschlaf, aber openaps fängt dann die werte auf.

neulich sagte jemand, dass hinter jeder app viel mehr arbeit steckt als ersichtlich, hier sind wir als ein haufen betatester alle von anfang an dabei. ich bin schon die nachhut, die gar nicht coden kann, fühle mich aber an msdos-zeiten erinnert, wo trial and error dazugehörten und das funktionieren nur eine option unter anderen war.

gestartet bin ich über die wunderbar gehaltenen anleitungen im netz, deren größter vorteil die methode idiotensicher und c/p ist. sogar das drücken der enter-taste wird erwähnt, was sehr hilfreich ist, wenn man keinerlei ahnung hat. auf github habe ich ja am anfang nichtmal die verben und substantive verstehen können, inzwischen habe ich eine ungefähre ahnung, mehr nicht, aber hey, es funktioniert. das programm selber wird dauernd aktualisiert, er wird ständig angepasst und weiterentwickelt, inzwischen kann man sogenannte microboli geben, also insulin in sehr kleinen dosierungen, wenn bestimmte kriterien erfüllt sind, das programm kann die basalrate meiner pumpe überprüfen und korrekturen vornehmen bzw. vorschlagen. weil ja jeder körper eigene bedürfnisse hat.

ich verwende das system seit 2 monaten, davon lief es vielleicht 2 wochen, nicht durchgehend. an seiner peripherie liegen die blutzuckersammelmethoden, die auch alle einen selbstgebauten teil haben. viele daten müssen da dauernd wandern, deshalb hakt es häufiger mal, da ist eine bluetooth-verbindung unzuverlässig, oder der wechsel zwischen wlan und g3 klappt nicht, oder man ist in brandenburg, oder hat einen haken in einer der apps falsch gesetzt. die bausteine fürs cgm sind anfällig für fehler, und die syntax für das openaps hat auch bugs, oder ich hab irgendwas falsch copypastet. wenn es nicht lief, mußte ich früher immer das ganze system neu aufsetzen, inclusive handy-reset.  jetzt frage ich auf gitter oder facebook direkt bei den entwicklern nach, schildere mein problem so deutlich wie möglich, durch kopieren der diversen logbücher, und erhalte meistens in kurzer zeit von irgendwo auf der welt hilfe, die ich nach längerem nachdenken auch verstehe. nach einigen tagen hatte ich den wirklich befriedigenden eindruck, die welt bestünde aus diabetikern.

die zahl der downloads der verschiedenen typen an closed-loop-software hat sich in den letzten wochen verdoppelt auf ca. 1000, in deutschland sind wir um die 50-70, das sind noch nicht so viele, aber es fühlt sich in der szene schon ein bisschen nach einem hype an. ich merke den diy- anteil daran sehr deutlich, je mehr coder an einem teil des systems beteiligt waren, desto sicherer und runder läuft es, es ist wie ein ameisenbau mit vielen spezialisten, man meint das vergnügen zu spüren, das programm so komplex wie nötig gestalten zu können, and then some. beim anpassen der hard- und softwareteile bleibt oft kein stein auf dem anderen. es geht schnell und die leute sind gut.

die verwendung der aps-systeme ist 2018 noch eine juristische grauzone, ein diabetologe darf die sache nicht weiterempfehlen oder bewerben, er kann nur darüber informieren. find ich doof, schließlich sind wir es gewohnt, verantwortung über sämtliche therapeutischen maßnahmen alleine zu tragen, inclusive der menge an insulin oder kohlenhydraten, die wir uns geben. der minipankreas wird ja vom benutzer ans seil gelegt, er darf unter anderem nur bis maximal x einheiten insulin dazugeben, und so weiter. im nebeneffekt muss ich meinen stoffwechsel noch einmal sehr genau analysieren und dokumentieren, als grundlage für das programm, weiß also mehr über mich und nicht weniger, wie man ja bei automatisierungen annehmen könnte. und es macht spass.

1 die ersten waren 2015 dana lewis und scott leibrand, beide immer noch sehr aktiv dabei. in d hat saskia wolf das loopen in bewegung gebracht.

2 in der pumpentherapie wird die für den grundbedarf des körpers täglich benötigte insulinmenge basalrate genannt. der bedarf ist je nach tageszeit verschieden hoch, und  ist für jede stunde oder halbe stunde in die pumpen programmierbar. alles, was ich zum essen brauche, gebe ich als bolus in die pumpe ein. wenn man mal wegen hormonen oder krankheit oder party oder what not mehr oder weniger insulin über einen längeren zeitraum benötigt, stellt man sich eine temporäre basalrate ein. auf die steuerung dieser temporären basalraten hat das programm zugriff.