2. november 20

ein schönes volles wochenende. noch eins mit großeinkauf, der g.-zwilling war wieder zu besuch, marktrunde mit dem d.-zwilling, um äpfel, eier und pasten zu kaufen. markt war voll, ein paar nasenmänner, sonst alle mit maske. lange hunderunde mit freundin, romanze gelesen, weil ich bei all den texten zu den usa, dem klimawandel und allgemein dem untergang des abendlandes etwas nur emotional packendes lesen musste, nichtmal serien gehen zur zeit, ich habe die neue folge discovery nicht zu ende gucken können, bin immer wieder raus zu den nachrichtenportalen. nicht gut, so bin ich gar nicht eigentlich. abends stew gekocht, den tisch im wohnzimmer gedeckt, dem ausgezogenen das familiengefühl mitgeben, als wäre es eine postkarte, es hat aber funktioniert, das system familie trägt. er sagt, es würde sich hier bei jedem besuch etwas anders anfühlen.

sonntags großes frühstück, lange schlange vorm bäcker um 10uhr. mein blutzucker ist die ganze zeit zu hoch, insulinbedarf um ein drittel oder mehr höher, das liegt auch bisschen an einer art fortbildung mit prüfungen, die ich grad absolviere, aber hauptsächlich an der weltlage. glaube ich, ich weiß es ja nicht, merke bloss die symptome, wer weiß, welche hormone da auch noch den üblichen ärger machen, vielleicht sind es ja auch noch die wechseljahre. ich bin aber bei tag 360, nach einem jahr ohne ist frau durch, heißt es, dann beginnen die heiteren jahre der postmenopause, bei der noch ein haufen schöner dinge verloren gehen können, u.a. die haare, die kreativität, die geschicklichkeit, die gelenke und die figur. bekomme jedenfalls fast keine guten postprandialen werte mehr hin, trotz allem, was ich weiß und kann. das erdet und lehrt demut. trotzdem gute laune.

nachmittags ist mir aufgefallen, dass die museen ab heut geschlossen sein werden und bin mit dem g.-zwilling noch mal in die gemäldegalerie. es war sehr voll, eigentlich ein gutes zeichen, dass die berliner nochmal kunst tanken, das mit dem abstand und den masken hat gut funktioniert. in der wandelhalle in der mitte der galerie findet eine eher finstere ausstellung statt, the last judgement scultpure von anthony caro, mit massiven strukturen aus holz, stein und metall, etwas bosch-artig, ohne das spielerische, humorvolle, lebensbejahende von bosch. sehr deprimierend, wirkte wie diese eingänge zur hölle in den indiana jones-filmen, wo pfeile, fallen und allerlei machenschaften den durchgang verhindern sollen.

ich wollte dem g. ein paar bilder zeigen, aber es war leider zu voll für einen ruhigen zugang. wollte mir ein meeruferbild von einem holländer ansehen, als trost für den dieses jahr ausgebliebenen blick aufs meer, habe es aber trotz mehrfachem herumsausen nicht finden können. jetzt hab ich es als bildschirmhintergrund, das funktioniert vielleicht auch. hatte freude an den bildern von üppigen gelagen und feierlichkeiten, überhaupt ansammlungen von menschen, daran dann doch gemerkt, dass mir was gefehlt hat in diesem jahr. das bild oben ist von einem joachim pantenier, „die ruhe auf der flucht nach ägypten“, von ca. 1520, mit seiner idyllischen landschaft hat es fast wehgetan, gibt es doch für die flüchtlinge von heute keinerlei hafen und keine ruhe mehr (es scheint verschiedene schreibweisen zu geben, im netz heißt es patinir, im museum patenier).

lustig die sprichwörter von brueghel, das bild ist mir vorher nie aufgefallen, habe fast keines erkannt. auf meinem kühlschrank hängt eine magnettafel mit einem verschwommenem foto und der aufschrift „leg dich lieber wieder hin“, den brueghel gab es als große postkarte im museumsshop, der wäre als fokussierhilfe und muntermacher vielleicht sinnvoll in den dunkeln morgenstunden, schade, zu spät.

ein unerwartetes geschenk war die ausstellung zum 300. geburtstag von piranesi, dessen römische veduten ich sehr liebe. habe nix davon mitbekommen, weil ich so fern der kunst war, was für ein glück, das noch erwischt zu haben, gemäldegalerie oder kupferstichkabinett zeigen ja alle paar jahre etwas von piranesi, diesmal ging es um wege und umwege seiner kreativität. auch hier wieder eine finstere folter-phantasie, mit einigen anderen kerker-bildern ein zentrales moment der austellung, zumindest haben sie eine ganze wand eingenommen. kann aber auch sein, dass mir das nur so auffällt mit meiner zzt. deutlich erhöhten grundunruhe.

heiliger bimbam! schon wieder soviel text. das liest doch keiner, aber zum kürzen hab ich jetzt natürlich wieder keine zeit. ich sehne mich auch nach meiner poetischen dichte und hoffe, ich finde sie wieder.

das noch: da hat doch 2014 ein begabter junger mensch aus kunstinteressierter familie einen ganzen haufen piranesi-zeichnungen identifizieren können? was für eine schöne geschichte.

Ein Gedanke zu „2. november 20“

  1. Natürlich liest das jemand. 🙂

    Das „Bergige Meeresufer“ befindet sich vielleicht gerade im Depot.

    Die schöne Geschichte von der Entdeckung der vielen Piranesi-Zeichnungen hatte ich gar nicht mitbekommen, vielen Dank für den Link. Von Georg Kabierske wird man sicherlich noch hören, womöglich wird er in nicht allzu ferner Zukunft selbst Museumsdirektor.

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