sequoia national park

three rivers ist ein langgezogenes nest am fuss der berge, freundlich und wohlhabend wirkt es, mit kleinen restaurants, einer grundschule, wenigen geschäften. im „historical museum“ findet ein hot dog festival statt, es besitzt ein saloon-piano, gewehre und kleidungsstücke der frühen siedler, wir sollen anfassen und fragen stellen, sagt der chef. es ist unser erster abend, wir haben hunger, wie immer bin ich ein paar minuten orientierungslos die strasse rauf und runter gefahren, um das zentrum zu suchen, nach welchen kriterien sonst soll ich eine entscheidung treffen? es wird dann anne langs emporium, weil es am wenigsten nach pommes und burgern aussieht. wir sind die einzigen gäste, der laden schliesst gleich, ich freue mich, dass ich nach der langen fahrt aus der hitze des valleys rausgekommen bin, hier ist es durch das viele grün viel besser temperiert.

das essen wird in japanischem geschirr serviert, der salat hat eine sojanote, es schmeckt gut – und eigen, als ob da wirklich jemand selber die rezepte entwickelt habe. ich halte die drei damen des delis für drei generationen einer familie, frage aber nicht nach. die wantans reichen den jungs nicht, wir bekommen noch eine nahrreiche und dichte hühnersuppe mit wunderbarem frischen brot. an der hinteren wand entdeckt gregor ein regal mit gewürzen, samen, tees und merkwürdigen wurzeln in haufenweise gläsern, wie in der vorratskammer einer kräuterhexe, gregor sucht sich eine zimtstange aus, obwohl wir die zimtfarbene rinde der mammutbäume noch gar nicht gesehen haben. 1 dollar, 25 cent zahlt er dafür, von seinem geld.

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vom hotel aus fahren wir noch 20minuten bis zur einfahrt des nationalparks, auch hier wieder richtig mit schranke und wärterhäuschen und zwei angestellten in ranger-uniform, dann noch eine stunde lang über enge serpentinen in die berge, hoch und höher, durch mehr oder weniger dichten grünen wald. die kinder fragen die ganze zeit „mama, wie gross sind die denn, ist das hier einer? oder der hier? also der hier ist riesig, schau mal“ ich sitze zufrieden hinterm steuer, plötzlich schreit elias „boah!“ und da steht er neben der strasse, unser erster sequoia, der stamm vielleicht 3 meter dick, verschwindet durch die anderen bäume ringsherum nach oben. ich fahre weiter, die kinder schnattern. ich versuche, meine inneren meter anzupassen, damit die sequoias noch irgendwie reinpassen ins konzept „baum“, aber das wunder wird nicht kleiner, das herz macht bei jedem neuen baum einen kleinen hopser, dann fällt mir ihr alter wieder ein, die vielen hundert und paar tausend jahre, die da vor uns stehen, „older than jesus christ“ sagen die amis, ich denke lieber daran, wo die menschheit vor 3000 jahren war, als diese bäume ihr leben begonnen haben.

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direkt am parkplatz steht einer, 10 meter den hang herunter, die jungs stürmen hin, um ihn aus der nähe zu sehen, der kopf legt sich in den nacken, soweit es geht, die rinde ist elastisch wie kork, aber viel gröber, viel dicker und tief gerillt. gregor hebt ein großes stück davon auf, sie ist federleicht, wie aus pappmachee. es liegen riesige zapfen herum, unterarmlänge, die kinder fotografieren sie wie trophäen, aber die sind von irgendwelchen fichten, lerne ich später. die sequoias haben kleine, runde zapfen, nicht größer als eine kinderfaust.

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wir laufen einen sehr asphaltierten rundweg um eine wiese mit perfekten bedingungen für sequoias, in ihrer mitte sammelt sich feuchtigkeit, der boden liegt ein bisschen tiefer als die umgebung, die bäume stehen alleine am rand und haben wenig konkurrenz um wasser, sonne und nährstoffe. neben einem der bäume steht eine hirschkuh und guckt in unsere richtung, nein, sehen wir dann, sie schaut nach ihrem kitz. auf der großen bildversion kann man beide sehen, sie sind so viel kleiner als erwartet vor dem baum.

der park bemüht sich um natürliche bedingungen, so wird feuer genutzt, um die saatbedingungen der bäume zu verbessern und um sie zu stärken, weil die konkurrenz mit abgebrannt wird. die feuer brennen niedrig und lassen moos und unterholz verschwinden, aber unheimlich sind sie schon, wir sehen ein paar qualmende quadratmeter davon, es steht ein schild dabei: „wir wissen, dass es hier brennt, es ist ein geplantes feuer“.

hinweisschilder und ein stammquerschnitt erinnern an den raubbau vergangener zeiten, die jungs fragen, ob diese wunder die menschheit auch weiterhin überleben werden, oder ob nach der anbetungsphase nicht doch wieder eine ausschlachtung stattfinden wird. david glaubt, dass beim baldigen ende des erdöls die menschheit bald wieder mehr holz verbrennen wird und schlägt vor, überall sequoias zu pflanzen und mauern drumrum zu bauen. ich stehe, in jeder zelle klein, fröhlich und kurzlebig („was soll der stress? ganz, ganz bald ist es durch“) unter den riesen und würde sie sofort verteidigen gehen.

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ich stelle mir die geschichten vor, in denen sie vorkommen, wir sehen ein paar riesige ents mit großen zehen und wenig leuten drumrum, so dass ich endlich soetwas wie treehuggen versuchen kann, aber man sieht ja, wie weit gregor mit seinen armen gekommen ist. es gab keinen weg, den ganzen baum samt füßen und details aufs bild zu kriegen, ich hab die obere rundung des wipfels also mit photoshop hingepappt, der baum war abgeschnitten, vielleicht stellen sie sich mal ein typisches berliner wohnhaus mit dachhöhe um 25-28 metern vor: etwas über dreimal so hoch ist ein sequoia.

der wald wurde erst 1839 entdeckt, den ersten, zu kleinen park gibt es seit 1890, unter roosevelt haben anderthalb millionen unterschriften für eine ausweitung des parks auf alle sequoiawälder plädiert, aber es hat bis 1967 gedauert, alle wälder aufzukaufen und als parks zugänglich zu machen. anderthalb mio ohne internet.

ich bin ordentlich in awe vor den riesen, viel mehr als erwartet. der eindruck geht sogar tiefer als der vom grand canyon, oder den walen, oder big sur, nichts wirkt so stark wie diese bäume. sie sind eine wirklich vollkommen neue erfahrung, wegen ihrem festen stand in raum und zeit. ich weiß noch, ich stand vorm sherman tree und dachte „renaissance? pfff.“

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auf den wegen rund durch den park klettern die jungs auf einen gefallenen stamm und setzen sich neben ein mädchen. elias plaudert mit ihr, „auf englisch?“ fragt die mutter hoffnungsfroh, „naja,“ sagt er, „eher nicht, ich war mit ihr in der rüste letztes jahr.“ die mutter, alleinreisende mit kind, ist nicht so erfreut wie ich über das treffen und sagt im tonfall exasperated „wie weit muss ich fahren, um keinen berliner zu treffen?“ nicht in einen der schönsten parks der usa, wär mein vorschlag, nicht in den sommerferien, aber nee, sie will gar keine antwort. ich bin etwas verwundert und halte sie für eine deutsch-deutsche.

im souvenirshop stromere ich mit david durch die regale und merke nach paar minuten, dass ich nicht widerstehen werde können. ich kaufe eine tasse, da lachen mich die jungs nur ein bisschen aus – und einen baum, 5cm, mit substrat drunter und plastikröhre drum rum, da gibt es erstaunliche stimmen der vernunft auf der kinderseite. „der wird sterben, wir sind noch 2 wochen unterwegs, der gehört hierhin“, fast alles gute gründe, auch, um die welten getrennt zu halten, denke ich, aber ich kann sie qua mütterlicher fokussiertheit mühelos ignorieren.

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er steht in den motels immer am fenster, von allen umhegt, in der zugreise festgeklemmt am zugfenster, im flieger in der flaschentasche am rucksack und jetzt gedeit er prächtig auf meinem balkon. ich habe freunde mit gärten, da kann der hin, wenn er aus meinem balkon rausgewachsen ist. david hat eine packung samen gekauft, dann können wir ihm sogar noch gesellschaft verschaffen. er wird hier längst nicht so hoch und breit wachsen wie in kalifornien, zu wenig alpin alles im brandenburger flachland, aber wachsen tun sie überall, sagt die werbung. es gibt viele sequoias in europa, sie waren vor allem in england eine zeitlang mode und stehen dort in vielen parks.

und ja, natürlich braucht er einen namen.

auf einer der bänke um die wiese sass ein ca. 50ziger in rangerkluft und erzählt, dass er seit ein paar jahren im park arbeitet, jeden sommer, und jeden tag in der mittagspause auf eine bank an dieser wiese kommt, weil er sich in die bäume so verguckt hat („I fell in love with them“). scheint mir vollkommen nachvollziehbar, sie bringen einen auf den boden und relativieren auf wirklich elegante und majestätische weise das leben und den ganzen rest, in quali- wie quantitativer hinsicht. ich habe einen blick auf die freien stellen geworfen und würde wenigstens die söhne gern mal für ein sommerpraktikum hinschicken.

die jungs haben dauerlauf mit stoppuhr um die wiese gemacht, einmal rum, und erzählen strahlend, dass die anderen touris sie mit „go go go!“ angefeuert hätten.

ich verlängere den aufenthalt um einen tag wg. begeisterung, die kinder finden, dass ich übertreibe, aber ich darf das natürlich. wir gehen einen anderen der vielen wanderwege am letzten tag, die jungs eher unlustig und im bloss-nicht-bergauf-modus. elias dreht sich um und holt luft, um das argument „lieber swimmingpool“ nochmal nachdrücklicher zu verkünden, da sehe ich hinter ihm etwas, mit dem ich trotz vieler warnschilder überhaupt nicht gerechnet hatte und beginne wild mit den armen zu wedeln, um ihn und die brüder zurück in meine nähe zu holen: 30 meter hinter ihm steht ganz still eine aufmerksame bärenmutter mit zwei babies und sieht ihn an – das schwimmbad war sofort vom tisch.

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ich weiß kurz nicht, ob fliehen oder standhalten angesagt ist, lasse mich aber von der riesigen relaxtheit anderer wanderer überzeugen, wir bleiben auf dem weg, sind laut, und gehen noch eine halbe stunde weiter, um am fluss ein schönes kleines picknick zu geniessen, aber meine nervosität bleibt. und der ärger darüber, das ausgerechnet heute die kamera wg leerem akku im hotel geblieben ist, aber david hat ein paar schüsse machen können. ich weiß gar nichts darüber, was bei bärenmüttern im umfeld zu tun ist, aber es scheint mir dann doch besser, einfach das komplette umfeld zu verlassen, obwohl die kinder jetzt am liebsten auf bärenfotojagd gehen würden, „schau mal mama, ich kann mir eine schleuder machen“ – mir war das nah genug.

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die riesige tarantel, die wir auf dem rückweg ins motel noch aus nächster nähe begucken können, fällt da kaum noch ins gewicht. jemand erzählt uns, dass es im park ca. 300 wildlebende schwarzbären gibt. dreihundert. dankbarkeit.

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wir fahren morgens im grand canyon village los und am south rim entlang richtung osten, ich fahre nochmal ein paar meilen zum desert view tower, einfach weil er da ist und ich noch einen letzten blick auf all das wunder werfen möchte. die kinder maulen, sie wollen weiter, aber ein gewitter überzeugt die jungs, mit blitzen und wolken und einem eimerguss regen, der erreicht uns auf dem weg zwischen parkplatz und restauration, wir werden pudelnass, die laune ist wg abenteuer wieder großartig. gespräche mit anderen touristen bei pommes und gutem, starken kaffee (ich hab den berüchtigten amerikanischen plörrkaffee nur in einem oder zwei billigmotels bekommen, alles andere war überrraschend stark, heiss und lecker), diese art von gesprächen, die einen aus der tiefenentspannung nicht rausholen und die ich ganz gern mag, mit der grundbegeisterung darüber, dabei zu sein, hier zu sein, dem schwebenden freundlichen desinteresse, mit dem man nach ein paar sätzen aus dem „where are you from?“- bereich übergangslos wieder in die landschaft guckt.

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ich stelle mich nach dem guss an den canyonrand, es sind ziemlich viele menschen dort, trotzdem herrscht stille, wir stehen bewegungslos am geländer, als hätten alle den atem angehalten. der ausblick ist spektakülär, wir können den colorado genausogut sehen wie die nordkante, darüber blauer himmel, schwarze wolken und riesige, lange blitze, es donnert, die möglichen bilder sind schnell verschossen, dann versuche ich diese weite einzuatmen, das tiefe rot, es passen ja millionen farbnuancen zwischen die farben rot und braun, der gesamte horizont ist damit gefüllt, und es ist ja ein großer horizont, den man am canyonrand sieht, weil es außer nach vorne und ringsherum auch noch 3000 meter nach unten geht. man hat vielleicht im weltraum oder im ozean so einen freien blick in jede mögliche richtung, und auch nach den drei tagen am grand canyon haut mich der anblick sofort aus dem hocker. dann fällt mir das ding mit den 6 millionen jahren erdgeschichte ein, die da vor mir ausgebreitet liegen, und all die schönheit kriegt noch einen 4D- touch: raum und zeit, ich atme ein und habe den aromatischen nadelholzduft in der nase, der seit dem gewitter in der luft liegt. alle sinne satt (pommes vorhin), das zaubert ein leicht meschugges grinsen in die meisten gesichter. sogar das „ja ja mama, is ja gut“ der kinder hörte sich ein bisschen respektvoll an.

nach dem abschied vom grand canyon geht es über 180 meilen in die stadt page. bei der reiseplanung hatte ich in google earth beim rumklicken bilder vom antelope canyon gesehen, ich weiss noch den prozess von „ganz weit ab vom schuss“ bis „liegt auf dem weg“, den ich als sehr befreeiend erlebt habe wegen dem mu welteroberungswillen, den man so ausleben darf, wie die landkarte zu strasse wird. page, nie vorher gehört und zum glück nicht gewusst, dass der antelope zu den „meistfotografierten slot canyons der welt“ zu gehört, nein, ich habe es für uns entdeckt, das war das gefühl.

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das gelände wird flacher, die erde bleibt tiefrot, die landschaft beeindruckt mich nachhaltig, über weite strecken ist bis zum horizont nichts menschliches sichtbar, es sieht aus wie vor hundert, 200 oder 300 jahren. rund um die stadt konglomerate von imbissen, tankstellen, supermärkten, in großen hallen mit großen parkplätzen davor. im superwalmart vor page, man kann ihn gut auf google earth erkennen, kaufe ich uns schnell noch einen kindle touch für 99$, weil die kinder nichts mehr zu lesen haben und bei den mobilen geräten die akkus immer so schnell ausgehen. das ding war ab kauf auf jeder fahrstrecke und in jedem hotelzimmer in dauerbetrieb, sobald weder pool noch tv möglich (erlaubt) waren. lustig, wie das monatelange theoretisierende ja-nein-oder bzgl ebooks in der sekunde vom tisch war, in der ein wirklich überzeugender grund aufgetaucht ist.

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das rodeway inn in page, rechts hinten im pic, ist ein arg unprätenziöses motel, aber es bietet einen swimmingpool und einen kleinen rasen mit picknicktischen und charmante rotgestrichene wände. die kinder haben den zeitraum zwischen auto ausladen und ins schwimmbad hüpfen inzwischen auf unter 2 minuten gedrückt, ich habe dann immer ein bis anderthalb stunden für mich, bis der hotelmanager die jungs rausschmeisst, weil sie unbeaufsichtigt nicht dürfen. im supermarkt gegenüber hole ich abgepackte sandwiches, die sofortigen würgreiz auslösen und ungegessen in den müll wandern. wir weichen auf einen imbiss beim walmart aus, wo uns die bedienung zu unseren sandwiches aus versehen 12 tacos fertigmacht, die wir im lokal verteilen und so mit allen ins gespräch kommen. ein altes ehepaar lässt uns dafür von seiner auswahl probieren, ein fröhliches try this und try that, und es bleiben immer noch 4 tacos übrig, die ein kräftiger junger mann mit einem lauten „thank you!“ in minuten verdrückt.

mir ist aufgefallen, dass die bedienung aussieht wie weit über 80, eine alte dame in fastfooduniform. ich muss die tacos nicht bezahlen und bin erst beruhigt, als die anderen studi-kellner und die alte dame schnelle witze übers zählenkönnen reissen. ich habe viele alte menschen in solchen jobs gesehen, immerhin sagt dort niemand, sie würden es tun, weil sie sich noch fit fühlen.

wir frühstücken aus styroporgeschirr, die gab es sogar in einigen der besseren hotels, tellerchen und becherchen und schälchen aus einem federleichten vollkunstkram, der nach dem essen in grossen müllsäcken verschwindet, wie ein notbehelf auf einem campingplatz, wenn man die ganze ausrüstung vergessen hat, ein bisschen albern ist es und bringt die europäischen gäste zum lächeln und die französischen zu einer kleinen geste kultureller überlegenheit (augenbrauen und spitze finger), ich denke, das wasser muss hier extrem teuer sein. es gibt nicht genug sitzplätze für alle, wir stehen an einen betonkübel gelehnt vor dem ess- aka-rezeptionsraum, alle in schlangen vorm toaster und dem kühlschrank mit yoghurt, obst und den großen milchtüten mit je einer gallone inhalt. mir gefällt das unwattierte an diesen unterkünften, ich bleibe nah am real life, mit dem plastebecher neben der leeren hauptverkehrsstrasse, blick auf diese grossen flächen und flachen häuser überall.

dann geht es schnell zu antelope canyon tours weiter, 300m über die strasse, ich mit ausgedruckter bestellbestätigung aus berlin in der hand. die canyons gehören den navajos, man muss also zwangsläufig eine tour mit führung buchen. die indianerin an der kasse vergleicht meinen zettel mit einer handschriftlichen liste in einem dicken notizbuch, wir sind dabei, 4 personen, 120$, es wird gleich losgehen, die jungs sind wie immer schon von dem transportmittel begeistert, riesigen wüstentauglichen pickups mit 2 aufmontierten sitzbänken hinten. festhalten! schreit der fahrer und fährt einige rasante minuten über den highway 98, dann geht es durch eine schranke und er brettert noch eine viertelstunde durch roten, feinen wüstensand, der wagen springt über dellen im boden, die haare fliegen, es gibt staubwolken und die jungs kreischen, für sie war der ausflug jetzt schon ein voller erfolg.

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die antelope canyons waren dann eine vollkommen schräge erfahrung. wunderschön anzusehen, eins dieser einmaligen unbelievables, es sind unterirdisch ausgewaschene, vielleicht 20 oder 30meter tiefe schmale einschnitte durch viele schichten stein in all den wunderbaren rottönen, die es dort gibt.

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schräg ist die hatz, in der wir durch den canyon getrieben wurden, wir durften nicht anhalten, die bilder müssen aus der hüfte geschossen werden, unser führer treibt andauernd an, weil die nächste gruppe schon drängelt, als sei sie ein naturgesetz, jede minute wird zu geld gemacht.

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die hälfte der zeit muss man sich an der vorherigen gruppe vorbeidrücken, weil der canyon an vielen stellen sehr schmal ist, es gibt kaum chancen, fotos ohne menschen zu machen, schon stehenbleiben ist ein risiko fürs stativ und die kamera.


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gregorzwilling schreibt nach dem durchlauf mit einem stein etwas auf den fels, als wir auf die abfahrt warten, unser führer verbietet es ihm wegen der heiligkeit des steins, ich hätte ihn in schutz nehmen sollen, wie soll man bei all der hektik in der luft noch ein gespür fürs nichtmaterielle bewahren können?


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unser guide macht motivvorschläge, dort ist lincoln zu sehen, dort washington, dort pocahontas, er zeigt auf die felsen und den passenden standort, ein paar von den 40-50 leuten versuchen, sich dort zu positionieren, während der rest schon weiterstolpert. ich habe die kamera auf dem stativ, wb auf wolkig, und mache mehr oder weniger blind die bilder, es tut bisschen weh, weil man stunden und komplette grosse speicherkarten lang dort bleiben will, aber es ist fließband und keine handarbeit, eine bilderproduktionsstrecke, die bilder sind auch alle in ordnung, aber das riesige dollarzeichen in den augen der besitzer bleibt in genauso lebhafter erinnerung wie das naturwunder. klar, dürfen sie, keine frage, aber eine geringfügig weniger offensichtliche verachtung der gäste wäre cool.

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aber schön ist es.

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diese fahrt von monterey aus nach süden war für mich der beginn einer ganze reihe von großartigen naturerlebnissen, ein teil davon dieser überraschung verschuldet, ja noch nichts, nichts gesehen zu haben von der welt, die erinnerungen an reisen nach indien, china und japan, mit anfang zwanzig, sind ja inzwischen verstoffwechselt, die kann ich nicht mehr von mir unterscheiden.

in den letzten 13 jahren haben die kinder und ich die varianz des immergleichen genossen, immer in norditalien im gleichen (heimat-)ort, auch da sieht ja jeder sonnenuntergang anders aus als der davor, und der danach, ich habe bilder von 30 jahren sonnuntergängen, ich seh sie nicht oft an, aber sie funktionieren, tief eingeprägt durch die wiederholungen, diese bilder sind autobahnen im erinnerungsvermögen (autsch. ach, egal).

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der wasserfall im helen pfeiffer park, picture perfekt, aber es ist doch anders, wenn das wasser läuft und die brandung rauscht, und die kinder sich auf das niedrige geländer setzen wollen, bis auf den großen, der grade mit schlechter laune irgendwohin gestürmt ist. es bleibt ein bisschen auf einer zwischenstufe zwischen realität und bild hängen, weil man nicht hinunter an den strand darf, und die internetpics und der eigene blick deswegen eine so ähnliche perspektive haben wie alles, was man schon kennt. der kurze weg hoch über dem wasserfall ist relativ gutbesucht, einige familien wie immer vollkommen furchtlos mit allem bis auf ein kleines stück hintern über dem abgrund hängend, auf den klippen, beim picknick.

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die vielen neuen eindrücke auf dieser fahrt kicken wirklich erstaunlich intensiv, der highway 1 ist eine bombe. die kinder erleben das auch, sie rufen “boah″ oder brüllen einfach laut, wenn sie über diesen klippen stehen, bis sie sekunden später im galopp bergab (klippab) richtung küste losstürmen, “mal sehen, wie weit man runter kommt, och mama, bitte, nee, die schuhe hab ich, weiß ich auch nicht, im auto gelassen″.

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eine wilde, schöne küste, mit felsen, blumen, meer, einem frischen wind und jeder menge seerobben unten auf den felsen, nach jeder kurve ein neuer ausblick, eine neue klippe, netterweise geht das über einige hundert meilen, es gibt kleine diners am strassenrand mit burgern und zitronenlimonade und aussicht aufs meer.

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ein paar am nachbartisch hat gefragt, ob die kinder auch schon so einen kick von der strasse bekommen wie ihre mutter ganz offensichtlich (strahlen, schwärmen, trinkgeld), es ist vielleicht noch unmittelbarer bei ihnen, und nicht mit geschichten, biografie, tiefgang gepimpt. es ist noch nicht vergleichbar, mal sehn, was sie behalten. sie gewöhnen sich schneller, sie sind intensiv dabei, wenn die natur noch ein paar extras wie abgründe, seeelefanten und steile kletterpfade bereit hält. ich jedenfalls habe alle paar meilen an diesen unzähligen parkbuchten angehalten und mich einfach nur in die landschaft gestellt, zum hingucken, mit der kamera eher als alibi um den hals, und den kindern dafür pommes satt versprochen, aber natürlich kann niemand soviel essen.

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das hearst castle überspringen wir, architektur, selbst megalomane, hat keine chance bei soviel schönheit in der natur. und es war schon nach 5, als wir dort vorbeifuhren. viel viel besser war ein parkplatz, an dem ich erst ein paar hundert meter vorbeigefahren bin, bis das schild mit dem wort „elephantseal“ darauf bei mir angekommen war. ein riesiger leerer parkplatz, die menschen alle an einem geländer zum strand hin, und da waren sie, hunderte und hunderte von seeelefanten, riesigen, sehr träge herumliegenden echten rüsseltieren. sie liegen dort bis zu einem monat, wedeln sich mit ihren flossen gelegentlich sand über die leiber und machen seeelefantengeräusche, die sind one of a kind. darüber pelikane.

pelikan

pharmacy

ich habe eine dauerhafte schwäche für nahrungsergänzungsmittel. in meiner küche gibt es einen kasten, der magnesium, vitamin d3 und fischöl in kapselform enthält, wobei ich die verbindung stoff/körper wie in einem poetischen ritual als synonyme lese, es genügt also, etwas zu schlucken. kleine erfolge in meinem alltag, omega3s sind gesund, ich esse welche, also geht es mir besser, es darf nicht komplizierter werden als das. ist einfacher, als jede woche zweimal seefisch auf den tisch zu bringen. ich bleibe dabei deutlich vor der grenze zum esoterischen stehen, ich kaufe nichts, dass mir besseres gedächtnis, längeres leben oder ewige jugend verspricht, und keine stoffe, die ich nicht aussprechen kann, weil es zuviele q-zahlen-kombinationen im namen hat.

dieser moment vor den regalen, bis fokus und rationales überwunden sind und ich ganz ernst davor stehenbleiben kann, sofort beginnt der blick zu wandern, herz-kreislauf? nee, noch nicht, vitamin a auch nicht, aber dieses multivitamin enthält natürlich auch zink – bei schlecker, rip, waren es immer nur ein paar meter, aber in den usa sind die apotheken so groß wie ganze warenhäuser, an den highways irgendwo in der wüste sind der superwalmart und target nicht viel größer als die pharmacy direkt daneben.

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diese eine filiale in new york an der 14st/ecke 8 avenue zum beispiel, ich wollte sie nochmal in gut fotografieren, habs aber vergessen. vollkommen angemessener raum für diese ganzen schätze, ehemals hauptsitz einer sparbank, jetzt weihevoller ort fürs geldausgeben, es gibt große bereiche für bestimmte mängel im körpersystem, schnupfen, rheuma, magen, jeweils in 12m-regalen, für kinder und erwachsene, lange regale voller schmerzmittel, sie sind nötig in dieser stadt und passenderweise kosten sie fast gar nichts im vergleich zu allem anderen hier. den gesamten diabeteskram auf vielen regalmetern, ganz viel zeug mit zimt, wahrscheinlich genügt irgendeine ministudie am ende der welt mit 50 leuten, dann läuft die produktion los. ich weiss gar nicht, ob die teststreifen von den kassen getragen werden (eine frau hat mir erzählt, ihre schwester sei aus der kasse geflogen, als sie an diabetes erkrankt sei – also zahlen die kassen gar nichts für chronische krankheiten. ich habe nicht verstanden, warum so etwas nicht zur revolution führt). die wunderbaren großen glucosetabs, leicht zu nehmen, gut zu berechnen, idiotensicher auszupacken, auch, wenn man durch die hypo schon arg grobmotorisch geworden ist, es gibt sie auch hier im versandhandel.

nachts ab 22 uhr muss man an automatischen kassen alles selber scannen und bezahlen, eine mitarbeiterin kontrolliert, die jungs sind begeistert, achach denke ich.

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ich hatte die strecke sehr angenehm überschätzt, wir können jetzt ein paar tage lang einfach so herumgondeln, und so landen wir am nachmittag im städtchen seligman, von einem seligman gegründet im 19 jh. dann von der route 66 gelabt und genährt. mit der eröffnung der autobahn endete die geschichte, ein winziges dorf blieb stehen mit ausschließlich souvenirläden und 7 kleinen, einfachen motels, einem laden, einer kneipe (black cat, fensterlos, world famous, umgitterter hof mit paar trinkern), drei restaurants. wir bleiben im romney motel, weil ich auch mal etwas auf genau diese art heruntergekommenes haben wollte, nicht verwahrlost oder so, es benutzt einfach einen eigenen standard des in ordnung-seins, und der benötigt kein weltbügertum. es steht da seit den siebzigern, vor den zimmern ein kleiner überdachter gang mit lauter verschiedenen plastikstühlen, dann der parkplatz.

die jungs liegen auf dem bett und gucken filme, ich sitze draussen neben dem auto auf einem ollen klappstuhl und trinke ein dosenbier, 20:15, schon fast dunkel, langsam geht die wärme und ein ganz leiser würziger duft kommt hoch, ich sitze 20 meter von der strasse weg, über die jetzt mehr autos fahren als tagsüber, wo sie total verlassen wirkte. der hotelier hat vorhin die pflanzen auf dem parkplatz gegossen, mit einem kompliziert aussehenden variablen druckdüsendingens am schlauchende, jeden topf mit einem anderen wasserdruck. seine frau kommt kurz danach vorbei und macht einen witz über ihren mann, der morgens und abends mit diesem gerät arbeitet. sie zeigt mir ihre pflanzen, einen topf mit eggplants, einen dicken tomatenstrauch und erzählt, wie ihr letzten winter bei plötzlichem frost ein ganzes beet mit tomaten eingefroren ist, ja, es friert hier, zwei-dreimal im winter, manchmal schneit es richtig viel (sie zeigt bis zum handgelenk) dann schliessen sie die interstate und alle, alle kommen durch seligman, und die leute klingeln um 5 an ihrer moteltür und betteln um etwas wärme, das sind die guten zeiten, erklärt sie. ihr mann brauchte herausforderungen, darum haben sie das motel gekauft damals, es war total heruntergekommen, sie selbst habe ihren job als preschoolteacher erstmal nicht aufgeben wollen, in l.a.! er war gerichtsübersetzer für singhalesisch, er macht das immernoch, am telefon jeden morgen, und sie macht dann das motel alleine, weil es keinen gibt hier, die studies kommen immer nur 2 tage, und das andere motel da vorne, das sei eine ganze familie, die sind hier geboren und haben immer hier gelebt, immer, alle.

mich interessiert diese lebensform, als hätte man einen kompletten ort in der zeit festgenagelt, kein entkommen möglich, lauter um die fünfzig-sechzigjährige auf motorrädern, leute in tollen teueren autos halten an und machen bilder. hinter den ladenkassen in den souvenirläden, ich muss in jeden, davidzwilling liebt grade souvenirläden, da sitzen frauen mit starken gesichtern und langen haaren, schlagfertig und solide, die konnten alle neulich noch einen vergaser im dunkeln reparieren, vor nicht mal 30 jahren. und das der ort so winzig klein geblieben ist, anders als all die anderen disneylands mit ihrer mordsindustrie.

das motel kommt mir jetzt natürlich viel liebenswerter und schöner vor, anders als das schabrackige motel 6 in barstow neulich, wo morgens um 3 lautstarke streiteren im nachbarzimmer darauf hinausliefen, dass der mann dann doch weg ist (you motherfucker, if you have to leave, then leave).

ich hab dann noch ein signiertes foto von semmelrogge kommentieren dürfen, das neben einer kasse hing, der passte da wirklich hin, merkwürdigerweise hing der nicht in dem anderen laden, der bayerische bierkrüge auf den tischen hat und unglaubliche german bratwürste verkauft, nach denen meine kinder sehr grün im gesicht waren, und habe für 10 $ eine signierte cd von einem musiker erstanden, der mir vom alten las vegas erzählt hat, wie allen touristen vor mir und allen danach, aber er hat mit seinen songs und seinem vollbart eine seite berührt. those were the times. wir kommen erst gegen mittag los.

mojave

die größe der wüste ist von einem horizont bis zum anderen, mit nichts außer ein paar winzigen schienensträngen oder einer strasse darin. sie ist nicht einladend, es gibt steine, erde, außer gelegentlichen kakteen wachsen dort nur tribbles. ich fahre von der vielbefahrenen interstate 40 runter und nehme die route 66, die vollkommen leer und verlassen in der nähe verläuft. wir sind allein, so allein, dass ich meinen 13jährigen kurz fahren lassen kann, eine geschichte, die ich erzählenswerter finde als er, weil ihm die strasse natürlich gar nichts sagt, bei mir gibt es einen kleinen kick, aber der lässt sich nicht weitergeben, es ist halt eine alte strasse durch ein land, es gab einen film, jetzt gibt es touristen, sage ich den kindern, naja alt, nicht ganz 100 jahre. auf den souvenirs überall steht sowas wie: „wegen dir sind wir hier“ und „wir verdanken dir alles“, das hätte man in den ersten hundert jahren auch über die via appia sagen können, aber das fällt mir erst nachher ein, das wir hier immer noch am anfang einer geschichte stehen, in der es auch noch ums überleben geht. neben dem asphalt haben hunderte von menschen mit steinen etwas auf einen kleinen parallellaufenden erdwall geschrieben, namen und botschaften, „guck mal mama, hippiezeichen“ sagt einer zu den friedenszeichen, bestimmt im winter, draussen sind 47 grad und ich will da eigentlich nicht mehr als notwendig aus dem auto raus. ich schicke die jungs versuchsweise in die wüste, sie werden schon nach ein paar metern winzig klein vor dem riesigen panorama, der wind ist so fön, dass der schweiss sofort verdunstet. die totale stille da draussen und die temperaturen sind nichts für große lebewesen, sehr marsähnlich alles, ich werde ernst und wundere mich. ich kann mir den menschenschlag, der sich hier niederlassen mag, gar nicht vorstellen, wir bekommen ja eher die dienstleister mit, in bakersfield und jetzt grade in needles sind sie fröhlich, neugierig und wirken von der hitze vollkommen unbeeindruckt. nachdem wir in ein best western eingecheckt haben, das zufällig neben unserem mittagslokal liegt, bin ich mit den kindern runter zum colorado gefahren, im auto 50 grad, man verbrennt sich die finger am lenkrad, weil es natürlich nirgendwo schattenplätze gibt – elias‘ iphone ist angeschmolzen, als wir es mal für eine stunde im handschuhfach gelassen haben, die schwarze schicht hat lauter risse und blasen bekommen, es geht zum glück noch, er war mehr beeindruckt als verärgert.

unten am ufer sitzt eine großfamilie, die frauen auf zwei campingstühlen weit weg von den männern, alle sitzen ungerührt unter der sonne herum, wo ich schon nach ein paar metern eiskalt duschen und ein kühles getränk möchte. wir kommen sofort ins gespräch, es reicht wie überall, das man Hi! sagt. ich bekomme bier und wasser aus einer riesigen kühlbox angeboten, von einem sehr wohlproportionierten mann, glatt, braungebrannt und interessant tätowiert – und er ist ein plumber, sagt er später. als ich lachen muss, sagt er „No! I do also other stuff around the house, not just plumbing“, mit 4 kindern von verschiedenen frauen, und das leben sei einfach wunderbar. ich stehe dann ein paar minuten in diesem ofen am strand, mit den füssen im frischen und sauberen colorado-river und unterhalte mich mit dem halb so alten mann, frank, dessen kinder doppelt so alt sind wie meine, über die mühen und freuden des alleinerziehens, kommt der vater manchmal? fragt er und erzählt von seinen lebensplänen, das haus gerade gekauft und instand gesetzt, er möchte soviel verdienen, dass er mal einen sommer lang gar nicht arbeiten muss, um dann mit seinen kindern ferien zu machen, genau wie ich das gerade mache, das sei toll, wie alt ich denn sei? dann macht mir solange komplimente, bis mir der kopf auch noch innen raucht und ich leine ziehen muss, zurück in unser klimatisiertes hotelzimmer. die gegend ist wirklich heiss.

(ich wollte eigentlich paar bilder statt soviel text reinstellen, aber twoday und ipad geht irgendwie überhaupt gar nicht. twoday erkennt beim bilderhochladen das ipad nicht als rechner, das ipad lädt die bilder aber nur auf flickr oder facebook hoch. die app „blogsy“ arbeitet auch nicht mit twoday. zeit, weiterzuziehen)

(sie können hier über paypal etwas in die trinkgeldbüchse werfen, wenn sie möchten. das hotel mama hat auch einen wunschzettel. vielen dank dafür!)

monterey

8:30. es ist eine alte rote bretterbude, am zweiten steg von vorne, bei der wir uns treffen sollen, jede menge anderer leute stehen schon ein stück weiter auf der mole vor den beiden booten. ich bin total guter laune und freue mich, dass alles so gut geklappt hat, unser hotel ist nur 10 minuten vom hafen entfernt, die kinder haben gut gefrühstückt, ich hab die kamera dabei. das ist aber ein kleines schiff, denk ich, mit zwei bänken in der kajüte, oben drüber die kommandozentrale, oder wie man das nennt. es passen unendlich viele leute drauf, die ganze lange schlange, wir alle haben einen zettel mit unserem namen drauf unterschrieben, die schiffbrüchigenliste, denke ich noch, aber lese den text nicht durch, es soll ja weitergehen. alle finden ein plätzchen, die jungs und ich stehen direkt am bug an der reling.

die meeresbiologin an bord sieht genauso aus, wie ich mir so jemanden vorgestellt habe, mittelalt, blauäugig, braungebrannt und basecup, mit t-shirt, hemd und fleecejacke, was andere leute im händedruck haben, hat sie im blick, ein fester blick. bei mir geht unmittelbar das parallelfilmchen los, wie kommt sie auf so eine tour, ist das ein angesehener job oder nicht, ist sie zufrieden, wäre sie lieber an der uni oder einer forschungststation? sie wirkt wie die spezialistin im hollywoodfilm, solider frischluftmensch. sie macht den job fröhlich und sehr informativ, wie eigentlich alle leute, die mir bis jetzt begegnet sind, sie wirken immer sehr zuhause in ihren tätigkeiten. schon bei der ausfahrt aus dem hafen erzählt sie über die riesigen kormorankolonien, die wir überall sehen können, sie sitzen grad viel auf dem kai, weil sie füttern und auf die küken achten müssen, in meiner ahnungslosigkeit war ich mir sicher, die seien fast ausgestorben und kämen nur noch in der literatur vor. die kormorane sehen alle aus wie größere archeopterixe, mit ihrem zurückgelegten kopf und dem langen schnabel, sie liegen träge auf dem wind und bewegen sich nicht mehr als nötig beim fliegen.

nach ein paar minuten liegt der hafen hinter uns, wir fahren raus auf den pazifik, ich finde das wort schon aufregend, ich hätte da gar nicht unbedingt hinfahren müssen, es ist schon als wort groß genug, aber ha! jetzt sind wir hier und ich freue mich nach 5 tagen immer noch drüber. die biologin spricht inzwischen weiter, vom kontinentalschelf, auf dem wir entlang fahren werden, dort fällt der meeresboden nach den flachen küstengewässern eher senkrecht um mehrere 1000 meter ab, am kliff gibt es strömungen, die plankton und krill anlocken, deswegen seien dort oft wale in der nähe. sie plaudert so vor sich hin, plötzlich fährt das schiff steil bergauf, im 45grad – winkel, bis auf ungefähr gefühlt zweiter-stock-höhe. die welle, mit der das passiert, ist so lang wie das schiff, das fährt hoch wie auf einer achterbahn, saust oben über den kamm und stürzt dann jäh viele viele meter in die tiefe, im freien fall. ich hatte mich nicht richtig fest gehalten und knalle auf den davidzwilling, dann sausen wir schon wieder den nächsten berg nach oben, husch über die kante, und wieder sausen magen und schiff ins tiefe tal. nach ein paar seemeilen, in denen ich die crew verfluche, weil sie wegen ein paar dicken fischen das leben vieler unschuldiger touristen riskieren, scheint unser überleben nicht mehr ausgeschlossen, auch weil die biologin die ganze zeit weiterredet. die jungs kreischen, gehen in die knie beim sturz, springen hoch, wenn der kahn wieder steigt, beim fall bleiben manchmal ihre füße in der luft, so schnell geht das. das ehepaar, mit dem ich mich unterhalten habe, hat sich aufgeteilt, sie sitzt, er steht vorne neben meinen kindern und sagt zu seiner frau: „you are missing all the fun, it’s rock!“ ich schiebe das auf sein hohes alter und bereue, nicht beim teuersten anbieter mit dem größten schiff gebucht zu haben. es geht gefühlt ewig so weiter, keine chance, einen einmal eingenommenen platz wieder zu verlassen, weil man sich, also weil ich mich nicht ohne etwas zum festhalten auf den beinen halten kann, fotografieren ginge auch bloss mit einer hand, weil die andere um irgendwas geschweisst bleiben muss.

ich weiss jetzt, an mir ist keine seemansbraut verloren gegangen, besonders als die biologin ankündigt, wir seien jetzt auf der schelfkante, da denke ich nur daran, wie weit man da fallen kann, 10.000 feet, neenee, und überhaupt, stand vorhin die kajüte nicht anders auf dem deck, verrutscht die nicht auch langsam, und nicht nur ich? die kinder fragen nach den sandwiches und und den getränken, streiten sich kurz über den besten belag, einen meter weiter spuckt ein passagier über die reling, in den pazifik. seekrank bin ich zum glück überhaupt nicht, ich habe nur einen realistischen eindruck vom ernst der lage – aber dann brüllt der alte mann vorne: whales! und weit, weit draussen, hinter vielen wellen, sieht man eine große fontäne aus der see kommen. ich denke ach ja, jetzt haben wir doch einen wal gesehen, jetzt können wir wieder nach monterey zurück. die sea star II ändert aber sofort die richtung und fährt jetzt mit einem affenzahn längs der wellen, so dass man den freien fall noch einmal in einer anderen himmelsrichtung erleben darf. kurz danach entdecke ich den hund, der oben vor dem steuerstand mitfährt, unter freiem himmel, die vier beine weit auseinander, der pullert aufs deck, ohne ein bein dafür zu heben, der muss das also kennen, so spontan anpassungsfähig sind hunde beim pullern nicht.

ich falle also zurück an die reling am bug, klemme die hand darum, und gucke. und dann springt vielleicht 50m vor uns ein riesiger buckelwal komplett aus dem wasser ein paar meter hoch in die luft, dreht sich einmal um sich selber und fällt zurück in sein element. ich kriege die kamera natürlich nicht in betrieb, weil ich mich festhalten muss und dieses wunder nur ein paar sekunden gedauert hat, aber ein anderer mitfahrer war schnell genug, hier. mein schisshasentum verflüchtigt sich dann endlich endlich, während wir gebannt und sehr berührt den auf-und abtauchenden walrücken zusehen, den flossen, wie sie aus dem wasser hochschlagen, ein bisschen herumwirbeln und wieder untergehen, ganz um uns rum, sie wedeln und winken mit ihren brustflossen und schlagen mit den tail fins herum, die biologin erklärt uns, dass man diese wale gut beobachten könne, weil sie miteinander spielen und kommunizieren und sehr aktiv sind, es sind drei oder vier gruppen von jeweils zwei bis vier tieren, denen das schiff etwas zu ungestüm folgt, wie ich immer noch finde, aber die faszination ist so gross, dass man den mund offen lässt und entzückt herumjuchzt. besonders das freie, lässige spielen ist großartig, man kann es nicht voraussehen oder nachvollziehen, es ist klar, das eigentliche geschehen passiert in ihrem element, unter der wasseroberfläche, wir können immer nur ein paar kurze fragmente aus diesen leben sehen, einen fuss eines tänzers, dessen musik man nicht hören kann, manchmal öffnen sie ihre mäuler, wenn sie an die oberfläche kommen, und man sieht einen sehr rosanen, sehr hellen rachen, bis sich der kiefer mit den ganzen draufklebenden muscheln wieder schließt. ich hab vergessen, wieviel sie wiegen, wie alt sie werden und so weiter, aber es war klar, es geht ihnen gut, sie haben spass und machen ihr ding. als krönenden abschluss sehen wir in der ferne noch einen blauwal, das größte lebende tier, wie die biologin erzählt, nicht so leicht zu finden, weil er 30 minuten unten bleiben kann und nicht herumspringt, dazu ist er zu schwer. er ist dunkelblau und sehr diskret, ein langer glänzender rücken, der einen atemzug lang auftaucht, die luft in großer fontäne ausstösst und wieder verschwindet in seinen 3000 metern tiefe, da hab ich auch später, bei unserer autofahrt längs der kalifornischen küste noch drübernachdenken müssen, dieses privileg des 3d-zugangs zum eigenen lebensraum, das glück der meerestiere. die passagiere reden nicht mehr, wir haben viel mehr gesehen, als wir hoffen durften, „we can all agree, that today was extraordinary“, sagt die biologin noch (ich hab ihren namen leider nicht mitgekriegt). hab ich die delphine erwähnt? zwischen küste und walen haben wir bei hin- und rückfahrt eine große gruppe delphine gesehen, sie springen und schwimmen sinuös durch das meer und sind viel größer, als ich gedacht hatte. wie war die rückfahrt? keine welle!