1. mai 22

schön war, dass der d.-zwilling gekommen ist und ganz wunderbar präsent war. wir haben zusammen ihren schlafplatz aufgeräumt, ich habe alle decken und liegekissen weggeworfen und gestaubsaugt, das restliche futter geht an hundemenschen aus der nachbarschaft. die wohnung wirkt tot und unecht, wie eine filmkulisse, das viele hundebemerken beim rumlaufen läuft auch ohne hund weiter, es ist dann ein rucksack, d.-zwillings bein, nur unterm tisch ist es ein nichts. darum musste ich alles gleich wegräumen, glaube ich. das schlechte gewissen geht langsam, auch durch liebe und kluge sätze von freundinnen. so intensiv brennende schuldgefühle sind ja meistens nach ein paar tagen verstoffwechselt, inzwischen ist es mehr trauer, sie nicht mehr gesehen zu haben, als es ihr so schlecht ging, als schlechtes gewissen. nicht bei ihr gewesen zu sein.

geärgert über eine freundin, die mich in langen vorwurfsvollen sätzen zum unterschreiben offener briefe bringen will, „du hast drei söhne“, mit sätzen wie „das müsst ihr euch bitte schön klar machen, wenn ihr von demokratie redet“, obwohl ich ihr gesagt habe, dass mein hund gestorben ist. hab um unterlassung gebeten, dann gemerkt, dass sie wirklich unbezwingbare panik vor einem nuklearschlag hat. ich war zu angeschlagen, um mich ganz zu entziehen, mit anderen freundinnen geredet, gemerkt, wir haben keine klare meinung und finden es schwierig, eine zu haben. putin ist einerseits, laut der appeasement-befürworterin, rational und wohlüberlegt in seinen schritten, wurde von der ukraine eingeladen, was die presse nicht mehr sagen dürfte, das sei wie in den dreissiger jahren (da bin ich ausgestiegen aus der argumentation), andererseits ist er laut waffenbefürwortern ein kriegsherr ohne skrupel und mit unbegrenztem revisionistischem größenwahn. in der repubblica haben sie einen ausschnitt aus einem russischen sender verlinkt, wo so ein rechtskonservatives oder rechtsextremes duma-mitglied zeigt, wie london und berlin in 3 minuten („206 sekunden!“) dem erdboden gleichgemacht werden können, er freut sich anscheinend darauf. das ist finstere propaganda, oder schon hetze, finde aber die idee beunruhigend, dass putin selber der eigenen kriegstreiberei nicht widerstehen kann, weil sie ihn stark scheinen lässt. dass ihm menschenschicksale egal sind, beweist er ja seit jahren. verstehe die aggressivität gegenüber den waffengegnern nicht, finde sie unangemessen angesichts des pulverfasses, auf dem wir sitzen, und dann geht es immer weiter mit „ja, natürlich gibt es die gefahr eines atomkrieges, aber …“ wie sind wir so schnell von „er wird schon nicht angreifen“ zu so einem satz gekommen? wolfgang müller argumentiert für die lieferung schwerer waffen, die begründung dafür steht und fällt mit seiner annahme, putin würde halb oder ganz europa bekriegen wollen, also auch polen, finnland und deutschland, in so einem now or never-duktus. der text macht angst.

ich bin froh, dass ich nichts entscheiden muss, würde mich glaube ich viel um klassische hinterzimmer-diplomatie bemühen, um herauszubekommen, wo es sollbruchstellen gibt bei p. ich kann verstehen, dass meinung haben und verkünden wenigstens etwas ist, angesichts der allgemeinen hilflosigkeit, es ist aber nicht meins. der d.-zwilling hat erzählt, wie durch das kleine dorf in sachsen, wo er grade als bufdi eingesetzt wird, lange panzerbrigaden durchgerollt sind, auf dem weg nach polen, auch aus dem rheinland gibt es solche berichte. es wird ja nicht nichts getan, ausrufezeichen. ich habe auch etwas getan, einen zu schweren notfallkoffer gepackt, voll ohne ein einziges kleidungsstück (diabetes etc.). ich will das alles nicht.

es ist viel zu viel kartenleserei. ja, ich habe drei kinder, und an schwachen tagen wie heute bin ich froh, dass keines in berlin wohnt. es ist aber auch der zweite tag ohne hunderunden, die viel zum runterkommen und sammeln beitragen. das internet ist grade kein guter ort.

(geht gleich wieder, sorry.)

wie sie immer kurz freude gezeigt hat, schon wenn ich einfach nur an ihr vorbeigegangen bin, die ohren gingen hoch, zwei halbe schläge mit dem schwanz, dann war sie wieder entspannt. ich kann ihr fehlen fast sehen, sowie man ja manchmal für musik bilder im kopf hat. sie fehlt überall.

immer, wenn ich geniest habe, hat sie einmal gebellt und ist dann zu mir gesaust, um mich mit der nase anzustupsen, ich hab keine erinnerung daran, wann und wie dieses verhalten entstanden ist, war es ihres oder hab ich mal was falsch verknüpft?

die stadt war gestern wahnsinnig voll, also lokale, die bürgersteige, viel zuviele menschen auf einmal. heut früh beim bäcker hatte nur ich eine maske. meine masken sind alle, auf arbeit bekommen wir jetzt auch keine mehr, ich muss also nachkaufen, tests auch. wieder alles beim einzelnen, als wäre die pandemie vorbei, so absurd.

null und nichts über 1. mai-demos gelesen oder lesen wollen, zum ersten mal seit 1987, das mach ich gleich noch, zur aufheiterung.

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