kw 43

neulich in einen yt-beitrag über magical thinking reingezappt, von einem therapeuten, der sehr engagierte beiträge für leute aus schwierigen („toxic“ nennt er das) familien macht. ich finde mich da oft drin wieder, denke aber, solche strategien werden von vielen genutzt. ich spiele lotto, das ist ja auch magical thinking, aber eher in der tradition von pepe in neapel, der immerzu für einen lottogewinn betet, bis ihm gott eines tages sagt: aho, beppe, aber ein los musst du schon kaufen.

habe immer noch unaufgebaute lego-sätze im haus, hatte bisher an keinem wochenende diese mischung aus regression und planlosigkeit, die ich dafür brauche. an den wochenenden am liebsten mindestens einen tag ohne verabredungen, um runterzukommen, aber weil ich freund*innen eh nur noch an den wochenenden treffe, gibt es diese leeren tage nicht. sie fehlen mir.

ich lese sehr gerne blogs, die täglich befüllt werden, nehme mir das immer wieder vor, habe aber nichts zu erzählen. mein alltag hat klare abläufe, nach dem job bin ich fast immer zu müde, der spass am schreiben ist mir bei erschöpfung nicht möglich. ich setze mich in den sessel, wenn ich zuhause ankomme, bleibe da eine halbe stunde kleben, dann haushalt und essen, telefonate, um 21 uhr werde ich irre müde und schlafe ein, bis zehn oder elf oder zwölf, dann nochmal eine stunde netz, dann kommt die nacht. es kostet mich oft überwindung, nicht kurz vor mitternacht noch irgendwas zu kaufen (eine isländische warme strickjacke, einen rechner, einen teppich, ein bild), das ist ein bisschen frustrierend, andrerseits lese ich es als hinweis darauf, dass ich doch noch bedürfnisse habe, die über den alltag hinausgehen.

heute mit freundin spazieren gegangen und einen kakao getrunken, im café lauter leute in tshirts, drum herum das ganze laub auf dem boden, schon nicht mehr knallbunt, sondern braun und krisp. es ist befremdlich. wir reden über k-filme und wie wir uns einen wünschen, der eine möglichkeit des postapokalyptischen lebens aufzeigt, statt immer nur in blöden kriegsphantasien und überlebenskämpfen zu verharren. eine dystopie mit utopischem anteil. die gewaltlust scheint genauso übermächtig wie die gier.

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8./9. oktober 2022

mittags mit beiden zwillis schön gegessen, zum abschied für den g.-zwilling, der für 3-4 monate in chile sein wird. es gibt ein brathuhn nach wunsch, die beiden kaspern und machen krach, singen am klavier, beharken sich ein bisschen, plaudern ein bisschen. der d.-zwilling hat was anderes vor und geht irgendwann, ich steige mit dem g. um 16 uhr ins auto. 50min, meldet der navi, lenkt uns dann aber in neukölln ins nirgendwo, über einspurige kleine seitenstrassen durch nie gesehende industrieviertel, baustellen, schließlich doch auf die autobahn, die richtige auffahrt sah aus wie so eine baustellenausfahrt auf der autobahn, mit absperrungen, unbefestigten rändern etc., hab ich übersehen, dann 5km umweg, um wieder in die richtige richtung zu kommen. auf den letzten km zum BER starkregen, konnte die strassenschilder nicht sehen, auf denen in gefühlter 12er-größe „terminal 1-2“ stand, in weiß auf beige, oder nur so ein winziges 30x30cm flugzeugbild, oben auf ein anderes strassenschild draufmontiert. als berlinprofi richtig gefahren, 90 minuten gebraucht. kein problem, weil früh genug losgefahren, aber zum ersten mal seit langem lust verspürt, berlin zu verlassen, das ganze chaos, die egalness bei allem, vielleicht ist es irgendwann auch mal gut im sinn von: genug.

den großen g. noch beim check-in begleitet, dann vorm gebäude verabschiedet. regen war vorbei, statt dessen ein riesiger, breiter regenbogen senkrecht im horizont, hammerbild, bisschen sehr regenbogenbrücke. war die ganze zeit unglaublich gestresst, gemerkt, bei der weltlage darf nichts mehr dazu kommen, sonst bin ich überm rand. in dieser wackligen stimmung war es schwer, den regen und den regenbogen nur als naturschauspiel zu betrachten. kenne das von mir nicht. auf der fahrt ohne konkreten grund echte panikmomente verspürt, dem sohn nicht gezeigt, aber das gespräch war eher konversation als vertrautes geplauder, er hats natürlich mitbekommen. außerdem hab ich auf dem abschiedsselfie mit sohn petersilie in den zähnen, vom lunch, und sehe ein bisschen so aus, als würde ich grad bei 100km/h in den gegenwind gucken. sohn sieht natürlich blendend aus.

(ausfahrt vom ber auf die autobahn, 7.10.2022)

parkticket für eine stunde 6 minuten am flughafen war 24€, kein widerspruch möglich, ohne zahlen geht die schranke nicht auf. was für arschlöcher es ist ein wirklich mieser move. nie wieder fahre ich da hin, das kann keiner wollen, da hin zu fahren.

jetzt sonntag allein, der untermieter ist auch nicht da, sohn noch in der luft kurz vor bogota, von wo er dann nach ein paar stunden nach santiago fliegen wird. auf der flighttracker-app den moment der erkenntnis gehabt, als ich vom flieger des sohnes aufzoome zu allen anderen fliegern, es sind sehr, sehr viele.

betreibe ruhefindung wie früher, als die kids noch hier wohnten, so haben sich die letzten tage angefühlt, dauernd war irgendwas, dauernd kochen, räumen, dabei zentrale lebensthemen besprechen, dazu sensor wechseln, weil der alte nicht verlängerbar, in der pumpe gewechselte batterie noch mal wechseln, weil die neue schon leer war, also hohe werte, plus aufregung, also nochmal höhere werte. ich hab keine ahnung, wie ich das jahrelang alles gemacht habe. andrerseits ist es leben, full immersion, ich glaube, nur die lage ist der eine tropfen zu viel.

nachmittags mit freundinnen ins cafe da nonna oder so, am friedhof in der greifswalder, sehr schön und lauschig, draussen sitzen geht noch. wir reden uns kurz fest über den krieg und die welt, schaffen aber ganz knapp die kurve ins sonntägliche. spaziergang nach hause durch die plötzlich sehr herbstliche stadt, die bäume alle schon tiefgelb, das ging unglaublich schnell, war es nicht grad noch hochsommer?

*

20 uhr, sohn angekommen, nach 24h reise einmal um die welt. er schickt pics aus dem flugzeug, links ozean, rechts berge, und ein selfie. freude. sein gepäck ist scheints woanders, ich hoffe, er kriegt es irgendwie zurück, sonst muss er sich halt was neues kaufen, handy, rechner und dokumente hatte er am leib und in so einem stoffbeutel, oh jugend. trinke einen whisky auf sein wohl und manövrier mich in die nachtruhe.

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wunsch

mein wunschkandidat für ein date steht jetzt fest: paar jahre älter, größer als ich, belesen, gepflegt, mit sich im reinen, im letzten jahr mindestens einmal im theater und im museum gewesen, lustig, verunsicherbar. erwachsene kinder, ein hund. ich kann es gar nicht fassen, dass erwachsene männer, die aussehen wie ende 60+, immer noch hauptsächlich sex haben wollen auf datingapps, mich interessiert sex gar nicht mehr so sehr. ich werde mit keinem mehr schlafen, in den ich nicht zumindest kurz mal verliebt bin. das ist das schwierigste kriterium, ich war seit jahren nicht mehr verliebt und kann inzwischen nicht mal mehr mein beuteschema genau beschreiben. es hat sich weiterentwickelt, während es bei den männern mit 25 stehenbleibt, attraktiv finde ich diese ganzen alten knacker aber auch nicht, ich hoffe, beim treffen ändert sich da was, erotik entsteht inzwischen im gespräch, mit charme, witz, interesse, sowas, mehr haben wir ja nicht mehr. das aussehen ist da keine besonders relevante eigenschaft. wichtiger ist, dass sie einen netten hund haben.

na, ich glaube, das wird nüscht.

einer neulich, der mich angeschrieben hat, dann hab ich paar tage nicht geantwortet, weil ich anderweitig beschäftigt war, er: „wenn du nicht sofort antwortest, wirst du geblockt“ – ich so: „hm?“, konnte ich ihm aber nicht mehr schreiben, weil schon geblockt. jedenfalls vorgenommen, mindestens 5 leute anzuschreiben, bevor ich es wieder aufgebe.

außerdem gestern und heute ca. 30 mal neue kennwörter eingegeben, für einen einzigen account, dauernd, das gefühl, ich habe 20 mail-apps, die alle dreimal ein neues kennwort bestätigt haben wollen, das ist doch steinzeit alles! jetzt gespannt, was beim neuen handyvertrag noch alles schief gehen wird. da die karte per post kommen wird, sehe ich eh schwarz, die kommt frühestens in ein paar wochen an. außerdem das freie lange wochenende mit einem magendarm-virus verbracht, immer noch schummerig.

der g.-zwilling macht seine grandtour-reise ab samstag, ich hoffe, er kommt noch los vorm atomkrieg. innere unruhe, dann wieder momente in dieser zweidrittel-herbstgemütlichkeit, ein drittel mit körper und welt beschäftigt auf eine unfruchtbare weise, inzwischen erfordert das rationalisieren doch einiges an gestrampel. das wasser wird tiefer. zweidrittel kocht kürbissuppe, räumt auf, telefoniert mit den jungs und plant aperitive mit freundinnen, schaut serien, topft orchideen um. normalität, feines porzellan, mit vorsicht behandeln, vorm wind sichern.

die fahne aus haaren, die lili golestan, eine iranische übersetzerin und künstlerin, nach dem tod von mahsa amiri auf insta gepostet hat, ein wirklich großartiges bild (die google-übersetzung ihres kommentars dazu sagt „bild nach einem design von edith von quint“, aber die finde ich nicht). gestern und heute ist der aufstand gegen den islamismus im iran auf gegenwehr gestoßen, das militär hat die uni in teheran umzingelt und nimmt menschen mit, viele tote. heute im tsp keine erwähnung davon, vielleicht, weil es um frauen geht? in der repubblica immerhin ein bericht über eine italienerin, die mit zu den verhafteten gehört.

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