november, november.

merke die weltlage an einer nervosität, die alles unterlegt, die konflikte sind immer nur einen gedanken weit weg. die zeitschrift micromega, die ich schätze, stellt sich klar auf die seite der palästinenser und differenziert nicht zwischen hamas und zivilisten, ich merke beim lesen, wie sehr ich da bei habeck bin. unfassbar, dass eine zeitschrift die nachrichtenlage nicht hinterfragt und sich nicht um faktencheck bemüht, anderslautende berichte (israel habe eine bombe aufs krankenhaus geworfen vs eine beim start explodierte rakete von der hamas) schlicht ignoriert und vom „genozid“ an den palästinensern schreibt, der 7. oktober wird nur nebenbei erwähnt. selbst wenn es schwerfällt, sich für eine version der geschichte zu entscheiden, gehören beide genannt. zur weltlage habe ich das interview mit dem autor etgar keret gern gelesen. der antisemitismus, der sich auch in berlin zeigt, ist jedenfalls unerträglich.

bei der kaltmamsell den hinweis auf einen blogpost bei rungholt gefunden, den ich euch ans herz lege.

händel-schlager für den grauen november. grad fällt mir ein, wie ich diese arie mal den söhnen vorgespielt habe, „das ist eine oper“, und die kids: „ja, opa singt.“

es sterben weiterhin menschen aus meinem umfeld, mit ende fünfzig/anfang sechzig scheint es da eine art erster runde zu geben, krebs oder herz-kreislauf, mit mitte sechzig ist der fluss dann hoffentlich schon fast überquert. die statistik klärt die wahrnehmung, es geht eben jetzt los, ab mitte 50 sterben mehr als doppelt soviele menschen wie bis 50, ab dann geht es in ähnlichen schritten weiter. ich rechne nicht damit, besonders alt zu werden, würde es aber gern, deshalb kümmer ich mich so gut wie möglich um meinen diabetes, der nach wie vor schwer einstellbar ist. mein eigenes leben findet seit jahren, sehr zu ungunsten meiner karriereplanung, deutlich mehr im augenblick statt, ich freue mich dauernd über irgendwas, einerseits aus bewusster entscheidung ob der unsicherheit des lebens allgemein, andererseits weil ich ein eher geruhsamer mensch bin. ich weiß, dass ich mich kümmern muss und tue das, und kann leute nicht richtig verstehen, die ihre gesundheit als gegeben ansehen, statt als geschenk, dass es zu hüten gilt, sry für satzbau.

im letzten jahr hatte ich in einer mischung aus nostalgie und sentiment meinen söhnen adventskalender zugeschickt, richtig originelle (für den angehenden bio-lehrer einen insektenbausatz), mit dem hinweis, damit erst am 1. dezember zu beginnen, woraufhin der kalender auf einem schrank landete und dort erst ostern wieder zum vorschein kam. ich hab die lektion gelernt und dieses jahr nur für mich einen gekauft, einen trekkie-kalender, mein hausgast ist zum glück auch pro weihnachten. oh, der ist schon vergriffen, hätt ich mal früher gepostet! aber der mit einer mini burg blaustein ist noch verfügbar.

jetzt, wo mein eigenes leben nicht mehr prekär ist, wird die welt zunehmend prekär, oder scheint das nur so, weil ich kapazitäten freihabe dafür?

25. september 23

nachmittags anderthalb stunden über einen friedhof spaziert, um ein grab zu finden. m. hat geburtstag, er wäre jetzt so alt wie ich. der einzige weg, wie sich der altersunterschied zwischen zwei menschen vergrößern kann. wie altert jemand, der tot ist? eine weile nachgedacht, was ich anziehen soll, weil er schöne schuhe liebte, mich dabei nicht albern gefühlt, mal schauen, wie sich das entwickelt über die nächsten jahre. noch jemanden mit blumenstrauss getroffen, ich rufe seine familie an, die andere frau findet schließlich das grab, es liegt direkt neben einer dicken, vielleicht anderthalb meter hohen hecke, die bei der beerdigung im letzten november noch nicht da war. auf dem grab ist eine fahrradklingel befestigt, sehr schöne idee. das radeln nach kreuzberg genossen, ein warmer, sonniger septembertag. durch die sucherei war es zu spät, um am grab zur ruhe zu kommen, aber in zukunft werde ich es wiederfinden können. alles intensiv wahrgenommen, das leben ist kostbar.

8./9. oktober 2022

mittags mit beiden zwillis schön gegessen, zum abschied für den g.-zwilling, der für 3-4 monate in chile sein wird. es gibt ein brathuhn nach wunsch, die beiden kaspern und machen krach, singen am klavier, beharken sich ein bisschen, plaudern ein bisschen. der d.-zwilling hat was anderes vor und geht irgendwann, ich steige mit dem g. um 16 uhr ins auto. 50min, meldet der navi, lenkt uns dann aber in neukölln ins nirgendwo, über einspurige kleine seitenstrassen durch nie gesehende industrieviertel, baustellen, schließlich doch auf die autobahn, die richtige auffahrt sah aus wie so eine baustellenausfahrt auf der autobahn, mit absperrungen, unbefestigten rändern etc., hab ich übersehen, dann 5km umweg, um wieder in die richtige richtung zu kommen. auf den letzten km zum BER starkregen, konnte die strassenschilder nicht sehen, auf denen in gefühlter 12er-größe „terminal 1-2“ stand, in weiß auf beige, oder nur so ein winziges 30x30cm flugzeugbild, oben auf ein anderes strassenschild draufmontiert. als berlinprofi richtig gefahren, 90 minuten gebraucht. kein problem, weil früh genug losgefahren, aber zum ersten mal seit langem lust verspürt, berlin zu verlassen, das ganze chaos, die egalness bei allem, vielleicht ist es irgendwann auch mal gut im sinn von: genug.

den großen g. noch beim check-in begleitet, dann vorm gebäude verabschiedet. regen war vorbei, statt dessen ein riesiger, breiter regenbogen senkrecht im horizont, hammerbild, bisschen sehr regenbogenbrücke. war die ganze zeit unglaublich gestresst, gemerkt, bei der weltlage darf nichts mehr dazu kommen, sonst bin ich überm rand. in dieser wackligen stimmung war es schwer, den regen und den regenbogen nur als naturschauspiel zu betrachten. kenne das von mir nicht. auf der fahrt ohne konkreten grund echte panikmomente verspürt, dem sohn nicht gezeigt, aber das gespräch war eher konversation als vertrautes geplauder, er hats natürlich mitbekommen. außerdem hab ich auf dem abschiedsselfie mit sohn petersilie in den zähnen, vom lunch, und sehe ein bisschen so aus, als würde ich grad bei 100km/h in den gegenwind gucken. sohn sieht natürlich blendend aus.

(ausfahrt vom ber auf die autobahn, 7.10.2022)

parkticket für eine stunde 6 minuten am flughafen war 24€, kein widerspruch möglich, ohne zahlen geht die schranke nicht auf. was für arschlöcher es ist ein wirklich mieser move. nie wieder fahre ich da hin, das kann keiner wollen, da hin zu fahren.

jetzt sonntag allein, der untermieter ist auch nicht da, sohn noch in der luft kurz vor bogota, von wo er dann nach ein paar stunden nach santiago fliegen wird. auf der flighttracker-app den moment der erkenntnis gehabt, als ich vom flieger des sohnes aufzoome zu allen anderen fliegern, es sind sehr, sehr viele.

betreibe ruhefindung wie früher, als die kids noch hier wohnten, so haben sich die letzten tage angefühlt, dauernd war irgendwas, dauernd kochen, räumen, dabei zentrale lebensthemen besprechen, dazu sensor wechseln, weil der alte nicht verlängerbar, in der pumpe gewechselte batterie noch mal wechseln, weil die neue schon leer war, also hohe werte, plus aufregung, also nochmal höhere werte. ich hab keine ahnung, wie ich das jahrelang alles gemacht habe. andrerseits ist es leben, full immersion, ich glaube, nur die lage ist der eine tropfen zu viel.

nachmittags mit freundinnen ins cafe da nonna oder so, am friedhof in der greifswalder, sehr schön und lauschig, draussen sitzen geht noch. wir reden uns kurz fest über den krieg und die welt, schaffen aber ganz knapp die kurve ins sonntägliche. spaziergang nach hause durch die plötzlich sehr herbstliche stadt, die bäume alle schon tiefgelb, das ging unglaublich schnell, war es nicht grad noch hochsommer?

*

20 uhr, sohn angekommen, nach 24h reise einmal um die welt. er schickt pics aus dem flugzeug, links ozean, rechts berge, und ein selfie. freude. sein gepäck ist scheints woanders, ich hoffe, er kriegt es irgendwie zurück, sonst muss er sich halt was neues kaufen, handy, rechner und dokumente hatte er am leib und in so einem stoffbeutel, oh jugend. trinke einen whisky auf sein wohl und manövrier mich in die nachtruhe.

wunsch

mein wunschkandidat für ein date steht jetzt fest: paar jahre älter, größer als ich, belesen, gepflegt, mit sich im reinen, im letzten jahr mindestens einmal im theater und im museum gewesen, lustig, verunsicherbar. erwachsene kinder, ein hund. ich kann es gar nicht fassen, dass erwachsene männer, die aussehen wie ende 60+, immer noch hauptsächlich sex haben wollen auf datingapps, mich interessiert sex gar nicht mehr so sehr. ich werde mit keinem mehr schlafen, in den ich nicht zumindest kurz mal verliebt bin. das ist das schwierigste kriterium, ich war seit jahren nicht mehr verliebt und kann inzwischen nicht mal mehr mein beuteschema genau beschreiben. es hat sich weiterentwickelt, während es bei den männern mit 25 stehenbleibt, attraktiv finde ich diese ganzen alten knacker aber auch nicht, ich hoffe, beim treffen ändert sich da was, erotik entsteht inzwischen im gespräch, mit charme, witz, interesse, sowas, mehr haben wir ja nicht mehr. das aussehen ist da keine besonders relevante eigenschaft. wichtiger ist, dass sie einen netten hund haben.

na, ich glaube, das wird nüscht.

einer neulich, der mich angeschrieben hat, dann hab ich paar tage nicht geantwortet, weil ich anderweitig beschäftigt war, er: „wenn du nicht sofort antwortest, wirst du geblockt“ – ich so: „hm?“, konnte ich ihm aber nicht mehr schreiben, weil schon geblockt. jedenfalls vorgenommen, mindestens 5 leute anzuschreiben, bevor ich es wieder aufgebe.

außerdem gestern und heute ca. 30 mal neue kennwörter eingegeben, für einen einzigen account, dauernd, das gefühl, ich habe 20 mail-apps, die alle dreimal ein neues kennwort bestätigt haben wollen, das ist doch steinzeit alles! jetzt gespannt, was beim neuen handyvertrag noch alles schief gehen wird. da die karte per post kommen wird, sehe ich eh schwarz, die kommt frühestens in ein paar wochen an. außerdem das freie lange wochenende mit einem magendarm-virus verbracht, immer noch schummerig.

der g.-zwilling macht seine grandtour-reise ab samstag, ich hoffe, er kommt noch los vorm atomkrieg. innere unruhe, dann wieder momente in dieser zweidrittel-herbstgemütlichkeit, ein drittel mit körper und welt beschäftigt auf eine unfruchtbare weise, inzwischen erfordert das rationalisieren doch einiges an gestrampel. das wasser wird tiefer. zweidrittel kocht kürbissuppe, räumt auf, telefoniert mit den jungs und plant aperitive mit freundinnen, schaut serien, topft orchideen um. normalität, feines porzellan, mit vorsicht behandeln, vorm wind sichern.

die fahne aus haaren, die lili golestan, eine iranische übersetzerin und künstlerin, nach dem tod von mahsa amiri auf insta gepostet hat, ein wirklich großartiges bild (die google-übersetzung ihres kommentars dazu sagt „bild nach einem design von edith von quint“, aber die finde ich nicht). gestern und heute ist der aufstand gegen den islamismus im iran auf gegenwehr gestoßen, das militär hat die uni in teheran umzingelt und nimmt menschen mit, viele tote. heute im tsp keine erwähnung davon, vielleicht, weil es um frauen geht? in der repubblica immerhin ein bericht über eine italienerin, die mit zu den verhafteten gehört.

fanfriction*

john krasinski ist ein mann, bei dem ich an fanfiction denke. es gibt ja viel davon im netz, nie reingesehen, warum eigentlich nicht? vielleicht weil es meistens erotische geschichten sind, und sowas lese ich nur in zeiten der not, und selbst dann mag ich grade das nicht identifizierbare an den figuren, die völlige offenheit für eigene projektionen. gibt es kluge, besser: lesbare, nicht erotische fanfiction? am selber schreiben hindert mich der fiction-teil, meine ganze phantasie wäre dann glaub ich gefangen im moment der überwindung der unwahrscheinlichkeit einer solchen geschichte, durch diesen aufwand wird das objekt der fiction eher glorifiziert als erzählt.

jedenfalls einer dieser männer.

*nicht so gemeint, aber passt im weiteren sinne.

kw 39

langsam wieder substanz in den alltag bekommen, in den gewohnten sicheren kleinen schritten. flache halbschuhe gekauft, ein paar paare, in denen die füße nicht weh tun. habe ja eine überhandnehmende schwäche für diesen college-style, chinos, polos und rl-pullover, gern auch mit karohemd und mokassins. das frausein erstmal für eine weile hinter den ofen packen und gut getarnt fest auftreten.

großer hält sein zimmer in einer konstanten unordnung, unter der man es nicht mehr sehen kann, der rest ist auseinandergenommen und verpackt. es soll keine sekunde länger mehr sein zimmer sein. merke, dass all die sprüche und filmszenen (USA, college, eltern, volles auto) nur sehr allgemeine chiffren sind für den auszug vom kind. es wird nicht wieder einziehen. keine trauer, aber ich werde ihn vermissen.

grad ohne cgm, weil ich den neuantrag verpeilt habe und jetzt warten muss, bis die kasse das nächste jahr bewilligt. sehr strange, keine linie mehr zu haben, nur noch punkte. habe meine alte pumpe repariert und getestet, sie läuft einwandfrei, und eine neue beantragt. neue firma, nach uraltem patent gebaut, in vielem steinzeit, dafür mit bluetooth, übers handy steuerbar und problemlos zum loopen verwendbar.

homecooked oder nicht?

die idee, mal wieder ein thanksgiving-dinner mit freunden zu machen, oder den jungs eins zu bieten in einem restaurant. erst nach minuten merken, dass die spielerei im kopf sich hauptsächlich ums geld dreht, hab ich einen hunderter übrig fürs hard rock cafe zbsp.? eher nicht. kurze enge beim gedanken an meine traurigen finanzen im jahr 50. mit freunden wärs machbarer („nicht so teuer“ wieder gelöscht, weil es so wenig befriedigend ist, offen darüber zu reden, aber ich bin ja nicht nur selbst dran schuld, sondern auch in guter gesellschaft. altersarmut? ha, wir sind jetzt schon arm. bis dahin können wir das.) aber viel mehr aufwand, das gemeinsame kochen macht aber auch spass, und trifft den gedanken der sache besser. die kinder haben immer einen riesenspass an aufwändigem essen. wie wir einmal mit 20 freunden einen riesigen truthahn gekauft hatten, der dann nicht in den ofen passte, und auch zerschnitten noch wegen seinem gewicht aus den schienen rausgeplumpst ist, und stunden länger als vermutet gebraucht hat, andere wohnung, anderer herd, eher studizeiten, riesenvergnügen. die weihnachtsgans wiegt ja nie mehr als 6kg, aber mein ofen sollte einen 10-12kg braten eigentlich beherbergen können. pecanpie, cranberry sauce und mashed potatoes? hmm.

KW 44

mit den zwillis in der philarmonie, thielemann und der großartige menahem pressler, 91 jährig, spielt federleicht und freut sich sehr über den stehenden applaus. danach strauss, die alpensinfonie mit ganz großem orchester, inclusive der wirklich großen pauke und einer windmaschine mit kurbel, die ich noch nie gesehen habe vorher. zwillis sitzen vorne auf der klappstuhlkante und sehen hin. das konzert ist absolut perfekt, der eine kurze atemzug einer ich glaube oboe, den man nicht hätte hören sollen, macht es nur noch größer, es war makellos gespielt. draussen zeigt davidzwilling auf die gemäldegalerie und sagt: „das konzert war ja eigentlich ziemlich in ordnung, aber da drüben, das ist ja wohl das langweiligste museum der welt“. denkt man so (als vermittlerin von inhalten, nicht meinungen): yeah.

einen tag später frau ziebarth besucht, mit den jungs, wir bringen kuchen mit und ein buch, leider das falsche. da hast du wohl meine souveranität überschätzt, sagt sie, und ich nehme „sterben“ wieder mit. sie kennt knausgård noch nicht, was ich kaum glauben kann, aber vielleicht ist er menschen, die das ichbezogene netzschreiben nicht kennen, auch nicht so leicht nahezubringen? werde ihr „lieben“ mitbringen stattdessen, schon aus neugierde, ob es ihr gefällt, mit ihren 93 jahren, die reihenfolge ist ja auch nicht so zentral. sie freut sich über die jungs, die sie zuletzt vor jahren gesehen hat, und fragt sie aus, die kinder werden ganz still und stumm vor soviel altmodischem interesse, niemand fragt ja noch, lässiges ignorieren ist angesagt, wenn kinder mitkommen. der stuhl, in dem du sitzt, gehörte brecht, sagt sie, kennt einer von euch brecht? die jungs schweigen, ja, doch, sagt gregor dann zögerlich, ein autor, oder? elias weiß etwas aus der hauspostille, ich höre natürlich den weckruf lauter als nötig (das schlechte gewissen der alleinerzehenden irgendwie, und mein kultureller kontext fühlt sich zuhause bei frau ziebarth auch eher behauptet als gelebt an) und packe brecht auf meinen inneren stapel. frau ziebarth lacht und fängt an, surabaya johnny zu singen, sie kennen es noch nicht, wollen aber alle mal auf dem stuhl sitzen. wir verabreden einen gemeinsamen abend im BE, bei mutter courage. sie hat dort, das muss man wissen, einen sitzplatz in der ersten reihe, der für sie freigehalten wird.

 

and if you listen very hard

wir sassen zu viert oder fünft im dunkeln, natürlich um ein feuer, es war zwischen zehn und elf uhr abends, es gab damals in den achtzigern keinen hinweis darauf, wie schwer es einmal sein würde, die einzigartigkeit solcher abende über die nächsten dreissig jahre zu retten. mit der liebe geht das leichter, bei den guten geschichten bleibt das besondere im zentrum der erinnerung, der moment dieses einen kusses, die sekunden davor und danach, nicht die dutzend clichees und tausend filme und die milliarden anderen küsse auf der welt (es gibt natürlich keine milliarden lagerfeuer mit teenies drumrum, sollte es aber.) guido hatte damals wie immer die gitarre, musik flog ihm zu, er spielte auch noch klavier und querflöte (jethro tull), schrieb lieder und war vollkommen zuhause, wenn er spielte. wir hatten kastanien im feuer, es war also schon herbst, redeten, rauchten, sangen oder schwiegen und machten witze. das alter, wo man noch aufgehoben im moment ist, in den minuten vor und nach dem jetzt, mit allen sinnen die blicke spürt, die nacht, die fragen, die hoffnung, ob da nicht etwas möglich sein könnte bei dem einen ihm, der dabei war, ausnahmsweise, weil er sonst mit einer anderen clique unterwegs war, und wie zum teufel ich es schaffen könnte, näher an ihm dran zu sitzen, während das feuer langsam runterbrannte, und guido immer weiter spielte. dann kam eins der stücke, von denen ich jede strophe kannte, ich hab lauter gesungen, weil er auf der anderen seite sass, die anderen wurden still, und plötzlich singt man alleine, sicher und ohne jeden sicherheitsabstand zu den eigenen gefühlen stairway to heaven, alles gelingt dabei, der song wurde dafür geschrieben. (er hat mich an dem abend nach hause gefahren und ist mitgekommen. magic night.)

eins null

twoday

10 jahre hotelmama, wer hätte das gedacht. vielen dank fürs lesen und kommentieren und verlinken, für die freundschaft und für die drinks!

ein paar gute texte sind dabei, vielleicht kommen auch noch ein paar, ich bleib dran und mache einfach immer weiter. bloggen ist die perfekte form der öffentlicheit für solche wie mich.

basic skills

die gesellschaft auf einem anderen planeten, die alles mit fein differenzierter musik ausdrückt, das abstraktionsniveau über die jahrtausende verfeinert, eine kultur, die so viele opern hat wie unsere filme, die ohren zentraler als der blick, das leben eine große sinfonie, schönheit ist ein klang. getwittert wird wirklich, in 12 noten oder 3 takten, die helden habe alle das absolute gehör. diskriminiert werden die unmusikalischen,  aktivisten treten dafür ein, dass jede stimme schön ist, nicht nur die voluminösen, umfangreichen volltöner, auch die krächzigen, leisen, unsicheren. das hören von geschichten ist dort weit verbreitet, es gibt hörbücher und lesungen, ein paar aus guter familie können selber lesen, die begabten davon auch schreiben, aber das zählt als eine knopflochblumenwissenschaft. texte zu schreiben lernt nur, wer einen besonderen drang dazu verspürt, literaturgeschichte ist was für spezialisten, grammatik nur für nerds.

gut, die kindererziehung läuft als fuge oder kanon, soweit trägt das bild noch, aber seriously finde ich es traurig, dass in unserer sprachwelt die musikalische erziehung nicht einfach so im schulunterricht mitvermittelt wird. im gymnasium der kinder gibt es 12jährige, die keine noten lesen können, die kids sollen in ihren „keyboardzeiten“ immerhin kurze stücke komponieren, können die dann in der mehrzahl aber nicht aufschreiben, das stört auch keinen weiter. aufnehmen, gut, aber wenn der strom mal ausfällt? bleibt doch nüscht vom menschen, abgesehen von müll und kultur.

ich hab ein bissken klavier gespielt als mädchen und viel gesungen in diversen chören, konnte demnach noten lesen, allerdings weder vom blatt spielen noch sofort fehlerfrei singen, aber ich habe recht genaue vorstellungen von tonverläufen, sagen wirs mal so. sonst nix, keinerlei kenntnisse über tonarten, ihre unterschiede und gemeinsamkeiten, zwischen dur- und mollakkorden konnte ich nicht unterscheiden, vom quintenzirkel hatte ich nichts, nichts und nochmal nichts gehört. meine teilhabe an der musik bis aufs singen eher passiv, aaaber: bei all den angeboten im netz zählt da jetzt keine ausrede mehr, es gibt apps für jeden schritt.

 

IMG_0642nagut, ich übe das notenfinden meistens so:

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viel vergnügen macht zb musicopoulos, weil da viele verschiedene aspekte geübt werden können, vom schlichten notenlesen auf klavier, gitarre, bass oder violine bis zu fragen über ionische, dorische und andere modi, erst kann man die erklärung lesen, leider weiß auf grau, dann gibts testreihen für alle möglichen lernschritte. liefert eine gute grundlage, glaube ich, auf englisch! ich hätte so gern ein paar deutsche sachen für die jungs.

musicopoulos bietet auch einen ear trainer an, das würde ich mir zur abwechslung auch mal für zb reimschemata wünschen. gibts schon, oder?

 

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von octavian bin ich noch ein wenig überfordert, aber ich habs verstanden inzwischen: es zeigt alles zu allen tonarten. schon praktisch, wenn man dann mal soweit ist.

 

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spass haben wir auch mit read rhythm, grad weil man als anfängerin viel mehr im ton drinhängt und der rhythmus schnell mal aus dem blick gerät. die app ist sehr einfach aufgebaut und zeigt erschreckend fein, wann ich im takt bin und wann nicht mehr, und wie wenig genau mein „ungefähr richtig“- gefühl in wahrheit trifft.

 

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sehr schlicht und für diese angenehmen leeräume im kopf kurz vorm einschlafen: note-a-lator, mit übungen zum erkennen von akkorden und tonarten, nebenbei wird das gehör geschult. auch viel basales wissen, ein kenner der materie langweilt sich dort bestimmt schnell, aber ich habe den unterschied zwischen verschiedenen akkordarten (zb dur/moll/vermindert/erweitert) tatsächlich dort hören und nicht nur verstehen gelernt.

(ich kann mir immer noch nicht merken, wo auf dem griffbrett die noten liegen, ich kanns mir mit den fingern erschließen [e-f-g-a- usw.], aber es sitzt noch nicht, wobei, für die e und a – seite schon, merk ich grad beim drübernachdenken, na immerhin, es geht voran. das klavier, mit 9 oder so gelernt, sitzt da bombensicher, ist aber auch viel viel einfacher. nichts geht übers frühe anfangen, im ernst, schulen.)

 

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große freude schöner g auch an der liebevollen app von der deutschen grammophon, die beethovens neunte auseinandernimmt und  kommentiert und dabei vier einspielungen vorstellt, man kann hin-und herspringen und sie direkt vergleichen, sehr großartig, mit komplettmanuskript oder einzelstimmen. ich hätte sowas gern für die großen werke der anderen b’s, bach, brahms, bruckner – die neunte hört ja niemand einfach so. das WO würde ich grad noch mal kaufen, vielleicht von richter, herreweghe und gardiner? die sind halt nicht alle bei der DGG.

ich freu‘ mich über weitere empfehlungen zur vermittlung der grundlagen, für kinder und für mich.

vierzig jahre

„wie man es sich als kind vorstellt“ sagt der gitarrenbauer, als ich ihn nach seinem laden frage, „mit einem schaufenster zur strasse mit gitarren drin.“ meine olle framus wird dieser tage 40, 73K steht auf dem aufkleber im bauch, und K steht als elfter buchstabe für den monat november, sie klingt noch gut, finde ich, voll und warm, sogar fast zu laut für meine abendlichen übungszeiten, und ich hab sie natürlich sehr gerne. ich soll mehr nach vorne spielen, hat mein lehrer gesagt, und dass viele seiner schüler so spielten, bei mir fühlt es sich an wie: erstmal in den eigenen kopf hinein, in jeden akkord, noch nicht in die musik oder den song, noch nicht als melodie. beim mitsingen ist es eher ein hinterhersingen, wann immer halt ein akkord daherkommt. ich werd da langsam ungeduldig nach über 7 monaten unterricht, es ist schwieriger als gedacht, die nervenstränge wachsen sehr, sehr langsam, trotzdem ist dieses körperliche lernen eine hochinteressante erfahrung, dass der körper andere strecken benutzt als der verstand, zbsp. wo lernen über text eher ein umordnen von einrichtung ist, so muss ich bei neuer feinmotorik erst mal die möbel selber bauen, und davor die wälder finden, in denen die bäume dafür stehen. es gab momente, also ein oder zwei, da fühlte ich mich wie frau engl beim tango. zu ungeduldig, meint der vorbildlich geduldige und nur im stillen vermutlich zu tode gelangweilte lehrer.

die framus lag einen tick unter dem neupreis, jedenfalls bei 1:2 umrechnung, sie wurde in bubenreuth hergestellt, die fabrik hat eine spannende geschichte mit einigen aufs und abs, sie gehört seit einem konkurs ende der siebziger der firma warwick, es werden dort immer noch gitarren gebaut. die saitenlage von meiner alten texan ist etwas übertrieben, was ich mehr sehen als erspielen kann bei meinem aufenthalt in den oberen vier bünden, und bundrein ist sie auch nicht ganz. so zum vierzigsten kann ich ihr ja mal einen besuch beim spezialisten gönnen. es geht ihr nicht schlecht bei mir, sie wird jeden tag gespielt, oder fast jeden, aber die wohnung ist im winter zu trocken mit all dem saugenden holzboden, ich werde sie neben einen der nervigen luftbefeuchter stellen, die ich wegen der alten bis sehr alten bücher angeschafft habe, die haben die heißen und feuchten jahre in mailand gut überstanden, sind hier aber oft bis zur brüchigkeit trocken gewesen, ich habe nichts gegen nasse winter –

was ich ei-gent-lich sagen wollte: einen riesen glückwunsch an mein schönes instrument, and thanks for playing along.

 

KW 44

volksabstimmung. bestimmt 10 freundliche aufforderungen zur wahl bekommen, aus dem freundeskreis, alle anderen nachbarn habe ich grade auf dem wahlweg getroffen, prenzlauer berg geht vollzählig abstimmen. das immer wieder schöne gefühl, dazuzugehören, in einem viertel zu leben, in dem die meisten menschen meine politische einstellung in etwa teilen, überhaupt soviele leute zu kennen, hängt natürlich auch mit dem langjährigen elternsein und dem hund zusammen. ich bin hier wirklich zuhause.

spass an scifi-serien, die nicht vollständig b-pics sind. bei einer spielt ein verwandter von thor heyerdahl mit, und eine junge frau, die schon x kurz- und independentfilme gemacht hat, die hauptfigur ist weiblich und so alt wie ich, also die schauspielerin, die figur ist 158 und trägt es gut, die männer sind jünger als sie, bekommen oft feuchte augen und sind weniger kampferfahren als die frauen, es gibt auch chefinnen mit selbstverständlichen kopftüchern, die tochter der hf ist ihre kämpferin, wild und gefährlich. in einer szene sollte eine junge frau sich nackig machen, um ihre unsichtbarkeit ausleben zu können, und tut das nur unter der bedingung, dass ihr männliches seriengegenüber sich ebenfalls auszieht, obwohl es außer dieser gerechten verteilung keinen grund dafür im drehbuch gab, mich freuts, ich mag schöne rücken.

wochenende mit koriander, ingwer und curries verbracht, kinder sind beim vater. ich bin noch nicht so erholt von den langen letzten monaten, dass ich auch für mich selber aufwändig kochen würde, aber ich plane immerhin wieder rezepte.

ich kann nicht mehr richtig denken, alles will zum kurzen satz, in klare worte, alles wird runtergebrochen aufs einfache, auch im schreiben. weiß aber noch nicht, womit das zusammenhängt.  vielleicht mit dem internet? oder kriege ich eine ernste krankheit, also außer der menopause, die ja auch irgendwann heranrollt. mir fehlen gründe zum nachdenken, alles wirkt so abgehandelt und beschlossen.

immer mehr spass an eigentlicher herrenkleidung, am liebsten (von jemand anderem) gebügelte hemden mit weste und jackett. es ist soviel einfacher, als sich täglich eine neue kombination ausdenken zu müssen. ich besitze eine goldene taschenuhr! wenn ich die nicht trage, muss sie eine weitere generation aussetzen, mein vater hat sie auch nicht benutzt, und wer weiss, ob von den jungs einer gentleman werden möchte.

eindeutig zuwenig kleider in meinem schrank, winterkleider mit langen ärmeln und einem unterrock, damit sie nicht kleben auf den strumpfhosen.

 

wiesn

es regnete in strömen. in der sbahn sassen lauter junge frauen im dirndl und jungs in lederhosen, 4 männer aus lettland, in lederhosen, angeregte unterhaltung. 2 mädchen, im dirndl, die sich diese flechtfrisuren flechten, dabei nicht reden, konzentriert. ihre sorgfalt. als ob! auf der wiesn also sehr, sehr viele menschen in tracht, es ist ausserdem alles viermal so gross wie erwartet.

meine riesige verblüffung, als ich auf der wiesn gar kein bier bekomme, weil es bier nur in diesen riesigen hallen gibt, in die man aber nicht reinkommt, gar nicht! ich hatte im zug noch so hin- und herüberlegt, um wieviel ich meinen üblichen halben liter trotz diabetes und vier kindern (ein gastkind war noch dabei) eventuell überschreiten dürfte (um nichts, klar, aber ich nutze die chance für ein paar phantasien, die sofort ins organische abrutschen, wohin soll man denn mehrere liter bier tun an so einem kühlen tag? was haben bayern für blasen?) – kein problem, kein risiko.

skyfall heisst das ding, auf dem die kinder fahren wollen. ich nütze die chance von leichtsinn in gesellschaft meiner kinder und stelle mich mit an, kaufe karten und bereue es ein bisschen, merke dann, das es genau so eine jahrmarktaufregung ist wie ganz früher und kanns voll geniessen, bis ich merke, dass die sitze unterm hintern nur bis zur hälfte der oberschenkel reichen, der rest bein schaukelt frei überm abgrund. „mach die augen zu“ sag ich zu david neben mir, der das mitfahren bereut plötzlich, während der ring nach oben gezogen wird, 80m, so hoch wie ein sequoia, denke ich und schaue auf den jahrmarkt und die stadt, wie immer bin ich zu kontrolliert für angst, gucke aber natürlich nicht senkrecht nach unten, zu irgendwas muss die lebenserfahrung ja gut sein, als der ring oben kurz anhält, denke ich aber doch: notfalls sterben wir zusammen. dann der freie fall, aber der ist zu kurz, um die panik zu überwinden, und die erfahrung zu geniessen, ich merke, wie sich mein gesicht verzieht in etwas, was man auf diesen geisterbahnbildern sehen kann, ich fletsche die zähne und reisse die augen auf, ich kann gar nicht anders, es dauert ewig und ist wirklich, wirklich aufregend. ich denke noch: gleich, gleich bremst das ding, tut es dann auch, sehr sanft, sehr lange paar sekunden, die kurze scham, eine grenzerfahrung auf eine so berechenbare art gemacht zu haben, dann entspannung, weil: es ist so zeitgemäss masslos, so entlarvend grössenwahnsinnig, es umgeht die persona und greift direkt ins ZNS, klar dass es spass bringt. kinder aufgeregt und glûcklich, also weiter!

die achterbahn hab ich dann auch noch mitgemacht, eine mit 5 loopings, das herumwirbeln ist sehr endorphinös und ja, es ist wirklich wie eine komplette liebesgeschichte, nur ohne das ende, man steigt aus, der körper wird glücklich und alles wird leicht ein paar minuten lang. wobei, als die wagen sich in schräglage in diese engen überschläge legen, nochmal und nochmal, da freut man sich schon über die fliehkraft und schickt ein stossgebet an den stahl und die mechanik, für mehr ist keine zeit, aber danach ist immerhin der regen egal. die jungs machen noch haut den lukas und sterneschiessen und kaufen sich zuckermandeln und kleine herzen, ja, gibt es immernoch, ist zeitlos, nein, sie haben den lukas nicht richtig hochgekriegt mit 14 und 15 jahren, waren aber beeindruckt. erinnerungen schaffen, sagt der grosse: „daran werde ich mich erinnern später“, ach, ihr metaboliden.

auf dem langen sbahn- heimweg mit einem alten bayerischen paar in der vierersitzgruppe, er in loden, sie in einem eleganten alten wetterschutz aus irgendwas organischem, david schwärmt von seiner skyfall-erfahrung, die dame lächelt, weil es klar eine erste erfahrung war, die da aus dem kind heraussprudelt, relativ wohlformuliert („dann war ich mir kurz nicht mehr so sicher, aber fürs aussteigen war es zu spät“), während mir von den anden drei jungen die frage nach dem abendessen gestellt wird. „es gibt filet, butterkartoffeln und salat“, sage ich und nutze die chance fûr den satz „aber ihr müsst erst noch mit den hunden raus“. leider hat gregor kurz vorm aussteigen noch den eminem geben müssen, dabei hat elias ihm die schnürsenkel zusammenbinden können, so dass wir die bahn nicht vollkommen souverän verlassen konnten.

(fünf tage krank mit dauerhusten bei sonne, dann gesund und dauerregen, pffff) (die jammerzeilen über krankheit mit alleinerziehen, drei kindern, zwei hunden und zwei katzen lass ich jetzt, weil ihr euch das ja auch vorstellen könnt, #10jahre)