8. mai 2024

zum glück nix an der ostsee gebucht, denn gestern nachmittag ist meine mutter gestürzt, weil der rollator bergab schneller war als sie, und hat sich den oberarm glatt gebrochen. sie wurde ins krankenhaus gebracht, der arm in einer schlinge, schmerzmittel gab es auch, dann sass bzw. lag sie da stunde um stunde, weil eine weiterbehandlung nicht schnell organisierbar war. der bruch sollte mit einem langen nagel fixiert werden, der von oben durch den knochen geschoben wird, ein humerus-nagel, klingt gruesome, ist aber wohl normaler umgang mit solchen brüchen, selbst bei hochaltrigen patientinnen. im ersten krankenhaus haben sie dann gemerkt, dass der nagel nicht vorrätig ist und offensichtlich auch nicht geholt werden konnte, also wurde sie spätabens noch in ein anderes krankenhaus transportiert, mit der feuerwehr, weil es keinen krankenwagen gab, der feuerwahrmann bat mich vorm losfahren noch, die wertsachen meiner mutter an mich zu nehmen, das sei besser. hab ich gemacht. dorthin konnte ich ihr ein paar sachen von zuhause bringen, sass dann noch weitere 2 stunden mit ihr in einem zum glück stillen raum in der rettungstelle, weil es keinen gab, der sie hätte hoch aufs zimmer bringen können, in nasser bettwäsche. keine schwester, kein/e pfleger/in weit und breit. die ärztin, die im empfang der rettungstelle sass, hat sich dann erbarmt und eine frische decke bezogen und meine mutter kurzerhand selber hoch auf station gebracht, nach mitternacht war sie endlich oben und konnte etwas ausruhen, mit novalgin, glaube ich, ich hab gehofft, dass nachts nicht passiert, mit so wenig personal, hätte fast nachts um oo uhr noch versucht, in der charité eine op zu organisieren, habs aber dann noch gemerkt. alles nicht vertrauenserweckend, aber nuja.

am nächsten tag um 13 uhr wurde sie dann operiert, für den chirurgen war es der 4. humerus-nagel an dem tag, und meine mutter ist daran mit schuld, als sie nämlich, schon mit haube, zugängen und allem, auf der liege in den op gefahren wurde, kam ein junger mann auf sie zu, sagte, er hieße soundso, sei ein junger arzt und würde jetzt den eingriff machen. meine mutter hat daraufhin „nein“ gesagt. es sollte der dr. s. machen, der ihr alles erklärt hatte und einer der oberärzte der krankenhauses ist. der der junge mann wiederholte, er würde das heute machen, er sei der aip-ler, oder sowas ähnliches, meine mutter sagte daraufhin nocheinmal „nein“, und wenn der herr dr. s. nicht käme, würde sie sich nicht operieren lassen. dann kam halt der dr. s. und hat übernommen. ich finde das fabelhaft und den weg der klinik, gestressten, ängstlichen und leidenden menschen sowas kurz vor einem eingriff zuzumuten, nicht okay, sagen wirs mal so. andrerseits ist das eine unfallstation, da kommt immer was rein, vielleicht beurteile ich das auch falsch, und es war schon besonders nett, dass der junge mensch sich überhaupt vorgestellt hat und ihr so diese wahl ermöglicht hat? und sie hat, das zählt bestimmt auch, so wie die welt nunmal ist, eine zusatzversicherung für krankenhäuser, mit einzelzimmer und chefarzt. es sind bestimmt beide ärzte super, aber bei einer sehr alten dame mit vorerkrankungen war mir jemand lieber, der das schon oft gemacht hat, selbst wenn es oft an einem tag sein sollte. die hatten jedenfalls genug nägel an bord. sie war dann fast dreieinhalb stunden weg, dann wurde sie wieder ins zimmer gebracht, wach und mit dickem pflaster auf der schulter, der arm wieder in einer schlinge, aber kein gips oder so etwas, es war ein minimalinvasiver eingriff. sie hat gesprochen und war präsent, ab dann setzte bei mir entspannung und müdigkeit ein, ich holte ihr noch kopfhörer und schmierte ihr die stullen beim abendessen, dann bin ich nach hause. 24€ parkgebühren haben mich die acht stunden im krankenhaus gekostet, das fand ich ziemlich dreist, immerhin hab ich sämtliche verfügbaren fünfer in den blöden parkautomaten gesteckt, möge er verstopfen und den dienst aufgeben.

abends total k.o., genehmige mir einen lagavulin und hoffe, dass es gut war, sie nicht umdirigiert zu haben, hoffe, der chrirurg hat gut gearbeitet.

gemerkt, dass so ein unfall bei einem hochaltrigen menschen erwartbar ist, wir sind da mental drauf vorbereitet, auch im umfeld höre ich das, stürze ohne gegenwehr und ohne möglichkeit oder kraft genug, sich noch abzufangen. gestern nicht schlafen können, weil mir dieser brutale nagel nicht aus dem kopf ging, habe schlimm gezweifelt, ob die entscheidung richtig war, oder ob ein einfacher gips nicht besser gewesen wäre. habe einem chirurg vertraut, der den schritt meiner mutter gegenüber als besser vermittelt hat, nicht als zwingend notwendig, nur besser, ohne den selber gesprochen zu haben, mir hat es eine andere ärztin kurz zusammengefasst. mehrfach gefragt worden, ob die mutter noch zurechnungsfähig ist, vielleicht ging es da auch um haftbarkeit etc.?

fand es doof, mit fremden ärztinnen in solchen situationen zu sein, die therapie wird dann als alternativlos vermittelt, obwohl das vielleicht nicht so ist, wobei, es wird ja oft genagelt, ich hätte halt nicht googeln sollen. orthopäden haben da ja einen gewissen ruf. naja, es ist (bisher, toitoitoi) gut gegangen. die schwester auf station hat gesagt, sie seien zu zweit, mit allen patienten, da bin ich dann lieber auch heute den ganzen tag dageblieben, um auf sie aufzupassen.

mein tip an euch mit ähnlich alten verwandten: bereitet euch auf diese situationen vor, sie werden kommen, findet gesprächspartner, besprecht das vorher mit ihnen, ob ihr sie auch spontan anrufen dürft, die müssen ja keine entscheidungen treffen, nur zuhören und spiegel sein. ich hatte zum glück meine schwester. neulich mit frau kellerkind darüber geredet, dass frau als single immer alles alleine entscheiden, besorgen, bearbeiten muss. wir sind das gewöhnt, aber in solchen momenten ist es belastend und eher doof.

auf die miserabel besetzten rettungstellen und krankenhäuser könnt ihr euch natürlich nicht vorbereiten. da braucht es glück.

18 Gedanken zu „8. mai 2024“

  1. Herrje. Wünsche rasche und komplikationslose Genesung! Meine Mutter ist vor ein paar Jahren gestürzt und hat sich ganz klassisch das Handgelenk beim Aufstützen gebrochen. Bin ja leider weit weg, aber die Nachbarn zeigten Präsenz und nach erster Sturheit liefen dann OP und Heilung ganz glatt. Ist aber schon ein Schreck, weil man ganz plörtzlich merkt, oha, die Knochen werden tatsächlich auch alt und wollen geschont werden. Und genau, man muss anfangen, viele Dinge zu organisieren.

    1. vielen dank! ich hoffe, es geht weiter wie bei ihrer mutter. ja, man merkt die hohe fragilität im alter, von der ich natürlich wusste, aber es ist nocheinmal anders, wenn tatsächlich etwas passiert.

  2. Welch eine Aufregung. Ich hoffe innig, dass alles reibungs- und komplikationslos gut wird. Und dass Frau Mama sich wohl fühlt und nicht leidet.

    Ja, das kommt auch auf uns zu, und ich will verdrängen, verdrängen. Zum Beispiel, dass meine immer so penibel putzenden Eltern nachlässig werden, gestern der Außenbereich vor der Haustür inlusive Klingel und Gegensprechanlage voller Blütenstaub war (hätten sie früher täglich entfernt), dass in der Küche in letzter Zeit so manche Oberfläche klebte, die Besteckschubladen verkrümeln. Vielleicht schaffe ich mir einzureden, dass sie einfach endlich lässiger geworden sind?
    (Oder es nähert sich die Zeit, in der zwei Über-80-Jährige dann doch mit dem Erhalt eines Hauses mit Garten überfordert sind. Werde ich den Moment erkennen?)

    1. vielen dank! das hoffe ich auch.

      ich bin sehr, sehr froh darüber, dass meine mutter im letzten sommer mit 88 in eine art seniorenresidenz umgezogen ist, viel zu spät, weil sie jahrelang dann doch lieber in ihrer wohnung geblieben ist, aber dann eben doch. der umzug war aufwändig, viele entscheidungen, aber sie hat es überstanden. ihre kraft war mit 80 noch problemlos verfügbar, mit 85 ging schon viel weniger … ich weiß nicht, ob sich die persönlichkeit im hohen alter noch von penibel auf lässig ändern kann, ob die eltern das wirklich so wollen, oder ob es halt ein kompromiss ist, weil mehr nicht mehr geht?

      meine mutter wird in den nächsten wochen oder monaten viel unterstützung und pflege brauchen, in der residenz ist das hoffentlich problemlos möglich, in der alten wohnung wäre es nicht gegangen. ich hätte pflege organisieren müssen von heute auf morgen, oder eine pflegestelle, ohne, dass sie dann noch viel wahl gehabt hätte – das ist das entscheidende, glaube ich. ihre eltern können selber entscheiden, solange es ihnen gut geht, nach einem unfall oder bei krankheit ist das viel schwieriger, weil es dann so schnell gehen muss.

      es sind komplexe anforderungen auch an uns kinder, ich wünsche gute argumente und offene ohren, mehr ist nicht machbar, die selbstverantwortung können wir den eltern nicht abnehmen. vel erfolg!

    1. (Bitte um Entschuldigung für den unkorrigierten zweiten Satz, ich habe zu früh auf absenden geklickt. Es heißt natürlich „sie“ und ein Komma fehlt auch.)

  3. Ach, ich bin schon mit den Nerven am Ende, wenn ich so Berichte nur lese. Alles, alles Gute für die nächste Zeit!

    Und Du hast so Recht: Die Eltern müssen in guten Zeiten Hilfen kennenlernen und annehmen, damit sie sie in schlechten Zeiten nutzen können. Man darf das als Kind nicht hinnehmen, dass immer wieder abwehrend gesagt wird, es geht noch, es ist noch nicht so weit.
    Die Last, die auf den Kindern liegt, innerhalb von Tagen oder Stunden ambulante oder stationäre Hilfen organisieren zu müssen, ist tonnenschwer. Und oft wird vergessen, dass diese Hilfen zwar theoretisch vorhanden sind, aber praktisch sehr häufig nicht funktionieren: Pflegedienst hat zu wenig Personal, weil an einem Tag drei Mitarbeiter gekündigt haben, die privat engagierte Einkaufhilfe kommt nicht, Transport zum Arzt wird von der Krankenkasse bezahlt, der Arzt weigert sich aber, eine Transportverordnung auszustellen, Kurzzeitpflegeplätze sind im Umkreis von 80 km alle belegt etc.

    Ich kann nur jedem raten, das Thema mit den Eltern zu besprechen, gemeinsam Besichtigungen in Pflegeheimen zu machen, die gegenseitigen Erwartungen auszusprechen und einen Plan zu haben.

    1. danke! sie wird noch eine weile im krankenhaus bleiben, kommt nicht richtig in bewegung, hat tachykardien, dann wieder niedrigen blutdruck, das macht mir sorgen. sie ist halt 89. mit einer*m arzt/ärztin habe ich bisher, tag 6, noch nicht sprechen können. sie sollte in bewegung kommen, kann oder mag aber noch nicht aufstehen, ich hoffe, die ärzt*innen und schwestern schaffen es, sie zu motivieren irgendwie.

      und klar, plan haben ist wirklich nötig, schön gesagt: die gegenseitigen erwartungen aussprechen.

      wenn die hilfen dann nicht funktionieren, muss wohl die familie ran, bei berufstätigen ist das aber kaum möglich, darum hoffe ich erstmal auf die strukturen in ihrem altersheim, die mit sowas umgehen können.

      lektion jedenfalls für alle: bleibt in bewegung, haltet euren körper wach und leistungsfähig, bleibt flexibel.

  4. „Das Alter ist ein Massaker.“ schreibt Philip Roth in „Jedermann“ – und das ist es.
    Als junger Mann habe ich 20 Monate Zivildienst in der Altenpfllege geleistet –
    ein wenig glaube ich also zu wissen wovon Roth spricht … ein Massaker,
    man kann es nicht besser ausdrücken.

    Wir sollten uns nichts schön reden.

  5. lieber jochen, das ist ein doofer komentar. es ist ein prozess, ein weniger werden, die berge werden steiler, die luft wird dünner. es ereilt jeden, anders als ein massaker, und wir haben alle das gleiche ende, hoffentlich ein unblutiges.

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