theater, mütter, kinder

das theater voll bis auf den letzten platz, zum ersten mal seit jahren auf tuchfühlung mit den anderen zuschauern, sehr ungewohnt, hat ein paar minuten gedauert, bis die kleine aufregung wieder weg war. zwischen 2 männern gesessen, einer hatte eine rose dabei, der andere sprach mich an, ob wir uns nicht schonmal gesehen hätten, ich habe sofort angefangen darüber nachzudenken, wann das gewesen sein könnte, und ja, hatten wir, er war mal auf einem filmabend in meiner wohnung, vor zweistellig vielen jahren, und er wusste den film noch.

das stück ist schön, es hat funktioniert, weil ich so etwas gebraucht habe, ich mag die direkte ansprache bei pollesch, mit diesem leichtem vorwurf in der stimme, wie alles ausgesprochen und dann im raum stehengelassen wird, und wie sich das anfühlt („ich bin müde“ hat hinrichs immer wieder gerufen), und wir sollen die maske abnehmen, die sei doch alt, eine woche alt, einen monat, er gibt uns eine neue. wunderbar, solange es anhält, ein theaterzauber alter schule, ganz im magischen theaterpräsens aufgehoben. von den pollesch-texten ist früher mehr übriggeblieben, das hier war mehr so eine ankerboje auf freier see zum kurz durchatmen.

kann schlecht schreiben grade, ich glaube, wegen bz-schwankungen mit dauernden hypos. wortfindung ist wie tapern im dunkeln. woche war total anstrengend auf eine weise, die mir nicht gefallen hat, muss mich besser vorbereiten. freitag abend wieder zu müde für irgendwas und versehentlich vor neun eingeschlafen, dann nochmal raus zur hunderunde, dann bis halb eins im netz gedümpelt, sehr erholsam, weil luxus um die uhrzeit. samstag auch nicht für mich gewesen, ärger mit dem blutzucker, möchte an dieser stelle meinen verfickten herumzickenden diabetes mal so richtig, aber nützt ja nüscht. heute schöne pläne und gute gedanken, damit die nächste woche besser wird. drücken sie mir die daumen bitte.

noch einen schönen text gefunden, im new yorker, unter anderem über die mütter, die alles zusammenhalten, auch disfunktionale ehen. ich bin damals gegangen, weil nach allem, was passiert war, die liebe weg war. die guten gründe für die trennung und der alltag meiner kinder danach stehen nebeinander, ohne viel voneinander zu wissen, die kennen sich irgendwie nicht. so ist das mit der verantwortung.

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13. märz 22

der kurzurlaub vom letzten wochenende wirkt noch nach. der große hat mir sein trier gezeigt, wir sind durch die stadt geradelt und gelaufen, er hat dabei überall leute getroffen, seine freunde wollten mich kennenlernen, was mich gerührt hat, wir haben einen abend in seiner wg gekocht und zusammen gegessen. wir sind auf eine vernissage mitgenommen worden, die junge künstlerin sarah kammer hat malerei gezeigt, sie ist richtig gut, die bilder zeigen menschen in einem moment der erkenntnis, des übergangs zwischen bewußtseinszuständen, als vorlage dienten zb fotos von menschen, die nach kriegsende zum ersten mal mit den taten der nazis konfrontiert wurden, aber auch bilder von kz-überlebenden unmittelbar nach der befreiung. daneben bilder, in denen sie die instagrammer auf die schippe nimmt, die in ihrer schön hergerichteten spießigen umgebung ignorieren, wie die welt um sie herum aussieht, obwohl sie, wie auf einem bild, schon eine gasmaske tragen müssen. die arbeiten kosten noch nicht viel, wenn ich könnte, würde ich da zugreifen. die freunde vom großen greifen bei den getränken und snacks zu, wie es sich gehört, und reden dabei mit der künstlerin über ihre bilder. sie sind alle anfang zwanzig.

endlich mal wieder einen twittermenschen kennengelernt, sehr schön bei waffeln und kaffee an der porta nigra, bei bestem eisigen sonnenwetter. sie hat mir auf einem langen spaziergang ihr trier gezeigt, es fühlte sich sofort vertraut an. zwei ganz persönliche führungen, mit frau kellerkind bin ich durch die kaiserthermen gelaufen, es ist ja alles in spaziergangnähe in solchen städten, so ein schatzkammerfeeling, weil alles schöne nah beieinander ist.

corona im haus, der g.-zwilling hat einen positiven pcr-test, er ist geboostert, heute ist der dritte tag mit leichten symptomen, ich hoffe, dabei bleibt es. ich stelle ihm essen vor die tür, er trägt maske, wenn er das zimmer verlässt, fieberthermometer und pulsoxy habe ich ihm auch vor die tür gelegt. ich desinfiziere klinken und das bad und bin eher gespannt darauf als verängstigt darüber, ob ich mich infiziere, leichte erkältungssymptome habe ich seit wochen, bei konstant negativen schnelltests. trage zuhause keine maske, das sollte ich vielleicht. ärger über die regierung, die die clubs wieder eröffnet hat, da hat er sich wohl angesteckt. meine warnapp ist rot wie seit anfang januar, zeigt den sohn aber noch nicht als risikobegegnung. ich werde arbeiten gehen müssen, weil geboosterte kontaktpersonen nicht als riskant gelten, ein ziemlicher schwachsinn, ist doch auch der g. geboostert. ich habe gestern sicherheitshalber einen großeinkauf gemacht, weiß aber noch nicht genau, was ich mit emma machen soll, falls ich auch krank werde. darf man als positive kurz mit dem hund? ich frag lieber mal rum.

dieses jahr dauert der winter besonders lange, meine kälteempfindlichkeit scheint mir übertrieben. vielleicht spürt die haut durchs älterwerden den kältebiss deutlicher, ich heize auch viel weniger als sonst, es ist eigentlich immer mehrere ticks zu kalt. ich ziehe mich jedenfalls die ganze zeit an wie ein eisfischer und kann den formlosen kram und die dicken botten an den füßen schon nicht mehr sehen.

bei all dieser normalität immer das bewusstsein vom krieg im kopf, die bilder und geschichten kommen andauernd dazu, anders als die anderen kriege auf der welt ist dieser nicht verdrängbar, weil er angst macht. ich habe von langen aufenthalten in der kaisertherme geträumt, die geschichten von menschen in luftschutzkellern lassen mich nicht los.

das wort „menschen“ kommt in diesem text besonders oft vor, scheint mir, ich sollte jedesmal ein ausrufezeichen dahinter setzen.

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4. märz 22

heute frei, ich mache übers lange wochenende einen kurzbesuch beim großen in trier, also eigentlich ist es, was besuche bei kindern angeht, schon ein langbesuch, aber ich habe mich wo eingemietet und bleibe nicht in der wg vom sohn. er will mich vom zug abholen, was mich rührt. jetzt froh, dass ich erst nach 10 uhr fahre, die letzten tage waren richtig anstrengend, ich konnte gestern nicht mehr packen und habe jetzt zeit dafür.

grade gelesen, dass am hauptbahnhof eine große menge an freiwilligen helfern die flüchtlinge empfängt, die dort rund um die uhr ankommen, genau wie 2015. besonders die früh- und nachtschichten können wohl laut einem twitterer (nicht mehr gefunden leider) noch unterstützung gebrauchen. benötigt werden übersetzerInnen, gutscheine für drogerien und supermärkte, geladene powerbanks, und natürlich unterkünfte. der g.-zwilling will mit kumpels vor oder nach dem clubbesuch hingehen, in berlin öffnen sie dieses wochenende wieder.

die kriegsängste sind nicht mehr nur diffus, ich verdränge sie bewusst. gestern wurde ein atomkraftwerk beschossen, also da gibt es keine grenzen mehr. ich habe insulin für ein paar monate im haus (brauche sehr wenig, das heißt also nicht so viel) und ein paar vorräte. wird die welt dieses wochenende untergehen oder erst ein bisschen später? ich tippe auf später und nehme nicht alles mit. was für finstere zeiten. außerdem macht mir der hund sorgen und ich freue ich mich auf die zugfahrt und die freien tage. ich fühle mich wie ein kaleidoskop, mit lauter nicht zusammenhängenden mustern.

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