reisen

die begeisterung über den mai legt sich mit einem summen auf alles, die vielen einzelnen minuten, ich sitze auf dem balkon, lese das sehr großartige „stadt der engel“ von christa wolf, die vögel zwitschern, das bier schmeckt.

ich muss noch einige hotels buchen für den sommer, das internet macht mich wahnsinnig dabei, die ganzen seiten mit hotels und bewertungen navigieren sich wie diese sehr bunten elektrokram-beilagen in tageszeitungen, jeder quadratzentimeter eine neue möglichkeit, und alle sehen gleich aus. soll ich mich und die jungs in einem luxushotel einbuchen, mit walnussmöbeln und leinen-bettwäsche? ein frühstück für 4 kostet dort extra, und zwar 70€, das hotel, ein hyatt, kostet nur halbsoviel, wenn man sofort bezahlt.

ich mag am luxus, wie er alles andere überdeckt, keine geschichten liefert, seine eigenartige beziehungslosigkeit, man weiß immer nicht, ob er bedürfnisse dämmt oder sie tatsächlich stillt. dagegen die anderen hotels, wo die leute auf den bewertungsportalen sich über dünne wände, harte decken, sofas mit flecken beschweren, da bleibt man immer teil einer ganzen serie von geschichten, und nie als deren mittelpunkt. eines ist um ein haar dem bankrott entgangen, vor 2 jahren, und ist immer noch unrenoviert, kann man lesen, die zimmer sind ruhig und gehen auf einen friedhof, man kann direkt auf die gräber gucken, geister wurden keine gesehen, der pool ist zu klein und ein bisschen dunkel und es liegen blätter drin. das meer soll nur 300 meter entfernt sein, es ist 4,5 km ab vom schuss. es kostet inclusive frühstück und barbecue soviel wie das skontierte hyatt – der mangel an entscheidungskraft geht mitten durch mich durch. morgen sind alle weg und ich muss dann doch ins motel am highway.

mir vorgenommen, wieder besser zu kochen. in letzter zeit wegen dauermööp eine fühlbare häufung von fischstäbchen, tk-pizzen und schawarmas vom imbiss, was die kinder immer sehr begeistert. ich habe phasenweise einen unpräzisen jieper auf fertigfutter, dieses ganz spezielle aroma hinten im gaumen, das alle rezeptoren auf einmal bedient, nach ein paar mahlzeiten mit glutamat gibt das hirn wieder ruhe, aber nee, es ist doch hauptsächlich ne energiefrage. wenn ich auf die putzfrau verzichtete, könnte ich mir stattdessen die menues von kommt essen bringen lassen, die wirken ziemlich lecker, aber die putzfrau kann nicht auf mich verzichten, sage ich mir immer, obwohl wir natürlich eher horrorkunden sind, nur bücher, kinder, tonnenweise spielzeug und ein hund, und sie bestimmt lieber eine alleinstehende ältere dame hätte.

von dem ganzen haushaltsdingen mache ich übrigends die wäsche am unliebsten, es wird auch nicht weniger, weil die kinder ja größer werden, eine maschine mindestens täglich. ich hasse es, den kram aufzuhängen, zusammenzulegen, zu bügeln, wegzuräumen. die tatsache, dass das in jedem fall so bleibt, also wäsche und kochen, tröstet mich über jeden männermangel.

oder mal einen trockner anschaffen?

hoodies sind das schlimmste, sie nehmen soviel platz weg in den zu kleinen schränken meiner söhne. ein hoodie sind zwei pullover, 5 t-shirts und 3 langarmhemden.

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a walk

wie ich heute auf dem balkon stehe, dösig von der sonne, und unten auf dem platz steht dieser mann in weißem hemd, der sich eine kippe anzündet, stehenbleibt, ein bisschen guckt, mit der hand auf dem rücken über den bürgersteig spaziert, eine demonstration des nur vorübergehenden müßiggangs, im unterschied zu allen anderen, die wochenende haben und im schlüpper auf dem balkon liegen. ich rufe den hund, ziehe schuhe an und gehe auch nach unten. eine ecke weiter spielt ein mann kiss von prince, mit mikro und e- gitarre, ich kenne ihn, ein vater, mager und gross und immer ein wenig düster, er strahlt zurück beim singen, aber ich lege keine münze auf den haufen, weil ich bin eigentlich innerlich noch zu hause und nicht im großstadtmodus. ein paar leute und ein teenie im rollstuhl sitzen dahinter, der mann mit der kippe steht auf der anderen strassenseite vorm liebling, hört zu und raucht, ich beneide ihn, ich liebe pausen, die sind so vollkommen richtig, so durch und durch in ordnung, ich laufe mit emma einmal um den platz herum und denke, dass der mann bestimmt weg ist inzwischen, aber nein, er steht da noch, auf einer anderen strassenseite, genau dort, wo ich vorbeigehen kann. er steht vorne am bürgersteig, er blickt nach vorne, ich spreche ihn an und bitte ihn um eine zigarette und bekomme sie. er gibt mir auch sein feuerzeug, „wenn es noch geht“ sagt er, aber es brennt hell und klar, ich kann das waschmittel von seinem hemd riechen, frisch und nach sommerwiese.

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stumme fische

auf dem datingportal hängt es etwas, weil die jungs nicht antworten, meistens sind sie höflich genug für eine antwort auf die erste mail, verstummen dann aber sofort, wenn ich weiterschreibe, liegt auch daran, dass es wenig männer meines alters gibt, die frauen bis zu meinem alter suchen, von bis geht die alterspannbreite, und sie suchen 5 jahre um ihre untere grenze herum. die zahl meiner kinder werde ich in zukunft besser auch erst beim treffen nennen, beim alter vielleicht ein paar jahre rausnehmen? ich laufe wohl außer konkurrenz, was kinderzahl, alter, alterung, gesundheit und lebensmittelpunkt angeht und werde ein bisschen ungeduldig.

blablubb.

das leben mit seinem ansprüchen und dem alltag ist für so einen singlemann komplex genug, denke, ich, darum wird die frauensuche so einfach wie möglich gestaltet. weil jemand wie ich da rausfällt, muss ich mir eine andere möglichkeit suchen, hat jemand vorschläge? bin ungeduldig.

glaubt mir das nie, wenn ich sage, ich brauche das alles nicht, die liebe und die haut.

 

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strassenecke

„was schaut ihr denn da, kinder?“
„eigentlich etwas relativ dummes.“
der fortschritt ist die akzeptanz; ich gehe aus und bin nicht da, um vorzulesen, noch was zu wissen, lichtaus durchzusetzen, alle wissen, dass sie heimlich tv gucken werden, weil mir die energie fehlt, um die fernbedienung ins auto, den schlüssel in den briefkasten zu packen, oder in den tiefkühler, oder unter die blumenkästen. man muss es klar sagen: der kulturhunger der mutter ermöglicht den kindern kulturlosigkeit, auf perfekte weise, weil sie es im geheimen tun können. ich habe ihnen gesagt, wenn sie erben wollten, müssen sie vorher alle meine bücher lesen. „okay“ sagt gregor.

strassenecke„: die ersten seiten erinnern mich an die, die ich war, als ich jahnn gelesen habe, ich finde das sofort wieder in mir, es ist alles da („Alle Menschen denken einmal im Morgengrau zwischen Schlaf und und Wachen oder zufällig in einer dünnen Stunde bei einem Glas Absinth oder als sie sich entkleiden, das Hemd von der Haut abheben oder als die Strassenbahn in den Schienen knirscht, sie denken an sich wie der Geist an sie gedacht, als er sie bildete. Durch sie hindurch und in sich hinein. Und die Gedanken sind dolchartige Eisen […]“ und so weiter, dann übermannt ihn der expressionismus, bin hin zum „fettes spratzendes Höllenfeuer“ und solche dinge, dieses hemmungslose sich-ernst-nehmen, das man heute in literarischen texten nur noch mit dem autoren-ich und seinen wahrnehmungen tut und nicht mehr mit der gesamten welt.)

das stück sei nicht erzählt worden, lese ich in der kritik einer aufführung von 1994, das jugendtheater (wusste ich nicht vorher, ich hab „P14“ nicht wahrgenommen in der ankündigung, sie hätten aber auch einfach „jugendtheater“ hinschreiben können, die hanseln) hier tut das auch überhaupt nicht, leider, einigen schauspielern hätte ich ein bisschen mehr schauspiel schon zugetraut. der abend war interessant zumindest, volksbühne dritter stock, ein vollkommen leerer raum (bühnenbild bert neumann, der hatte wohl keine zeit) mit je drei stuhlreihen an den schmalen enden, die kids sind großartig textsicher, laufen herum und haben die beiden verwendeten darstellerischen möglichkeiten spielend im griff: monotones bisschen zu schnelles vortragen ohne körperbeteiligung und hemmungsloses brüllen, beides fordert zuschauer mit extrem guten ohren und zenmässiger konzentrationsfähigkeit, weil der text so unzeitgemäß dicht und gewaltig ist, auch die handungsverläufe sind sehr vielfädrig. am ende öffnen sie die 4 fenster des raumes, zum theatervorplatz hin, und machen das licht aus, es leuchten nur noch die lampen von draussen, auch die gehen irgendwann aus, niemand spricht noch, man sitzt im dunkeln, friert und hat keine ahnung, ob sie durch sind mit dem text. das publikum sass am ende sehr gutwillig minutenlang herum, bevor jemand mit dem beifall begonnen hat. ich mochte das, nur das restlicht von der stadt im raum, theater und stadt beide dabei, plus das magische eines unbespielten theaterraumes. wie ein schlafzimmer, das stück schläft wieder, denkt man so ein bisschen verträumt und guckt aus dem fenster in den berliner nachthimmel.

ich konnte mich trotz guter absichten (hh jahnn!) nicht immer auf den text konzentrieren und habe nicht verstanden, warum die regisseurin das so inszeniert hat. oder haben die kids das alleine entschieden? ein paar sätze dazu auf dem programmzettel wären hilfreich gewesen. ich wollte nicht rausgehen bei so jungen leuten, einer war noch vorm stimmbruch, aber versucht war ich schon. die ganze jahnnsche sprachgewalt und meinungsdichte wurde wegmonologisiert – oder eben niedergebrüllt.

Boh„, sagt der italiener dazu. schnell nach hause radeln, hund lüften, die kinder ins bett schicken, „mama, wie spät ist es denn jetzt genau?“ „23:06“ „okay, dann schlaf ich jetzt.“

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einfach weitergehen heute nacht, die musik suchen gehen, den weg nach spandau, immer weiter, hier ein bier, ein paar sätze unterwegs, bis es stiller wird und alles gesagt ist und die bürgersteige leer werden.

(auf dem heimweg in einer kneipe versackt, ganz alleine, die mädels verabschiedet, an meiner haustür vorbei einfach weitergelaufen in die nächste eckkneipengegend, kinder zuhause, hund dabei, rum getrunken, eine kippe geschnorrt, leute geguckt, sie sahen unaufgeregt aus, die frauen geschminkt, die männer mit breitem oberkörper, linoleumboden in brauntönen und internet für 1,50 pro stunde. es ist noch platz an der theke, noch einen rum? die alarmglocken klingeln leise, aber ich lauf weiter aus dem herzschlag des viertels heraus, in die obi- und strauss-innovation-gegend, wo die kneipen neonröhren im fenster haben. sich mal richtig besaufen, ohne drama, aus albernen gründen, das wegräumen von gegenargumenten, alle langweilig, aufstehn, wach sein morgen, bei der guten laune der kinder mithalten können, den vormittag nutzen, und du hast auch eigentlich gar kein trinkerherz. storkower strasse, halb zwei, alles zu. ich ruf ne taxe. aber ich hätte, ich hätte auch bis nach weissensee weitermachen können.)

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logistik. nächste woche würd ich zweimal theater wollen, einmal shakespeare-wilson-georgette, sollte man schon hingehen eigentlich, und einmal den ollen herrn jahnn in der volksbühne, der findet alle paar jahre eine seele, die ihn inszeniert, silvia rieger hat sogar den pastor ephraim magnus schon auf die bühne gebracht, ein stück mit liebe, inszest, religion und noch irgendwas, ja: und kannibalismus, übel expressionistisch. donnerstag und freitag. donnerstag hätt ich auch noch sport, aber ich habe nun so lange, jahrelang, keinen sport gemacht, da wird doch einmal mehr … die jungs wären dann zweimal hintereinander allein und werden theater hassen fernsehsüchtige monsterkinder, wenn sie groß sind.

samstag ist dann alles gut, da geh ich auf einen 50sten, bei einer fastbesten freundin, das ist kein wirkliches ausgehen, das ist eher ein hingehen. und am nächsten tag ist keine schule, ich kann vielleicht ein video aussuchen, äh mit tieren?

schweres leben in der großstadt.

ich könnte auch donnerstag zum sport und müsste mich dann am freitag nur zwischen den theatersachen entscheiden, die kommen da beide. den wilson streichen, der kommt bestimmt nochmal. der jahnn, der letzte ist 18 jahre her, das kann dauern. lieber wär mir die medea gewesen, wie sie ruft: „schlaf ist an dir in meiner gegenwart“, und jason wendet sich ab, der autor ist eh total vergessen, warum dann diese kleinen schlecht spielbaren sachen machen? es muss eine junge regisseurin sein, die ihn inszeniert. gibt es noch diese jugendlichen jahnn-phasen? sollte vielleicht doch lieber in den wilson gehen. andrerseits hängt das jahnn-ticket schon am kühlschrank.

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die frau hat sehr weiße haut, in regelmässige halbfingerbreite fältchen gelegt, blasse blaue augen, also nicht verblasst, sie ist ausschließlich in zartblau und hellrosa gekleidet, das weiße, dünne haar in einem kleinmädchenpony über den augenbrauen abgeschnitten, am hinterkopf ganz eng zu einem pferdeschwänzchen gebunden, der blick vollkommen leer. jedes detail an ihr unterstreicht eine von weit weg kommende und intrazelluläre bösartigkeit, sie hat auch als 12jährige so geguckt, mit schüppe, leicht abwesend, nur ungern herauskommend aus ihrer inneren sicherheit, das die welt im unrecht ist, war, und sein wird.

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lieder singen

Quattro cani per strada
e la strada è già piazza
e la sera è già notte.
Se ci fosse la luna,
se ci fosse la luna si potrebbe cantare.

und wenn schon. der war gut damals. ich sass mit zwanzig auf einem holzboden in deutschland in irgendeiner mehrzweckhalle und dieser liedermacher sang, er hat eine richtige singstimme, nicht wie die anderen, die eher nur kopf und absichten hatten, seine lieder hatten herz und sehr viel musik. ich sass da und fand ihn gut, habe platten gekauft und die songs mit zurückgenommen nach italien, wo ich mit freunden einen sommer lang strassenmusik gemacht habe, wir haben die ganzen cantautori gesungen, lucio dalla und de gregori auch natürlich, de andrè, den alten, vor „creuza de mar“. aber auch gianni morandi und guccini und pfm (die habe ich seit diesen frühen achtzigern bestimmt aus gründen nicht mehr gehört, es gibt sie immer noch, ihre letzten drei platten heißen ulisse, serendipity und dracula, denen kann jetzt auch nichts mehr passieren) und wir spielten die klassiker aus den usa. ich wusste immer nur die ersten paar strophen, aber meine stimme war in ordnung. wir fuhren in einem grünen alten käfer herum und ich war ein bisschen verliebt in den gitarristen, bassist war keiner mit, ich habe noch ein bild von ihm und diesem wagen, aber seinen namen hab ich vergessen leider, paolo vielleicht? paolo war es. wir schliefen in den dünen, wo der appenin flacher wird und die maremma anfängt, gibts da dünen? la spezia und drunter. in einem zelt, es gab wein und pizza, verdient haben wir nicht so viel, aber es ging natürlich sowieso nicht ums geld. es ging um nichts besonderes, um das nächste lied, darum, den wein kühl zu halten, um einen blick, den sommer eben.

(kurzgespräch gestern abend mit jemandem über konstantin wecker, der andere fand den relativ unverzeihlich, aber meine erinnerungen sind gut und hell. sein pathos ist mir damals nicht mal aufgefallen, aber wir liefen ja mit offenen herzen herum, es war okay, wir sangen einfach mit, überhaupt komm ich aus italien, die haben andere sorgen. die tonlage war bisschen zu hoch, männerlieder waren das.)

gefunden: 1977 in bologna, dalla-guccini-vecchioni haben spass.

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just music

manchmal bin ich ratlos vor unserer fähigkeit zur liebe, all diese nervenbahnen und sinne dafür, ein ganzes orchester, das immer nur proben und nie spielen darf, es wird gelegentlich gebucht, aber dann wieder ausgeladen, oder es kommt keiner, oder es gibt das konzerthaus gar nicht, nicht mal die stadt, und so wird es über die jahre ein bisschen sonderbar und taucht gelegentlich in vollem ornat in einer dorfdisco auf, wo eine olle jukebox genügt hätte, oder es wendet sich unbekannten finnischen komponisten zu, obwohl es jederzeit mahler spielen könnte. vieleicht konvertiert es auch in toto zum elektronischen minimalismus. der dirigent sitzt dann nach den heimfahrten noch eine weile in seiner bahnhofskneipe und hält reden.

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deckenhöhe >4m, plus frozen shoulder minus 4m-leiter = die reparierte küchenlampe bleibt unten. komme nicht an die zimmerdecke dran, und wenn, dann nur mit einer hand. ist das nicht albern? keine erinnerung mehr dran, wie die ganzen deckenlampen aufgehängt wurden beim einzug, erinnere mich dunkel an eine alte holzleiter mit einem kettchen zwischen den beinen, auf der man noch höher hätte steigen können, bis zum dach und weiter, solange es eben geht, soweit man sich traut. ich weiß noch, wie wir mit einer gewissen gemütlichkeit die braun lackierten stuckelemente der zimmerdecken abgekratzt haben, es war eine freundliche hohe leiter.

da war der mieter aus der dritten etage, ein alter physiker, der mit dem blumenornament rund um seine deckenlampe begonnen hatte bei einzug, und die ehemals feinen blütenblätter mit winzigen spateln und schraubenziehern gereinigt hatte, eine nach der anderen, alle farbschichten ab, jede schicht einzeln. er nannte es sein projekt, es wurde nicht fertig in den ersten jahren, die wir hier gewohnt haben, immer blieb ein teil des kranzes unter dem glänzenden dunkelbraunen lack versteckt. der physiker ist gestorben vor 2 jahren, ein krebs, innerhalb weniger monate, ich war noch einmal wieder in der wohnung nach seinem tod, hab mir den stuck angeschaut, er hatte eine feine und zarte linienführung, man konnte jetzt auch die blumenart erkennen, offene rosenblüten, in einem matten, leicht pudrigen weiß. die bewohner sagen mir, der vormieter habe ihn wohl aufsetzen lassen, er sei sicher neu, nein, da war kein brauner lack, wieso überhaupt sollte jemand so schönen stuck mit lack übertünchen?

der blumenkranz an der decke über meinem bett ist eher wie kinderformen aus dem sandkasten, ich kann das muster ohne brille grade noch erkennen, but well.

andererseits ist es jetzt morgens schon so hell, man braucht gar keine lampe mehr zum frühstücken.

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totale müdigkeit, eine blitzgrippe, hoffe ich. heut früh, als ich noch wollte, in joggingschuhen bis zur ecke gerannt, dann hinsetzen gewollt und wieder umgekehrt, runkeeper zeigte mir 100m und 4 minuten. den tag über liegengeblieben. die kinder kommen immer mal wieder und gehen zum glück bald, ich bin das zentrum eines zentrifugalen tanzes mit drei halbherzigen tätern, alle aber sind schön und gut zu mir, einer hätte fast tee gekocht, wenn ihm nicht was dazwischengekommen wäre. eine neumodische erkrankungsform! sie heißt ebbe und betrifft alles über normalnull. jetzt ist der tag an seinem grund und ich bin plattgelegen und begreife nicht mehr, warum ich mir einen hund angeschafft habe.

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basislager

zuerst kommt gar nichts. eine lange, lange weile hört man es rumsen von hinter der bühne, dann kommt klavier. in den ersten minuten fühlt es sich an wie eine yoga-übung, einatmen, ausatmen, sich langsam auf einen anderen taktgeber einlassen: marthaler.

sechs oder sieben szenen in grönland, alle in einem basislager, einer von viehbrocks vergessenen funktionsräumen, bisschen alte turnhalle, bisschen schulungsraum am stadtrand. ein schutzraum in grönland, naja, warum nicht, diese bühnenbilder sind wirklich nicht an orte gebunden, aber ich hätte mir mehr natur gewünscht irgendwie, mehr außen statt dem ewigen abgewohnten innen.

andrerseits entsteht das theater bei den beiden (marthaler/viehbrock) sowieso mehr im kopf als auf der bühne, man muss die augen gar nicht immer offen haben dabei.

es könnte mein eigenes basislager sein, so voller leiser stimmen, ein paar theorien und liedern auf grönländisch, mit einem overheadprojektor, der nach langer einrichtungszeit eine unklare silhouette in fischform zeigt.

die schauspieler kommen am anfang dick vermummt herein und entkleiden sich dann viele schichten lang, das hat mich auch berührt im solar plexus, ich habe eigentlich fast genausoviel an, wenn ich von draussen reinkomme.

lieblingsstelle, außer all den wunderschönen, stillen chören in fast jeder szene, als ob man sie nur im kopf hören würde, ein innerer hafen (leise und pärt-artig, ich habe nur wenige stücke erkannt) – war bettina stuckys sehr stimmhaftes aah auf einen vortrag über polare kosmogonie, den sie sich nach ihrer arie „es gibt kein bier auf hawai“ anhören musste.

oder die übersetzung eines gesellschaftlichen miteinanders ins gestische, wie die körper vom typischen – zum beispiel vorgeschobene frauenbeine auf highheels, lässige männerstehposen – ins parodistische geraten, quasi wider willen, und dabei die ganze zeit handys durch die gegend kicken, das war wild und lustig und ich habe mich voll wiedererkannt.

die leute hinter mir beim rausgehen meinten: das war ja der langweiligste marthaler-abend jemals. fand ich okay, weil man eine gewisse leise art von schönheit auch nicht mit jedem idioten teilen will.

ich will auch mal nach grönland.

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tomato

heute gospels gehört, auf dem rechner gefunden, tief vergraben, alter kram mit mahalia jackson und ella und so, ich hab das wohl doch nicht mit den LPs zurückgelassen. gehört in den achtzigern bei der tante, bei der alles anders war, die manchmal mitten im satz aufsprang und eine platte auflegte, weil es sein musste, die meine grenzen mit einem lachen aufgelöst hat. es lief immer musik, so kam es mir vor, aber nee: sie haben musik als herz-und-seelen-futter gehört, nicht wie bei uns, wo alles eher in den passenden schubladen blieb oder als brücke in die sentimentalität diente, also schlager, klassik war hochkultur und lief nur sonntags. ich war vor jahren noch sicher, sascha lobo hätte sich nach diesem berühmten lobo hier benannt, der jahrelang bei uns zuhause herumstand. bei der tante gab es einen querschnitt durch r&b, blues, liedermacher, kraut und rüben, gerne laut, gerne mit herumgespringe, gerne auch mal beatles, darum singe ich immer mit, wenn meine jungs morgens yellow submarine brüllen. die alten sachen liefen heute beim kochen und haben mich sofort wieder in dieses kleine wohnzimmer gebracht, wo gegackert und getanzt wurde, immerhin synchron mit dem universum, und wo herumblödeln und mitschmettern in ordnung ging. die songs kommen mir deswegen nie alt oder gar altbacken vor, es ist einfach musik, die immer funktioniert. heute kam dann beim essen let’s call the whole thing off, die jungs haben ihn natürlich noch nie gehört – allein das ist schon schräg, oder? ist auch wurscht, ob der song jetzt 47 oder 75 jahre alt ist, überlebt hat er auf jeden fall alles. mit dem bass-einsatz flogen die köpfe hoch und keiner blieb still sitzen. made my day.

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