sonntag morgen, vollkommene ruhe, sogar der hund schläft noch. das wird jetzt drei wochen so ruhig sein morgens, und abends auch, die jungs sind in den sommerferien, ein großes ausatmen mit kleiner unruhe, was soll ich denn machen mit so viel zeit. (der anfang jedenfalls war schön, merci.)

viertelstunde

das nur-beim-ausgehen-rauchen ist nur gesund, wenn man nur alle zwei wochen ausgeht, jetzt hab ich heut schon wieder, prater mit freundin und kindern, der pratersommer, man kennt die speisekarte auswendig nach ein paar wochen sommer, nudelsalat mit leberkäs, ein bierchen, ein cool aussehender vater zeichnet sein kind, er hat einen richtigen zeichenblock dabei, ein klemmbrett, stifte, ich überlege, mal zufällig vorbeizugehen, weil es ein block ist und kein notizbuch, die blätter fliegen im wind, das kind wie grade aus den zwanzigern hierher teleportiert, mit stoffwindel und kleiner weißer schiebermütze, meine zwillinge mit einer ungeheuren energie auf so einer riesenschaukel, man mag gar nicht hinschauen, einen tisch weiter setzt sich dieser mann hin und sieht immer noch so aus, dass ich plötzlich aus dem gespräch falle und gerne eine weile hinschauen würde (ist das eigentlich normal, an sowas zu denken, also an möglichkeiten, wünsche und chancen, wenn man einen besonderen mann in reichweite hat? man liest so wenig drüber. es ist wie ein schneller und autonomer sinn, er sagt eigentlich nur ja oder nein, der immer neben und unter dem gespräch hin-und herfließt, mal schneller, mal langsamer, synchron und diachron, verknüpfungen findend und suchend, zusammenhänge, begründungen, kleine fröhliche seifenblasen, frei, eine ständige interferenz, die abstände, blicke und sätze hinaufschleudert in die anderen dimensionen, wo sie verloren gehen, weil sie nicht gebraucht werden, weil sie nicht kommuniziert werden in der wirklichkeit, in der die sonne blendet und untergeht und ich nach hause muss mit meinen kindern.) – den mann grüße ich seit ein paar jahren, er grüßt zurück, wir sind nachbarn mehr oder weniger, der wär doch was, meint die freundin, nein, sage ich, anderes kaliber, dann reden wir wieder über schulen und politik und die sommerferien, die kindsväter und den sport und dass es bei yoox grad lauter sandalen gibt, falls das alles länger so bleibt, so großartig, mein ich jetzt.

mein herz ist in ordnung, sagt der kardiologe. es ist unglaublich entmetaphorisiert, mein herz, will ihm ihm sagen, bin aber schon ein bisschen froh, nach 40 jahren diabetes, und es fällt mir total leicht, nicht mal innerlich am thema kleben zu bleiben, dann sitz ich im auto und höre erleichtert (herz okay, herz okay, super, oder, come on) irgendwas von peter fox, dabei kann man so leicht auf dem hintern hin-und herwackeln, während man die sonnenbrille sucht, dann kommt swell, fuck even flow, und ich denke dann so herum, und mir fallen sofort zwei drei männer ein, mit denen ich gern mal, ich würde gern, you know, aber es wird irgendwie immer nix, weil ich an den falschen stellen sichtbar bin für die jungs, well, das ist ja nun auch nichts bahnbrechend neues, und vielleicht klemmt ja noch eine kippe irgendwo, wenn die kinder weg sind heut abend, mit der kippe durch die wohnung laufen, meine wohnung denken, repatrisieren, alles bisschen umdenken, den hebelpunkt suchen, wo man noch was ändern könnte, ohne das es reisst, dann klappt der blick auf, noch vor der danziger strasse, das leben, eigentlich okay, oder nicht? das gute ardoino-olivenöl ist alle, aber ich bin ganz bald wieder in italien, wo mein herz wohnt, ich werde sport machen, der kardiologe hat gesagt, man muss sich einen termin setzen dafür, sonst wird das nix, das stumme und total entspannte ja-abern dann im kopf, während der arzt schallt, synchron mit dem herzschlag, dann kommt ein stück mit so fragen, und ich verfahre mich noch ein bisschen und finde alles ziemlich lustig, mann, die lebenserfahrung, wie die endlich was nützt, wenn zur kurzsichtigkeit die weitsichtigkeit dazukommt, einfach plus obendruff, der falkplan im auto ist kaum noch lesbar, aber hey, die augen werden nicht grau, und nicht der blick.

der mann, sechziger, der eine lange beziehung schrittweise beendet hat, weil sie zu keiner richtigen lebenspartnerschaft geworden ist, zu einer frau, die nicht mit ihm und nicht ohne ihn leben will, eine sich ziehende getrennt-aber-trennung, und der seit ein paar wochen mit klarheit und neugierde bei parship sucht, dieser mann erkennt bei seinem ersten parshipdate die frau, mit der er leben wird, ebenfalls sechzigerin. die beiden stehen um 22uhr knutschend auf dem s-bahnsteig, am tag ihres ersten dates, da steht plötzlich seine exfreundin vor ihnen, auf dem gleichen bahnsteig, zur gleichen uhrzeit, und sieht den kuss.

(it gets better)

mein großer sohn, elias, 10, wird grade in der schule gemobbt, von seinen ehemals besten freunden. sie ignorieren ihn, er muss in den pausen allein auf dem hof stehen, wegen einem bänderriss kann er auch nicht zum hockey, wo die exkumpels alle spielen. wir sind alle dran, eltern und lehrerin, um die untragbare situation zu beenden, aber bis dahin ist elias in der schule ganz still in der opferrolle versteckt, fühlt sich verantwortlich, verteidigt die kleinen tyrannen sogar noch, und zu hause wird er laut, ist ungehorsam und sehr wild. gestern, am putzfrau-minus-1-tag, hatten wir den aufräumstreit, also ich wollte dass er – wie angekündigt, gewohnt und besprochen usw. – aufräumt, er wollte das nicht, und wir wurden laut bei diesem streit. nach dem üblichen privilegienabzug war ruhe, die kinderzimmertür geschlossen, mir war unwohl, weil man dann so zerrieben wird zwischen der allgemeingültigkeit von grenzen, die geben einer kinderseele ja halt und sicherheit, grade in schwierigen zeiten, und der zunehmenden genervtheit, wenn man x-mal auf diese regeln hinweisen muss, nicht gehört wird, lauter werden muss, und so weiter, und auf der anderen seite dem müttermitleid, dem größten auf der welt, glauben sie mir das mal einfach so. einer der momente, wo man die perfektion verfehlt, nicht souverän genug ist, geschenkt, es gibt manchmal keinen richtig richtig guten weg. das ist erziehungsalltag.

jedenfalls klingelt es plötzlich an der haustür: elias steht unten. ich frage ihn, wo er denn war, er sagt: überraschung. dann kommt er hoch und überreicht mir die gala, die er am kiosk für mich gekauft hat, um mich zu versöhnen. sie enthält dieses special. sie wird eine weile auf dem sofatisch liegen, mit diesem scary wachspuppengesicht auf der frontseite, und wenn jemand fragen sollte, weswegen ich die aufhebe, werde ich erzählen, dass ich diese gala supertoll finde, sie unbedingt haben wollte und froh bin, sie zu haben.

(wusstet ihr, wie schnuffig ein typ namens jamie burke aussieht? musiker! und model, und die beautys wie lindsay lohan (l.) und sienna miller stehen schlange.)

beim zeitungslesen im erbsessel erinnere ich mich anders an inhalte als bei lektüre am schreibtisch, bett oder balkon, ein vermittlungselement steckt noch drin, als müsste ich der tante ahne erklären können, was ich da lese („scheiss“), ich vergesse immer, wie sie zur familie gehört, erinnere mich nur daran, wie ich als dreijährige auf ihrem schoss sass, in ihrem sessel, und ihren arm suchte, den sie verloren hatte in den bombennächten.

habe zu meiner freude ein absolutes luxusproblem: eine (nicht neue) riesige prada-handtasche geschenkt bekommen, mit zu großem logo auf der seite. sie ist wunderschön natürlich, aber ich kann so unmöglich rumlaufen. logo nach innen oder verkaufen und erlös in kinderschuhe investieren? das entspannende an der dekadenz.

juni

wo sie wohl hin ist, die frau casino von früher? sammle die scherben ein nach einem wochenende voller streitereien mit den jungs, müdigkeit, grade außer atem plötzlich vorm spiegel gelandet, zuviel grau, die augen umringelt, alles sieht alt aus, die klamotten irgendwie übereinander gezogen und nicht zur feier des junisonntags, eigentlich total hinüber, erschöpft und unfroh. meine mutter hat mir mein geburtstagsgeschenk wochen früher gegeben, weil sie auf reisen geht, ein leder-armband einer extrem namhaften französischen firma, hell yes, denke ich, aber wo ist die frau hin, die sich dadrüber echt sehr gefreut hätte, e che ne so, an einem verregneten junisonntag vor 15 jahren lag die mal auf dem bürgersteig der dieffenbachstrasse im regen, unter einer ollen bmw, und hat die ölwanne ausgetauscht, die einen tag davor zerschreddert wurde, als ich mit zuviel schwung auf den bürgersteig gebrettert bin, um einer freundin zu hilfe zu eilen – die hatte sich vor ihrem sehr neurotischen lover in ihrer parterrewohnung versteckt, und der war dabei, durch das küchenfenster einzusteigen. die freundin blieb unter ihrem schreibtisch, ich schmiss den herrn raus, der auch nicht mehr so genau wusste, was er da tat, sich aber weder entschuldigte noch wunderte, sondern einfach „okee“ sagte und ging, jedenfalls lag ich da an dem sonntag danach, und ein mann trat zu mir, ich sah nur seine beine, und sagte „ich hab auch eine guzzi“, ich musste lachen und hab öl ins gesicht bekommen – mit dem hab ich dann in den wochen danach ein paar touren gemacht, er hatte tatsächlich eine california III, in weiß, wunderhübsch, der wollte mich dann nicht mehr sehen, nachdem ich ihn einmal zum tango in den meistersaal mitgenommen hatte, ich immer lederhose und stiefel unter die tangokleider und mit helmfrisur, das hat mir was ausgemacht damals, aber mit den halben helmen sahen die haare irgendwie noch schlimmer aus, oben geplättet, unten verklettet, das war auch nix, der typ ein reicher architekt aus kreuzberg, mittfünfziger, erstes motorrad, der kam mit der frauenrolle im tango nicht klar, so eine frau wollte der nicht, jedenfalls lachen die freundin und ich noch heute über den lover, so ein verkrachter künstler war das, die gab es damals noch. sie hätte sich besser auf dem hochbett versteckt, auf dem wir dann auch mal in einer sylvesternacht zu dritt, weil wir beide denselbsen typen cool fanden, der mann war dann aber überfordert, glaube ich, und hat uns einzeln mit nach unten ins zimmer genommen. war auch okay. jedenfalls vermisse ich diese ganzen geschichten etwas, sind die noch da, bin ich das noch? das moped hab ich verkauft, als ich schwanger wurde, an einen mann, der fürs technische museum alte sachen gekauft hat, das war auch ein feiner tangotänzer, der sich getrennt hatte, um mit einer jungen tanguera durchzubrennen, und es hat mir erst etwas leid getan, das ich das nicht war, aber dann kam meine liebe und der tango hörte auf, er hat meine kiste noch genommen, für 3300 dmark, und kam mit seinen beiden pubertären töchtern, um sie abzuholen, und ich dachte noch: so große kinder hat der, mei oh mei, der muss schon über vierzig sein. kann das denn sein, dass es diese leute nicht mehr gibt, wo genau hält sich dieses paralleluniversum mit all dem sex und den nächten und den möglichkeiten, den offenen stellen, den lücken und den räuschen, dem morgendlichen nachhausegehen an der seite eines typen, man hat keine ahnung, ob man ihn mitnehmen will oder lieber doch nicht, es wird sich ergeben, es ist noch zeit, und man blinzelt ins sonnenlicht, die strassen sind leer, dann geht man mit, oder eben nicht, ich habs vergessen, es ist alles solange her. (ach jugend. das ist so ein moment, an dem sich frauen gleichzeitig zum fitness, zur pediküre und zum friseur anmelden, und sie können drüber lachen dabei, aber es tut trotzdem ein bisschen weh)