same old, some new

ein kaffeenachmittag, bei dem sich alles abspielt, die ganze  vieljährige beziehungsgeschichte. kann man sie erzählen mit einem nachmittag? nein. die ganzen baustellen liegen nicht offen. die narben unterscheiden sich nicht mehr von den muskeln, die alles im lot halten. lächeln, bitte.

wenn innen- und aussenleben inzwischen zwei verschiedene länder sind mit verschiedenen sprachen, oder hast du gar kein innenleben? was du redest, hat kein herz, aber keine sorge, du merkst das gar nicht. verliere ich meins, wenn ich es nicht reden lasse? es wird dann halt zurechtgestutzt auf das kommunizierbare, in minimalen möglichen gesten.

(wie die intelligenz in den kinderaugen aufblitzt, wenn sie irgendwo dahinterkommen und sich darüber freuen, wie durchlässig sie noch sind, wie sauber und unzerbröselt die energiebahnen laufen, wenn nichts über neurotische umleitungen muss. wie sie kommen und sich ankuscheln und dabei versuchen, das ipad für ein paar spielchen zu klauen, ich sage dann „vergiss es“ und sie lachen und versuchen es ein paar minuten später nochmal, dann gibt es wieder fragen über autos der zukunft, fahrradfahren bei eis&schnee, vokabellernen in anderthalb minuten, während der dritte heimlich tv guckt, bis ich „ausmachen!“ rüberrufe. das innenleben kommt mal ans licht, mal nicht, es fluktuiert mit den themen, es wirkt nicht so, als ob angst oder not da eine rolle spielen würden.)

tisch leeren

den letzten irgendwie übersehenen stapel post aufgemacht und alle offenen strafzettel bezahlt, ich habe offensichtlich sogar punkte in flensburg, es hätte mich nachdenklich stimmen sollen, das der brief in einem gelben umschlag gekommen ist, plus einen jahresbeitrag einer rentenversicherung, den ich regelmässig erstmal ignoriere.

in deutschland reden alle immer über ihre altersvorsorge, haben mir die gastgeber der schönen silvesterparty erzählt, die eigentlich in schottland leben, und stimmt genau, gestern sassen wir beisammen und redeten auf eine hastige und undialogische weise über unsere altervorsorgen, es hat ein bisschen was vom kröten ausspucken, ein pflichtbeitrag zum jahresanfang. wobei summen nicht genannt oder nicht kommentiert werden. aber man streift im abzählen die frauen, die ganz viel oder eher wenig verdienen, beides unverdientermassen, die erste in der schweiz, die andere ich, aber wer will schon in die schweiz? die meisten frauen in meiner bekanntschaft haben natürlich männer, die mitzahlen und mitsichern. ich habe eine wohnung. in meiner wahrnehmung haben wir erst in den letzten beiden jahren mit diesen themen angefangen, nachdem die männer-kinder-wohnungs-marathone vom tisch waren. das nächste große ding am kneipentisch wird die gesundheit sein, wir werden in ein paar jahren mit gesenkten köpfen über unsere verdauung, die gelenke und die zähne palavern, auch dabei wird ja der leistungsaspekt immer relevanter.

eigentlich regnet es aber nur seit stunden in strömen und ich will nicht mit dem hund raus.

2012

jahresrückblick? ach nö. ein gemischtes jahr, ein ruhejahr, so fühlt es sich an, ein luftholen. bin dabei, mal wieder einen neuen weg zu finden, gerade habe ich lust, in die diabetesberatung zu gehen, größter vorteil: sinnvolle tätigkeit. bin dabei die nadel im heuhaufen. habe meinen frieden gemacht mit meiner langen berufsliste, das leben ist zu kurz für nur einen job, und kein frieden führt ja auch nicht weiter. dass keiner der berufe genug geld oder bestätigung gebracht hat: well, thats me.

das tollste sind wie eigentlich immer die kinder. es ist so ein glück, welche zu haben, muss ich ja weiter nix zu sagen, denke ich mal. leider darf ich nicht mehr viel von ihnen schreiben, schon gar nichts lustiges, weil sie das nämlich nicht mehr wollen – (ihr kleinkindbloggereltern: geniesst die zeit) – aber die jungs sind natürlich meine familie und mein lebensmittelpunkt. und emma, die mir füsse und herz wärmt und die doppelt soviele haare wie ein normaler collie hat, bei halber größe. und die kitchenaid.

sport war super, halte seit anderthalb jahren durch mit laufen und seit zweieinhalb mit yoga. körper wieder integriert. lotussitz ist trotzdem noch eher lala, aber ich fühl mich topfit und bin zuhause in mir.

literatur ja, doch, wieder mehr gelesen dieses jahr. stecke gerade in einem sehr skurrilen roman von william gass, der tunnel. kann ich meine schwäche für bombastische parallele weltsysteme ausleben. hatte das buch als signierte erstausgabe 2004 in new york gekauft und bin im englischen nicht in den fluss gekommen, jetzt hat nikolaus stingl das mammutwerk übersetzt.

warte übrigends immer noch auf eine übersetzung von „horcynus orca“ von stefano d’arrigo, moshe kahn sass daran, es sollte im amman-verlag erscheinen, den es ja nicht mehr gibt. die sprache des romans ist überwältigend, herrlich und dicht auf eine nicht mehr zeitgemässe = nicht ökonomische weise. ich bin neugierig darauf, ob das werk wiedererkennbar bleibt im deutschen, weil land, figuren, geschichte so unlösbar in der sprache verwoben sind im original.

männertechnisch war das jahr suboptimal, eine uncharmante geschichte am jahresanfang (ja. ich weiss. selber, selber schuld), merke grade, das ich gerne was total fieses über die männer schreiben möchte, aber es sind ja immer nur die doof, die ich mir ins bett hole, und davon nicht mal alle, das wäre also eine verallgemeinerung, die zu unwahr ist, um noch statthaft zu sein. sonst nur ein paar betrunkene küsse auf parties. es fehlt mir bis weit in die tiefe nicht, der lack ist trocken, der boden hält, wer tiefer bohrt, muss whisky schenken und zeit und eine schulter, ansonsten ist das thema partnersuche offiziell durch. vielleicht gelingt mir mal eine funktionale trennung sex/herz, damit wenigstens ein bisschen haut rumkommt – wobei ach, vielleicht einfach mal wieder hier rumsurfen.

eine absolut großartige USA-reise gemacht im juli, mit den jungs, die war alles wert. es ist einfach alles dabei gutgegangen, ich habe die vielen bilder noch vor der nase, muss bloss die augen zumachen. die weite, die großen augen der kinder, das immer-weiter-fahren können, die freundlichkeit der amis, das essen, die 45°-strassen und die brücke in san francisco, der highway 1, der riesige buckelwal, der vor unserem boot einen luftsprung gemacht hat, der geschmack von eiskaltem bud an einem lauwarmen swimmingpool nach einem tag mit +45°C in der wüste. die total verlassene route 66 mit meinem ältesten am steuer, der sonnenaufgang am grand canyon, der erste blick in diesen abgrund. die überwältigenden sequoias mit ihrer zimtrinde und ihrer größe, die livrierten kellner im california zephyr, der sonnenuntergang in den rockies, das kurze herumstolpern in chicago, unsere fahrt mit den öffis zum flughafen dort, der nächtliche anflug auf new york mit blick auf alles, neben einem orthodoxen juden mit schläfenlocken, der den jungs in kinderenglisch die freiheitstatue zeigte – diese reise liefert nachhaltige und wunderbare erinnerungen, eine toller als die andere.

habe freundschaften bissken schleifenlassen dieses jahr und mich zuwenig gemeldet bei meinen lieben, es ist zuwenig freiraum im kopf geblieben bei all dem existenzgewurschtel. wird wieder anders.

und jetzt montale mole, der mit „Opening the World“ eine sehr schöne sammlung herausgegeben hat – ich mag mich aber nicht entscheiden. vielleicht ein vers aus „Following the Thread“:

All the stories are made up. So am I;
so are you. In the end there is no end,

there is only the spider angel spinning out
the drifting threads of heaven.

ich wünsche allen lesern einen wunderbaren start ins neue jahr. feiert feste, küsst jemanden, egal wen, zündet ein paar knaller, brüllt laut yippieyeh, wenn die raketen hochgehen!

 

geschenke

geschenkekauf dieses jahr total stressfrei von zu hause. letzte woche ist mir aufgefallen, wann weihnachten ist, dann hab ich den kram bestellt, jetzt kommt nach und nach alles an.

einen faltbaren kicker für die jungs und ihre energie, den gab es letzte woche noch für ziemlich wenig, au weia.

diese sehr lustigen und entnervend ergebnisoffenen kugellabyrinthe.

einen bop it, weil der grosse langsam ins alter der albernen spiele kommt.

(ja, der gedanke gib plastik noch ne chance war teil des konzeptes. neues, buntes, glänzendes plastik, wie lange werden wir das noch so leicht bekommen? in ein paar jahrzehnten gibt es nur noch trübes recyceltes krümelplastik.)

dazu ein buch pro kind, kannte weder autoren noch titel vorher, amis mit reallife-geschichten für den großen und gregorzwilling. für david numbers von rachel ward, weil er sich relativ häufig mit dem thema tod-sterben beschäftigt hat, hauptfigur ist ein mädchen, dass den todestag aller anderen in deren augen sehen kann, das interessiert mich auch ein bisschen, zuletzt bei canetti so eine idee gelesen, hier wohl als macht- , bei canetti als ohnmachtsfantasie. mal sehen. sie lesen zum glück alles mal an, selten mit begeisterung, gregor hat zuletzt den herr der ringe mit feuer gelesen, elias liebt tschick, den david hab ich noch nicht richtig erwischt.

im app-alter gab es nur einen computerspielwunsch: tropico 3. mir wurde ja sogar „age of empires“ als strategiespiel verkauft, ich bin also leicht zu behumsen, aber das hier soll wirklich kein kriegsspiel sein. wobei, halt, grade den link gelesen, allmächtiger presidente werden? ist das jetzt nur undemokratisch oder wird gregorzwilling gleich zum diktator ausgebildet? oder doch ein italienischkurs? zu spät, ist schon eingepackt.

itunes-karten in höhe von 50€ standen auf 2 listen, sie kriegen also 15€, falls es die gibt. dazu noch ein paar teure sachen, bei denen das taschen- und omageld dazukommt, dieses jahr ist davidzwilling mit einem  fahrrad dran, er wollte „endlich mal ein neues und nicht immer nur das alte vom gregor“, fand ich fair – und ein paar notwendige, wie sportzubehör für elias, der jetzt beim baseball gelandet ist. wie immer deutlich über den durchschnittsausgaben von p.p. euro 230, oder ist das pro empfänger gemeint?

 

 

 

 

 

freies thema

ich kann die kinder nicht mehr richtig beeinflussen. die zwillinge halten ihre freien vorträge in dieser letzten schulwoche des jahres, sie haben sie in der schule vorbereitet, alles, ich musste nur die bilder ausdrucken, nein, sogar das können sie schon selber, ich durfte eigentlich nur die texte korrekturlesen und darauf achten, dass die nicht komplett aus wikipedia abkopiert waren. sie halten über themen aus der grossen sommerreise, gregor über sequoias, david über die freiheitsstatue, bei beiden sind die noten wichtig für die zeugnisse. und ich durfte fast nichts machen! gregor wollte keine meiner tollen ideen, mit denen er alter und grösse der mammuts hätte zeigen können, hat aber immerhin unseren kleinen sämling im blumentopf mitgenommen. david hat immer nur gesagt „nein mama, ich mach das selber“. jetzt paar sorgen darüber, dass die anderen eltern da massiver eingreifen durften und die kids mit grossen powerpoint-präsis ankommen, mit gut durchformulierten vorträgen.

meine erziehung zur selbständigkeit läuft dem schulsystem zuwider. wie es die lehrerin vom grossen damals bei einem elternabend zur notengebung schön geschildert hat: „naja, wenn die vorträge schöner gemacht sind, dann honoriere ich das natürlich, weil das ergebnis benotet wird“. die frage davor war, ob eine offensichtliche elternbeteiligung zu abzügen bei der benotung führt. drücken sie den jungs die daumen bitte.

pedo mellon a minno

wir mussten durch schnee stapfen, um dorthin zu kommen. es war außerdem die allergrößte leinwand, vor der ich je gesessen habe, von links nach rechts füllt sie das gesamte gesichtsfeld. der film lief nicht mit den gewohnten 24 bildern pro sekunde, sondern mit doppelt so vielen, das ganze auch noch in drei dimensionen, eine ordentliche dröhnung also. an einigen stellen ist mir schwindelig geworden, ein par mal hatte ich unwillkührlich die hand vor augen, wenn etwas geflogen kam, und aus den nachbarsitzen mit den jungs kam „ah“ und „oh“, außerdem mehrere hinweise, das jetzt gezeigte komme aber im buch gar nicht vor, so dass ich in der pause erklären musste, was „annalen“ bedeutet. es lohnt, für den hobbit ein kino zu suchen, das bei der technik mithalten kann, wir waren im ehemaligen imax am potsdamer platz. auf ledersesseln. mir hat der film gefallen, wenn auch die leichtfüßigkeit  der handlung etwas leidet, weil all diese megaeffekte so bombastisch sind, es ist ja eigentlich eine kleine geschichte von kleinen leuten, auch das nachvollziehbare in der figurenzeichnung (der unfreiwillige abenteurer) verschwindet etwas unter dem größenwahn des regisseurs. jackson beherrscht sein handwerk souverän, er will das in jeder minute neu zeigen und leidet bissken an horror vacui, aber die seele einer geschichte braucht ruhe und brüllt nicht donner und doria die ganze zeit, sie ensteht im kopf des zuschauers, wenn man sie lässt. die lotr-filme machen glücklich*, der hobbit überwältigt sein publikum eher, und das hat das buch nicht nötig. gefallen mit abstrichen.

ich mochte die längen am anfang, wenn man sich ein bisschen in landschaft und persönlichkeit suhlen soll, bin ja sehr für gemächliches leben, ich hab gelacht, den atem angehalten und fand einige der zwerge sogar recht attraktiv, das mag aber an meiner momentanen situation liegen.

und neuseeland ist traumhaft schön.

*dochdoch. vor den filmen habe ich meine zerfledderte italienische ausgabe alle paar jahre neu gelesen. der film wurde dem gerecht.

penisg’schichterln

im alten blog 400 offline-texte. weiss auch nicht, wie das passiert ist. löschen ginge nur einzeln, aber stört ja keinen, die paar mb auf einem server in A. bisschen egogewurschtel, den text unten hab ich klar einfach vergessen online zu setzen, jetzt ist es wohl zu spät bzw. das buch vergriffen? tja. welches buch? das weiss ich eben nimmer. es hört sich nach einem prima weihnachtsgeschenk für schwester und cousinen an, ich habs irgendwo, finde es nur leider nicht mehr, ist ja immer dunkel, wenn ich zeit zum suchen habe, weiß jemand den titel?

6. april 2011

neulich über ein buch von max goldt gelesen, dass ich weder kannte noch besass, voller goldt-gedichte, die wiederum voller hummeln und barsche sind und sogar mindestens einen penis enthalten, es gibt zu meiner freude sogar „Penisg’schichterln aus dem Hotel Mama“, obwohl ich mich zu meinem bedauern an die geschichte nicht erinnern kann, zumindest nicht in dieser form, und auch – nein.

jeder text hat außer der lyrik auch noch mindestens eine überraschende wendung, oder auch ein überraschendes fehlen einer wendung, was mehr ist, als man gemeinhin von einem gedicht erwarten darf, aber deswegen wollte ich das buch gar nicht unbedingt sofort. ich habe es natürlich schon, obwohl gedichte ja warten können und ich für den notfall immer welche zur hand habe, aber mit dem hinweis auf eine begrenzte und numerierte ausgabe kriegt man mich sofort.

die texte sind außergewöhnlich gesetzt, vom drucker martin z. schröder, alle unterschiedlich mit der hand, in alten und wohl auch fast ausgestorbenen schriftypen (die wurden „abgelegt“ nach dem buch, heißt das für immer?), jede seite anders, sie illustrieren die texte so, dass man das alberne manchmal erst nach einer weile bemerkt. das buch glitzert. echt, man rutscht unweigerlich ins adjektivische beim beschreiben. konkrete poesie, für erwachsene, ein bisschen zu dünn ist es leider, 8 blatt, 32 seiten, plus deckblatt und umschlag. das blog des druckers hab ich dann auch entdeckt, es gibt das büch direkt beim drucker noch zu kaufen für 28 euro, man muss nicht bei amazon 99 dafür ausgeben, kann man aber natürlich.

edit: „nackt in einem märchenschloß voll wirklich schlechter menschen“ heisst das schmale buch, ich habs im zimmer wiedergefunden und auch im netz, bei isa. es ist vergriffen, aber der nächste band ist noch zu haben. er heisst: „Sind wir denn nur in Cordbettwäsche etwas wert?

 

10-15 cent?

wenn die 10 monatlichen freien nyt-artikel mal wieder durch sind und der monat noch nicht rum ist. genervt, wenn ich den vorteil von zeitungen im netz nicht geniessen darf, das selektive und internationale lesen einzelner artikel.

warum, also ich verstehe das wirklich nicht, das ist doch das naheliegendste, warum gibt es keine möglichkeit, die sahneartikel zu kaufen? die seite 3, oder die theaterkritiken? für angemessene cent-beträge, entweder über flattr oder über kreditkarte oder über weeßdennicke, gerne auch mit daten wie bei itunes. statt dem weiter lesen– link gibt es dann nach dem teaser ein bezahlkästchen, nach 2 sekunden kann ich lesen, wo ich zeit sparen kann. ich mag dafür keine 3 euro ausgeben.

so im lauf eines monats habe ich einen haufen zeitungen im browser, eigentlich alles was geht, keine ganzen kompletten zeitungskörper, ich picke mir mal hier und mal da einen artikel heraus, warum? weil ich es kann. meine netzlektüre folgt mal einem themenbaum, mal dem zufall, einer laune oder den links von anderen. ich möchte in meinem lesestil nicht mehr allzuweit hinter all diese wunderbaren möglichkeiten zurück, ich will nicht den ganzen spiegel kaufen im netz, er ist nicht gut zu lesen, ich kann nicht blättern, wenn alles, dann lieber das echte heft, eine zeitung ist kein album, das im ganzen mehr als die summe der einzelnen songs ist, wo es eine kurve, einen aufbau, einen zusammenhang gibt, eine zeitung ist kein kunstwerk, es ist handwerk, der zusammenhalt ist der veröffentlichungstag, und die ordnung der inhalte. wahrscheinlich gehen genau da die meinungen auseinander und es gibt so einen gedanken wie den aus der bücherwelt, wo die gut verkäuflichen das experimentelle und/oder literarische buch am leben erhalten? aber auch da muss nicht jeder käufer von verloren ein exemplar von liao yiwu mitkaufen. das dürfen zwei verschieden leute machen, und die müssen sich auch nicht kennen, im selben haus leben oder dieselbe kreditkarte benutzen.

ich hab wenig lust dazu, meine bedürfnisse den marktstrategen anzupassen, wenn ich damit auf die ganzen vorteile im netz verzichten muss. umgekehrt wird doch ein schuh draus. und all diese möglichkeiten gehen doch nicht mehr weg, man kann natürlich eine mauer davor setzen, dann bleiben halt die leser weg.

der corriere della sera hat eine originelle mauer, der hält bloss die facebook-leser draussen, ich hoffe, das ist stil und keine baustelle.

überhaupt hätte ich ja früher gerne so ein gemischtes abo gehabt, montags die sz wegen der nyt, dienstag öhm vergessen, wer da was hatte, mittwochs die faz wegen der wissenschaftsbeilage, donnerstags den tagesspiegel, weil der ist eh immer gleich langweilig, und so weiter. das haben doch taz und faz mit ihren wochenendausgaben mal gemacht, lief das nicht auch ganz gut? jetzt ist das selektive lesen möglich, aber ich darf nicht. auf dem rechner würde ich vielleicht einzelne autoren oder themen abonnieren – aber nicht drei komplette zeitungen, nichtmal, wenn es die nyt ist. das traurige gefühl, wenn ich ungelesene zeitungen wegwerfe, lauter artikelwaisen, immerhin das habe ich bei ungelesenen elektrojournalen nicht. kleine unaufgerufene dateien vereint euch! neenee.

hatte aus neugierde mal die faz als pdf, man kriegt dann aber reduktion und muss auf alles verzichen, was das lesen im netz erträglich macht, es ist schwer zu lesen mit maus oder touchpad, es scheinen auch dieselben texte zu sein wie auf faz.net, warum soll man dann in eine pdf kriechen? bestimmt eine übergangslösung, aber der abturnende affekt wird eine weile halten bei mir. die app der berliner zeitung ist angenehm, aber ich kaufe mir keine komplette zeitung im netz, wenn ich es nicht muss (reine rethorik, weil da hab ich ja ein echtes abo, dass ich leider mit dem ipad nicht ins ipad kriege, muss man anrufen mit dem telefon, ja, ich bin faul). die faz plant ein bezahlmodell, hab ich gelesen, mal sehn, bei allen alles oder nichts- modellen bin ich draussen natürlich, aber es geht ja nicht um mich, es geht ja um die zeitung, also der zeitung geht es um die zeitung und nicht um mich als leserin, ich wünsch ihnen da alles alles gute, aber mein budget ist begrenzt. ich liebe die nyt, aber ich kann auch sehr gut auf sie verzichten, bis der monat um ist und ich wieder lesen darf, bis dahin lese ich die washingtonpost und salon, und nochmal, ich würde wirklich gerne für die artikel bezahlen, ich liebe zeitungen sehr.

warum nutzen die verlage nicht alles, was das netz bietet? wahrscheinlich sind mir die wichtigsten juristischen und journalistischen argumente dagegen bloss nicht eingefallen. es muss ja gute gründe geben.

 

advent

ich habe tatsächlich den adventskalender vollkommen vergessen. wir nehmen seit ewigkeiten denselben, sackleinen mit filzdeko, ich musste ihn also nur schnell aufhängen, während die kinder in ungewohnter freiwilligkeit mit hund nach draussen stürmen (schnee), notfallgummibärchen rein, zack: freude in kinderaugen. das war leicht. ich bin stolz darauf, dass ich den kalender so schnell gefunden habe, weil er normalerweise im laufe eines jahres von der obersten in die unterste kammerschicht transfundiert.

ich selber freue mich seit minuten darüber, dass ein junger mann auf der couch sitzt und mit nichtmalmehr annähernd treffender brummstimme die weihnachtslieder auf der cd mitsingt, die er selber hören wollte (letztes jahr war noch sopran möglich). der hund hat sich danebengesetzt und kann sich den ganzen oh tannenbaum lang nicht entscheiden, ob er das kind trösten oder ablenken soll, das kann ich an seinen ohren lesen, es sieht nur so aus, als würde er die rhythmisch hoch- und runterklappen.

 

s***l

die winterstiefel, die ich haben wollte, habe ich über google bei einem holländischen onlineladen gefunden, als restpaar sehr herabgesetzt. es gab keinen hinweis darauf, dass sie auch ins ausland liefern, deshalb habe ich eine mail hingeschickt, die sofort, noch am sonntag, beantwortet wurde. keine automatische antwort, sondern eine persönliche und gutgelaunte, die schreiberin hat dann nachgesehen, ob es die schuhe noch gibt, hat sie mir reserviert und gestern kamen sie an, mit handschriftlichem adressaufkleber, wie für ein glas selbstgemachte marmelade. die eigentümerin ist auch kinderbuchillustratorin, wenn ich das holländische richtig errate (es wirkt immer so charmant, wo das deutsch eher hart und krächzig klingt). i’m intrigued,  und ich mag den ins netz gezogenen kleinen laden um die ecke, wo man noch ein bisschen mit der inhaberin plaudern kann. ich wünsche ihr erfolg, aber nicht zuviel erfolg  – möge ihr zeit bleiben für etiketten und anderes.

(der nachteil beim schuhkauf in  virtuellen läden: man wird nachher zugespamt mit werbebildchen der gesuchten schuhmarke, auf jeder besuchten öffentlichen seite. das aufwändige säubern der cookies ist ein ärgernis, das man bei der zeitersparnis durch den online-kauf mit einplanen muss, wie die schnaken bei dämmerung fallen sie über meinen browser her. die schuhfirma erscheint mir jetzt als weltherrscher, da ich sie über- und überall vorfinde. stalkertum ist eine belästigung, tatsächlich finde ich diese werbe-programmierer vor allem unerzogen, aber hey, ich weiss, ich weiss. und meine illusion, ich hätte einen zumindest eigenartigen geschmack, hat sich  auch restlos erledigt.)

totensonntag

anfang oktober ein besuch beim vater auf dem friedhof am see. meine mutter und die kinder sind dabei, der grosse hat etwas mitgebracht, das er unter den kies legt, meine mutter hat heidekraut dabei, die zwillinge zupfen unkraut und pflanzen die kleinen töpfchen ein. ich sehe auf das jahr, 2003, weil ich immer wieder vergesse, wie lang genau er schon da liegt. der grosse holt die giesskanne und füllt sie mit wasser, die zwillis finden ein plätzchen für die zweite pflanze, direkt auf vaters brust, meine mutter freut sich über das engagement der jungs. die kinder mögen diese kleinen rituale, sie schaffen eine beziehung zu dem opa, an den sie sich kaum erinnern können, auch mir helfen sie, über meine fehlende trauer. ich halte mich trotzdem vornehm zurück und vermeide es, das grab anzufassen. den kindern tun die familienbande gut, sie mögen das sehr, die fäden, an denen sie hängen können in zeit und raum, es ist ihnen wurscht, dass dieses zuhause in italien liegt, es könnte ebensogut bayern oder rumänien oder der hamburger raum sein, andere orte mit familie und mit gräbern, italien ist noch nichts, was die coolness erhöhen kann. ich erinner heut noch den  typen auf einer party im mauerberlin, der mir auf irgendeine italienstory sehr entschieden entgegnete, das könne niemand so gut wissen wie er, er habe nämlich da gelebt. danach habe ich aufgehört, meine italienische jugend ständig zu erwähnen.

in berlin hatte die familie meiner großmutter väterlicherseits eine apotheke und diese großmutter hat an der tu berlin ingenieurswissenschaften studiert, „immerhin“, wie alle sagen, aber sie hat dann in die ferne geheiratet, und die beziehungen zum berliner teil der familie haben wir nie intensivieren können, bis auf die freundlichen fraternisierungen auf den beerdigungen, „ach du bist…? melde dich doch mal“, schade eigentlich, ein pfarrer, ein apotheker, es hätte bestimmt jede menge geschichten gegeben.

meine mutter bedauert, dass mein vater die größer werdenden enkel nicht mehr erleben konnte, mir fällt da nur ein, wie er bei den wenigen besuchen sofort das zimmer verlassen hatte, wenn eins der kinder anfing zu weinen. er ist gestorben, bevor er die zwillinge auseinanderhalten konnte, er hat seine ganzen enkel immer mit freundlicher reservierung betrachtet, ich weiß nicht, ob sie wesentlicher bestandteil seines lebens waren, nicht seines sozialen handeln jedenfalls, soweit ich mich erinnern kann.

auf seinem friedhof liegt er nicht alleine, es sind viele deutsche dort, mein vater kannte sie teilweise seit seiner schulzeit in rom. ich kenne viele der namen, fäustle, leupold, konig, battisti, ich weiß sogar, ob ich die leute mochte oder nicht, und wie gut mein vater sie kannte. meine mutter erzählt den jungs, dass sie auch „einmal“ dort liegen wird, david guckt sie sehr missstrauisch an, als ob sie vorhätte, jetzt gleich zu sterben, dann sagt er „ich werde auch mal unter der erde liegen“. „jo“ sagt sein zwilling, „wir alle“ sage ich, ohne lust auf trost und gerede, „aber nicht hier“, das sage ich aber nicht. die jungs galoppern herum und laufen zurück zum auto, nach ein paar metern richtung parkplatz streiten sie schon wieder, wer jetzt ganz hinten beim hund sitzen darf. ich versuche, die schräge zugehörigkeit zu diesem ort abzuschütteln, den geruch nach nasser erde und die erinnerung an lange verregnete nachmittage dort am see, meine kinderzeit, die ziemlich fest verbuddelt liegt untern den vielen lauten und quirligen sommern am lago mit meinen kindern und mit freunden. das zuhausegefühl, wie ein alter muffiger pullover, in dem man sich nie zeigen wird. eine angebotene dicke edle ralph-lauren-strickjacke am see gelassen, weil der große meinte, ich sähe darin aus wie ein vollöko „im sack“. er hatte recht. nur weil ich die toten kenne, diese leben nicht weniger vorbei als meine kindheit (dieser eine superstarke traum bei der therapie, in dem ich meinem therapeuten sagen sollte, ich hätte jemanden umgebracht, definitiv umgebracht). abends zeigen mir die kinder auf dem handy einen riesigen stapel zombies, den sie bei „pflanzen vs zombies“ erledigt haben, lob ich sie natürlich. tote zombies, gute zombies.

auf dem friedhof und abends mit kindern, hund und grossmutter am tisch und später vorm tv: das fiese leise ätsch-gefühl, eher vom körper als vom kopf kommend: wir leben und machen nur so seltene besuche an deinem schiefergrabstein, aber du liegst da für immer und ewig, oder solange der vertrag eben geht. und jetzt einen grappa.

 

adams–zweig

kind hat im kino die vorschau für „schiffbruch mit tiger“ gesehen. ich brauche ewig, um das buch für ihn im regal zu finden, ich habe die bücher immerhin einmal geordnet, bei einzug, das sind 14 jahre entropie. sowas dauert doch wochen, mit festlesen, aussortieren, erinnertes nicht wiederfinden. klassisches herbstvorhaben, vorräte neuordnen, vs. dem ausmisten im frühjahr. ich brauche immer ein paar sekunden, um mich vom alphabetaren system zu lösen, dann suche ich ein weilchen still und unverdrossen nach den kindersystemen verlag-farbe-größe-bett?-wann gelesen, bis dann langsam andere, nicht gut steurer- oder formulierbare erinnerungen aufblinken, die zu einem gefühl führen, wo das buch stehen könnte. bis ich diesem gefühl vertraue und es ins bewusstsein lasse, das ist die suchzeit.

*

„glaube liebe hoffnung“ in der volksbühne gesehen, zum ersten mal ungeduldig geworden, als der abend immer wieder in stille und einem mehrfach gebrochenen, also akustisch gebrochenen, musikkauderwelsch stehenbleibt. das stück wird mehrfach aufgeführt an einem abend, die szenen dabei direkt nacheinander wiederholt, mit zwei elisabeths gespielt. ich mag das stück sowieso nicht allzusehr, es ist zu statuarisch, bleibt pamphlet, es ist mir zu klar, die figuren brauchen gar keine entwicklung, sie rutschen exemplarisch die geröllhalde runter und landen im sumpf, außer der frau, die landet im wasser. die handlung ist wie in einem boulevard-schicksal aufs wesentlichste reduziert, es ist wie ein plakat von staeck, blablubb, aber natürlich ist es aktuell und präzise, und wenn ich so ein weilchen drüber nachdenke, dann hat marthaler die figuren vergößert und ihre niederlagen irgendwie absolut gesetzt, durch diese verlangsamung und die wiederholungen. man hätte natürlich auch einfach ein paar sätze hinschreiben können auf die bühne, das wäre dann der nächste schritt, der verzicht aufs schauspiel, weil die wahrheit woanders passiert, die ganze zeit passiert, das theater macht den blick frei auf die welt, und zwar sozusagen ganz frei. mäh, bin unterzuckert. schöne stelle: wo die beiden elisabeths ganz leise und wie aus der ferne kommend wer hat dich so geschlagen aus der MP singen.

(hier:)

aber ich hatte während der inszenierung zuviel zeit zum nachdenken über die inszenierung,  zuviel raum. ich bin ein kind meiner zeit, jede minute stille fülle ich mit dem inner stream, leere gibt es nur in ganz seltenen momenten totaler selbstidentität.  wenn man mit dem meditieren beginnt, hat freund a. von einem workshop in indien erzählt, und du eigentlich deinen kopf  befreien solltest, ihn ganz leer bekommen willst, dann kommen stundenlang gedankenketten nach oben. ich sollte noch ein paar mal reingehen, glaube ich, ich könnt mir vorstellen, der abend erlangt dann eine wucht.

im bücherstapel an der regalaußenseite im wohnzimmer: römische satiren. darin wollte ich zufällig eine stelle finden und habe bei persius begonnen, liest sich wie von google übersetzt:

Opfre dein Ich dem Gewinn, treib Handel, erstöbre mit Scharfblick
jegliche Seite der Welt, daß ja kein anderer geschickter
patsch auf hartem Gerüste den Speck kappadokischer Sklaven;
dopple das Gut! „Ich tat’s; schon dreifach kehrt es mir, vierfach,
zehnfach schon in den Beutel zurück; steck ab, wo ich ruhn soll!“

kappadokien.

ich wollte heute bei horaz, dem klaren, nach einem weniger drolligen vers suchen, aber das buch ist schon wieder auf die reise gegangen.

alle 4 jahre gucke ich west wing

bevor ich allzu spontan die staffeln 1-7 von west wing auf deutsch runterlade, für die jungs in ein paar jahren, weil es die grad für 69€ auf itunes gibt – schaue ich nochmal kurz in meine dvds auf englisch, dachte ich. dann kommt „this is bad on so many levels“ und ich bin wieder am haken.

bei der cd war es auch so, dass ich nach ein paar jahren die eine oder andere platte neu nachgekauft habe. ich habe schon filme als daten nachgekauft, weil ich sie nur auf video hatte, cannery row zum beispiel, den ich den kindern im hotelbett in san francisco gezeigt habe, bevor wir nach monterey weitergefahren sind. jetzt erscheint es mir noch ein bisschen dämlicher, digital zu digital? die kleine, sich altmodisch und albern anfühlende empörung darüber, dass der erwerb so einfach und schwellenfrei möglich ist, andererseits habe ich diverse laufwerke voll mit literatur von autoren, die seit >70 jahren tot sind. ich fand die zeit sehr gut angelegt, die ich fürs hingehen, suchen, entscheiden und bezahlen und nach hause schleppen kultureller erzegnisse angesetzt habe, ich finde es blöd, dass ich diese zeit jetzt mit anderen dingen füllen muss, die ungleich sinnloser sein werden. egal was der zeitökonom dazu zu meinen glaubt. effizienz sollte ein schimpfwort sein, eine beleidigung und reduktion von lebensqualität auf ein reproduzierbares und übersetzbares mass, das außer einem mass eben NICHTS ist. es sind natürlich keine vollen laufwerke. die bindung an diese e-bücher  ist ein bisschen arm an biographischen ornamenten, die gründe für diesen oder jenen kauf liegen viel häufiger im zufälligen, kaum geschichten darüber, wie, wann oder warum ich sie gekauft habe, wobei nein, das stimmt auch nicht ganz, „capital“ hab ich im california zephyr gelesen, mit blick auf rockies und so weiter, das weiß ich schon noch. trotzdem habe ich vieles nur deshalb geladen, (ich wollte erst schreiben: wurde vieles nur deshalb geladen, weil es sich so passiv anfühlt, die ausblendung privater gründe im zuge der welteroberung der werbewirtschaft) weil ich im schwung auch die nächsten autoren im alphabet noch angeklickt habe, und weil natürlich die römische geschichte in jeder lebenslage ein guter begleiter ist.