unlustige macht*

house of cards macht  keinen spass,  beim gucken wachsen einem die augenbrauen zusammen, so humorlos ist es. volkommen, kein geist, kein witz, man schaut es nur aus so einer dem voyeurismus nahen art von neugierde, mit großem g. als studie reinen machtstrebens funktioniert es eine weile, vor allem, weil ich für robin wright mein hetendasein sofort beiseite lassen würde, aber die analyse bleibt skelett, und das lächelt natürlich nicht. es grinst nicht mal, nada. es passiert auch so wenig, die dehnung der paar ereignisse auf viele folgen, sie hatten eine idee für die besetzung und eine fürs drehbuch, bei west wing hätte das für einen handlungsfaden von 4 oder 5 in einer halben folge gereicht, hier muss eine staffel damit gefüllt werden. west wing it is. bradley whitford.

ärgert mich richtig. es gibt kaum noch serien mit drehbuch, alles schnitt, licht und austattung, alles stimmung. vielleicht the good wife.

*mir fällt gelegentlich kein titel ein, aber dann steht da „unbenannt“, und das klingt so museal, deshalb lieber ein doofer titel.

 

acqua passata

am see die möglichkeit gehabt, einen vergleich zwischen zwei lebensmitteln aus meiner kindheit zu ziehen. wir hatten in mailand eine große wohnung mit zwei ausgängen, einer ging aus der küche zum treppenhaus, der andere aus dem flur zum fahrstuhl. über den kücheneingang kam in abständen der getränkemann mit wasser und wein, ich erinnere nur jeweils eine kiste mit, eine ohne  und jeweils eine mit weiß- oder rotwein, den es jeden abend zum essen gab, nicht für uns kinder natürlich, darum kann ich mich an die weine nicht erinnern, aber das wasser war immer das gleiche: fiuggi und s. pellegrino (san pellegrino meint wohl heute den ort).

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ich mochte die blaue farbe des etiketts beim wasser mit, und fand in der jugend auch den roten stern darauf irgenwie yeah, und wenn es mal spannungen gab bei tisch, dann konnte man eine weile auf dem etikett herumlesen und musste nicht aufsehen. das wasser ohne sollte gesund sein, sagte mama, weil es nicht nur keine kohlensäure, sondern auch sonst kaum etwas enthielt und den körper durchspülen sollte, fast ein heilwasser. das stimmt auch heute noch, der festkörpergehalt bei s. pellegrino ist 8x höher als bei fiuggi, die wasser sind wohl noch gleich.

vorstellung, wie seit jahrzehnten wasser mit konstanter zusammensetzung aus einer quelle sprudelt, wie macht s. pellegrino das nur? die liefern doch heute ein vielfaches aus, oder kann man bei quellen einfach das loch größer machen? –  seit jahrhunderten: in fiuggi seit 63 v.c., erwähnt von michelangelo buonarotti vor über 500 jahren, in san pellegrino seit 1482, erwähnt bei leonardo da vinci, 1:o für die ungassierten, würde ich sagen.

acqua di fiuggi wird seit 1907 abgefüllt, von einer aktiengesellschaft, die firma s. pellegrino gibt es seit 1899, das wäre dann eher 0:1.

bei beiden hat sich das design nur wenig verändert, bei s. pellegrino gar nicht, bei fiuggi wurde es, wie man wohl sagt, vorsichtig modernisiert, bestimmt neuerdings, weil sie laut hp den verkaufsradius vergrößern wollen. die quelle von san pellegrino liegt bei bergamo, der ort hat eine bewegte geschichte, von den guelfen/ghibellinen über venetien, von napoleon bis zu den österreichern. fiuggi scheint ruhiger geblieben zu sein, es heißt erst seit 1911 so, davor hieß es anticoli, bekannt seit der römerzeit, es liegt im lazio, vielleicht hatten wir es deswegen, weil mein vater in rom aufgewachsen ist und es vielleicht aus seiner kindheit kannte? das würde mir gefallen, aber vermutlich waren das einfach die sorten, die der händler vertrat.

 

 

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früher haben wir nicht dauernd trinken müssen wie heute, niemand nahm getränke mit, weder zur schule noch zum park, es gab allerdings auch noch kaum plastikflaschen, meine ich zu erinnern. wir tranken nicht dauernd, sondern zum essen, wenn wir getränke mitnahmen, dann auch nahrung, und planten damit einen ernsthaften ausflug in die berge oder an den see oder so etwas. dann gab es meistens sowas wie diesen frischkäse da oben, der sich ohne kühlung hält und sehr nach kindheit schmeckt, dazu cracker. die lehrer an unserer schule, fällt mir da ein, die hatten eine vollausgestattete bar vor der aula, mit barista, fauteuils und allem, in der oberstufe trauten wir uns da manchmal rein.

jedenfalls. bis in die achtziger haben wir einen gleichstand in der geschichte und qualität dieser beiden marken, 1:1, sie schmecken auch heute beide noch gut, aber san pellegrino ist durch seinen erfolg miserabel zugerichtet worden, ordentlich abgelebt, würde man bei einem star sagen: in den flaschen ist ein viertel weniger drin, das macht in italien sonst niemand, es gibt im supermarkt glasflaschen mit einem oder plastik mit anderthalb litern inhalt, nur s. pellegrino benutzt diese albernen und würdelosen, sehr profitgiergeborenen 0,75l-flaschen aus plaste, und es muss sich das etikett mit einem anderen logo teilen, von einem motorradhersteller, keine ahnung wieso, aber ich muss es natürlich auch nicht wissen, solange das wasser nicht mit sachen versetzt wird, die auch in motoren vorkommen, also außer den stoffen, die sowieso schon drin sind. gut, es ist eine sehr feine motorradmarke, nichts gegen guzzi.

grund für den niedergang ist bestimmt der verkauf an nestle, die haben die marke für ein butterbrot ein paar brotkrumen ergattert (kann das sein? unter 50.000 euro im jahr für eine abfüllgenehmigung? bei einem millionenumsatz? ach italien.), und haben das produkt, naja, es ist die mangano in einer telenovela, so ungefähr. sie haben ein exempel statuiert.

kw 30

kinder für 14 tage weg. der trubel vor der abfahrt ist voller einzelner socken, aber sie packen alleine inzwischen, ich muss bloss noch gegenchecken. sie sind 15 und 13, ich gebe dem großen tatsächlich den fänger im roggen mit („yo, ist ja nicht so dick“) und den zwillis zu adams zeiten und einen band stephen king, den der vielleser grade verschlingt, weil ich die männer-auf-segelschiff-bücher grad nicht finde, auf die sie lust haben. der hund ist vor und nach dem abschied unruhig, ich auch, vermisse sie wie jeden sommer. ertappe mich seitdem beim vollkommen leeren vormichhinstarren, ohne meditation, ein geschenk. die zeit steht still seitdem, alles bleibt liegen, wo ich es hinpacke, und der kühlschrank leert sich nicht. woran merkt man denn, dass die zeit verstreicht, wenn man keine kinder hat?

versuche, nicht alle geschenkten bücher jetzt schon zu lesen, ein paar für die kinderferien aufzuheben. jetzt zwei wochen zeit, zumindest mal wieder konzerte, theater hat ja leiderleider sommerpause. umsonst gesehen, ich weiß nichtmal, ob ich den jetzt empfehlen soll oder nicht, ich mochte die berlinbilder, der ganze film ist in einem radius von vielleicht 2km um das kino herum entstanden, in dem ich ihn gesehen habe, er ist ein bisschen langweilig, weil er einen dieser nachmittage zeigt, die wir alle mal hatten in dem alter, die unsicherheit und losgelöstheit der protagonistin wird zu nichts neuem führen, außer dem nächsten tag. habe mir das dann ein paar radfahrten lang orgestellt, dass all die passanten der sprung in eine rahmenhandlung „filmdreh“ am ende des films ist in seiner beliebigkeit auch ein schönes berlinbild. klug und dicht war die mutter-tochter beziehung, über die man nach den paar szenen alles zu wissen glaubte.

diese nachmittage, an denen ich stundenlang auf dem rad durch mauerberlin gefahren bin, ohne schatten oder ziel. das macht jetzt mehr spass, weil es rhabarberschorle gibt.

berlin ist sehr heiß gerade, man mag nichtmal tanzen gehen, die luft steht und die tage schmelzen so dahin.

buddha

der mann vor mir am geldautomaten, mit auffälligem riesigen buddhakopf hinten auf der jacke, wie möglich und wahrscheinlich, dass in ein paar jahrzehnten nur noch laute zeichen lesbar sein werden (markenzeichen nur noch eins unter vielen), vielleicht zieht sich alles ins zeichen zurück, aus dem text in die graphic novel, aus dem satz in die geste, und wenn der text weg ist, gibt es einen leeraum im inneren, den man komplett mit erdbeereis und taten füllen könnte (keiner tut was in diesen zeiten. wir füllen die welt mit wünschen.)

kids + wm

diese wm war meine erste mit ernstzunehmenden fans an meiner seite. bei der letzten und vorletzten waren die kinder noch klein, bei der hier im land waren sie, mit 5 und 7, lustig wie all die kinder, die plötzlich zur überraschung ihrer eltern lauter fahnen auseinanderhalten können und gelernt haben, wo welches land liegt und welche farben es trägt, und dann vor der zweiten halbzeit auf dem sofa einschlafen. die letzte hab ich vergessen, wo war die noch? südafrika! erinner ich kaum, ich schaue fußball ja nur während einer wm.

bei dieser hatte ich drei fachleute neben mir, die laufend kommentierten, alles wussten, spielerbiografien kannten, strategien verfolgen konnten, während ich wie immer manchmal mitten im spiel vergessen habe, wer da jetzt spielt und ob das noch vorrunde ist, oder einfach nicht mehr hingeguckt hab, ohne das zu merken, und auf dem tablett was anderes gelesen hab. ich hatte 2014 drei ein paar mal laut und begeistert gröhlende teenager auf dem sofa oder neben mir auf der bank vorm araber unten an der ecke, so laut, dass es mich erschreckt hat, einfach, weil diese leidenschaft in den kindern steckt und sonst nicht zu sehen ist, und weil die freude am lärm genauso wichtig war wie der grund dafür. keine ahnung, woher sie all das wissen haben, staunend das eigenleben der söhne wahrgenommen, sie kennen sich aus und ich war nicht dabei, das „och mama“-sagen haben sie genossen. sie waren ausgelassen und laut, für italien, bis naja, mit tränen, dann für deutschland, es war beim draußen schauen auch wichtig, mit anderen männern laut zu werden und dabei mit allen partei zu ergreifen, die jungmann-tonlage vom großen und die jungsstimmen der zwillis dabei noch ein stück tiefer gedrückt. oleeee. ihr glück darüber, dass eine sonst nur mit kumpeln geteilte liebe für den fußball plötzlich von allen geteilt wird, dass fußball so wichtig wird für ein paar wochen, das hat den großen schon so gefreut, als wir mal mit dem mek zu einem spiel gegangen sind. es hängt auch mit ihrer männlichkeit zusammen, ich weiß nicht, ob das durchs alleinerziehen verstärkt wird, der hunger nach dem mann, oder ob der bei teenagern normal ist. mal sehen, was die nächste frauen-wm mit ihnen macht. die zwillis wollten fahnen fürs auto, no way, hab ich gesagt, und vom nationalismus geredet, mama! das ist doch fußball, kein krieg, bis du etwa nicht für deutschland? ich würde ja auch keine italienfahnen kaufen, sage ich, fahnen sind für mich kaputt, es sind zeichen für was anderes, nicht für fußball, die fahnen habe ich also verweigert, was keinen gestört hat, weil es ihnen ja nichts bedeutet, die sind nur ein mögliches zeichen ihrer begeisterung, das größere ist ihr wissen und mitfiebern und der spass, dabei zu sein. das mitbrüllen hätte ich nicht verbieten können.

der große kam heut nacht strahlend vom public viewing in der kulturbrauerei zurück und hat mir im spreeblick-stil das wichtigste nochmal nacherzählt, er ist zum ersten mal überhaupt nach mitternacht nach hause gekommen, aber es ist ihm zum glück nicht aufgefallen, die kids haben ja einen gutsortiertes regal für präzedenzfälle. er trug ein mannschaftsshirt und einen hut, er war mit freunden da, er ist 15, das allerbeste alter für einen wm-sieg, not? ich mochte die mannschaft nach dem pokalsieg, mit den ganzen kindern auf dem arm, dem strahlen, den vielen umarmungen, dem hemd von dem einen, der nicht dabei war, und mann, haben die alle schöne rücken! ich steh grad auf rücken. und nee, keins meiner kinder ist ein nazi. nazis sind nazis, wie jemand auf twitter schrieb. bei fussball gibt es halt eine gemeinsame schnittmenge, der man sonst aus dem weg gehen kann. schöne spiele, großer spass. nur nicht für den hund.

 

a romance, vergessen

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„The rationalism of analytic logic has divided erotic emotion into fixed conventional types, popular opinion offering one set of categories, fashionable psychology offering another. As a matter of fact, each encounter of two amorists creates a unique universe. No existing generalisation, whether of the wise or of the unwise, covers or ever will cover a tenth part of its thrilling phenomena. In one respect this love-making by Dye’s Hole was the most childlike that the spot had ever witnessed; in another it was the most cerebral. The nervous exitement manifested by these two was so free from traditional sentimentality and normal passion, so dominated by a certain cold-blooded and elementary lechery, that something in the fibrous interstices of the old tree against which they leaned was aroused by it and responded to it.“

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so ist der text die ganze zeit, er hält die zeit auf, ein herumsummen in der abstraktion, die alles aufnehmen will, jede regung und jeden windhauch, der alles belegbar ist. wie ein hohes, schwankendes schiff, das über sand gezogen wird, weil das meer grad nicht da ist, und man sitzt die ganze zeit oben beim captain und sieht keinen grund. eine flucht ins konzeptionelle, dabei mitleidslos genau. die allmachtsphantasien solcher autoren, die der lebenserfahrung und der feinheit ihrer leser nichts überlassen wollen, sie müssen alles ding- und seefest machen, wollen es eigentlich gar nicht aus der hand geben und sind dabei auf eine hilflose weise unlustig. ich mag die behäbigkeit dieses romans eigentlich ganz gern, er ist etwas zu handlungsfern und personenreich, aber die umfassende beschreibbarkeit seiner welt hat auch etwas tröstliches. powys soll ein sehr talentierter redner gewesen sein, hat sich damit auch mal seinen lebensunterhalt vedient, hätt ich zu gern mal gehört*. vielleicht hatte er da eine größere leichtigkeit.

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das buch kommt daher wie eine vergessene diva, die noch nicht aufgeschnittenen seiten, oben mit goldschnitt, der dicke lederrücken, die wertigkeit, deren glanz irgendwie nie notwendig war, der roman hatte keinen erfolg, das leder-konzept für die beletage passt ganz gut, auch die vergeblichkeit dieses ruhmstrebens ist da mituntergebracht. anspruch, buchdruckerkunst, ein gewaltiger roman: ein schönes und bissken trauriges ding. ein papiermesser habe ich nicht, es darf weiter ungelesen bleiben.

*januar 2019 einen filmschnipsel mit john cowper powys im netz gefunden, er probt da eine debatte für und wieder die heirat, sein gegenüber war bertrand russell.

 

Untitled

grad in der s-bahn der mann mit den großen schönen augen, quer über die bank sitzend, die füße aber in der luft. die bahn ist leer, ich erkläre einer freundin am telefon, was ich grade mache, er erzählt nachher, dass er auch sowas macht, mit hunden, und wie er einmal einem halbseitig gelähmten mann – dann verwischt seine stimme, er wird sehr leise und redet in sich hinein, aber er sucht weiter kontakt. etwas in seinem blick bringt mich dazu, hinzuhören, ich werde neugierig. er kennt mich, sagt er, er könnte meinen namen sagen, wie ich denn hieße? sag ich nicht, sage ich, und denke, sag du es. er schwankt und fällt von seiner bank direkt vor meine füße und verliert seinen filzhut dabei, ich will ihm den hut wieder aufsetzen, aber er ärgert sich und sagt mir, jetzt würden alle schlecht von ihm denken, dass sei jetzt peinlich, ist mir peinlich sagt er, ich sei verheiratet gewesen? ja, sage ich. ich auch, sagt er, und dass seine kinder das wichtigste in seinem leben seien. aber es ist jetzt vorbei, oder, mit dem mann? fragt er. ja, sage ich. war er italiener? fragt er, und in welcher stadt hast du gelebt vorher? sag ich nicht, sage ich.

 

unten am fluss

da musst du hingehen und die anderen finden, die mit den guten sätzen und den vielen geschichten, die noch hinsehen, weil sie halt so sind. die einen weg gefunden haben, freundlich zu bleiben, die es bis dahin geschafft haben ohne dressur, die sich fallenlassen können einfach so, ohne es zu merken, weil der fluß grad trägt. als wärst du sicher und der andere auch.

 

rückwege

what a day, versucht, es an den kindern auszulassen, aber deren laune ist unkaputtbar. sie zum einkaufen, lernen und mit dem hund raus geschickt, sie: okay mama. bz über 400, daher! nadel war rausgerutscht. kann ich nix für, leg mich also aufs bett mit whisky und kippe, kriege ärger mit der familie, werfe notfallkippen weg. fange mich wieder, gemerkt, dass mich die kinder manchmal genauso halten wie ich sie, gefreut. zum denken zu gaga, liegengeblieben. ggü fängt jemand mit posaune an, er trifft die töne, nicht in der gewollten reihenfolge, aber man erkennt die gute absicht.

dann moment der klarsicht, als ein kumpel der zwillis anruft, sich zum fussball verabreden will und im nebensatz erzählt, ein kind aus seiner parallelklasse habe sich erhängt, und es fühlt sich falsch an, dass in einem nichtigen zusammenhang zu erwähnen, denn es ist eine unfassbare tragödie. die jungs sagen nichts dazu, fragen sich kurz, ob erhängen wehtut, und bedauern die eltern, dann sind sie wieder abgelenkt, aber das thema will über den tag immer wieder an die oberfläche kommen, beim abendessen sage ich also die üblichen 5 cent zum thema suizid, obwohl mein gehirn immer noch sehr matschig ist und ich lieber gar nicht reden würde. dass der entschluss vielleicht spontan kam, dass der junge vielleicht von vielen blöden sachen so angeschlagen war, dass er dem entschluss nachgegeben hat, dass er den tod eventuell noch nicht begriffen hat, ihn nicht ernst genug genommen hat, aber das niemand das jemals erfahren wird, was wirklich in ihm vorgegangen ist, denn er ist jetzt tot und kommt nicht mehr zurück, der grosse guckt kurz gen himmel, er hat ein feines pathos-sensorium. dann gehe ich aufs eis und sage ihnen, das viele menschen in ihrem leben mal selbstmordgedanken haben können, das solche momente vorbeigehen, dass es notfallnummern gibt im notfall, dass die dinge ein paar tage oder stunden später fast immer anders aussehen werden, dass auch ein bisschen anders schon genügen kann, um es nicht zu tun. das ein spaziergang immer hilft. und sie sollen nachfragen, wenn jemand lange still oder komisch drauf ist oder ihnen sachen schenkt. es gibt immer einen ausweg, und wenn du alleine keinen mehr findest, dann geh zu jemand anderem damit – die art lebenserfahrung, die nicht mal mehr komplizierte sätze benötigt. es geht ja nur darum, dass sie sich innerlich schon mal positioniert haben, darüber nachgedacht haben, damit die situationen, wenn sie denn passieren, nicht nur neuland sind, sondern sie etwas daraus wiedererkennen können.

das viele schlimme vielleicht.

es ist wirklich bitter, sie sind zu jung für solche geschichten, sie müssen nicht alles schon erfahren haben, es ist blöd genug, davon zu wissen. die jungs unterbrechen mich nicht wie sonst bei meinen erziehungsvorträgen, mir scheint, sie sind weniger spöttisch und nicht so cool und unterbrechen mich nicht nur nicht sofort, sondern gar nicht. ich fasse mich kurz, dann reden wir über anderes. der angerufene zwilling bleibt auffällig in meiner nähe und ist stiller als sonst, der grosse hat jetzt mit dem hornby angefangen, long way down, das hatte ich ihm nach seiner begeisterung für das krebs-buch vorgeschlagen, weil da die helden mal überleben. passt perfekt und wirkt sicher besser als meine reden.

kitchensurfing

„du wirst bekocht“ stand in der einladung, und die bitte, einen guten wein mitzubringen. zuhause bei der kekstesterin habe ich mich dann nicht nur über die anderen gäste gefreut, sondern auch auf das sehr, sehr große und dunkelrot-saftige stück entrecôte vom irischen rind, dass da auf ihrem küchenbrett lag, untern den händen eines freundlichen koches, den ich nicht kannte, ein weiterer gast, dachte ich, der das kochen übernehmen würde. gutes fleisch, mit feinen, weißen fettadern, der koch säbelte mit einem großen messer dicke streifen davon ab. hmmm. es sah nach einem richtigen essen aus, eine tüte carnaroli-reis lag auch auf dem tisch, fleisch und risotto = mindestens zwei gänge, das gildet in meinen unverwöhnten kreisen schon als eher ernstgemeintes dinner. mit koch sieben menschen in der wohnung, aber nur 6 plätze am tisch gedeckt? aber ja doch: kitchensurfing heißt das projekt für gastgeber, die sich mit ihren gästen den ganzen abend amüsieren wollen, ohne dafür in ein restaurant zu bitten oder die freunde die ganze zeit neben sich in der küche an der backe zu haben. der koch kommt zu ihnen nach hause, mit zutaten und fehlenden pfannen oder küchengeräten (ich hab zum beispiel nix, um irgendetwas zu flambieren, ich bin aber auch um fonduegeschirr, spargeltöpfe und pfannkuchengeräte herumgekommen, weil ich jahreland immer dieselbe zeitung abonniert habe), er hat einen plan, ein menue und viel spass an dem, was er tut. wir bekamen ein excellentes essen serviert, thomas hat jeden gang kurz erklärt, und ist dann bei einsetzendem aah- und ooh- lauten wieder in der küche verschwunden, um den nächsten gang vorzubereiten. es war so lecker, zwischenzeitlich wollte ich kurz den koch heiraten, aber der ist natürlich an seine küche vergeben.

unser menue, nur um mal einen eindruck zu vermitteln:

Kräuterblattsalat
mit Zuckerschoten, Schluppen und Crostini mit Erbse und Ziegenkäse
Spargel-Limettenrisotto
Geeiste Melonensuppe mit rosa Beeren
Tranchen vom Entrecôte mit grüner Sauce und Pilzmix
Avocado Creme Brûlee

die küche sah danach aus, als wäre zuletzt eine putzfrau dringewesen. sehr, sehr feine idee alles. es gibt menues für viele anlässe (muttertag!)

 

maybees

A“You know, sometimes when you look back at a situation, you realize it wasn’t all you thought it was. A beautyful girl walked into your life. You fell in love. Or did you? Perhaps it was only a childish infatuation. Or maybe just a brief moment of vanity.“ (Minnifield, NX Ep. 2, S 2)

wie sehr die wirklichkeit geschichten formt, alles was nicht passiert, bleibt offen.