wie der panik- und nervfaktor jährlich wiederkehrender themen wie läuse, hausaufgaben oder schwimmunterricht direkt abhängig ist von der netzaffinität des elternkreises, jedes jahr pro klasse im schnitt 38 elternpaare, davon immer die hälfte neu am jahresanfang. die engagierten, die hysterischen, die entspannten, die politischen, die stummen, die mit einer „schnuppelpieps“- mailanschrift, die ausführlichen, die mit der mailanschrift des mannes, nie ein mann mit anschrift der frau!, die paar, die es schaffen, in einem offenen gruppenmailwechsel eine führungsrolle zu übernehmen.

heut morgen am frühstückstisch, 2 von 3 kindern schniefen und husten, erzähle ich ihnen vom prinzip abhärtung und kalte dusche. und ehe ich einen zweiten satz anfangen kann, ist gregorzwilling aufgesprungen, reisst sich die kleider vom leib und steht innert 20 sekunden kreischend unter eiskaltem wasser, hüpft wieder raus, lässt sich abrubbeln und sagt: „aber nachher wird einem ganz warm!“, zieht sich wieder an und ist aus dem haus, insgesamt vielleicht 4 minuten dauert das. er wird einfach schneller werden als sein immunsystem.

prince 2010

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block VI

ganz oben höre vom kind ich das leise ah!, als wir den ersten blick ins rund der waldbühne werfen können. wir sitzen oben, block VI, eine stunde lang, essen, trinken, elias fragt mich, ob die musik denn noch lauter wird, wenn der prince kommt. wir treffen nachbarn und sehen noch ein paar andere kinder, aber der rest des publikums ist eher aus meiner altersgruppe. ich bin total zufrieden, kind ist überwältigt sagt schon cool, die abendsonne ist immer noch heiß, es sind über 30 grad. dann endlich sieht man p aus dem wald kommen, weißer anzug, nach seiner schlagzeugerin und einem herrn, der mundharmonika spielt, der funke fliegt sofort, nach ein paar sekunden hat er uns am haken.

nach anderthalb songs stehen alle, mein kind zuerst (vorher: mama, können wir nicht zu den ärzten gehen oder so, die sind doch auch alt) plötzlich sagt prince, wir sollten näher kommen, und wie an fäden gezogen stehen die leute auf, klettern aus dem abschnitt raus und laufen die treppen runter, mein sohn flitzt an mir vorbei, komm mama, er ist wendig und schnell, ich laufe ihm einfach hinterher, nach einer minute stehe ich mit ihm
10 meter von der bühne entfernt, im staub, neben einem mann, der uhr und love-armband von cartier trägt. ein haufen publikum ist bis auf die bühne gelaufen und tanzt direkt neben den künstlern ein paar stücke mit, bis sie wieder heruntergebeten werden. prince spielt lauter alte sachen, aber so mit improvisationen, rhythmus und zitaten durchsetzt, so verspielt, leicht und treibend, dass man sie nicht immer gleich erkennt. er ist vollkommen alterslos.

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freak out!

die waldbühne ist voll, nur an den seiten gibt es leere stellen, die stimmung ausgelassen und fröhlich. elias springt die ganze zeit mit, manchmal nur ein paar meter vom bühnenrand entfernt, die leute neben ihm wollen ihn auf die schultern nehmen und ganz nach vorn bringen, aber er will lieber nicht. wenn es ihm zu laut wird, geht er für eine weile plastikbecher suchen und kriegt so zwischendrin auch noch 25euro pfandgeld zusammen, einen pro becher. er bemerkt die ganzen paradiesvögel schon, die vielleicht 50zigjährige in enger ledermontur, mit ketten überall, den mann in jesusgewändern mit tätowierter brust, die bedröhnt herumschwankenden, die jungen türken in lila mit gold, die wunderschönen schwulen, bei denen man sich wünscht, dass die haare nicht gefärbt sind, den beamtentyp mit gelbem jacket und großen goldenen broschen auf den schultern und auf dem bauch. purple rain als zugabe, man erkennt die harmonics in den ersten takten, aber er lässt sich noch 10 minuten zeit, bis er mit dem text und dem thema rausrückt. elias ist abwechselnd total hingerissen und total müde, nach der zweiten zugabe werde ich leider leider vom kind vom platz gezogen. auf dem weg zur s-bahn hören wir die nächsten zugaben, und da ist das konzert schon 3 stunden alt.

ich freue mich total, dass ich für elias den masstab so hoch setzen konnte. er weiß das aber noch nicht. das war sein allererstes konzert.

die jungs haben jetzt nicht nur getrennte eltern, asthma und eine kranke mutter, sondern auch noch eine leserechtschreibschwäche. zwei von ihnen. der große, der grade wieder mit freude und frohen lebensgeistern in die schule geht, seine englischängste überwunden hatte, sitzt beim abendessen und die tränen laufen ihm übers gesicht. aber dann wirst du in lesen und rechtschreiben nicht benotet, das ist ein vorteil, versuche ich einen trost, und du bekommst extra unterricht. ich will keine nachhilfe, sagt er, ich will nicht immer anders sein, leise und traurig. ich bin müde und weiß nicht was ich ihm sagen soll, gar nicht, leere im kopp, er weint, ich nicht, weil das ja kein weltuntergang ist, nur noch ein brocken. dann aufstehen wollen, einfach nach frankreich fahren, in alten billigen hotels wohnen, radebrechen, völlig entspannt dinge in den kopf bekommen, die keine bedeutung haben, keine folgen, die man nicht mitnehmen muss, aber schon nach einem seichten fluchtsatz such ich im netz nach fördermöglichkeiten hier im viertel, weil die schule das nicht bringen kann, die haben immer nur vertretungen. es werden wahrscheinlich keine leser werden, denkt es weiter, und jetzt bin ich doch traurig. akzeptieren, ein hoheitliches wort. ich werde mir solche hosen kaufen, durch die strassen laufen und zu allem nein sagen, andrerseits fragt ja keiner irgendwas, und ich werde halt fördersachen suchen. grade kann sie mich mal kreuzweise, diese welt.

die jungs streiten morgens wie die bierkutscher, mittags wie die köhler, abends wie die kesselflicker. dazwischen führen sie stille kriege. ich soll mal anwältin und mal general und mal henker sein, wenn alle „er hat gesagt“ und „nein, er hat gemacht“ – sätze auf papier stünden, müsste ich meine bibliothek auslagern. der hund ist unparteiisch und bellt immer mit. die kriege werden am wochenende hauptsächlich zwischen halb 8 und halb neun geführt, dann machen sie eine frühstückspause, dann geht es frischgestärkt in die nächste schlacht. der kontakt mit muttern wird durch das wort nein bestimmt, nein, keine hausaufgaben, nicht aufräumen, keine instrumente, keine haushaltsaufgaben. zwischendurch gibt es momente reinster magie, wenn sie mal 30 minuten lang still miteinander spielen. ich bin innen bröselig wie ein mürbeteig, auf dem jemand dickes gesessen hat. ich brauche eine revolution, nach der ich ein paar wochen absolutistisch regieren darf, zur erholung, bitte. krönend über allem tragen die kinder krankheiten im leib, seit september erkältungen, bronchitiden und übelkeiten. und als sie dann in der letzten woche zum ersten mal alle gesund waren, hat sich gregor die bänder am fuss gerissen. darum ist das blog so leer grad, ich krieg den kopf nicht aus dem chaos. jetzt grade habe ich sie mit dem hund rausgescheucht, oh himmlische ruhe. vielleicht einfach mal die klingel nicht hören?

der genuss, für die ferienwoche jeden kindertermin einzeln aus dem kalender zu löschen. 11 termine für drei kinder, wie immer bei diesem ritual denke ich übers einschränken nach. aber verzichten worauf, auf musik oder sport? der hockeyverein (im schnitt 5 mails täglich) kündigt ferientraining an, ich werde fast aggressiv.

davidzwilling guckt queen auf youtube. mama, die haben schon mal bei uns auf dem schulhof gespielt! ich sage nein, das war die elternband.
die wollen auch auf der elternparty spielen, ich gehe eigentlich gerne hin, es sind nette eltern dabei, aber wegen einer party solche musik hören? ich weiß nicht. die menge an welten.

die zwillinge spielen ein theaterstück vor, ich vorher: aber gewaltfrei, mit worten, nicht wie sonst immer als japanischer animationsfilm. hase und ente bekämpfen sich trotzdem und verzaubern dafür ihre penisse, der penis des schwächeren wird rosa und er verliert damit die weltherrschaft. ich weiß bescheid und gehe essen kochen.

nach zehn immer noch heftigstes gegacker und getobe in allen zimmern außer dem meinen. „morgen ist weihnachten! mama!“ jetzt liegen alle drei in einem bett und wollen das kissen teilen, das klappt aber nicht. gerüchteweise hat ein anderes bett mehr kissen, es werden bettdecken über den flur gezogen, wieder gegacker, dann schleifen die bettdecken und ein kissen wieder zurück.

„filmst du schon? ach so, nein, also dann bin ich wohl mal lieber still, oder? was? oh toll, gregoooor! schau mal, wie er da runterkugelt….was? achso, entschuldigung!“ (kichert), „aber du wolltest doch eigentlich den hund, zeig mal, ist der nicht ganz klein auf dem bild? nein? oh, entschuldigung. kannst du das phone nicht andersrum, dann sieht man mehr von den seiten, oh pssst, ja, ich weiß“ (kichert) „daviiiiid, toll machst du das…. ja, aber ich kann doch nicht nur gregor, dann ist david doch traurig! nei, das ist nicht zu laut hier, das stört doch keinen – ach so, die kamera, na, das sieht man ja auch nicht, dass da eine kamera… elias, schau mal, mama filmt!“

mit muttern und drei jungs in der tollen sandgrube im grunewald, versuch, filmchen ohne off-kommentar zu machen, ist gescheitert. zwischen huldigung und verzweiflung eingekeilt, ganz fest.

beim kinderschuhkaufen gibt der große seiner begeisterung nach und ersteht ein paar schwarze chucks mit einem bunten love+rock aufdruck. die sind für mädchen, sagt ihm seine klasse (wer? „na alle!“), und er wird die nie wieder anziehen. ich ochnöe dagegen, eine weile, dann probiere ich die mal, die schuhe. passen wie angegossen. „aber du bist auch kein mädchen!“ ist jemand da draussen ein mädchen mit schuhgröße 39?

auf der wörther strasse mit gregor und hund unterwegs, kommt eine kleine ältere hundedame und knurrt. der halter und ich scherzen ein paar sätze über unsere hunde, dann gehen wir weiter. nach ein paar metern hält gregorzwilling an und kehrt um. er fragt den mann etwas, der lacht, hebt die hände und geht ein paar schritte zu seinem auto. er zieht sich sein t-shirt aus, holt aus dem auto ein hemd und streift das über, dann gibt er gregor sein tshirt. „er hat gesagt, ich soll es waschen und reinwachsen, hat der mann gesagt.“ und warum?, will ich wissen, bisschen erstaunt. „na, der hatte ein tim und struppi-tshirt an, und ich wollte wissen, wo man das kaufen kann. der mann hat gesagt, er hat es aus japan! und das gibt es hier nicht, weil das hat ihm ein freund gemacht, der ist aus korea.“ und dann hat er es dem gregorzwilling geschenkt, ohne eine sekunde zu zögern, als wäre das genau so gedacht. wir bedanken uns und gehen weiter, um ein hemd und eine geschichte reicher.

die jungs nach einer woche ferien mit der kirche wieder heil angekommen, strahlende gesichter, auch der große, der die fahrt eine halbe stunde vor abfahrt total doof fand. wir kriegen einen feriensegen in der segenskirche, alle eltern mit den heimkehrern, ich hab ein unwiderstehliches bedürfnis, den zwillingen die haare aus dem gesicht zu streichen, das geht aber allen eltern so, wie ich beruhigt feststelle, sogar elias lässt sich kuscheln so nebenbei. beim abschlusslied setzt gregor für die hallelujas seine schmetterstimme ein, laut und sicher, die leute drehen sich um nach ihm und lachen ihn an, er merkt zum ersten mal, dass seine stimme hörbarer ist als die der andren. dann ist das lied zu ende, allgemeine aufstehgeräusche, regenjacken werden gesucht. wir gehen vor. gregor bleibt noch sitzen.

nach ein paar metern höre ich plötzlich seine stimme: einigkeit und recht und freiheit, die komplette erste strophe. (wm. da war er jung und prägbar)

gruenefrau

wir haben davids grüne frau gefunden – eine episode der kinderserie total genial, immerhin war es kein horrorfilm auf rtl2, was ich ja befürchtet hatte. und sie kommt zufällig in zwei wochen wieder in der endlosen wiederholungsschleife des kinderfernsehens, das ist unglaubliches glück. wir werden eine entängstigungsparty daraus machen, ich muss mich zusammenreissen, sonst übertreibe ich das. aber hey, ein paar eimer popcorn, lautes gebrüll und so gemeinschaftssachen müssen sein, um ein so grünes und altes gespenst zu bannen.

ich würde gerne verstehen, woher mein pathos kommt, was es soll, ob es ein sicherheitsabstand ist oder ein unverständnis, eine inkongruenz, ein nichtaufeinanderpassen, sodass sprache oder dinge immer eins größer sind als das andere

jetzt muss ich schon wieder los, gregor zum fussball bringen, noch 10 minuten, dann hat david um 17uhr hockey, woanders, heut abend soll ich meiner freundin annette kuss ihr theaterstück filmen, ausgerechnet, ich weiß auch nicht, bloss weil ich mal leute und einen eisbären gefilmt habe (wie herr berger vom rbb mir immer sehr freundlich erklärt hat, was man für bilder braucht im fernsehen, geduldig und freundlich, immer wartend, ob ich denn verstanden habe, in vergleichen sprechend, das nennt man) und ich will es lieber einfach nur angucken.

der hauptfilm heute war aber der besuch im großsupermarkt gesundbrunnen, alles riesig, nur die waren sind vertraut.