keine zeit mehr zum bloggen, seitdem ich einen job in einem büro habe. fehlt mir, muss ich irgendwann anders unterbringen. in dieser ersten umgewöhnungszeit habe ich abends keine vollständigen sätze mehr im kopf.

gestern mit den kindern tagesschau geguckt, libyen erklärt. sie fragen die ganze zeit, was ist ein diktator, wie groß ist die wüste, warum schießen die, warum hat in ägypten keiner geschossen. in libyen leben nicht einmal doppelt soviele menschen wie in berlin, das beeindruckt sie und mich. machtverhältnisse in diktaturen sind einfacher zu erklären als die in demokratien. danach gucken wir zusammen glee, die jungs lieben es.

noch immer husten. ein harter winter ist das, der tank auf reserve, kinder auch immer wieder krank, der monat februar nimmt nur und gibt nichts.

berlusconi hatte gesagt, seine zu junge freundin ruby sei eine cousine mubaraks und müsse sofort aus dem knast gelassen werden, warum? ein selbstverständnis und ein machtalltag, bei dem grenzen schon nicht mehr wahrnehmbar sind und die millionen ungestört fließen, wie eine fahrstuhlmusik. ich bilde mir ein, sein gesicht wäre wächserner, seine stirn knitteriger, sein lächeln maskenhafter geworden, seit ägypten und tunesien in bewegung geraten sind, oder vielleicht veröffentlichen repubblica und corriere mehr dieser bilder, keine ahnung, ob es in italien auch eine masse braucht, um den boss zu stürzen, man will das nicht mal hoffen. die masse will wachsen (e.c.), sie flackert seit jahr und tag durch facebookgruppen, aber sie ist und bleibt unsichtbar.

zwischen der aufregung um ägypten dann mit den jungs auf der couch, simpsons gucken, tv aus, liegengeblieben, gregor singt e’mma und will es hören, danach mit dem noch hochfiebernden großen im arm durch youtube gestreunt, am ende alle ziemlich gackernd hier gelandet, ein paar mal hintereinander, sie kannten es noch nicht!, sogar der große zieht die mundwinkel hoch.

heute ein blöder blöder tag, man will dann, wenn alles, aber auch alles den schlechteren von zwei möglichen wegen geht, dann will man auch mal ein paar teller zerwerfen, weine austrinken, ein paar schlägerein anfangen, ungerecht herumblöken und sich daneben benehmen. ich weiß dann nicht mehr lückenlos genau, wofür, oh mei, für die kinder, die sonnenuntergänge, den sex und den wein, für die musik und die paar guten freunde, für die wunderbaren guten männer, die ich hatte, neben all den sozio- oder psychopathen, es lohnt sich für das wunderbare essen, den kuchen und die pasta und den whisky. aber man, es gibt sone und solche abende.

ich habe jetzt ein gläschen mit intensiv duftenden körnern im haus, aus denen whisky gemacht wird, vielen dank! die nutze ich als geistspender. ich durfte einen sehr sehr leckeren 3mal gebrannten laphroig probieren, und bin dabei den sehr kundigen erläuterungen von mek und k gefolgt. ich will da unbedingt auch einmal hinfahren. mein highland park ist auch ziemlich gut – an die anderen erinner ich mich nicht mehr soo genau, außer an den lagavulin, naja, der auchentoshan hatte auch was. der nächste morgen war weniger katastrophal als befürchtet, man bekommt keinen kater von gutem whisky, bleibt aber überraschend lang diskret betrunken, weit in den nächsten tag hinein.

gestern bei maurenbrecher, sehr schöner abend, diese ganzen lieder, die immer auf eine geheimnisvolle weise so genau passen, sie stimmen einfach kolossal, lauter lieblingssongs, gesungen von maurenbrecher selber und von einem haufen mehr oder weniger musikalischer freunde von ihm. und es kommt direkt vom herzen, wenn jemand ohne professionelle stimme singt, da geht dann immer eine große tür auf (bov! war super!), die ausgebildeten sänger benutzen die wohl einfach nicht, sondern nehmen die technik. am tisch mit alter freundin und lauter 1a-schreibern und bühnenmenschen, die ich lese, aber alle nicht kenne, sehr berlinmässig, es waren aber auch an fast jedem tisch künstler – habt ihr alle was verpasst.

ferner entdecke ich grade das große reich von camenbert. mein kopf nennt sie „wampenzwerg“, schon bevor depardieu in mammut seine nase in einige supermarkt-camenberts gesteckt hat, es sind nette kleine bomben für unterwegs, wegen der reiseverpackung, die wohl im besten fall luftzirkulation zulassen sollte. das zeug ist sehr, sehr lecker. man möchte sie wegessen wie einen apfel, aber dann, aber dann.

in meinem adressbuch haben die leute, die unter „freunde“ stehen, eine kinderrate von 1,06.
39,6% von ihnen haben gar keine kinder, bei denen mit kindern ist die rate bei 1,8 kindern pp.
22,8 % der leute mit kindern haben nur ein kind, 11,4% von ihnen haben 3 kinder.

nach diesem faz-artikel übers kinderkriegen. ich kenn im ernst niemanden, der aus ökonomischen gründen sich für oder gegen kinder entschieden hat – man will welche, oder eben nicht, ätsch, da kommt der staat nicht rein, das ist privatsache. die geldgründe haben vielleicht einfluss auf das alter der mütter und die anzahl der kinder, aber die grundentscheidung liegt bei normal fühlenden menschen nicht im wirtschaftlichen.

vorher „the good guys.“ geguckt, mit punkt, weil mir bradley whitford in west wing so gut gefallen hat. eine bullencomedy, total überdreht, whitford ein absurder testosteron-gesteuerter machomacker, sehr irre nach dem schnellredenden übersmarten politiker in ww. er ist gut, ich habe ihn minutenlang nicht erkannt.

(bored beyond belief)

ich hatte den filmtitel vergessen, als ich mit dem freund ins kino gegangen bin, ich wusste nur noch depardieu. dann diese kamera, die augen des toten schweins am anfang, ich hab ein bisschen einen überambitionierten film gefürchtet, aber es war eigentlich egal heute, bei dem dauerregen, den geschichten vom freund und der angenehmen leichten trunkenheit und ich frei, mit den jungs allein zuhause. und dann zieht depardieu die plane von seinem moped, und es ist eine münch! eine echte alte mammut münch, ein mythisches motorrad aus den sechzigern, und als er es anwirft, hört man den sound so kristallklar und vibrierend, als hätte man sie unter dem hintern. da ist mir dann auch der flmtitel wieder eingefallen. ich habe einen anderthalbstündigen film mit und über diese beiden mammuts sehr gerne gesehen, über einen mann, der seit 40 jahren im jetzt lebt, seitdem die zeit durch einen tragischen unfall für ihn stehen geblieben ist, ohne das ihn jemals etwas richtig einholt, und der auf der suche nach alten arbeitgebern lauter andere unveränderte trifft und wieder verlässt, bis er nach hause findet. der film ist sehr einfach und schön, straight und mit sehr komischen momenten, sich ergebende altersweisheit, der melancholiker, (allerdings bringt eine nebenfigur den film aus dem gleichgewicht, weil sie etwas aufdringlich behindertes an sich hatte, eine überbunte skurillität, die den blick bindet und einem die neugierde nimmt auf die hauptfigur, sie ist glaube ich in toto überflüssig für den film, sehr merkwürdig, als hätten sie der leichtigkeit von depardieu, leicht mit diesem bauch! nicht getraut) – aber ich muss eh gestehen, mir hätte das moped schon genügt, um den film sehr zu mögen.

wobei ich schon mal mit einem nsu prinz herumgefahren bin, der gehörte einem freund in italien, und die münchs hatten ihren motor aus diesen autos, alle vier zylinder nebeneinander, ein wagen mit diesem eckigen und unrunden 70ziger-charme.

danach wiener würstchen im schusterjungen, von dieser hinreissenden kellnerin bedient, die gleichzeitig erfahren und schön, offen und verträumt aussehen kann.

heut morgen am frühstückstisch, 2 von 3 kindern schniefen und husten, erzähle ich ihnen vom prinzip abhärtung und kalte dusche. und ehe ich einen zweiten satz anfangen kann, ist gregorzwilling aufgesprungen, reisst sich die kleider vom leib und steht innert 20 sekunden kreischend unter eiskaltem wasser, hüpft wieder raus, lässt sich abrubbeln und sagt: „aber nachher wird einem ganz warm!“, zieht sich wieder an und ist aus dem haus, insgesamt vielleicht 4 minuten dauert das. er wird einfach schneller werden als sein immunsystem.

in der schlange vor mir ein schmaler mittelalter punk mit großer neuer gucci-reisetasche. auf den vielen treppen im flughafen schönefeld rutscht ihm die hose jedesmal sauber in den knick und gibt eine komplette blaue unterhose mit weißer ziernaht frei. bin gerührt.

gelernt, im kleid und mit hohen absätzen auf eine vespa zu steigen und vor publikum wieder runter. mein schwager fährt mich zur trauung der freundin und gibt mir eine kleine extratour durch die römische altstadt, er fährt 60, seh ich, es fühlt sich schneller an, weil ich aus der übung bin, denke ich, aber es sind natürlich miles pro hour, und mein schwager hält eigentlich nie an, wenn er vespa fährt, gleichzeitig zeigt er mir alles wesentliche, und im nachhinein bin ich mir sicher, er hat dazu die hände benutzt.
bei all dieser speziellen zeitlosen schönheit wie immer reflexartig aus- und zurückwandern wollen, meinen vater vermisst, der die stadt kannte wie seine westentasche, und seine liebe nur in der faktendichte seines wissens gezeigt hat, es hörte nie auf, sondern ging immer von der oberfläche (häuser, papstsymbole) weiter und weiter durch die jahrhunderte zurück bis zur römischen frühgeschichte, ein langer fluss, der mich immer nach zwei sätzen langweilte, weil ich ein kind war damals. wir haben nichts behalten davon, ich kenne die namen der gebäude und weiß ein paar zeitmarken (die trajanischen kriege!), für meinen vater war die ganze stadt eine solide steinernde oberfläche für seine bildung, sie brauchte keine gegenwart, das war alles lang bevor man bemerkt, dass die eltern eine existenz wie jeder andere haben, mit vorgeschichte und anderen prioritäten.

im petersdom sitzt eine familie, vater mit zwei kindern, er liest aus einem touringführer vor, die frau neigt ihren kopf zu ihm, sieht aber den anderen touristen hinterher, die kinder gucken verträumt auf den marmorboden.

im campidoglio wird die braut vom vater durch den saal und durch die gäste nach vorne zum beamten geführt, wie in der kirche, der beamte trägt eine breite schärpe mit den nationalfarben über der brust.

ich knipse vorher die säule des trajans für die jungs, denen ich vor jahren mal piranesi-zeichnungen der reliefs in der gemäldegalerie gezeigt habe und hoffe, dass sie das bild wiedererkennen, ein sentimentaler versuch.

nachts bei der party am meer die füsse ins wasser gesteckt, sehr schräges huch!-gefühl dabei, weil der unterschied so groß ist zu meinem alltag, aber auch so eine kleine nichtidentität, weil ich das bewusst speichere. andrerseits beeindruckt mich jedes meer. also: warme brandung, danach sand in den schuhen, wir feiern an der luft in einem strandlokal, es weht ein kräftiger scirocco und die band hat eine zampogna dabei, eine tote ziege, die man blasen kann wie einen dudelsack.

12

ich bin die nacht nicht da geblieben. um halb zehn hab ich elias genommen und mich vom freund in in die wohnung fahren lassen, das finde ich inzwischen am schlimmsten, ich hab ihn allein gelassen. mein schwester sagt, hunde würden wie alle tiere lieber allein schwach und verletzlich sein, die tierärztin formuliert es ähnlich: „solange sie da sind, reisst er sich zusammen, aber er braucht ruhe.“ wir schlafen nicht gut, morgends sagt jemand am telefon: es ist immer noch kritisch, wir haben ihm blut abgenommen, rufen sie später wieder an. später ist irgendeine visite oder so, eine stimme sagt, man wird mich zurückrufen. ein halbe stunde später ruft mich die ärztin an, die jack gestern abend aufgenommen hatte: jack ist heute nacht gestorben, sagt sie, wir wollten ihn grade operieren, er hatte sich die lunge verletzt und es gab diffuse blutungen auf dem röntgenbild, sie wollten luft rausholen oder blut oder so etwas, oder luft reinlassen, ich habe das nicht verstanden, und er sei kurz vor dem eingriff gestorben, sie sagt: als hätte gott ihn vor der op zu sich geholt, um halb eins in der nacht auf den montag. mir laufen die tränen los, noch während sie spricht, elias sieht mich dabei an und beginnt sofort zu weinen: er ist tot! er ist tot! schreit er. mein wunderbarer hund ist tot.

er war am tag zuvor mit einem riesigen und vollkommen überraschenden sprung über eine dicke mauer in den graben um die nürnberger stadtmauer gesprungen, er ist dabei 12 meter tief auf einen asphaltweg gestürzt, wir standen oben, elias schrie, jack ist direkt vor seinen augen gesprungen, der freund schrie, wir dachten erst, einer der zwillinge sei in die tiefe gestürzt und ich war schon voll im katastrophenmodus, der die sekunden zieht und dehnt, ich stand vielleicht vier meter weg von der mauer und meinen söhnen, und musste meinen kopf erst hindrehen, es dauerte endlose sekundenbruchteile, die kinder alle zu orten, alle sicher, es war der hund, und dann kamen wir nicht runter zu ihm, wir mussten erst umständlich bis zum ende der stadtmauer laufen, jack lief dabei unten herum, ganz langsam, aber auf allen vier beinen, schwanz eingezogen, kopf gesenkt, leicht hinkend, aber er lief, und ich dachte irgendwie, es wäre aus einem absurden wunder heraus gut gegangen. der freund hat sein auto geholt, seine frau hat die zwillis mitgenommen, wir wurden mit jack in eine tierklinik gefahren, nur meinen großen sohn habe ich noch mitgenommen, weil er die tiefste bindung zu jack hat und alles unmittelbar miterlebt hat. ich habe meinen hund aus dem graben zum auto getragen und vom auto in den fahrstuhl, er war zu schwer mit seinen 30 kilogramm, ich muss mehr sport machen, dachte ich nach ein paar metern. als wir auf siggi und sein auto warteten, haben wir uns auf den bürgersteig um jack herum gesetzt, er stand da, benommen und verlangsamt, mit gesenktem kopf, zitternd, er hatte nur einen winzigen blutfleck am zahnfleisch und seine zunge wurde ein bisschen bläulich, aber er sah relativ unversehrt aus, nein, falsches wort, unzerbrochen.

nach dem anruf mit der todesnachricht am morgen hat mich der nürnberger freund, ein wunderbarer freund übrigends, der aber auch alles richtig gemacht hat in dieser fürchterlichen traurigen geschichte, und der uns mit seiner frau durch den ganzen schrecklichen tag gebracht hat, mich und die kinder, er hat uns alle in die klinik gebracht, weil ich jack nochmal sehen wollte, aber nicht auto fahren konnte. wie in einer menschenklinik haben sie uns in einen kleinen raum gebracht, und dieselbe ärztin vom abend und der nacht zuvor brachte meinen hund herein, auf so einem wagen, mit halboffenen stumpfen augen. er sah sehr groß aus, als er tot war, ich habe seine pfoten bewegt, es ging noch, und überlegt, ob ich versuchen sollte, seine augen zu schließen, wie das die amis immer in den filmen machen, dabei immer noch der impuls: ich nehm ihn jetzt mit, und wir kriegen das wieder hin, elias weinte wie wir alle und sagte immer: kann man ihn nicht wiederbeleben, bitte mama, er soll wieder leben, und ich immer: er ist tot, jack ist tot, weil mir sonst nichts zu sagen einfiel.

jetzt, ein paar tage später, habe ich ihn vollkommen verloren, nur eine art körperschatten von ihm hängt noch im alltag, ist noch da, ich erwarte seine schritte, sein bellen, den klugen und jungen blick und das vertraute gewicht am fussende meines bettes, seine lange schöne nase, seine spielaufforderungen, ich habe noch den jack-muss-raus-impuls und will nach seinem trinkwasser sehen, die gewohnheiten sind geistlos und zählebig, aber seine seele ist vollkommen weg, ganz weit weg, total verloren, und ich ertappe mich beim nachdenken darüber, wo um alles in der welt die wunderbare seele meines hundes jetzt ist, wo ich doch nichts mehr davon spüre, er war so präsent in meinem leben. und ich hätte sie gern wieder, er fehlt mir sehr. elias in den ersten tagen immer: er soll wiederkommen, mama, ist er wirklich tot? er soll wiederkommen!

wenn bei allen angerufenen das besetzt-zeichen ertönt, rufe ich immer erst einmal einen freund an, der nie telefoniert. wenn da auch besetzt ist weiß ich, es liegt mal wieder an freenet/1&1. bei 1&1 ganz neu und eher frech, grad eben: „lieber kunde, diese nummer ist nicht vergeben“.

der moment, wenn die sonne fast untergegangen ist, der regen feiner wird und die scheinwerfer der autos auf der gegenfahrbahn in helle lichtwolken verwandelt, sie sehen kompakt aus, wie eine kinderzeichnung. die autobahn in einem spiegelnden glanz, etwas heller als der himmel, die spuren nicht mehr unterscheidbar, alles glitzert. ich fahre 160 und merke es gar nicht, mit jeder zelle im jetzt.

dann wird in nur wenigen minuten der regen zu dichtem schnee, die temperatur sackt von 7 auf -1 grad, der schnee unter den reifen gibt ein leises aquaplaning-geknatter von sich, der wagen liegt nicht mehr auf: die einzige wetterlage, die mich eher nervös macht. inzwischen ist es ganz dunkel geworden. später gleichzeitig das schild Berlin 89 km und ein wagen, der mit einem dreher im graben landet, wie ein tusch: wusch, es sah schnell und elegant aus, er kippt auf die seite am ende. ich bin müde nach einem langen tag und habe gar keine lust auf so einen unsicheren untergrund.

überhaupt noch nie einen winter so satt gehabt wie diesen, echt, mal unter frauen: die trockene luft, die trockene haut, die menge an feuchtigkeitscreme, die aufgeladenen haare immer, die handschuhe und mützen und schals, die dicken jacken. die klobigen schuhe.