musik jwd in spandau

heute spielt glen hansard am anderen ende der stadt. ich weiss noch, wie überrascht ich über den film im kino war,  er hat mich damals auf eine sehr schöne weise geerdet, und ich habe erst beim zweiten sehen verstanden, was mich daran melancholisch macht: ich vermisse dieses, jawaseigentlich, dieses sich näherkommen in den zwischenräumen, geschichten, die nicht immer auf beziehungen oder dramen hinauslaufen, nichtmal auf sex, wo zwei leute einfach gern zeit miteinander verbringen und in diesem atemzug vor der entscheidung stehenbleiben, vor dem ja, der umarmung, dem chaos, dem möglichen alles oder nichts. es soll wohl genauso ein musik-  wie ein liebesfilm sein, die songs haben einen tick mehr gefühl und hingabe als alles, was man sehen kann im bild, mehr körper. es hat mich an früher erinnert, als das häufig so war, das nicht weitermüssen und mal eine nacht zu fuss durchlaufen, in geschichten, die einfach wieder aufhören, weil es nicht hat sollen sein oder weil der tag anfängt, und trotzdem fehlt nichts, denn es ist immer noch zeit.

falling slowly hiess das stück von den beiden, das sofort diese paar tiefen saiten anschlägt,  ist schon eher dick aufgetragen, aber manchmal … ich kann das lied gar nicht hören manchmal. mit der frau aus dem film, marketa irglova, hat der sänger jahre zusammengearbeitet, der soundtrack stammt auch von ihnen beiden. ich gehe nicht mehr selbstverständlich auf solche konzerte, weil ich mich schlecht wehren kann gegen musik, aber der mann soll gut sein, heisst es.

jetzt hätte ich heute doch zeit und es gibt vielleicht noch karten, aber es soll regnen – ich könnte auch zuhaus bleiben und das F üben, dann kann ich den heulersong irgendwann mal selber spielen – wieder eine frage, die sich früher nie gestellt hätte, weil freiluftkonzert immer besser war als fast alles andere.

… und dann bekomme ich über facebook eine karte für herrn hansard und wunderbare gesellschaft fürs konzert geschenkt. lucky me & summertime & berlin. falls er den song oben singt, werde ich trotzdem heulen.

gewitter

sie kamen fast täglich herunter, sie können der hitze tatsächlich etwas anhaben für ein paar stunden, sie füllen den raum bis zum horizont und ändern alles für eine weile, vor und in der nacht. wenn es dunkel wird, wenn die mücken rauskommen und die grillen, dann zieht es sich einfach zu, es gibt ein grummeln und nervöses wetterleuchten davor und eine träge anspannung im herzen.

wenn man auf dem balkon steht, ist der ganze see und die berge bis zum horizont ein einziges riesiges spielfeld für wolken und wetter, sie sind nicht schnell, sie haben keine eile, es ist kein kampf, es ist eine eroberung, es wird passieren. diese eigentümliche ruhe, wenn alles klar ist, die menschen stellen sich unter, das auto lieber in die garage, könnte hagel geben wie gestern, emma will auf den schoss.

die luft wird tiefgrün, ein weiches, elektrisches grün, dass es vielleicht nur im menschenblick gibt, wer weiss das schon, es wirkt wie für uns gemacht, man möchte sich einkleiden darin, es singt just for once, I want to make you mine, dann kommen böen auf, wir verlieren die kontrolle und die großen bäume legen sich quer, die liegstühle fliegen herum, wer jetzt rausgehen will, um laut zu brüllen, ist willkommen, man hört es nicht lange, aber das gewitter ist noch nicht da,  es ist nur zu spät, um wegzulaufen.

der himmel ist tiefgrün und bewegt sich schnell, die blitze kommen von weit und sind gewaltig, scharf und genau gezeichnet, drumherum flackert es minutenlang, der see wird dunkel und trüb, wie ein samttuch, nichts entkommt, man will ihn anfassen, aus sicherem abstand. das unwetter  kommt näher wie eine wand, in ein paar langen atemzügen ist es um uns rum und man sieht gar nix mehr, der see verschwindet, ist hinter der  schweren luft nicht mehr zu sehen,  der regen klatscht in großen strömen herunter und macht alles nass und glänzend, das große rauschen ist um uns wie ein kokon, dann kommen diese irren donnerschläge, mit denen man irgendwie nie rechnet, obwohl schon die blitze laut zischend runterkommen, es donnert, als würde jetzt gleich ein monsterjumbo die schallmauer durchbrechen, direkt über dem kamin, und alle, alle haben kurz angst, dass ihnen der himmel auf den kopf fällt und ich kriege immer eine gänsehaut, weil die welt so groß ist und der mensch so klein. dann wird es langsam wieder ruhiger, man kann kurz rausgehen, der regen ist kühl und frisch auf der haut, die luft nicht mehr stickig, ich kann mich ins bett legen, paar kinder und einen hund auf dem bauch (immer) und dem regen zuhören, der die ganze nacht weiterrauscht, bis ich eingeschlafen bin.

und am nächsten morgen ist immer nix gewesen.

(dabei war es wie bei erhardt, wirklich. )

 

harfe

und wie wir dann zu einem harfenkonzert eingeladen wurden, in einer kleinen sehr alten kirche sehr weit oben auf einem berg über caldé, es spielt die frau eines mitschülers aus mailandzeiten. well, dachte ich, so etwas wie nachbarschaftsmusik, da möchte jemand mal vor fresken aus dem cinquecento spielen, und es kommen lauter freunde, aber gern. und dann stand dort eine sehr schöne harfe mit dreifachbesaitung, wobei ich gute und billigharfen nicht unterscheiden könnte, gibt es sowas überhaupt? die spielerin setzte sich, sie war strahlend schön und sehr souverän. nach den ersten paar takten habe ich gehört, mit dieser seltenen prickelnden  überraschung, das ist was anderes, das ist musik – die kann das richtig. harfe hat viel ähnlichkeit mit einem cembalo, sie klingt filigraner durch den fehlenden klangkörper, wobei die kleine kirche genügend resonanz gegeben hat. sie hat alte musik gespielt, vorbachsche komponisten, ich kannte kaum einen davon. nachher beim wein habe ichs dann begriffen, nachdem ein paar freunde die kostbare harfe mit taschenlampen den bergweg wieder runtergetragen hatten, also verstanden, dass sie eine weltklassemusikerin ist, die gerade mit genau diesem konzert auf europatournee ist. lucky me.  sie ist professorin am hanns eisler für harfe,  klar aufregend, aber das schöne an dem abend war der weg in die aufregung nur durch die musik, ohne vorwissen oder erwartung.

venezia bella

venedig ist die unglaublich detailreiche oberfläche von allen möglichen und unmöglichen geschichten, die dort passiert sind, vor hundert jahren, als die stadt noch kein disneyland war. die vergangenheit atmet noch, sie stinkt und schimmert in allen farben, die tourimassen so ein farbstrom in einer langzeitbelichtung, dahinter sehr schweigsame häuser, darunter das wasser. wir laufen einfach kreuz und quer durch die gassen und über die brücken, ich will mit den kindern durch die stadt zum markusplatz, den sie aus filmen schon kennen, über die rialtobrücke, einfach herumlaufen. wir haben nur ein wochenende, zuwenig zeit für anderes als entspanntes herumtreiben. fürs nächste mal mit mehr zeit habe ich mir eine venedig-führung an der hand von corto maltese vorgenommen, dem ich jederzeit überallhin folgen würde, durch pratts menschenleere stadt mit ihren magischen bewohnern, geheimnisvollen frauen, gefährlichen männern, alten und neuen mächten. es gibt diesen führer schon in mehreren ausgaben, er soll sehr genau und aktuell sein, im shop vom guggenheim lag er, als einziger seiner art.

ich bin sicher, alles könnte genau so passiert sein, wie pratt es zeichnet, die ganzen abenteuer, die  gerade hinter den schweren gardinen zum canal grande stattfinden, damit sie einem zustossen, muss man dazugehören, also einen platz haben in einer dieser alten bedeutungshierarchien, alt im sinn von: nicht mehr änderbar, vermutlich endlich, daher die melancholie. beziehungen haben, den städtischen strukturen ein persönliches netzwerk überziehen können.

wir laufen im gänsemarsch durch die gassen, immer den schildern nach, die den strom zu den hauptsehenswürdigkeiten führen, für so einen spaziergang auf der oberfläche genügt ein wochenende vollkommen. wenn man abbiegt, ist oft nur ein dickermannsbreiter raum zwischen den häusern, man landet dann am wasser und kommt nicht weiter, oder ist nach ein paar weiteren metern vollkommen allein und sofort verloren, weil die gassen den häusern folgen und nicht umgekehrt.

es ist die festa del redentore, gegen 18-19 uhr laufen wir über die ponte accademia zum dorsoduro,

– das heisst harter rücken, es könnte auch ein kräftiger fußrücken sein, braungebrannt und stabil, oder so ein zäher männerrücken, auf dem man städte bauen könnte – erst grad beim suchen entdeckt, diesen namen, gleich verliebt. dorso duro.

dann weiter, bis wir am wasser stehen. die jungs hopsen dann schamlos zwischen den vielen dort sitzenden menschen durch, bis wir ganz vorne an der punta della dogana ein paar halbe quadratmeter finden und die füße ins wasser halten könnten, so nah ist es. warten, mit getränken, keksen und leone-pastillen, die kinder spielen uno mit einem französischen päarchen. es wird nacht über einer großartigen kulisse, wir sitzen gegenüber vom markusplatz.

wir haben 2 einhalb sehr viele stunden zeit, es soll um 23:30 beginnen, die lagune füllt sich nach und nach mit hunderten von kleinen booten und gondeln und fischerbooten und polizeibooten und und, dicht an dicht, alles, was schwimmen kann, ist heut draussen, es fehlen nur glam und lucky mit schlauchbooten, sonst sind alle da, mit familien, freunden und touristen durcheinander.

und dann beginnt das feuerwerk, mein erstes überhaupt. alles vorher war nur geböller. wir stehen mit offenem mund und sehen 400 jahre tradition, von 5 weit auseinander liegenden  flössen aus über der guidecca und san giorgio maggiore in die nacht geschossen, eine unglaubliche vielfalt an farben und formen, choreografiert und mit perfekter handwerkskunst ausgeführt, über 45 minuten lang.

dabei stehen wir ohne gedränge direkt am meer, zwischen uns und dem feuerwerk nur ein paar reihen menschen und viele boote, am himmel die sterne und ganz weit oben ein riesiger vollmond. hammer romantisch, wie elias sagte.

zurück brauchen wir anderthalb stunden im dichten gedränge,

 

von der accademia-brücke aus kann man hunderte von bootslichtern sehen, grün und rot, die wieder nach hause fahren. es ist natürlich total voll, ein volksfest im besten sinne, wir brauchen ewig für den heimweg. zu fuss durch s. marco, immer die hauptstrassen entlang, bis wir morgens um halb zwei in cannareggio ankommen und ins bett fallen, sehr müde und sehr zufrieden.

sonntags sehen wir uns noch die chiesa del redentore an, mit der davor liegenden und offenen flossbrücke rüber nach venedig, die kirche als dank für die erlösung von der pest gestiftet und von palladio erbaut, die flösse immer nur an diesem wochenende offen. es ist zu heiss zum drüberlaufen, für die jungs sind die schlauchboot-fahrrad-hybriden viel spannender.

am letzten tag fahren wir mit den wasserbussen eine weile einfach hin und her, ich möchte nach murano, einfach um den kindern ein bisschen glaskunst zu zeigen. die insel ist heiss und schattenfrei, in einem hauseingang steht ein schild mit einem pfeil zur werkstatt, dort zahlen wir pro kopf einen euro für eine kurze führung und sitzen dann in einer alten leeren werkshalle, vor großen glühenden öfen. ein paar alte männer zeigen ihre kunst, ein bisschen müde natürlich, aber noch nicht verzweifelt, bilde ich mir ein, die kinder sehr begeistert, in ein paar sekunden entstehen vasen und ein sehr feingebautes und lebensechtes pferd aus klarem glas.

das glas überall in den schaufenstern ist viel traditioneller als erwartet, es gibt wenig wirklich aufregende dinge, immerhin erfreulich viele quallenskulpturen, aber die starke touristische orientierung der glaskunst ist offensichtlich.

 

ich sehe ein paar wunderbare dieser traditionellen stücke, gewaltige leuchter mit wunderbaren kerzen und blumen. die leuchter werden aus den werkstätten heraus auf lastkähnen verschifft, was sonst, das versöhnt einen schon wieder mit fast allem.

ich liebe muranoglas, werde irgendwann einen rosa-hellblauen leuchter der jahrhundertwende erben, der zu nichts sonst passt außer zu sich selber. in der stadt   gibt es zwischendrin viele ecken mit einem anderen, zeitgenössischem und ironischem venedig, man läuft dran vorbei, die studis und architekten und denker wie der ehemalige bürgermeister cacciari müssen ja auch irgendwo arbeiten,  aber bei einem kurzbesuch mit kindern sehe ich kaum etwas davon, in der ein bissken ahnungslosen suche nach dem literarischen und ewigen venedig meine ich in jedem kontrast zum tourikommerz etwas davon zu entdecken, obwohl es vielleicht doch nur der verfall ist, das sich aufgeben, bzw. kein geld für farbe.

dann ein aus der zeit gefallener ort, ein buchladen, in einer ecke nur 2 meter neben dem strom, ohne schild, mit einer neonröhre weit oben in der decke, staubigen stapeln mit alten uni-büchern über die geschichte der dogen, des handels, der seefahrt in der stadt, der buchhändler ein großer mann hinter einem alten pc-monitor, von dem er nicht aufsieht. im laden gibt es keine farben, das licht ist schwarz-gilb, aber das fällt gar nicht sofort auf, weil ich mir so fremd vorkam dadrin, ich hatte meine ganze geschichte dabei, aber die war nicht gefragt, ich war gemeint plötzlich, ich war dort, hätte etwas tun oder sagen müssen, die anonyme schnelle masse draussen war ganz weit weg. wenn ich das passwort gewusst hätte, dann wäre ich verschwunden und in einer anderen geschichte wiederaufgetaucht, aber ich habe die alten bücher wieder hingelegt, meine postkarten bezahlt und bin wieder rausgegangen, wegen der kinder und weil ich mich dem nicht ganz gewachsen fühlte, missing corto.

 

venedig lohnt sich, man muss ein gewisses zen-dingens mitbringen, aber die ruhe im chaos zu finden ist ja eine allgegenwärtige fähigkeit (smartphone gucken im bus). man sollte viel geld dabeihaben, weil das geld irgendwie unbemerkt verschwinden kann dort, und man sollte unbedingt versuchen, vom weg abzukommen.

 

lago

wir fahren an den lago und sind ne weile nicht erreichbar.

( ich wollte den dortigen telefon-vertrag aus den siebzigern, beim vor-vorläufer des jetzigen telkomkonzerns, von 5h netz im monat auf eine flatrate raufsetzen, diesen wunsch  mûsste ich, wie man mir letztes jahr mitteilte, einen monat vorher anmelden. wie sich herausstellt, kann man sie von deutschland aus nicht anrufen, so steht es in der antwortmail, sehr 18.jh.  irgendwie, auf die bitte, mir auf meine mail mit einer mail zu antworten, kamen nur noch automatische absagen mit der bitte, sie doch anzurufen. sehr tiefe provinz, aber mit wunderbarer aussicht, bis zum monte rosa an klaren tagen.)

sonst nix. guten sommer allerorten!

way away

war neulich im nature theater of oklahoma, romeo and juliet im HAU. in einem teil des stückes haben die beiden schauspieler einen dialog geführt zwischen sex und gefühl, mann und frau, nicht über gesellschaft und projektion, sie haben als stimmen der unterschiedlichen wünsche gesprochen, und irgendwann sagte die frau, sie wolle mal der neediness den stab halten. oder brechen? brechen. beifall im publikum.

ankleiden, weitergehen

zu voller kleiderschrank.  ich weiß nicht, ob die alten sachen noch funktionieren, ob ihr subtext mir noch gehorcht, beim anprobieren ist alles fremd,  ich möchte asphaltgrau oder kobaltblau tragen, knielang, schmal, ich möchte nur sichtbar sein, wenn ich sprechen will, ich möchte sein wie die nächste ebene, jemand, der erst nicht gesehen, dann aber erkannt wird, dem man dann zuhört, das shifting alle paar jahre, wenn körper, alter, kleidung nicht mehr zueinander passen, wie ich dann immer am liebsten nur männerklamotten tragen möchte, jeans, hemden, verwaschene t-shirts, chucks, ein zwei wertvolle schmuckstücke.

wie ein kleid immer verweis auf den körper als frauenkörper ist.

vor ein paar jahren auf einer fahrt ins grüne hatte ich mal keine lust darauf, mit den freunden nackt draussen zu duschen, nicht aus scham, sondern weil es doof ist, wenn der einzige blick auf den körper ein nicht ganz unvoyeuristischer oder, von den frauen, ein vergleichender blick ist. keine liebe, baby.

warum mir das heut einfällt: weil ich frau kittys kleid wunderbar zeitlos schön finde und weil frau engl heut eins trägt.

 

 

this song

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

immer wieder der wunsch, einfach mal reinzuhauen, das double-bind kurz und klein zu schlagen, dann aufstehen, elegant den raum verlassen, kein blick zurück. stattdessen sitzt man da so nebeneinander und registriert die aggression, das trockene land ringsum, die fast vergessenen wünsche, eingelegt im regal. dabei einen satz nach dem anderen wegstecken, wie schnell das lächeln wegtrocknen will und nicht darf, weil wir sind okay miteinander, ganz aufgeklärte mittvierzigerin, mit all den allen- und almodovarfrauen auf der couch, die weingläser voll, die stimmung ein bisschen wild und ein bisschen traurig, dabei staunenswerterweise noch immer darüber verwundert, dass wir tatsächlich so gar nicht gesehen werden. jetzt eine melancholische kippe, könnte ich natürlich wegverstehen, aber warum sollte ich? sie schmeckt wunderbar.

woche mit nur einem kind. sonntags machen wir einen langen hundespaziergang zusammen und plaudern dabei über dies und das, treffen im mauerpark freunde von mir und dann freunde von ihm, gucken touristen und karaoke, am ende essen wir ein stück kuchen. sehr schön.

es ist so still alles in der wohnung, sie bleibt ordentlich, kaum wäsche, kaum pläne. wir wollen uns diesen neuen zombiefilm anschauen, ich kaufe einen monat watchever, er will dort „300“ sehen, dass neulich auf einer übernachtungsparty lief und kann den trailer schon mitsprechen. wir nehmen uns ab morgen vor, täglich mehr zu üben, er vokabeln, ich gitarre. die wette, ob er jetzt schon über oder noch unter 1,80m gross ist, gewinnen wir beide, weil sich mit dem zollstock keine millimeter festlegen lassen. wenn er misst, sind es 1,81.

esoeck

am wochenende wieder einen „sowas liest du?“ -kommentar auf irgendeine bemerkung zum herrn der ringe, dabei die zweischrittige reaktion von kleiner kontextfreier freude, für etwas besseres gehalten zu werden und dem ärger darüber, wenn jemand tolkien in die ecke gebrauchs- oder bedürfnisliteratur steckt. ich sage nächstes mal, dass ein leser für tolkien phantasie und vorstellungskraft braucht, und den mut, sich vorbehaltlos und ohne leine in eine neue welt zu werfen, in der nichts vorausgesetzt ist.

wie leicht nach son paar lebensjahrzehnten der aufrechte gang fällt, immer nach vorne, immer mittig auf dem seil, kein blick zurück, schwächeln nur bei freunden, guten, echten freunden, ein hoch auf euch, alte wie neue.

kein blick zurück ist natürlich ein superblödsinn, ich glaube, meine hypophyse hat hinten augen, der rückblick läuft immer so mit wie ein flirren, eine unschärfe, und wer weiß schon immer, ob er hin- oder wegläuft.

der große hat die blättchen von meinem familienfesttabak geklaut. geärgert, aber zu faul gewesen, extra loszulaufen. nicht geraucht, erfolgreiche strategie. ich werde nicht meckern, denn er ist verliebt, das merke ich daran, dass er unter seinen füßen immer ein paar millimeter luft hat und alles an ihm der schwerkraft nicht mehr ganz gehorcht, sogar sein jungslächeln ist ein bissken woanders.

ein nicht besonders erwähnenswerter vorteil des nasskalten wetters: weniger stress mit haarentfernung.

grad keine genaue ahnung über blogthemen, ab morgen werde ich relevant und merkbar, momentan nicht mal merkfähig, ich vergesse auch wichtiges und bin wie so ein alter mensch von erinnerungsblitzen geplagt, an glühendheisse strassenzüge in kreuzberg, ich mit einem irren texas-feeling auf dem alten dreigangrad mitten auf der strasse, ewigkeit für einen nachmittag, um eine schöne formulierung aus bachmanns gutem gott in manhattan zu zitieren. mehr ewigkeit braucht kein mensch. das heißt es sind keine blitze, es ist doch eher ein wetterleuchten, alles in allem vielleicht einfach ein zeichen für das unhaufhaltsame näherkommen des großen sommertieres, das kommt ja immer, auch wenn es hier im norden manchmal nur ein arg kurzes leben hat. der sommer beginnt jedes jahr, wie drüben bei glam angemerkt, in der magischen nacht auf seinem balkon, diesmal waren es sogar zwei parties in einer nacht, beide sehr aufregend und fein.

KW 21

gemerkt, dass mich dieser winter auf diesen sommer vorbereitet hat, mir genügt das grün. der balkon verblüht, ohne dass man dort sitzen könnte, der campari im kühlschrank ist noch voll, vom sommerziel italien höre ich auch nur regen, aber es stört nicht wirklich, weil die tage so voll sind. ich kaufe keinen sommerregenmantel, das wär schlechtes karma. im hotel mama haben sich 4 grosse und 2 kleine regenschirme zusammengefunden, keiner davon gehört uns, aber ich kann die jetzt passend zur kleidung wählen. rot, schwarz, grün, blau und grau.

kosten, kosten, wo man hinschaut, 2x sommerrüste, steuern, offene betriebskostennachzahlung, anwältin, nachhilfe, kinderklamotten.

heut früh den grossen um 8uhr auf dem baseballplatz abgeliefert, weil die bvg samstags da nur selten hinfährt, nach dem (gewonnenen) turnier das kind zu einer jugendweihe in schildow gebracht, ungefähr so weit draussen wie gregors neue schule, sehr weit draussen also, mitten in der pampa, noch nicht alleen-gegend, aber fast. mir vorgestellt, dorthinzuziehen, wenn wir den schulplatz nehmen müssen, in diese eigentümliche nicht fisch-noch-fleisch-tristesse der stadtrandbezirke, gemerkt, wie sehr ich mit meinem stadtteil identifiziert bin, wie verloren ich mir dort vorkäme. von den umzugskosten könnte ich wahrscheinlich ein paar monate einen schulbus finanzieren, beruhigt, weil ich mit meinen prekären beruflichen verhältnissen eh keinen mietvertrag bekäme. dann einkaufen, jetzt noch ein buchladen, dann essensmitbringsel vorbereiten für eine der beiden parties, auf die ich gehen werde, es ist schon 16:38, trockner ist noch voll, wäschetonne und waschmaschine ebenfalls, wie immer, wenn die morgendlichen haushaltstunden ausfallen. wobei der trockner nicht mehr ganz voll ist, weil eins der kinder dadrin etwas gesucht hat, jetzt kann man die frische wäsche auf dem badezimmerboden viel leichter finden. der hund hat fellwechsel, ich hätte heute dringend staubsaugen müssen, um die anfallenden kissenfüllungen wegzumachen, aber wir erwarten eh keinen besuch heute. kein regen immerhin.

grosse freude: emma hat in den letzten paar wochen begonnen, mir meine unterzuckerungen zu zeigen, ganz schüchtern, wie es ihre art ist, sie leckt mir einmal übers handgelenk, so im vorbeigehen. heut früh ist sie zu mir ins bett gehopst, einmal handgelenk, dann ist sie wieder weg, BZ war 60. damit ist das grösste hindernis zu ihrer ausbildung aus dem weg. sie zeigt an. jetzt muss ich mich wieder in die arbeitsschritte einlesen, die ich damals bei jack so erfolgreich angewendet habe, das problem dabei ist die anpassung an ihre persönlichkeit, sie ist viel vorsichtiger und zurückhaltender.

KW 20

die jahreszeit, wo man alten küssen hinterhergoogelt, von einem sylvester vor vielen jahren, aber ich weiss nicht mal mehr den namen, was mich freut, weil es eine schöne erinnerung ist. kinderfreies wochenende, keine pläne, sehr schön.

samstag starkregen (ohne brille sichtbar: schirm; mit brille: kapuze; nicht sicht-,  nur fühlbar: ignore), zum glück knapp vorher laufen gewesen, also musste ich mit dem hund nur noch kurz raus. wintermantel.

ob man hunden das schütteln auf befehl beibringen kann? vielleicht sollte ich aber auch keine weissen teppiche auslegen.

freitag kam ein freund und hat mir aus benn vorgelesen, der grade auf dem tisch lag, weil ich bei goncourt vom stundengott gelesen hatte und ein vages echo hochkam, kein gedicht, glaube ich, und das kapitel aus diesem romananfang ist es auch nicht, vielleicht ein mem der 60er jahre, bachmann?  war es nicht eher etwas mit einem kleinen und freundlich bleibenden triumph, ein der ewigkeit entrissener, ins ordnungssystem und vergänglichkeit überführter gott, die kurze stunde, festgehalten.

yes, obviously im benn weitergelesen: Wer allein ist, ist auch im Geheimnis,/ immer steht er in der Bilder Flut,/ ihrer Zeugung, ihrer Keimnis,/selbst die Schatten tragen ihre Glut.

ein jammer, dass pathos so einen schlechten ruf hat.

den freund und mich hat das gedicht, ein anderes,  ein bisschen traurig gemacht, wir haben dann einen lagavulin getrunken, eine stulle gegessen und von anderem geredet, dann bin ich zu einem abend mit anderen alten freunden weiter in den contadino sotto le stelle, das scheint nachwievor ein lieblingsort für dates zwischen bisschen älteren, weil die beleuchtung so freundlich schwummerig ist. guten wein getrunken und über die nähe gefreut, die ganzen nicht abgeschlossenen geschichten mit brüchen, zweifeln, wünschen, wir sind immerhin im fluss, das ist doch schonmal was, und es hört uns jemand zu.

jetzt einen text lesen, der eventuell zu einem verlag soll, von einem bekannten, nicht ganz glücklich darüber, weil das eigentlich ein job ist, der aber als gefallen angetragen wurde, weil ich bin ja keine lektorin. andrerseits hat er nachhilfestunden angeboten für einen der jungs, mir war das unangenehm, weil er nix wollte dafür, ich werde das kind jetzt hinschicken – diese tauschhandel sind zukunftsmusik, eine willkommene alternative, aber es ist kompliziert, weil die werte so subjektiv bestimmt werden, neulich der anbieter von nachhilfe, der pro stunde um die 25 euro haben wollte, bei dem preis wär ein schnelllektorat vielleicht wieviel stunden wert? und bei 13 euro? oder weg vom geldwert zu einer anderen bedeutung, idealerweise im vertrauen auf werte wie erziehung und takt und anderes altmodisches zeug.

leichter hunger auf die dinge, die ich nicht habe, also auf die nicht käuflichen davon – der andere freund neulich, der von seinen bordellbesuchen erzählt und sich freut, wenn er eine dame findet, die ihren job dort mit natürlichkeit versieht, ist das ein vorteil, den männer haben? mir fehlt eigentlich eher das gehalten werden, so im reellen wie übertragenen sinn, der sex ist dabei nur ein kleiner teil des deals. dem mann fehlt das auch, aber er trennt die beiden radikaler, kauft sich das eine, wartet auf das andere.

Kein Hochgefühl von Räumen
und auch Erlösung nicht,
nur Stunden, nur Träumen –
o gib dein Kerzenlicht.

(Wer allein ist –, G. Benn, Gedichte, Fischer, S. 277 und  O gib –, ebd., S. 337)